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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 02.05.2008
Aktenzeichen: 17 W 92/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, RpflG


Vorschriften:

BGB § 247
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 333
RpflG § 11 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Köln vom 11. Dezember 2007 - 83 O 3/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Auf Grund des Versäumnisurteils der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 17. April 2007 - 83 O 3/07 - sind von der Beklagten an den Kläger 1.437,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 26. April 2007 zu erstatten.

In diesem Betrag sind 408,00 € an Gerichtskosten enthalten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 281,55 €

Gründe:

I.

Für den 17. April 2007 hatte das Landgericht Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Ausweislich des Sitzungsprotokolls erschienen bei Aufruf der Sache der Kläger persönlich, für diesen Rechtsanwalt I und für die Beklagte Rechtsanwalt E. Sodann heißt es im Protokoll weiter: "Ohne vorherige Erörterung erklärt der Beklagtenvertreter, dass er heute nicht auftritt." Es erging anschließend antragsgemäß ein inzwischen rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil gegen die Beklagte.

Zur Festsetzung angemeldet hat der Kläger u. a. eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG. Der Rechtspfleger hat lediglich eine 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, infolge der Erklärung des Beklagtenvertreters im Termin vor jeglicher Erörterung, er trete nicht auf, sei die Beklagte nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Deshalb sei auch nur eine auf 0,5 reduzierte Terminsgebühr angefallen und festzusetzen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Rechtsmittel. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei ausweislich des Verhandlungsprotokolls bei Aufruf der Sache, ordnungsgemäß anwaltlich vertreten gewesen. Dass ihr Rechtsvertreter sodann erklärt habe, er trete nicht auf, sei prozessrechtlich im Hinblick auf den Erlass eines Versäumnisurteils relevant, nicht aber gebührenrechtlich, weil zu diesem Zeitpunkt eine 1,2 Terminsgebühr bereits entstanden gewesen sei, da sich Rechtsanwalt E zuvor bereits im Termin für die Beklagte bestellt gehabt habe.

Die Beklagte tritt der Auffassung des Rechtspflegers bei und behauptet, ihr Rechtsanwalt sei weder zu Beginn noch während des Termins als ihr Bevollmächtigter aufgetreten, habe dies auch ausdrücklich kundgetan.

Der Rechtspfleger hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

II.

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst vollen Erfolg.

Die Nichtfestsetzung einer 1,2 Terminsgebühr durch den Rechtspfleger widerspricht der einhelligen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, was sich bereits aus den von dem Beschwerdeführer angeführten Literaturstellen zweifelsfrei ergibt. Eine Reduzierung der Terminsgebühr auf 0,5 nach Nr. 3105 VV RVG findet im Anwaltsprozess nur dann statt, wenn eine Partei entweder nicht anwaltlich oder lediglich durch einen nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt vertreten wird und zusätzlich lediglich ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils oder nur Anträge zur Prozess- und Sachleitung gestellt werden. In allen anderen Fällen steht dem anwesenden Rechtsanwalt eine volle 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG zu (Senat, Beschluss vom 20. November 2006 - 17 W 239/06 -; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage, Nr. 3105 Rdnr. 11; Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage, Nr. 3105 VV RVG Rdnr. 3 a. E.; Henke AnwBL 2005, 43; Madert AGS 2006, 118; Riedel/Sußbauer/Keller, RVG, 9. Auflage, VV Teil 3 Abschnitt 1 Rdnr. 61 = Seite 555; Schneider/Wolf/Onderka, RVG, 3. Auflage, Nr. 3105 VV Rdnr. 8 - 11; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 330 Rn. 10).

Meldet sich für eine Partei zunächst ein Rechtsanwalt, der aber sodann erklärt, er werde in der Sache selbst weder verhandeln noch erörtern - und so liegt der Fall hier - , dann ist Nr. 3105 VV RVG nicht einschlägig, wie sich aus Absatz 3 dieser Vorschrift ohne weiteres ergibt. Denn dort wird § 333 ZPO (Nichtverhandeln der erschienenen Partei) ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt. Auch wenn es prozessrechtlich fingiert wird, dass die Partei in einem solchen Fall im Anwaltsprozess nicht ordnungsgemäß vertreten ist mit der Folge, dass auf entsprechenden Antrag hin bei Vorlage der Voraussetzungen im Übrigen ein Versäumnisurteil erlassen wird, so ist die Partei gebührenrechtlich, wenn sich der Rechtsanwalt bei Aufruf der Sache zunächst für seine Partei meldet, insoweit trotzdem ordnungsgemäß vertreten, auch wenn er keine weiteren Handlungen vornimmt oder Erklärungen abgibt. Der Grund dafür, dass für beide Rechtsanwälte eine 1,2 Terminsgebühr in einem solchen Fall anfällt, liegt darin, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass bei gleichzeitiger Anwesenheit bzw. Vertretung der Parteien im Termin in der Regel ein Mehr an Tätigkeit angefallen ist, weil verhandelt oder erörtert werden konnte. Ob dies tatsächlich geschieht, ist gebührenrechtlich nicht (mehr) relevant, da die 1,2 Terminsgebühr bereits dadurch entstanden war, dass sich der Rechtsanwalt zu Beginn des Termins für seine Partei bei Aufruf der Sache gemeldet hatte (Henke a. a. O.; Madert a. a. O.).

Dass sich Rechtsanwalt E für die Beklagte bestellt hatte, wird durch das Sitzungsprotokoll urkundlich bewiesen. Den Nachweis der Fälschung hat die Beschwerdegegnerin nicht erbracht. Ihr Bestreiten reicht nicht aus. Denn eingangs des Sitzungsprotokolls vom 17. April 2007 heißt es: "... erschienen bei Aufruf: der Kläger persönlich und Rechtsanwalt I, für die Beklagte Rechtsanwalt E". Die von der Beklagten und vom Rechtspfleger vertretene Rechtsfolge, nämlich das Entstehen lediglich einer 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG, wäre nur eingetreten, wenn Rechtsanwalt E sich nicht bestellt und sofort erklärt hätte, er sei nur als "Beobachter" für seine Partei gekommen. Allein dieser Fall entspräche der in Rdnr. 12 zu Nr. 3105 VV RVG kommentierten Konstellation im Kommentar von Gerold u. a., die der Rechtspfleger rechtsirrig seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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