Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 14.05.2004
Aktenzeichen: 19 U 114/03
Rechtsgebiete: TKG, AGBG, BGB


Vorschriften:

TKG § 29
TKG § 30
TKG § 35
AGBG §§ 8 ff.
BGB §§ 307 ff. n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 114/03

Anlage zum Protokoll vom 14.05.2004

Verkündet am 14. Mai 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, den Richter am Oberlandesgericht Conzen und die Richterin am Landgericht Dr. Grobecker

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30. Juni 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 11 O 227/02 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit. Gemäß § 35 TKG i.V. mit der Netzzugangsverordnung ist die Beklagte, die bis zum 31.12.1997 über ein gesetzliches Monopol zum Angebot von Sprachtelefondienstleistungen an die Öffentlichkeit verfügte, verpflichtet, der Klägerin den Zugang zu den bereits verlegten Teilnehmeranschlussleitungen (TAL) zu gewähren. In Umsetzung dieser Verpflichtung schlossen die Parteien am 19. Dezember 1997 einen Standardvertrag über den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL-Vertrag). Danach war die Klägerin verpflichtet, bei Kündigung des Vertrages ein sogenanntes Kündigungsentgelt zu zahlen, wobei es nach der geschlossenen Vereinbarung nicht darauf ankam, von welcher Partei die Kündigung ausgesprochen wurde. Im Jahr 1999 beliefen sich die von der Klägerin zu entrichtenden Kündigungsentgelte auf 12.885,48 €.

Mit der von ihr erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung der von ihr für das Jahr 1999 geleisteten Kündigungsentgelte.

Die Klägerin hat in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18.04.2002 (NJW 2002, 2386 ff.) über die Deaktivierungsgebühr bei Mobilfunkverträgen die Auffassung vertreten, die Bestimmungen des zwischen den Parteien geschlossen TAL-Vertrages über die Verpflichtung zur Zahlung eines Kündigungsentgeltes sei gemäß § 9 AGBG/ §§ 305 ff. BGB n.F. unwirksam. Dem von der Beklagten erhobenen Kündigungsentgelt liege - wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall - keine Leistung der Beklagten für die Klägerin zugrunde. Vielmehr mache die Beklagte mit dem Entgelt einen Arbeitsaufwand administrativer und technischer Natur geltend, der in keinem Zusammenhang mit ihrer vertraglichen Hauptleistungspflicht stehe und ausschließlich der Selbstkontrolle der Beklagten und der Wahrung ihrer eigenen Interessen diene. Auch der Umstand, dass das Entgelt von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) geprüft und genehmigt worden sei, stehe einer zivilrechtlichen Überprüfung nicht entgegen. Die Frage, ob das von der Beklagten erhobene Kündigungsentgelt gegen Vorschriften des AGB-Gesetzes bzw. §§ 305 ff. BGB n.F. verstoße, werde von der Regulierungsbehörde nicht überprüft.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.885,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Zivilgerichte seien zur Überprüfung von regulierten Entgelten nicht befugt. Die von der Beklagten mit anderen Netzanbietern geschlossenen TAL-Verträge enthielten nämlich ausschließlich Bedingungen und Entgelte, die von der Regulierungsbehörde geprüft und genehmigt seien. Diese Vorgaben der ReGTP seien für die Beklagte nach § 29 TKG verbindlich. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen § 9 AGBG nicht vor, weil die mit dem Kündigungsentgelt abgegoltenen Arbeiten auch technischer Natur seien und im Interesse der Klägerin erfolgten. Die Wiederherstellung des ursprünglichen technischen Zustandes und die von der Beklagten vorgenommene Datenaktualisierung seien nämlich zwingend verbunden mit der ursprünglichen Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte gemäß § 812 BGB zur Rückzahlung der für 1999 an sie geleisteten Kündigungsentgelte verurteilt. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass die Zivilgerichte zur Überprüfung der Entgeltregelung unter dem Gesichtspunkt ihrer Wirksamkeit nach dem AGB-Gesetz befugt seien und die Vereinbarung des Kündigungsentgeltes gemäß § 9 AGB-Gesetz bzw. 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr.1 BGB n.F. unwirksam sei. Dem Kündigungsentgelt mit TAL-Vertrag der Parteien liege nämlich keine Gegenleistung der Beklagten zugrunde, die diese für ihren Vertragspartner erbracht habe. Diese Regelung sei mit den wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes nicht vereinbar und benachteilige den Vertragspartner der Beklagten in unangemessener Weise im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Darin verfolgt sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter und wiederholt und vertieft ihre Rechtsansicht, dass die Zivilgerichte aufgrund der Verbindlichkeit der Vorgaben der RegTP für die Beklagte nach § 29 TKG zur Überprüfung des zwischen den Parteien geschlossenen TAL-Vertrages nicht befugt seien. Zudem habe das Landgericht verkannt, dass die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zur Deaktivierungsgebühr aufgestellten Grundsätze auf den zwischen den Parteien geschlossenen TAL-Vertrag nicht anwendbar seien: So habe der Bundesgerichtshof über eine Deaktivierungsgebühr entschieden, die gegenüber einem Endkunden im Mobilfunkbereich erhoben worden sei. Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits seien jedoch auf dem Festnetzmarkt tätig. Dieser sei im Gegensatz zum Mobilfunkmarkt entgeltreguliert; darüber hinaus handele es sich nicht um ein Endkundenverhältnis, sondern um das Verhältnis zweier Wettbewerber auf dem Festnetzmarkt zueinander.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen sowie (§ 540 ZPO) auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung der von ihr für das Jahr 1999 geleisteten Kündigungsentgelte in Höhe von 127.086,10 € gegen die Beklagte zu. Die von den Parteien vereinbarte Vertragsklausel zum Kündigungsentgelt stellt keinen Verstoß gegen §§ 9 AGBG dar. Die Klausel unterfällt nämlich § 8 AGBG und ist damit einer Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG entzogen.

