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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.02.2004
Aktenzeichen: 19 W 2/04
Rechtsgebiete: ZPO, HGB


Vorschriften:

ZPO § 887
ZPO § 888
HGB § 87 c Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

19 W 2/04

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch die Richterin am Oberlandesgericht Eickmann-Pohl, den Richter am Oberlandesgericht Conzen und die Richterin am Landgericht Dr. Grobecker

am 9. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 28.11.2003 (32 O 132/02) aufgehoben.

Der Antrag des Gläubigers vom 24. Februar 2003 auf Verhängung eines Zwangsgeldes gegen die Schuldnerin sowie der hilfsweise mit Schriftsatz vom 20. Mai 2003 gestellte Antrag auf Ermächtigung zur Ersatzvornahme werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens in beiden Instanzen werden dem Gläubiger auferlegt.

Gründe:

I.

Der Gläubiger und Beschwerdegegner war seit 1979 Handelsvertreter der Schuldnerin. Diese hat das Handelsvertreterverhältnis zwischenzeitlich mit Schreiben vom 31. März 2004 gekündigt. Der Gläubiger hat in dem zugrundeliegenden Rechtsstreit (32 O 132/02 LG Köln) gegen die Schuldnerin u. a. einen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges gemäß § 87 c HGB für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Juli 2002 geltend gemacht. Die Schuldnerin hat diesen Anspruch anerkannt und ist durch Teilanerkenntnisurteil der Kammer vom 13. Dezember 2002 entsprechend verurteilt worden. Dieses Urteil, mit dem die weitergehende Klage abgewiesen worden ist, ist mittlerweile rechtskräftig.

Die Schuldnerin hat dem Gläubiger nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens einen Buchauszug (Anlagenordner 1 und 2 zum Schriftsatz vom 16. April 2003) mit Angaben bezüglich verschiedener Versicherungssparten, in denen der Gläubiger tätig war, übersandt.

Der Gläubiger hat mit Schriftsatz vom 24. Februar 2003 die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen die Schuldnerin beantragt und zur Begründung ausgeführt, der Buchauszug entspreche nicht den Anforderungen, wie sie im Teilanerkenntnisurteil tituliert worden seien. Die Schuldnerin hat eingewandt, die Angaben seien in jeder Beziehung - insbesondere unter Berücksichtigung der Anforderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung - hinreichend, um eventuelle Provisionsansprüche berechnen zu können. Dem Verlangen nach Neuerteilung bzw. Ergänzung des Auszuges fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis; das Vorgehen des Gläubigers diene vielmehr dem Zweck, einen möglichst hohen Abfindungsbetrag zu erzielen. Auf den Hinweis (der Schuldnerin), dass die Verhängung eines Zwangsgeldes unter den Voraussetzungen des § 888 ZPO unzulässig sei, hat der Gläubiger mit Schriftsatz vom 20. Mai 2003 hilfsweise beantragt, ihn zur Ersatzvornahme zu ermächtigen und die Schuldnerin zu einem Kostenvorschuss in Höhe von 25.000,-- € zu verurteilen.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 28. November 2003 dem Hauptantrag stattgegeben und gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000,-- € verhängt. Gegen diese am 3. Dezember 2003 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 16. Dezember 2003 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Schuldnerin. Auf die umfangreiche Begründung des Rechtsmittels wird Bezug genommen. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel durch Beschluss vom 18. Dezember 2003 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 793 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Auf das Rechtsmittel der Schuldnerin ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Anträge des Gläubigers auf Anordnung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sowohl gem. § 887 ZPO als auch gem. § 888 ZPO zurückzuweisen.

1.

