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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.06.1999
Aktenzeichen: 16 Wx 86/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 2
BGB § 1896 Abs. 3
Überwachungsbetreuung

BGB § 1896 Abs. 2 und 3

Hat der Betroffene vor Eintritt der Geschäftsunfähigkeit ausreichende Vorsorgevollmacht erteilt, so ist bei Eintritt der Geschäftsunfähigkeit nicht sogleich von Amts wegen für den Bevollmächtigten vorsorglich ein Überwachungsbetreuer zu bestellen. Eine Betreuerbestellung ist erst dann vorzunehmen, wenn eine Überwachung aufgrund konkreter Umstände im Einzelfall erforderlich wird.

- 16 Wx 86/99 - Beschluß vom 28.06.1999 - unanfechtbar.


OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 86/99

4 T 2o5/99 LG Bonn 36 XVII E 193 AG Bonn

In der Betreuungssache

2) betreffend pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Reinemund und Dr. Schmitz am 28.6.99

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 29.4.99 - 4 T 2o5/99 - aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluß des Amtsgerichts Bonn vom 25.9.97 - 36 XVII E 193 - aufgehoben, soweit damit Überwachungsbetreuung zur Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber dem Beteiligten zu 1) angeordnet ist, und der Beteiligte zu 2) als Betreuer entlassen.

Gründe:

Die Betroffene erteilte unter dem 7.2.96 dem Beteiligten zu 1), ihrem Neffen, eine notariell beglaubigte und über den Zeitpunkt des Eintritts der Geschäftsunfähigkeit und den Tod hinausgehende General- und Betreuungsvollmacht, in der es u.a. heißt:

"Ich bitte den Notar, dem Bevollmächtigten sofort eine Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen, weitere Ausfertigungen auf meine Anweisung oder erst dann, wenn der Bevollmächtigte ein ärztliches Zeugnis darüber vorlegt, daß ich geschäftsunfähig bin oder daß Zweifel an meiner Geschäftsfähigkeit bestehen, oder wenn ich verstorben bin. Verlangt der Bevollmächtigte eine weitere Ausfertigung wegen eingetretener Geschäftsunfähigkeit, so soll der Notar das Vormundschaftsgericht wegen der etwa notwendigen Bestellung einer Überwachungsperson verständigen."

Nach Bekanntwerden dieser Vollmacht hob das Amtsgericht die bereits mit Beschluß vom 16.5.97 für die Betroffene wegen eines hirnorganischen Psychosyndroms angeordnete umfassende Betreuung wieder auf. Es ordnete zugleich Überwachungsbetreuung an zur Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber dem Beteiligten zu 1) und bestimmte den Beteiligten zu 2) zum Betreuer. Eine von dem Beteiligten zu 1) beantragte Aufhebung der Überwachungsbetreuung lehnte das Amtsgericht ab. Die daraufhin gegen den Anordnungsbeschluß vom 25.9.97 erhobene Beschwerde des Beteiligten zu 1) wies das Landgericht durch den angefochtenen Beschluß zurück. Mit der hiergegen eingelegten weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1) sein Aufhebungsbegehren weiter.

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig (§§ 27, 29, 69 g Abs.1 FGG) und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes, denn die Voraussetzungen zur Anordnung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis des § 1896 Abs. 3 BGB liegen nicht vor.

Das Landgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: In der bei der Erteilung der Vollmacht abgegebenen Erklärung der Betroffenen zur Verständigung des Vormundschaftsgerichts durch den Notar "wegen der etwa notwendigen Bestellung einer Überwachungsperson" komme ihre Vorstellung zum Ausdruck, daß eine Kontrolle der Vollmachtsausübung von anderer Seite erfolgen solle, wenn sie selbst hierzu einmal nicht mehr imstande sein sollte. Die Formulierung ".... Verlangt der Bevollmächtigte eine weitere Ausfertigung wegen Geschäftsunfähigkeit ..." könne daher nicht so ausgelegt werden, daß es von einem Verhalten des Beteiligten zu 1), wie dieser aber meine, abhänge, ob der Schutzmechanismus auch in Gang gesetzt werde.