1.

Prüfungsmaßstab für die Inhaltskontrolle des zwischen den Parteien geschlossenen TAL-Vertrages, dessen Klauseln von der Beklagten gegenüber anderen Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen einheitlich verwendet werden und daher allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, sind die §§ 8 ff. AGBG, die auf vor dem 01.01.2002 entstandene Schuldverhältnisse weiter anzuwenden sind. Dies wirkt sich indes bei der rechtlichen Beurteilung nicht aus, da die §§ 8 ff. AGBG mit den §§ 307 ff. BGB n.F., die das Landgericht seiner rechtlichen Prüfung zugrunde gelegt hat, im wesentlichen inhaltsgleich sind.

Nach § 8 AGBG sind Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die weder von Rechtsvorschriften abweichen noch diese ergänzen, einer Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG entzogen. Die Bestimmung des § 8 AGBG setzt damit der Inhaltskontrolle Schranken: Reine Preis- und Leistungsbestimmungen sowie Regelungen, die in jeder Hinsicht mit Rechtsvorschriften übereinstimmen, sind einer Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG nicht unterworfen (Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 14 ff., 26, 30 ff.).

a) Um eine reine Preisbestimmung, die § 8 AGBG unterfällt, handelt es sich bei dem von der Beklagten erhobenen Kündigungsentgelt allerdings nicht. Zwar sind grundsätzlich Klauseln, die den Art- und den Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht und die dafür zu zahlende Vergütung unmittelbar bestimmen, kontrollfrei (BGH NJW 2002, 2386, 2386; BGH NJW 2000, 577). Dies resultiert daraus, dass die Vertragsparteien nach dem im bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie Leistung und Gegenleistung frei bestimmen können. Reine Preisvereinbarungen für Haupt- und Nebenleistungen stellen daher im allgemeinen weder eine Abweichung noch eine Ergänzung von Rechtsvorschriften dar und unterliegen grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG (BGH NJW 2002, 2386; Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O., § 8 Rdnr. 14).