Die Anordnung des Landgerichts über die Verhängung eines Zwangsgeldes war bereits deshalb aufzuheben, weil die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der im Anerkenntnisurteil übernommenen Verpflichtung unzulässig ist. Bei der Verpflichtung des Prinzipals zur Erteilung eines Buchauszuges handelt es sich nach ganz überwiegender Auffassung in der neueren Rechtsprechung sowie im Schrifttum um eine vertretbare Handlung, welche gegebenenfalls im Wege einer Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO zu vollstrecken ist (OLG Hamm NJW-RR 1994, 490 f.; OLG Köln NJW-RR 1996, 100 f.; OLG Düsseldorf MDR 2000, 168; HansOLG HVR (00) Nr. 956; von Hoyningen-Huene in MünchKomm zum HGB, § 87 c, Rn. 53; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 87 c, Rn. 54; Baumbach-Duden/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 87 c, Rn. 12 m. w. N.; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 887 Rn. 3 Stichwort: "Buchauszug"; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 887 Rn. 23, Stichwort "Buchauszug"). Die Anordnung eines Zwangsgeldes gegen den Schuldner wird nur ganz ausnahmsweise für zulässig gehalten (etwa für den Fall, dass eine notwendige rechnergestützte Übersicht nicht durch einen Außenstehenden erstellt werden kann, vgl. OLG Hamm NJW-RR 1994, 489). Die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 888 ZPO wird dagegen nur noch vereinzelt vertreten (so - allerdings ohne nähere Begründung - KG HVR (01) Nr. 1004; für die Anwendbarkeit von § 888 ZPO unter Bezugnahme auf die ältere Rechtsprechung auch: Staub-Brüggemann, HGB, 4. Auflage, § 87 c, Rn. 20 m.w.N.). Der Senat folgt der herrschenden Ansicht jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung, bei der keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass nicht auch ein Dritter die vom Gläubiger vermissten Angaben nach Einsicht in die Bücher der Schuldnerin in den Buchauszug einfügen könnte.

2.

Auch der mit Schriftsatz des Gläubigers vom 20. Mai 2003 hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der Ersatzvornahme hat in der Sache keinen Erfolg.

