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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 26.04.2000
Aktenzeichen: 16 U 32/99
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, VerbrKrG, ZPO
Vorschriften:
BGB § 138 Abs. 2 | |
BGB § 138 Abs. 1 | |
BGB § 142 | |
BGB § 121 Abs. 1 | |
BGB § 123 Abs. 1 | |
BGB § 123 Abs. 2 S. 1 | |
BGB § 537 Abs. 1 | |
BGB § 286 | |
BGB § 288 | |
AGBG § 9 a | |
VerbrKrG § 6 Abs. 3 | |
VerbrKrG § 6 Abs. 3 Satz 2 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
16 U 32/99 3 O 475/97 LG Köln
Anlage zum Protokoll vom 26. April 2000
Verkündet am 26. April 2000
Lech, JS'in z. A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 1999 durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Dr. Ahn-Roth und Appel-Hamm
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 18. Februar 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 3 O 475/97 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Klägerin steht noch ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten in Höhe von insgesamt 55.825,52 DM zu. Der zwischen den Parteien am 11./14.08.1995 geschlossene Vertrag - bezeichnet als "Mietvertrag" - ist wirksam und verstößt weder gegen Vorschriften des BGB noch gegen solche des VerbrKrG, so dass weder eine Gesamt- noch Teilnichtigkeit vorliegt. Die vertraglich vereinbarten Leasingraten - es handelt sich um einen Finanzierungsleasingvertrag, wie noch im einzelnen unten ausgeführt wird - kommen somit nicht in Wegfall, sondern sind von dem Beklagten weiterhin zu leisten.
1.
Für eine Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 138 Abs. 2 BGB (Wucher) fehlen bereits die erforderlichen subjektiven Elemente des § 138 Abs. 2 BGB, wie Ausbeutung der Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche. Hierzu hat weder der Beklagte konkrete Anhaltspunkte geliefert, noch ergeben sich Hinweise darauf aus den Akten.
2.
Ebensowenig vermag der Senat die Voraussetzungen für ein wucherähnliches Geschäft gem. § 138 Abs. 1 BGB festzustellen.
Objektive Voraussetzung für die Annahme eines solchen Geschäftes ist ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl. dazu beispielsweise Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl. § 138 Rn. 34). Zwar beruft der Beklagte sich hierauf in Anbetracht des Vertrages vom 11./14.08.1995 i. V. m. der Auftragsbestätigung der Herstellerin Multimatic vom 21.03.1995, die einen Endbetrag von 97.750,00 DM (Bl. 32 ff GA) vorsieht, da seiner Ansicht nach der Verkehrswert der Maschine, der Grundlage des vereinbarten Leasingvertrages geworden ist, bei Vertragsschluss allenfalls zwischen 37.000,00 DM und 47.750,00 DM gelegen habe. Er kann indes nicht belegen, dass tatsächlich die Anlage in dem hier entscheidenden Zeitpunkt einen Verkehrswert nicht über 47.000,00 DM aufgewiesen hat. Der vom Landgericht beauftragte unabhängige Sachverständige T. hat den Zeitwert für den 15.08.1995 mit 87.339,00 DM (inklusive Mehrwertsteuer) beziffert. Dem liegen nachvollziehbare, überzeugende Überlegungen dieses Sachverständigen zugrunde, der zunächst vom Zeitwert der 1988 gebauten Maschine ausgeht und wertmäßig die Verbesserungen durch die 1995 erfolgte Nachrüstung, die insbesondere wegen der 2. BImSchV veranlasst war, berücksichtigt. In dieser Bewertung sind die üblichen Alters- und Verschleißabwertungen eingeflossen. Hinsichtlich der Nachrüstung ist der Sachverständige vom Einbau fabrikneuer Anlageteile ausgegangen, von deren Vorhandensein er sich bei einem Ortstermin am 13.05.1998 überzeugen konnte. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 02.09.1998 hat der Sachverständige diese Grundlagen seiner Bewertung im einzelnen dargelegt (vgl. Bl. 164 ff d. GA).