Die Auslegung der Erklärung ist rechtsfehlerhaft, denn dabei ist nicht der das gesamte Betreuungsrecht beherrschende Erforderlichkeits- und Subsidiaritätsgrundsatz beachtet, wonach die Bestellung eines Betreuers voraussetzt, daß die Betreuung mit einem bestimmten Aufgabenkreis konkret erforderlich ist. Eine unter Berücksichtigung des Grundsatzes auf den Wortlaut und Sinngehalt der Erklärung der Betroffenen abgestellte Auslegung, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht uneingeschränkt selbst vornehmen kann, ergibt, daß das VormG einen Betreuer zur Überwachung des Beteiligten zu 1) bestellen soll, wenn die Betroffene geschäftsunfähig geworden ist, also den Bevollmächtigten nicht mehr überwachen und auch die Vollmacht nicht mehr widerrufen kann, und aus weiteren Gründen die Überwachung des Bevollmächtigten auch erforderlich ist.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sollte nach dem in der Vollmacht zum Ausdruck gekommenen Willen der Betroffenen nicht schon unabhängig davon, ob auch ein konkreter Bedarf zur Überwachung des Beteiligten zu 1) besteht, wegen Geschäftsunfähigkeit ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis des § 1836 Abs. 3 BGB bestellt werden. Nach dem erklärten Willen der Betroffenen sollte das VormG Gelegenheit erhalten, vielmehr zu prüfen, ob es, wenn sie geschäftsunfähig geworden ist, nunmehr notwendig ist, zur Überwachung des Beteiligten zu 1) einen Betreuer zu bestellen. Das ergibt sich hinreichend deutlich aus der Wendung "etwa notwendigen", was belegt, daß zur Geschäftsunfähigkeit zusätzlich ein konkreter Bedarf zur Bestellung eines solchen Betreuers treten muß.

Dies entspricht der Gesetzeslage. Nach § 1896 Abs. 2 BGB ist eine amtliche Betreuung nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3 BGB bezeichneten Personen gehört, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Diese Regelung ergänzt § 1896 Abs. 3 BGB, wonach als Aufgabenkreis eines Betreuers auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestimmt werden kann. Im Hinblick auf den Erforderlichkeitsgrundsatz heißt das, daß mit dem letztgenannten Aufgabenkreis ein Betreuer nicht schon deshalb bestellt werden kann, weil der Betroffene geschäftsunfähig geworden ist, also den von ihm Bevollmächtigten nicht mehr hinreichend überwachen kann. Eine Betreuerbestellung ist vielmehr erst dann erforderlich, wenn eine solche Überwachung konkret erforderlich wird, insbesondere - wie es der Gesetzgeber selbst angeführt hat (BT-Dr 11/4528 S. 122 123) - etwa wegen des Umfangs oder der Schwierigkeit des zu besorgenden Geschäfts oder wegen eines vorangegangenen Verhaltens des Bevollmächtigten ( vgl. auch Cypionka NJW 92, 2o7, 2o8).

Nichts ist indes hier dafür dargetan oder sonst ersichtlich, daß die Bestellung eines Betreuers zur Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegen den Beteiligten zu 1) konkret erforderlich geworden ist. Hinweise darauf, daß die Verwaltung des Grundbesitzes sowie des Geldvermögens im Bestand von ca. 5o.ooo,- DM für den Beteiligten zu 1) Schwierigkeiten begründet, oder ihm konkrete Unregelmäßigkeiten anzulasten sind, fehlen. Ebensowenig bestehen Anhaltspunkte dafür, daß etwa das Vertrauensverhältnis zwischen der Betroffenen und dem Beteiligten zu 1) gestört wäre. Die Betroffene hat bei ihrer persönlichen Anhörung - gemäß dem aufgenommenen Protokoll - zum Ausdruck gebracht, daß sie dem Beteiligten zu 1), ihrer einzigen Vertrauensperson, rückhaltlos vertraue.

Die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung ist danach für den Senat nicht bindend und die angeordnete Überwachungsbetreuung mithin mangels Erforderlichkeit ersatzlos aufzuheben und der Beteiligte zu 2) als Betreuer zu entlassen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten ist wegen fehlender Billigkeitsgründe nicht anzuordnen (§ 13 a Abs.1 S.1 FGG).

Ende der Entscheidung

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