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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 02.03.2001
Aktenzeichen: 19 U 170/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 170/00

Anlage zum Protokoll vom 02.03.2001

Verkündet am 02.03.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, den Richter am Oberlandesgericht Gedig und die Richterin am Oberlandesgericht Göhler-Schlicht

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 3. Juli 2000 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer für Landgerichts Köln - 21 O 528/98 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Zwar ist in dem Verhalten des Beklagten ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung zu sehen. Die Klägerin hat aber die fristlose Kündigung verspätet ausgesprochen, so dass die ursprünglich erhobene Räumungsklage, die die Klägerin für erledigt erklärt hat, nicht begründet gewesen ist.

I.

Ebenso wie das Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass der Beklagte der Klägerin einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung gegeben hat. Zwar mag nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht feststehen, dass der Brand in der Pflegehalle unmittelbar durch Schweißarbeiten verursacht worden ist. Bei sämtlichen von dem Sachverständigen S. in Erwägung gezogenen Brandursachen - Schwelbrand durch abtropfende Schweißperlen bei Schweißarbeiten an einem Fahrzeug mit undichter Benzinleitung; Brand durch einen Ladevorgang der Batterie; Einleitung des Brandes durch eine beschädigte Leitung oder einen Kontaktfehler in Steckverbindungen von angeschlossenen Verbrauchern - ist dem Beklagten aber der Vorwurf zu machen, gegen ausdrückliche Vertragsbestimmungen verstoßen zu haben und leichtfertig mit Gefahrstoffen umgegangen zu sein, wie das Landgericht im einzelnen ausgeführt hat. Nach § 1 Abs. 4 des Vertrages waren dem Beklagten Reparaturen an Kraftfahrzeugen wie Blech- und Schweißarbeiten, das Lackieren von Fahrzeugteilen und Fahrzeugen sowie das Abstellen und Lagern von Gebraucht- und Schrottfahrzeugen auf dem Tankstellengrundstück nicht gestattet. Bei allen von ihm in der Pflegehalle vorgenommenen Arbeiten an Kundenfahrzeugen hatte er die Unfallverhütungsvorschriften zu beachten. Gegen diese Verpflichtungen hat der Beklagte in besonders auffälliger Weise verstoßen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen war bereits das Abstellen des Opel Kadett mit Undichtigkeit im Benzinsystem in der Fahrzeughalle unzulässig, weil sich ein zündfähiges Gas-Luft-Gemisch bilden konnte. Eine weitere Gefahrerhöhung ergab sich daraus, dass bei einem zuvor durchgeführten Ölwechsel Öl ausgelaufen war. Der Beklagte hat den Wagen mit der defekten Benzinleitung, den er für seine Ehefrau reparieren wollte, auf die Bühne gebracht, um diese defekte Benzinleitung zu reparieren. Er hat zur Durchführung der Arbeiten eine Handlampe an eine Kabeltrommel angeschlossen, in der eine Bohrmaschine und ein Ladegerät für Kfz-Batterien steckten, wobei es zunächst entweder einen Kurzschluss oder einen Fehlkontakt gab. Damit war für ihn eine dritte Gefahrenquelle erkennbar. Wenn er in dieser Situation nach seiner Schilderung die Arbeiten über Stunden zurückstellte und die Pflegehalle völlig unabeaufsichtigt ließ, so dass er erst durch den Brandgeruch aufmerksam wurde, handelte er in hohem Maße fahrlässig. Ein solches Verhalten stellt sich als schwerwiegender Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen und gegen die besonderen Sorgfaltspflichten eines Tankstellenverwalters dar, ohne dass es darauf ankommt, wie der Brand im einzelnen zur Entstehung gelangt ist. Der Beklagte hat durch sein Verhalten in jedem Fall wesentlich zur Ausbreitung des Brandes beigetragen. Das Verhalten des Beklagten zeigt eine hohe Verantwortungslosigkeit (Umgang mit Öl, Benzin, Kurzschluß und stundenlange Nichtbeaufsichtigung), so dass ein wichtiger Grund zur sofortigen Kündigung des Vertrages anzunehmen ist.

Hingegen konnte die Klägerin eine fristlose Kündigung nicht darauf stützen, dass der Beklagte schon früher auf den Tankstellengelände Schweißarbeiten ausgeführt hat. Kleinere Schweißarbeiten in der Pflegehalle stellen nach Auffassung des Senats jedenfalls keinen derart gravierenden Vertragsverstoß dar, dass sie die Klägerin zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt hätten.