Der Beklagte hätte seine abweichende Bewertung im Hinblick auf diese eingehenden Darlegungen des Sachverständigen näher begründen müssen, was nicht der Fall ist. Vielmehr legt er seinem Vorbringen eine "gegriffene Zahl" zugrunde, die sich auch nicht der Höhe nach aus dem vom Beklagten vorgelegten Privatgutachten B. erschließt. Diese Privatgutachter stellt zwar das Vorliegen einiger, seiner Ansicht nach wesentlicher Mängel an der Maschine fest, lässt aber zur Höhe der Beseitigungskosten oder zu einem auf diesen Mängeln basierenden Abschlag für einen Minderwert konkrete Zahlenangaben vermissen. Seine Darstellung, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten habe die Maschine nur noch "Schrottwert" (vgl. Gutachten B., S. 10), ist insoweit nicht ausreichend. Die Aufzählung der von diesem Sachverständigen festgestellten Mängel allein hätte nicht zur Folge, dass der Verkehrswert der Maschine zwangsläufig um oder unter 47.000,00 DM festzusetzen ist. Denn die nur mit technischen Vorkenntnissen feststellbaren Mängel sind für Laien in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung nicht ohne weiteres zu bewerten. Zum Teil bleibt bereits offen, ob es sich um echte Mängel oder nicht lediglich um Erschwernisse bei der Handhabung der Maschine handelt - es wurde vereinbarungsgemäß eine 7 Jahre alte Maschine geliefert -, die sich bei korrekter Vorgehensweise des Bedieners nicht auswirken. Ferner fand die Ortsbesichtigung durch den Privatgutachter erst im Juni 1999 statt, so dass ein Rückschluss dahin, dass die festgestellten Mängel bereits bei Vertragsabschluss der Parteien vorgelegen haben, nicht ohne nähere Erklärungen möglich ist. Der Sachverständige B. hat nämlich nicht dezidiert dazu Stellung genommen, ob die von ihm monierten Mängel bereits zu diesem Stichtag vorlagen. Zum Teil bleibt offen, ob es sich tatsächlich um Mängel einer gebrauchten, älteren Maschine handelt oder ob die vom Sachverständigen als unzulänglich gerügten Abläufe nicht darauf beruhen, dass es sich um eine Maschine handelt, die zwangsläufig zum Teil dem Stand der Technik des Jahres 1988 entspricht (vgl. z. B. Gutachten B. Punkt 4.2.7). Insbesondere lässt das Gutachten eine konkrete, auf den Stichtag bezogene Wertschätzung der Maschine unter Einbeziehung der vermeintlichen Mängel vermissen. Ohne eine solche kostenmäßige Bewertung, die der Beklagte zwar in Aussicht gestellt, jedoch nicht gebracht hat, fehlt es schon an einem Ansatz, die von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen T. ermittelten Werte in Frage zu stellen.
Schließlich sind auch die subjektiven Anforderungen an ein vermeintlich sittenwidriges Verhalten der Klägerin nicht hinreichend dargetan. Zwar ist in der Regel bei einem objektiven Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung auf das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen zu schließen. Die Zulässigkeit eines solchen Schlusses im vorliegenden Fall erscheint jedoch zweifelhaft, da es sich bei den Mängeln, auf die der Beklagte im wesentlichen die Sittenwidrigkeit stützen will, um sämtlich für Laien nicht oder kaum erkennbare Fehler handelt. Der Sachverständige B. hat nämlich ebenso wie der Sachverständige T. zunächst festgestellt, dass die Maschine äußerlich einen guten Eindruck macht. Die von dem privaten Sachverständigen gerügten Mängel lassen sich, wie er selber ausführt, nur mit besonderer Sachkunde erkennen. So konstatiert er, dass die maschinell bedingten Mängel weder vom Betreiber noch von einem Servicetechniker oder einem Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamtes ohne fundierte Erfahrungen erkannt werden können(vgl. Gutachten B., S. 11). Unter diesen Voraussetzungen ist nicht ersichtlich, weshalb der Klägerin oder ihren Mitarbeitern diese geschilderten Mängel bekannt gewesen sein oder grob fahrlässig unbekannt geblieben sein sollten. Gegen ein verwerfliches Verhalten der Klägerin spricht im übrigen, dass die Maschine vor ihrer Auslieferung an den Beklagten noch mit einem nicht unerheblichen Aufwand von ca. 45.000,00 DM nachgerüstet worden ist und dass im übrigen bei Vertragsabschluss sämtliche wesentlichen technischen Daten dem Beklagten mitgeteilt worden sind (vgl. Bl. 33, 34 GA).