Überprüfbar ist aber eine Preisabrede immer darauf, ob ihr eine echte (Gegen-) Leistung zugrunde liegt; ist dies nicht der Fall, kann auch eine Preisabrede unwirksam sein, weil eine Leistung für den Vertragspartner nicht erbracht wird. Der Begriff der Leistung steht nämlich nicht zur Disposition des Verwenders von allgemeinen Geschäftsbedingungen, so dass insoweit auch eine Preisabsprache nach §§ 9-11 AGB zu überprüfen ist (BGH NJW 2002, 2386). Da vorliegend von der Klägerin gerade geltend gemacht wird, dass dem von der Beklagten erhobenen Kündigungsentgelt eine Leistung der Beklagten nicht gegenüber steht, hindert der Umstand, dass die Parteien eine bestimmte Preisabsprache getroffen haben, eine Überprüfung der Klausel nach den §§ 9-11 AGBG nicht.

b) Die von den Parteien getroffene Abrede über das Kündigungsentgelt unterfällt jedoch als sogenannte deklaratorische Klausel § 8 AGBG und ist damit einer Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG entzogen.

aa.

Grundsätzlich unterliegen Klauseln, die lediglich den Inhalt von Rechtsvorschriften wiederholen, als sogenannte deklaratorische Klauseln nicht der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz (Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Aufl., § 8 Rdnr. 22). Rechtsvorschriften im Sinne von § 8 AGBG sind alle Gesetzesvorschriften im materiellen Sinne, also nicht nur formelle Gesetze, sondern auch Rechtsverordnungen, Satzungen und ungeschriebene Rechtsgrundsätze (Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., § 8 Rdnr. 5). Zwar gibt der zwischen den Parteien geschlossene TAL-Vertrag nicht den Inhalt einer Rechtsvorschrift in diesem Sinne wieder, weil die Regulierungsbehörde nicht durch Verordnung oder Satzung entscheidet, sondern gegenüber der Beklagten ihre Entscheidungen gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 TKG durch Verwaltungsakt trifft. Auch für diesen Fall ist jedoch nach Auffassung des Senats eine Anwendbarkeit von § 8 AGBG anzunehmen, weil § 29 TKG dem Beschluss der Regulierungsbehörde als Verwaltungsakt mittelbar Gesetzeskraft verleiht.

Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Die Beklagte verfügt als Verwenderin der allgemeinen Geschäftsbedingungen über keinerlei Gestaltungsspielraum. Vielmehr setzt sie in ihrem Standard-TAL-Vertrag lediglich zwingende Vorgaben der Regulierungsbehörde um. Gemäß § 29 Abs. 1, 2 TKG darf die Beklagte als Lizenznehmerin ausschließlich die genehmigten Entgelte verlangen. Würde sie in Ihren Verträgen andere Entgelte fordern - höhere oder auch niedrigere - würde der Vertrag nur mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts träte, § 29 Abs. 2 Satz 1 TKG. Selbst wenn also die Beklagte weniger als das genehmigte oder kein Kündigungsentgelt von der Klägerin verlangen würde, läge hierin ein Verstoß gegen § 29 Abs. 1 TKG und es würde über § 29 Abs. 2 TKG wieder das genehmigte Entgelt wirksam werden. Entgegen der von der Klägerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22.04.2004 vertretenen Ansicht, würden in diesem Fall auch nicht die §§ 535 ff. BGB eingreifen. Vielmehr haben insoweit die §§ 29 ff. TKG als lex specialis Vorrang vor den allgemeinen Vorschriften des BGB. An die Vorschriften des TKG ist die Beklagte als Normadressatin gebunden. Gibt es nämlich kein von der Regulierungsbehörde genehmigtes Entgelt in einem Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und einem anderen Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen, sieht § 30 TAV ausdrücklich vor, dass eine Entgeltvereinbarung unwirksam ist. Erhebt die Beklagte in diesem Fall trotzdem ein Entgelt, greift die Bußgeldvorschrift des § 96 TKG ein. Dabei ist in der Literatur umstritten, ob eine Genehmigung überhaupt rückwirkend erteilt werden kann (bejahend: Trute/Spoerr/Bosch, TKG, § 29 Rdnr. 7; anders: Schuster/Stürmer, Beck`scher TKG/Komm., § 29 Rdnr. 7). Selbst wenn die Beklagte demnach kein Entgelt fordern würde, würde gemäß § 29 Abs. 2 TKG das genehmigte Entgelt an die Stelle einer fehlenden Entgeltvereinbarung treten und die Beklagte wäre bußgeldpflichtig nach § 96 Abs. 1 Nr. 7 TKG. Der Beklagten steht damit kein Spielraum zu: Sie muss gemäß § 35 TKG einen Vertrag abschließen und ist nach § 29 verpflichtet, dasjenige als Entgelt zu fordern, was die Regulierungsbehörde ihr vorgibt, so dass der das Kündigungsentgelt genehmigende Verwaltungsakt der Regulierungsbehörde in Verbindung mit §§ 29 TKG eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 8 AGBG darstellt, die von der Beklagten in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich wiederholt wird.

