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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.07.2007
Aktenzeichen: 16 Wx 25/07
Rechtsgebiete: WEG, BGB, ZPO
Vorschriften:
WEG § 5 Abs. 4 | |
WEG § 10 Abs. 1 Satz 2 | |
WEG § 15 Abs. 1 | |
WEG § 15 Abs. 3 | |
WEG § 44 | |
WEG § 45 Abs. 3 a.F. | |
BGB § 1004 | |
ZPO § 890 |
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 29.12.2006 - 29 T 243/05 - abgeändert und neu gefasst:
Die Antragsgegnerin wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet, die Nutzung der Wohnungen in der G Straße 7 in L im 1. Obergeschoß durch Vermietung an eine private Schülernachhilfe und im 2. Obergeschoß durch Vermietung an eine Zeitarbeitsvermittlung zu unterlassen, bzw. eine solche Nutzung durch Dritte nicht zuzulassen.
Der weitergehende Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten sämtlicher Instanzen fallen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin je zur Hälfte zur Last. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und nunmehr der beigetretene Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger der Antragsgegnerin zu 1. bilden die oben genannte Wohnungseigentümergemeinschaft.
Nach der Teilungserklärung von 1975, die für die Stockwerke 2 bis 4 Sondereigentum an Wohnungen vorsieht, sind die Wohnungs- und Teileigentümer berechtigt, die Wohnung nach Belieben zu nutzen, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz oder aus der Teilungserklärung ergeben. Die Antragstellerin wendet sich gegen die gewerbliche Nutzung sämtlicher Wohnungen der Antragsgegnerin im 1. bis 4. Obergeschoß. Die Wohnungen im 1. und 2. Stock waren bis 1998 oder 1999 an zwei Ärztinnen vermietet; seitdem wird die Wohnung im 2. Stock von einer Zeitarbeitsvermittlung, diejenige des 1. Stocks wurde von einer Heilprakterin, nun - nach einem Wechsel im Verlauf dieses Verfahrens - befindet sich darin eine private Schülernachhilfe. Zu der Nutzung des 3. und 4. Obergeschosses haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen. In den der Antragstellerin gehörenden Erdgeschossräumen wird ein Imbiß betrieben; über die Zulässigkeit dieser Nutzung haben die Beteiligten über lange Jahre gerichtlich gestritten. Der Eingang zu den Wohnungen ist getrennt vom Zugang zum Imbiß und befindet sich neben diesem.
Das Amtsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Untersagung jeder gewerblichen oder freiberuflichen Nutzung stattgegeben. Das Landgericht hat auf das Rechtsmittel der Antragsgegnerin unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Antrag zurückgewiesen. Mit ihrer weiteren Rechtsmittel begehrt die Antragstellerin Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 20, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG).
Eine mündliche Verhandlung war entgegen dem Antrag der Antragstellerin nicht veranlasst, da der Sachverhalt in den Vorinstanzen ausreichend aufgeklärt war, es nur um Rechtsfragen geht und im Übrigen eine gütliche Einigung nicht zu erwarten war.
Die weitere Beschwerde hat in der Sache insoweit Erfolg, als sie die derzeitige Nutzung der Räumlichkeiten im 1. und 2. Obergeschoß angreift.
Die Ausführungen des Landgerichts halten der dem Gericht der weiteren Beschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nur zum Teil stand.
Der Antragstellerin steht gemäß § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung zu, ihre im Sondereigentum stehenden Räume zum Zweck des Betreibens einer Arbeitsvermittlung oder einer Schülernachhilfe zu nutzen bzw. eine entsprechende Nutzung zuzulassen. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass maßgeblich für den geltend gemachten Anspruch der Inhalt der Teilungserklärung ist. Diese bezeichnet die Räumlichkeiten im 1.bis 4. Obergeschoß ausschließlich als "Wohnung" und grenzt sie deutlich gegenüber den im Teileigentum stehenden Räumen des Erdgeschosses ab, die als "nicht zu Wohnzwecken dienend" bezeichnet werden (§ 1 Nr. 1 bis 5 Teilungserklärung).
Die Teilungserklärung unterliegt wie alle Grundbucheintragungen der selbständigen Auslegung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Der Senat sieht in der Bezeichnung als Wohnung eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter gem. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 WEG, die eine Nutzung des Sondereigentums der Antragsgegnerin in der derzeitigen Form nicht zuläßt. Die auf Wortlaut und Sinn abgestellte Auslegung führt zweifelsfrei dazu, dass die Räumlichkeiten in den ersten beiden Stockwerken grundsätzlich nur für Wohnzwecke genutzt werden dürfen.
Etwas Anderes folgt ebensowenig aus der Vereinbarung in § 4 des Abschnittes III der Teilungserklärung. Durch die dort erwähnte Einschränkung ist wiederum auf die Zweckbestimmung der Teilungserklärung abzustellen.