II.

Die Klage ist aber unbegründet, weil die Klägerin die Kündigung des Vertrages am 23.10.1998 verspätet ausgesprochen hat. Sämtliche in Betracht kommenden Pflichtverstöße lagen für die Klägerin mit dem Schadensereignis am 20.8.1998 offen. Auch wenn sie erst durch die Einsicht in die Strafakten Ende September/Anfang Oktober 1998 über den Stand der Ermittlungen wegen fahrlässiger Brandstiftung unterrichtet worden ist, wußte sie doch über ihren am Schadensort anwesenden Vertreter Sch. nicht nur von dem Brand selbst. Vielmehr war sie durch Herrn Sch. auch am darauffolgenden Morgen, dem 21.08.1998, vertreten, als die Polizei das Tankstellengelände zum Zwecke der Spurensuche und der Ermittlung der Brandursache erneut untersuchte. Aus dem Brandbericht vom 24.08.1998 ergibt sich, dass mit dem Mitarbeiter Sch. auch über das Verbot von Schweißarbeiten gesprochen worden ist und dieser die Gelegenheit hatte, an der umfassenden Besichtigung des Brandortes teilzunehmen. Dabei erhob sich der Verdacht der fahrlässigen Brandstiftung sofort, wie der Tatortbefundbericht zeigt. Die Klägerin wußte also spätestens ab dem 21.08.1998, welche Vorwürfe dem Beklagten gemacht werden konnten, insbesondere auch, dass die pflichtwidrige Benutzung eines Schweißgeräts in Betracht kam und hierdurch der Brand ausgelöst worden sein konnte. Wenn sie sich erst am 23.10.1998 zur fristlosen Kündigung entschloss, so bedeutet das, dass sie die bestehenden Verdachtsmomente und Pflichtwidrigkeiten des Beklagten zunächst nicht zum Anlass einer fristlosen Kündigung nehmen, sondern die weiteren Ermittlungen wegen des Verdachts einer fahrlässigen Brandstiftung abwarten wollte. Jedenfalls durch die ihr bereits Ende September/Anfang Oktober 1998 gewährte Akteneinsicht war sie detailliert über das bisherige Ermittlungsergebnis unterrichtet, das keine für sie neuen Erkenntnisse enthielt. Nachdem sie offensichtlich ihre Entscheidung über eine fristlose Kündigung von dieser Akteneinsicht abhängig machen wollte, hätte sie im Anschluss hieran unverzüglich reagieren und die fristlose Kündigung zeitnah aussprechen müssen. Mangels neuer Erkenntnisse bedurfte es der Zubilligung einer längeren Überlegungsfrist nicht mehr. Der Ausspruch der Kündigung am 23.10.1998, mithin mehr als zwei Monate nach dem Schadensereignis, war unter diesen Umständen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1999, 1481) zu spät. Denn hiernach kommt es für den Beginn der für die Rechtzeitigkeit der Kündigung maßgebenden Zeitspanne von weniger als zwei Monaten nicht auf die sichere Kenntnis vom Pflichtverstoß an, sondern auf einen hinreichend konkret begründeten Verdacht eines vertragswidrigen Verhaltens, dem der Kündigende nachgehen kann. So liegt es hier: Die Klägerin hat die Kündigung nicht etwa auf ein erst später vorliegendes Ermittlungsergebnis gestützt, sondern auf Pflichtwidrigkeiten des Beklagten, die bereits im August 1998 feststanden und ihr durch ihren Vertreter Sch. auch bekannt waren. Sie hätte unter diesen Umständen kurzfristiger überlegen müssen, ob sie den Brand und das sich hieraus ergebende Fehlverhalten des Beklagten als so schwerwiegend empfand, dass für sie eine weitere Zusammenarbeit mit diesem bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar war. Angesichts einer Frist von nur 6 Monaten für eine ordentliche Kündigung konnte der Beklagte nicht damit rechnen, die Klägerin werde über zwei Monate später das Ereignis überhaupt zum Anlass einer Kündigung nehmen, die sie als ordentliche Kündigung schon im August 1998 hätte aussprechen können. Ihre fristlose Kündigung über zwei Monate nach dem Schadensereignis ist daher zu spät.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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