Insoweit ist die Wiedergabe des genehmigten Kündigungsentgeltes in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vergleichbar mit der Vorgabe von gesetzlichen Gebührenvorschriften: So unterfallen Gebühren, die aufgrund gesetzlicher Gebührenvorschriften, wie zum Beispiel für Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten oder Bauingenieure erhoben werden, aufgrund § 8 AGBG grundsätzlich keiner Kontrolle nach §§ 9-11 AGBG. In den Gebührenordnungen werden nämlich die Gebühren bereits bindend festgelegt, so dass eine Wiedergabe in allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich die Wiedergabe einer Rechtsvorschrift darstellt, die § 8 AGBG unterfällt und daher nicht überprüfbar ist (vgl. nur Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., § 8 Rdnr. 16). Auch für den Fall der Erhebung eines Krankenhauspflegesatzes hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Überprüfung eines vom Sozialminister durch Verordnung festgesetzten Pflegesatzes nach § 315 Abs. 3 BGB nicht zulässig ist (§ BGH NJW 1979, 597, 597). Obwohl der auf der Verordnung basierende Pflegevertrag privatrechtlicher Natur sei, sei die Pflegesatzgestaltung durch das ordentliche Gericht grundsätzlich nicht nachprüfbar, da ein verbindlicher Festpreis bestimmt worden sei und das Krankenhaus insoweit bei der Anwendung des Pflegesatzes keinen Spielraum gehabt habe (BGH NJW 1979, 597, 597).

bb.

Diese Auslegung des § 8 AGBG ist auch bereits deshalb geboten, weil die Beklagte nach dem Sinn und Zweck des AGB-Gesetzes nicht Normadressatin der Vorschriften dieses Gesetzes ist. Nach dem Sinn und Zweck des AGB-Gesetzes soll gerade verhindert werden, dass der Verwender, der die Vertragsgestaltungsfreiheit allein für sich in Anspruch nimmt, den anderen Teil unter Abbedingung des dispositiven Rechts unangemessen benachteiligt (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., AGB-Gesetz, Einführung AGB-Gesetz, Rdnr. 5 mit zahlreichen Nachweisen). Dies setzt jedoch denknotwendig voraus, dass ein Verstoß gegen Vorschriften des AGB-Gesetzes ihre Ursache in selbständigen Verhaltensweisen und Entscheidungen des Verwenders hat. Nur in diesem Fall kann dem Verwender sein Verhalten im Sinne des AGB-Gesetzes als Verstoß zugerechnet werden (siehe zu einer gleich gelagerten Fallgestaltung im Kartellrecht OLG Düsseldorf, WUW 2002, 736, 737 f.). Vorliegend ist jedoch jede privatautonome Freiheit der Beklagten als Verwenderin von allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgrund § 29 TKG und ihrer Bindung an die Entscheidungen der Regulierungsbehörde aufgehoben und die Beklagte verfügt über keinen Gestaltungsspielraum.