Auch der in ständiger Rechtsprechung der Obergerichte, der auch der Senat folgt, entwickelte Grundsatz, dass eine Nutzung einer zu Wohnzwecken bestimmten Wohnung jedenfalls dann zu anderen, insbesondere gewerblichen Zwecken zuzulassen ist, wenn diese Nutzung nicht über das Maß hinausgeht, das bei Wohnzwecken üblich ist (Senat vom 15.02.2002, NZM 2002, 258; zuletzt beispielsweise OLG Saarbrücken, NZM 2006, 590; KG, ZWE 2007, 258; BayObLG, NJW-RR, 96,13589), führt zu keinem anderen Ergebnis. Ein solcher Fall liegt hier - entgegen der Meinung des Landgerichts - nicht vor.
Voraussetzung für diese Ausnahme wäre, dass bei einer typisierenden Betrachtung die Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer nicht stärker ausfällt als bei einer Nutzung zu Wohnzwecken. Dabei ist - wie das Landgericht zu Recht ausführt - auf die Auswirkungen der abweichenden Nutzung, wie insbesondere Besucherfrequenz unter Berücksichtigung der zeitlichen und örtlichen Verhältnisse abzustellen.
Die Vorinstanz hat hierzu im Weiteren nicht hinreichend berücksichtigt, dass die von der Antragsgegnerin aufgezeigten Besucherzahlen, die den aktuellen Zustand wiedergeben, nicht als maßgeblich angesehen werden können. Vielmehr ist bei typisierender Betrachtungsweise entscheidend, welche Besucherfrequenzen bei der praktizierten Nutzung und bei gewöhnlichem Verlauf üblich sind. In beiden Wohnungen im 1. und 2. Stock befinden sich Dienstleistungsgewerbe, deren Büros üblicherweise ganztägig geöffnet sind. Beide Geschäftsbereiche sind erfahrungsgemäß bei gewöhnlichem Ablauf mit regem Kundenbesuch verbunden. Die Besucherzahlen können sowohl bei einer Arbeitsvermittlung als auch bei einer Schülernachhilfe täglich bei 20 Personen oder noch darüber liegen. Die vom Landgericht zugrunde gelegten Zahlen beziehen sich lediglich auf den Jetzt-Zustand, der nicht dauerhaft sein muss. Vielmehr kann sich die Geschäftstätigkeit jederzeit bei einer Ausweitung oder einer Schwerpunktverlagerung erheblich verändern und einen weitaus lebhafteren Besucherstrom zur Folge haben. Im Übrigen ist auch ein Publikumsverkehr von 10 bis 15 Personen - bezogen auf eine Wohneinheit und die Nachmittagsstunden - schon beträchtlich. Bei einer - hypothetischen - privaten Wohnnutzung läge die Besucherfrequenz deutlich niedriger. Es handelt sich jeweils um 2-Zimmerwohnungen, die typischerweise von Einzelpersonen oder Kleinfamilien bewohnt werden, die nicht mit erheblichem Besuchsverkehr verbunden sind.
Die von der Antragsgegnerin erwähnten Gesichtspunkte ändern daran nichts. Es ist für die Beeinträchtigung letztlich nicht entscheidend, dass für die Wohnungen neben dem Imbiß ein separater Eingang und ein damit verbundener Flur vorhanden sind, da die Auswirkungen der abweichenden Nutzung auf die Anlage insgesamt, für die wegen der Überzahl der Wohnungen die Wohnnutzung prägend ist, deutlich spürbar sind.
Auch die Antragstellerin als Eigentümerin der EG-Räume bzw. ihr Mieter, der den Imbißbetrieb nutzt, werden durch die von der Teilungserklärung abweichende Nutzung stärker beeinträchtigt, und zwar sowohl durch die Publikumsfrequenz wie auch durch stärkere Nutzung der Gemeinschaftsräume sowie damit verbundener höherer Kostenlast.
Der Unterlassungsanspruch ist nicht verwirkt. Die jetzige Nutzung erfolgte zum Zeitpunkt der Antragstellung (Juli 2002) allenfalls seit vier Jahren, so dass schon das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment fehlt. Ob und in welchem Umfang die Räume zuvor gewerblich genutzt wurden, spielt keine Rolle, da in Anbetracht der erwähnten Grundsätze der obergerichtlichen Rechtsprechung für die Frage der Verwirkung nur auf die konkrete abweichende Nutzung abgestellt werden kann. Zu mit der früheren Nutzung verbundenen Beeinträchtigungen ist nichts Konkretes bekannt.
Das Begehren der Antragstellerin bleibt allerdings ohne Erfolg, soweit sie jegliche gewerbliche Nutzung untersagen lassen will. Ein solcher allgemeiner Anspruch besteht nicht, da - wie ausgeführt - für eine Untersagung stets auf die konkrete Abweichung von der vereinbarten Zweckbestimmung abgestellt werden muss.
Soweit der Antrag der Antragstellerin erfolgreich ist, kann mit dem Gebot der Unterlassung zugleich wie beantragt ein Ordnungsgeld angedroht werden, § 44, 45 Abs. 3 WEG a.F., § 890 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Abs. 1 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, angesichts des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens die Gerichtskosten anteilig beiden Beteiligten aufzuerlegen. Im Übrigen bestand keine Veranlassung, von dem Grundsatz, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind, abzuweichen.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der nicht beanstandeten Festsetzung des Gegenstandswertes in den Vorinstanzen.
Ende der Entscheidung
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