Im Fall eines unvollständigen bzw. nicht ordnungsgemäßen Buchauszuges kann der Gläubiger grundsätzlich nur Ergänzung der Angaben, nicht dagegen die Neuherstellung eines Buchauszuges, verlangen (OLG Köln, a.a.O:, 101; HansOLG, a.a.O., m.w.N.). Dabei wird dem Handelsvertreter dieses Recht auch nur einschränkend zugestanden. Die Ergänzung soll nicht für jeden Fall der Unvollständigkeit verlangt werden dürfen, sondern nur bei einem gänzlich unbrauchbaren Buchauszug (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O.; unklar: OLG Nürnberg JurBüro 1998, 666). Liegt ein im Grundsatz brauchbarer Buchauszug vor, wird teils die Ansicht vertreten, dass für eine Zwangsvollstreckung im Wege der Ersatzvornahme kein Raum mehr ist, sondern der Handelsvertreter (zunächst) auf seine Kosten auf das Bucheinsichtsrecht gemäß § 87 c Abs. 4 HGB zu verweisen ist (OLG München NJW-RR 1988, 290). Dass es sich bei den Angaben, welche die Schuldnerin dem Beschwerdegegner zur Verfügung gestellt hat, um gänzlich unverwertbares Material gehandelt hat, hat aber noch nicht einmal der Gläubiger behauptet, so dass hinsichtlich der Berechtigung des Ergänzungsverlangens aus den dargelegten Gründen Bedenken bestehen. Diese Frage bedarf der abschließenden Entscheidung indes nicht. Der Beschwerdegegner hat gegen die Schuldnerin aus einem anderen Grund weder einen Anspruch auf Neuerstellung des Buchauszuges (so wie es das Landgericht tenoriert hat), noch auf Ergänzung der Angaben (so die Gründe der angefochtenen Entscheidung). Die Schuldnerin hat in mehreren Schriftsätzen dargelegt, dass der dem Gläubiger vorgelegte Buchauszug den Anforderungen genügt. Sie hat damit den Erfüllungseinwand erhoben, welchen das Landgericht nicht, wie geschehen, gänzlich ignorieren durfte. Der Einwand der Erfüllung ist nämlich im Vollstreckungsverfahren jedenfalls dann zu prüfen, wenn die Tatsachen, aus denen sich die (behauptete) Erfüllung ergibt, als solche unstreitig sind und sich die Parteien "nur" darüber streiten, ob die Erfüllungshandlung nach dem Titel ausreicht oder ob der Gläubiger noch zusätzliche Maßnahmen verlangen darf (HansOLG a.a.O. m.w.N.). Im Ergebnis ist der Einwand von der Beschwerdeführerin zu Recht erhoben worden. Die Schuldnerin hat ausführlich dargetan, dass die vom Gläubiger vermissten Angaben entweder in dem Buchauszug bereits enthalten sind und/oder aus welchen Gründen die Ergänzung für die Berechnung des Provisionsanspruches nicht erforderlich ist, d. h. die zusätzlich geforderten Angaben nicht "provisionsrelevant" sind. Zwar ist es zutreffend, dass für den Inhalt und Umfang dessen, was die Schuldnerin aus ihren Büchern angeben muss, maßgeblich die Festlegung im Titel ist (HansOLG a.a.O.). Der Umstand, dass der vorgelegte Auszug in diesem Sinne in einigen Punkten formal nicht vollständig ist, führt aber nicht dazu, dass der Gläubiger ohne weiteres Ergänzung verlangen kann und von seiner Pflicht zur substantiierten Darlegung der Mängel (vgl. Staub-Brüggemann, a.a.O., Rn. 19; OLG Köln, a.a.O., 101) entbunden ist. Das Anerkenntnis der Schuldnerin im Erkenntnisverfahren vor dem Landgericht, welches zur Titulierung des Anspruchs geführt hat, erfolgte vor dem Hintergrund, dass die Schuldnerin seinerzeit bereits an der Erstellung eines Buchauszuges arbeitete und offenbar gewillt war, dem Kläger ordnungsgemäße und vollständige Angaben zu machen. Die Aufzählung der einzelnen Punkte, bezüglich derer im Buchauszug Auskunft erteilt werden sollte, hatte dabei ihren Ursprung offensichtlich nicht in den vertraglichen Gegebenheiten des seinerzeit zwischen den Parteien bestehenden Handelsvertreterverhältnisses bzw. in einem besonders dargelegten Informationsbedürfnis des Gläubigers. Über den genauen Inhalt des Auszuges haben die Parteien gar nicht verhandelt. Die auskunftspflichtigen Umstände waren vielmehr wörtlich einer Entscheidung des OLG Saarbrücken (NJW-RR 2002, 391, 392; im Wesentlichen gleich auch: Küstner in "Handbuch des gesamten Außendienstrechts, 3. Aufl., Rn. 1482) entnommen worden und beschreiben nur die Anforderungen, die üblicherweise an die Angaben im Buchauszug zu stellen sind.

Die Erstellung eines Buchauszuges ist aber kein Selbstzweck. Er gibt dem Handelsvertreter in Ergänzung der ihm erteilten Abrechnungen und zu ihrer Nachprüfung eine Übersicht über alle provisionspflichtigen Geschäfte und ihrer Ausführung. Der Handelsvertreter soll aufgrund der ihm erteilten Angaben selbst in die Lage versetzt werden, seine Provisionsansprüche zu berechnen und/oder die ihm erteilten Provisionsabrechnungen zu überprüfen (BGH NJW 2001, 2333). Im Einzelnen muss der Buchauszug daher alles enthalten, was sich aus allen dem Unternehmer verfügbaren schriftlichen Unterlagen im Zeitpunkt der Ausstellung des Buchauszuges über die fraglichen Geschäfte ergibt und nach der getroffenen Provisionsvereinbarung für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann. Dies umfasst zunächst die zur Identifizierung des Geschäfts notwendigen Angaben (Versicherungsnehmer, Versicherungsscheinnummer, Art und Sparte des Vertrages, Tarif), ferner die Angaben der für die Provision wichtigen Umstände (Jahresprämie, provisionsrelevante Sondervereinbarungen, Versicherungsbeginn) schließlich Angaben evtl. Stornierungen einschließlich Datum und Grund der Stornierung (so grundlegend BGH NJW 2001, 2333 ff.). Diesen Anforderungen genügt der vorgelegte Buchauszug, wie die Schuldnerin im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt hat. Der Gläubiger ist dem im Wesentlichen nur mit dem Argument entgegengetreten, die Beschwerdeführerin hätte eben nicht anerkennen dürfen. Das genügt den Anforderungen nicht. Vielmehr ist in einem solchen Fall der Gläubiger - will er sich das Rechtsschutzinteresse an weiteren unstreitig mit hohem Aufwand verbundenen Vollstreckungsmaßnahmen erhalten - gehalten, sich mit den Einwänden im Einzelnen zu befassen und jeweils darzulegen, aus welchen Gründen er gleichwohl ergänzende Angaben benötigt