cc.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch eine Überprüfbarkeit des Kündigungsentgeltes im TAL-Vertrag der Parteien nach den §§ 9-11 AGBG nicht deshalb zulässig und geboten, weil es sich bei der Entscheidung der Regulierungsbehörde um eine dem zivilrechtlichen Vertrag der Parteien vorausgehende öffentlich-rechtliche Genehmigung handelt. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass allein der Umstand, dass allgemeinen Geschäftsbedingungen eine durch Verwaltungsakt erfolgte öffentlich-rechtliche Genehmigung vorangegangen ist, grundsätzlich nicht ihre Überprüfbarkeit nach den §§ 9-11 AGBG hindert. Dies setzt jedoch voraus, dass zwar öffentlich rechtliche Vorgaben gemacht werden bzw. auch Entgelte genehmigt werden, den Verwendern der allgemeinen Geschäfts- bedingungen jedoch ein eigener Ermessenspielraum in Bezug auf die zu erhebenden Entgelte verbleibt : So hat der Bundesgerichtshof in Fällen, in denen allgemeinen Geschäftsbedingungen privatrechtlich organisierter Unternehmen entsprechende behördliche Entscheidungen oder Genehmigungen zugrunde gelegen haben, eine Überprüfbarkeit angenommen und ausgeführt, dass der den allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde liegende Verwaltungsakt zwar zu beachten sei, das genehmigte Entgelt jedoch grundsätzlich zivilrechtlich überprüfbar sei (BGH NJW RR 1997, 1019, für Flughafengebühren; BGH NJW RR 1992, 183, für Stromlieferungsverträge; BGH NJW 1992, 171, für Abwasserentgelte). In allen diesen Fällen konnten jedoch die Verwender der allgemeinen Geschäftsbedingungen trotz der Entgeltgenehmigung das Entgelt grundsätzlich frei gestalten, insbesondere konnte das Entgelt trotz entsprechender Genehmigung auch unter den genehmigten Entgelten liegen (BGH NJW 1992, 171; BGH NJW 1992, 183). Entgegen den Vorgaben der Regulierungsbehörde bestand daher für den Verwender gerade keine Bindungswirkung, vielmehr stand diesen ein Freiraum in Bezug auf die Ausgestaltung zu, worauf der Bundesgerichtshof zur Begründung der zivilrechtlichen Überprüfbarkeit der allgemeinen Geschäftsbedingungen auch abgestellt hat (BGH DVBL 1974, 558, 560).

Entgegen der Auffassung der Klägerin greifen die Vorschriften des AGBG auch nicht deshalb ein, weil die Beklagte einen entsprechenden Entgeltantrag bei der Regulierungsbehörde gestellt hat. Der Entgeltantrag der Beklagten hat nämlich lediglich zur Folge, dass das vorgeschriebene Genehmigungsverfahren in Gang kommt; auf den Verlauf des Genehmigungsverfahrens, den Umfang der Entgeltüberprüfung und den Inhalt der Genehmigungsentscheidung - und damit die Höhe der zukünftig zu erhebenden Entgelte - hat die Beklagte gerade keinen entscheidenden Einfluss. Dies fällt allein in den Entscheidungsbereich der Regulierungsbehörde.

2.