3.
Der Vertrag ist auch nicht wirksam wegen Vorliegen eines Irrtums oder einer arglistigen Täuschung angefochten worden und deshalb gemäß § 142 BGB nichtig.
Die mit Schriftsatz vom 10.07.1997 erklärte Anfechtung wegen Irrtums scheitert bereits an dem Erfordernis der Unverzüglichkeit der Anfechtung, § 121 Abs. 1 BGB. Dass der Beklagte den Leasing-Vertrag bereits vorher angefochten hat, ist aus den Akten nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden. Die behauptete Untauglichkeit der Maschine ist dem Beklagten spätestens seit 21.11.1996 bekannt, wie sein Schreiben von diesem Tag erkennen lässt (Bl. 39 d. GA).
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB ist nicht schlüssig dargelegt. Da der Vertrag auf keine besonderen Eigenschaften der Maschine Bezug nimmt, käme eine Täuschung lediglich durch Verschweigen aufklärungspflichtiger Tatsachen - hier auch evtl. durch den Lieferanten - in Betracht. Der Lieferant, die Firma M., ist hier nicht "Dritter" im Sinne des § 123 Abs. 2 S. 1 BGB, so dass sein Verhalten ebenfalls ein Anfechtungsrecht des Kunden begründen könnte (so einhellige Meinung, beispielsweise MünchKomm/Habersack, BGB, 3. Aufl., Stichwort "Leasing" nach § 515, Rn. 45). Dass zur Umsatzerwartung, die der Privatgutachter in seinem Gutachten anspricht, Zusicherungen im Rahmen des Vertrages gemacht worden sind, ergibt sich weder aus dem vorliegenden Vertragstext, noch aus sonstigen Vereinbarungen bzw. aus der vorliegenden Korrespondenz im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss; auch der Beklagte hat derartiges nicht konkret behauptet. Eine etwaige Aufklärungspflicht könnte sich allein auf das Vorliegen der nun in dem privaten Gutachten aufgelisteten Mängel beziehen. Soweit dabei das geringe Fassungsvermögen der Reinigungsmaschine angesprochen wird (10 kg Wäsche statt 12 bis 16 kg), handelt es sich um eine bei Vertragsabschluss bereits bekannte Eigenschaft, da die Auftragsbestätigung vom 21.03.1995 die Daten der Reinigungsmaschine einschließlich einer Füllmenge mit 10 kg wiedergibt (Bl. 34 d. GA). Die übrigen laut dem Gutachten B. behaupteten Mängel sind sämtlich bei einer äußerlichen Besichtigung nicht ohne weiteres erkennbar, sondern erst, wie schon erwähnt, nach Abbau und Auseinanderlegen der Maschine und einer genauen technischen Überprüfung feststellbar. Unabhängig von der Frage, ob die jetzt festgestellten Fehler bereits bei Vertragsabschluss vorlagen und ob diese in Anbetracht des Leasings einer gebrauchten, 7 Jahre alten Maschine überhaupt aufklärungspflichtige Umstände darstellen, ist nichts dazu ersichtlich, dass der Klägerin etwaige Mängel bei Vertragsabschluss bekannt gewesen sind. Denn - wie bereits oben dargelegt - ist zur Feststellung dieser Mängel besondere Sachkunde erforderlich.
4.
Eine Minderung der Leasingraten bzw. des Mietzinses gemäß § 537 Abs. 1 BGB, die den Zahlungsanspruch der Klägerin zum Erlöschen bringt, ist schon aus Rechtsgründen im Hinblick auf die allgemeinen Mietbedingungen des Vertrages vom August 1995 ausgeschlossen.
