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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 25.06.2003
Aktenzeichen: 19 U 203/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 119 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 426 Abs. 1 | |
BGB § 426 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 426 Abs. 1 Satz 2 2. HS |
19 U 203/02
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Richter am Oberlandesgericht Jaeger, die Richterin am Oberlandesgericht Eickmann-Pohl und den Richter am Oberlandesgericht Conzen
am 25. Juni 2003
beschlossen:
Tenor:
Das Prozesskostengesuch des Beklagten wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Mit der Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten Freistellung in Höhe eines nunmehr feststehenden Betrages - von 6.150,00 €. Dabei handelt es sich um Mietzinsverpflichtungen, welche aus der ehemals gemeinsamen Familienwohnung stammen, und welche nach dem Auszug der Klägerin und nach der Scheidung der Ehe entstanden sind.
Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe nicht den Nachweis dafür führen können, dass sie mit dem Beklagten vereinbart habe, dass dieser im Verhältnis zur Klägerin nach deren Auszug die Mietverbindlichkeiten allein übernehmen sollte.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, für deren Durchführung ihr der Senat durch Beschluss vom 26. Januar 2003 Prozesskostenhilfe bewilligt hat.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24. März 2003 den Antrag angekündigt, die Berufung zurückzuweisen. Er hat Widerklage erhoben, mit der er von der Klägerin seinerseits Freistellung in Höhe der Hälfte der Verbindlichkeiten aus dem ehemaligen Mietverhältnis begehrt. Zugleich beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
II.
Die begehrte Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Rechtsverteidigung bzw. -verfolgung des Beklagten keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Zwar hat der Beklagte mit seinem Klageabweisungsbegehren in erster Instanz in vollem Umfang Erfolg gehabt, so dass gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Erfolgsaussichten seiner Rechtsverteidigung im Berufungsverfahren in der Regel nicht zu prüfen ist. Die Vorschrift beruht auf dem Grundgedanken, dass das Urteil der Vorinstanz eine Vermutung dafür begründe, dass die Verteidigung gegen ein Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg bietet. Die Anwendung des § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist im Ausnahmefall aber dann nicht gerechtfertigt, wenn das angefochtene Urteil offensichtlich falsch ist. In einem solchen Fall entbehrt die in der Vorschrift enthaltene Vermutung einer hinreichenden Grundlage (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 119 Rn. 56; Steinjonas/Bork, ZPO, § 119 Rn. 23, MK-ZPO/Wax, § 119 Rn. 39). Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend gegeben:
Soweit das Landgericht der Klägerin nicht einmal in Höhe der Hälfte der bestehenden Mitverbindlichkeiten (3.075,00 €) versagt hat, hat die Kammer die Vorschrift des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (offensichtlich aus versehen) nicht angewendet (das ist der Fall, wenn eine nach den Umständen des Sachverhalt offensichtlich eingreifende Rechtsnorm nicht geprüft und/oder eine Auseinandersetzung mit einschlägiger höchstrichterlicher/obergerichtlicher Rechtssprechung nicht erfolgt ist). Danach sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Das Landgericht hätte daher, selbst wenn es zu der Auffassung gelangt war, der Beklagte habe ihr gegenüber die volle Haftung für die Mietverbindlichkeiten nicht übernommen, jedenfalls in Höhe der Hälfte der Mietverbindlichkeiten freistellen müsse. Dies stellt noch nicht einmal der Beklagte in Abrede, wie sich der Berufungserwiderung (Bl. 151 d. A.) entnehmen lässt.
Darüber hinaus haben die Parteien zumindest konkludent "ein anderes bestimmt", § 426 Abs. 1 Satz 2 2. HS BGB, so dass auch der weitergehende Freistellungsanspruch bis zur Höhe von 6.150,00 € begründet ist. Zwar ist streitig, ob die Parteien eine ausdrückliche Freistellungsvereinbarung getroffen habe. Der vom Landgericht dazu durchgeführten Beweisaufnahme hätte es insoweit nicht bedurft, denn aus den Umständen lässt sich bereits eine entsprechende konkludente Abrede zweifelsfrei entnehmen. Insoweit hat sich das Landgericht nicht mit der zu diesem Problemkreis ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG München FamRZ 1996, 291; OLG Hamburg NJW-RR 2001, 1012, 1013; OLG Düsseldorf MDR 1998, 830 für die - jedenfalls nach Scheidung vergleichbarer - Fallgestaltung nichtehelichen Lebensgemeinschaften) auseinandergesetzt. Die Klägerin ist im Februar 1999 aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen. Anlass hierfür waren sehr wohl massive Alkoholprobleme des Beklagten sowie eine Messerattacke gegen die Klägerin. Dies hat der Beklagte im Rahmen des Scheidungsverfahrens (Schriftsatz vom 11.06.2001 in der Sache Amtsgericht Brühl) eingeräumt. Dabei handelt es sich nicht um "billige Probleme" oder einen "Nebenschauplatz", denn dieses Verhalten des Beklagten war die Grundlage für die entgültige Trennung der Parteien, was auch durch den unmittelbar darauf folgenden Scheidungsantrag vom 18.02.1999 belegt worden ist. Die Ehe der Parteien ist durch Urteil vom 5. April 2000 geschieden wurden, ohne dass die Frage der Mietverpflichtung angesprochen oder problematisiert worden wäre. Der Beklagte hat die Aufwendungen für die - von ihm allein genutzte Wohnung - alleine getragen. Die Mietrückstände sind sodann ab September 2000, d. h. 5 Monate nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe entstanden. Mit der Scheidung der Eheleute und dem Auszug der Klägerin hatte die Wohnung ihre Bestimmung als gemeinsame Ehewohnung entgültig verloren (vgl. OLG Hamburg a. a. O., S. 1013). Spätestens mit der Scheidung der Ehe war entgültig klar, dass die Klägerin nicht in die gemeinsame Wohnung zurückkehren würde. Dies musste auch dem Beklagten klar sein. Aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit ist es nicht vertretbar, den nach entgültigem Scheitern der Ehe aus der Wohnung ausziehenden Ehegatten noch am Innenausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB zu beteiligen (so zurecht OLG München a. a. O. bereits für den Zeitraum zwischen der - dauerhaften - Trennung und vor Scheidung der Ehe).
Aus den genannten Gründen kann die beabsichtigte Klage des Beklagten - ungeachtet der Frage der Sachdienlichkeit (§ 533 ZPO) - keinen Erfolg haben, so dass auch insoweit die begehrte Prozesskostenhilfe zu verweigern ist.
Ende der Entscheidung
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