Soweit die Klägerin, auch in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22.04.2004 die Ansicht vertritt, das zwischen den Parteien vereinbarte Kündigungsentgelt müsse im Zivilprozess auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden können, weil die Klägerin ansonsten keine andere Möglichkeit habe, den TAL-Vertrag gerichtlich überprüfen zu lassen, trifft dies nicht zu. Grundsätzlich kann die Klägerin nämlich den Verwaltungsrechtsweg beschreiten, da es sich bei der Entscheidung der Regulierungsbehörde um einen sogenannten Verwaltungsakt mit privatrechtsgestaltender Drittwirkung, die eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO begründet, handelt (vgl. Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 42 Rdnr. 102). Die Klägerin ist vorliegend nämlich vom Verwaltungsakt der Regulierungsbehörde unmittelbar betroffen, weil auch sie aufgrund einer fehlenden Abweichungsmöglichkeit durch den Verwaltungsakt unmittelbar gebunden wird und ausweislich der zu den Akten gereichten Anlage B 3 auch Beigeladene im Verfahren vor der Regulierungsbehörde war. Soweit die Klägerin demgegenüber die Beklagte auf die Möglichkeit einer Strafhaftungsklage gegen die Regulierungsbehörde verweist, steht dem bereits § 839 Abs. 3 BGB entgegen.

3.

Unabhängig von einer Anwendbarkeit des § 8 AGBG stimmt der Senat nicht der Begründung der Auffassung des Landgerichts zu , wonach das vereinbarte Kündigungsentgelt einen Verstoß gegen § 9 AGBG darstellt. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung ist nämlich der zwischen den Parteien geschlossene TAL-Vertrag nicht mit dem der Entscheidung des BGH zur Deaktivierungsgebühr zugrunde liegenden Sachverhalt vergleichbar (vgl. hierzu BGH NJW 2002, 2386). In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall diente die gesonderte Erhebung einer Deaktivierungsgebühr jedenfalls auch dazu, dem Kunden ein gewisses Interesse an der Kündigung zu nehmen. Dies ist vergleichbar mit den sogenannten "Wechselgebühren" von Stromlieferanten: Erhebt ein netzbetreibender Stromversorger eine Wechselgebühr für den Fall, dass ein Kunde den Stromliefervertrag beendet und den Stromlieferanten wechseln möchte, stellt dies grundsätzlich eine unbillige Behinderung anderer Stromlieferanten im Sinne des § 20 GWB und ein Verstoß gegen § 19 Abs. 1 GWB dar (vgl. OLG München, ZNER, 2001, 263 ff., OLG Naumburg, RdE 2001, 226, 226 f., LG Hamburg, RdE 2001, 31 ff.). Vorliegend waren die Kunden der Beklagten jedoch bereits von dieser zur Klägerin gewechselt, die Erhebung eines Kündigungsentgeltes konnte also gar nicht mehr dazu dienen, Kunden von einem Wechsel abzuhalten. Auch ist das Kündigungsentgelt nur deshalb gesondert in das Regelwerk aufgenommen worden, weil die Regulierungsbehörde die Wettbewerber der Beklagten gerade begünstigen wollte. Die Beklagte wollte ausweislich der zu den Akten gereichten Anträge die Kosten der Kündigung bereits in die Bereitstellungsgebühr aufnehmen. Die Einstellung der Allgemeinkosten, also auch der reinen Kündigungskosten, in den geforderten Preis ist aber auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Deaktivierungsgebühr dem Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen grundsätzlich unbenommen (BGH NJW 2002, 2386, 2388).

