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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 26.07.2006
Aktenzeichen: 16 Wx 151/06
Rechtsgebiete: AufenthG, FEVG
Vorschriften:
AufenthG § 62 Abs. 2 S. 2 | |
FEVG § 6 Abs. 1 |
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 13.06.2006 - 4 T 373/05 - aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die mit Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 12.10.2005 - 51 XIV 565 B - angeordnete Sicherungshaft rechtswidrig war.
Die Antragstellerin hat dem Betroffenen die im Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist begründet.
Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung gem. den §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO nicht stand. Es ist entsprechend dem im Erstbeschwerdeverfahren zuletzt gestellten Antrag die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen.
Die Haftanordnung des Amtsgerichts, um deren Rechtmäßigkeit es alleine geht, nachdem sich die Hauptsache vor Entscheidung über die Erstbeschwerde des Betroffenen erledigt hatte, war nicht frei von Ermessensfehlern und damit rechtswidrig.
Die Anordnung der "kleinen" Sicherungshaft gem. § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG ist durch das Wort "kann" in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt. Diese Ermessensausübung hat unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots im Hinblick auf den Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen unter Abwägung mit dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift zu erfolgen, im Allgemeininteresse eine zügige Durchsetzung der vollziehbaren Abschiebung des Betroffenen zu sichern OLG Hamm FGPrax 2005, 90). Ob der Tatrichter - gemessen an den vorstehenden Maßstäben - sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, unterliegt zwar nur einer eingeschränkten Überprüfung durch den Senat als Rechtsbeschwerdegericht. Ein zu berücksichtigender Rechtsfehler ist indessen u. a. dann anzunehmen, wenn von unzureichenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen worden ist bzw. wesentliche Umstände unerörtert geblieben sind (vgl.. OLG Hamm a. a. O.; Keidel/Meyer-Holz, FGG 15. Auflage, § 27 Rdn. 23).
Vorliegend hat das Amtsgericht - weil es sie nicht kannte - objektiv Tatsachen nicht berücksichtigt, die im Rahmen der Ermessensentscheidung und der hierbei gebotenen Abwägung des Freiheitsrechts des Betroffenen mit dem öffentlichen Interesse an einer zügigen Durchführung von erheblicher Bedeutung sein konnten. Es ist ausweislich der Gründe und des Protokolls über die Anhörung des Betroffenen wegen der tatsächlichen Feststellungen von den Ausführungen in der Antragsschrift ausgegangen. In der Antragsschrift war indes der Eindruck erweckt worden, der Betroffene sei irgendwo "in C" von der Polizei festgenommen worden. Verschwiegen worden war aber, dass dies anlässlich einer Vorsprache des Betroffenen in den Räumen der Ausländerabteilung der Antragstellerin und auf Initiative ihrer Mitarbeiter geschehen war. Der Betroffene war - wie sich erst im Erstbeschwerdeverfahren herausgestellt hatte - im Hinblick auf die am Sonntag, dem 09.10.2005 abgelaufene Duldung für den 10.10.2005 zu einer Vorsprache bestellt. An diesem Tag ist er auch erschienen, allerdings verspätet, nämlich nach 9.30 Uhr und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Abteilung wegen eines Termins beim Amtsgericht geschlossen hatte. Er hat sodann noch das Sozialamt der Antragstellerin aufgesucht und dort einen neuen Termin in der Ausländerabteilung für den 11.10.2005, 11.00 Uhr erhalten. Diesen Termin hat der Betroffene auch wahrgenommen, allerdings wiederum verspätet erst gegen 12.00 Uhr, und wurde sodann festgenommen. Der Betroffene hat dadurch deutlich gemacht, dass er durchaus gewillt war, behördlichen Auflagen Folge zu leisten, allerdings mit einer gewissen Nachlässigkeit. Dem vorstehenden Sachverhalt kommt daher vor allem bei der Beurteilung der Frage, ob die Anordnung der Haft verhältnismäßig war, maßgebliche Bedeutung zu, blieb aber gleichwohl in der Entscheidung des Amtsgerichts, um deren Rechtmäßigkeit es alleine geht, unberücksichtigt.
Dahin stehen kann es, ob die umfassenden Ermessenserwägungen, mit denen das Landgericht - nunmehr in Kenntnis und unter Berücksichtigung des wahren Sachverhalts - die Haftvoraussetzungen bejaht hat, die Entscheidung tragen. Im Normalfall kann zwar ein etwaiger Ermessensfehler des Amtsgerichts dadurch kompensiert werden, dass das Landgericht als zweite Tatsacheninstanz nunmehr fehlerfrei das ihm zustehende Ermessen sachgerecht ausübt. Für eine Ermessensausübung dahingehend, ob der Betroffene in Haft genommen werden "kann", war indes kein Raum mehr, nachdem er überhaupt nicht mehr in Haft war. Wenn sich die Sache vor der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache erledigt, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Haft alleine darauf an, ob in der Vorinstanz bzw. den Vorinstanzen das Ermessen sachgerecht ausgeübt worden ist. Ist dies nicht der Fall, so ist die Entscheidung rechtswidrig, auch wenn an sich die Haftvoraussetzungen des § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG vorliegen können (vgl. OLG München OLGR 2006, 269).
Gerichtskosten sind gem. § 15 FEVG nicht zu erheben. Wegen der außergerichtlichen Kosten des Betroffenen war infolge der rechtswidrigen Haft eine Erstattungsanordnung zu treffen, wobei es offen bleiben kann, ob diese aus einer entsprechenden Anwendung des § 16 FEVG (so OLG Hamm FGPrax 2005, 49; OLG München a. a. O.) oder aus § 13 Abs. 1 S. 1 FGG (so OLG Düsseldorf FGPrax 2004, 141) folgt.
Im Rahmen der Prüfung des § 16 FEVG kommt es darauf an, wie die Behörde den Sachverhalt beurteilen durfte, wenn sie alle ihr zumutbaren Ermittlungen angestellt hätte, wobei auch sie zur Ermessensausübung gehalten ist und der Antrag erkennen lassen muss, dass sie hiervon Gebrauch gemacht hat (vgl. OLG München a. a. O.). Letzteres ist nicht der Fall. so dass der Betroffene für den konkret zu beurteilenden Antrag keinen Anlass gegeben hat. Da der Betroffene zudem infolge der verkürzten Sachdarstellung im Haftantrag gezwungen war, über seine Verfahrensbevollmächtigten die letztlich für die Beurteilung der Haftvoraussetzungen entscheidenden Tatsachen selbst dem Gericht zu unterbreiten, entspricht es auch der Billigkeit i. S. d. § 13 Abs. 1 S. 1 FGG, dass ihm die hierdurch entstandenen Kosten erstattet werden.
Ende der Entscheidung
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