Der Leasingnehmer kann nach dieser Vertragsgestaltung Gewährleistungsrechte nur gegenüber dem Lieferanten - hier: Firma M. - geltend machen. Ferner ist ihm eine Mietminderung gegenüber der Verpflichtung zur monatlichen Ratenzahlung nach § 6 Abs. 2 der allgemeinen Mietbedingungen versagt. Gegenansprüche des Leasingnehmers/Mieters auf Minderung könnten somit lediglich durch eigene Anspruchstellung, aber nicht als Gegenrecht geltend gemacht werden, was mit den Grundsätzen des § 9 a AGBG vereinbar ist (vgl. Palandt/Heinrichs, 59. Aufl., § 9 a AGBG, Rn. 113 mwN.).
5.
Schließlich verstößt der Vertrag auch nicht gegen § 6 Abs. 1 oder § 6 Abs. 3 VerbrKrG mit der Folge einer Gesamt- oder Teilunwirksamkeit (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VerbrKrG).
a)
Unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Vertrages im einzelnen sind mögliche Formmängel bereits nach § 6 Abs. 3 VerbrKrG geheilt, weil die Reinigungsmaschine dem Beklagten übergeben worden ist.
b)
Eine Teilunwirksamkeit und damit zusammenhängend eine erforderliche Mietzinsanpassung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VerbrKrG kommt nicht in Betracht, da es sich um einen Finanzierungsleasingvertrag handelt, §§ 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2; 3 Abs. 2 Nr. 1 VerbrKrG.
Typische Kennzeichen eines Finanzierungsleasingvertrages, des Normalfalles eines Leasingvertrages, sind die volle Amortisation der Aufwendungen des Leasinggebers, das heißt feste Vertragslaufzeiten und Festlegung eines Restwertes, wodurch sämtliche Kosten des Leasinggebers sowie sein Gewinn abgedeckt sind, ferner die Auswahl der zu liefernden Sache durch den Leasingnehmer, die Überwälzung der Gefahr, der Gewährleistung und Instandhaltung auf den Leasingnehmer (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., Rn. 22, 29 vor § 535; MünchKomm/Habersack, a. a. O., "Leasing", Rn. 4 ff). Hingegen werden bei einem Mietkauf, bei dem dem Mieter eine Kaufoption eingeräumt und die gezahlte Miete auf den Kaufpreis angerechnet wird, die gesetzlichen Rechte und Pflichten der Vertragspartei eines Mietverhältnisses nicht abgeändert.
Der vorliegende Vertrag entspricht in seinem gesamten Erscheinungsbild einem Finanzierungsleasing. Die verhältnismäßig hohen Raten sichern der Klägerin eine Amortisation bereits mit Ablauf des typischerweise langfristigen Vertrages (66 Monate). Die Maschine wurde von dem Beklagten speziell nach seinen Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten ausgewählt und für ihn bereitgestellt. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sehen die zulässige Beschränkung der Gewährleistung des Leasinggebers in der Weise vor, dass er seine Ansprüche auf Nachbesserung gegen den Lieferanten an den Leasingnehmer abtritt, so dass dieser Gewährleistung unmittelbar gegenüber dem Lieferanten geltend machen muss. Der Leasingnehmer ist selbst zur Wartung und zur Durchführung von Reparaturen verpflichtet (§ 8 des Vertrages), sowie zur Versicherung gegen Diebstahl. Die nach Ablauf der 66 Monate zum Erwerb vorgesehene Ablösung von 8.860,00 DM ist verhältnismäßig gering, was ebenfalls für eine Amortisation bereits während der Nutzungszeit spricht. Im vorliegenden Fall haben die Parteien dieser rechtlichen Einordnung, die bereits das Landgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung vertreten hat, in der Berufungsinstanz auch nicht mehr widersprochen. Mithin findet der eine Zinsanpassung vorsehende § 6 Abs. 3 VerbrKrG keine Anwendung.
6.
Die von der Klägerin erteilte schlüssige Abrechnung der offenen Leasingraten wurde vom Beklagten rechnerisch nicht angegriffen.
Entsprechendes gilt für die vom Landgericht zugesprochene Verzinsung, die aus §§ 286, 288 BGB folgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert und Beschwer des Beklagten: 55.825,52 DM
Ende der Entscheidung
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