So liegt in der Art der von der Beklagten geltend gemachten Kosten bei Kündigung eines Endkunden der Klägerin auch der entscheidende Unterschied zur Entscheidung des BGH zur Deaktivierungsgebühr. In der der Entscheidung zugrunde liegenden Klausel betreffend die Deaktivierungsgebühr wurden ausschließlich Kosten für administrative Tätigkeiten des Telekommunikationsdienstleistungsanbieters geltend gemacht, die ausschließlich in dessen Interesse lagen und in keinem Zusammenhang zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten des Anbieters standen. Vorliegend ist jedoch bei Kündigung eines Endkunden der Klägerin unstreitig ein gewisser technischer Aufwand von der Beklagten zu erbringen: So muss sie, um ihr Netz wieder in den ursprünglichen Zustand zu bringen, die Verbindung der TAL zum Netz der Klägerin trennen, was einen direkten und unmittelbaren Eingriff an ihrem Hauptverteiler voraussetzt. Soweit die Klägern in diesem Zusammenhang ausführt, die Beklagte führe diese Trennung, die aufgrund der noch nicht automatisierten Abläufe bei der Beklagten eine Tätigkeit eines Menschen am Hauptverteiler voraussetzt, nur aus, weil sie ansonsten nicht ausschließen könne, ob die Klägerin die Teilnehmeranschlussleitung noch nutzen würde, hat die Beklagte als Vertragspartner einen Anspruch darauf, eine weitere - unentgeltliche - Nutzung durch die Klägerin auszuschließen. Auch der Einwand der Klägerin, die Beklagte brauche die TAL nicht abzuschalten, um sie auf neue Kunden umschalten zu können, sondern könne aufgrund ihrer Ressourcen für jeden Neukunden eine neue Leitung schalten und die gekündigte und benutzte Leitung quasi als "Leiche" in ihrem Netz liegen lassen, greift nicht durch. Die Beklagte, die gemäß § 35 TKG verpflichtet ist, ihr Netz anderen Nutzern zur Verfügung zu stellen, behält nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte dennoch die Hoheit an ihrem Netz. Insoweit muss es ihr auch gestattet sein, bei der Kündigung eines Endkunden eines anderen Zugangsteilnehmers eine TAL abzuschalten und diese für einen neuen Kunden zu verwenden und kann nicht darauf verwiesen werden, ihr Netz durch zahlreiche "tote" TAL langsam vollschalten zu lassen.

Ob die Forderung der Regulierungsbehörde, das Kündigungsentgelt - zu Gunsten der Wettbewerber - erst bei einer Kündigung der TAL zu erheben, sachgerecht war und ist, hat der Senat nicht zu entscheiden. Es spricht manches dafür, dass jedenfalls die Bereitstellung der gekündigten TAL für einen neuen Teilnehmer erst bei dessen Freischaltung erfolgen muss und die dadurch entstehenden Kosten dann als Kosten der Bereitstellung gefordert werden sollten.

Über eine AGB-Kontrolle kann die Klägerin eine solche Entscheidung der Regulierungsbehörde nicht erreichen.

Soweit die Klägerin weiter geltend macht, neben den Kosten für die technische Umschaltung seien der Beklagten von der Regulierungsbehörde auch Zinsen genehmigt worden, worin ein Gewinn zu sehen sei, führt auch dies nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten. Da die Klägerin verpflichtet ist, anderen Teilnehmern des Telekommunikationsmarktes ihr Netz zur Verfügung zu stellen, muss sie dies auch kostendeckend tun dürfen. Dies bedeutet, dass sie jedenfalls alle ihr entstehenden Kosten inklusive Zinsen von den jeweiligen Vertragspartner erstattet bekommen muss. Gerade dies soll auch durch die Entscheidungen der Regulierungsbehörde gewährleistet werden: So ist es nach § 1 TKG gerade Zweck des Gesetzes, durch Regulierung den Wettbewerb zu fördern und angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. Ziele der Regulierungen sind gemäß § 2 Abs. 2 TKG die Wahrung der Interessen sämtlicher Nutzer auf dem Gebiet der Telekommunikation und die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs aller Marktteilnehmer. Insoweit können die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in Bezug auf die Deaktivierungsgebühr im Mobilfunkmarkt gerade nicht auf den regulierten Markt im Festnetzbereich übertragen werden.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

5.

Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6.

Die Revision ist zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen.

Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 22.04.2004 hat vorgelegen und gibt zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 12.885,48 €

Ende der Entscheidung

Zurück