Im Einzelnen gilt Folgendes:

Der Angabe der Person des Versicherungsvertreters bedarf es nicht, weil der erteilte Buchauszug sich allein auf die Person des Beschwerdegegners bezieht. Was die vermissten Angaben hinsichtlich des Neu- bzw. Erhöhungsgeschäftes anbetrifft, so ergibt sich die - nur im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung - notwendige Differenzierung aus den Angaben im Buchauszug. Der Senat vermag dies anhand von Stichproben nachzuvollziehen; der Kläger ist dem nicht entgegengetreten. Auch ist die jeweilige Beitragshöhe (der verwendete Begriff "Jahresprämie" ist insoweit nur ein Synonym) ebenso wie die Höhe der von den Versicherungsnehmern geleisteten Beitragszahlungen im Buchauszug enthalten. Zu Recht hat die Schuldnerin ferner darauf hingewiesen, dass im Falle von Stornierungen die Erhaltungsmaßnahmen, soweit diese erfolgt sind, dargestellt worden sind. Der vom Gläubiger bestrittenen Übersendung von Stornoinformationsmitteilungen bedarf es in diesem Zusammenhang nicht. Es genügt insoweit eine "schlagwortartige" Beschreibung der bestandserhaltenden Maßnahmen (BGH a.a.O., 2335). Solche Maßnahmen sind in der rechten Spalte des Auszugs aufgeführt worden.

In der Sache hat der Gläubiger im Hinblick auf die im Buchauszug nicht mitgeteilten Anschriften der Versicherungsnehmer Stellung genommen. Er hat nicht überzeugend dargetan, dass und warum ihm allein aufgrund der Namen sämtlicher Versicherungsnehmer bzw. der versicherten Personen eine Überprüfung der Verträge nicht möglich sein soll. Selbst wenn er - wie er vorträgt - in seiner eigenen Buchhaltung die Verträge nach anderen Gesichtspunkten geordnet haben sollte, ist ihm nach Auffassung des Senats eine Überprüfung anhand der eigenen EDV mit zumutbarem Aufwand möglich. Dafür ist eine datenmäßige Anbindung an das System der Schuldnerin nicht erforderlich.

Ein nachvollziehbares Bedürfnis des Gläubigers, die Schuldnerin ergänzend dazu verpflichten, die Daten der jeweiligen Versicherungsanträge mitzuteilen, ist ebenfalls nicht erkennbar. Diese Daten mögen theoretisch für die Frage bedeutsam sein, ob die Tätigkeit des Handelsvertreters bedeutsam für den Vertragsschluss geworden ist (so OLG Hamm BB 1997, 1330). Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend aber nicht gegeben, da sämtliche im Buchauszug aufgeführten Verträge von der Schuldnerin abgeschlossen und verprovisioniert worden sind. Etwas anderes wird von dem Beschwerdegegner jedenfalls für kein einziges Vertragsverhältnis behauptet.

Nach alledem ist ein Anspruch auf Erteilung/Ergänzung des Buchauszuges nicht begründet. Eines Eingehens auf die vom Landgericht ebenfalls nicht erörterte Frage, ob im Hinblick auf die von der Schuldnerin erhobene Einrede der Verjährung (§ 88 HGB) bezüglich sich aus der Auskunft ergebender etwaiger Provisionsansprüche ein Rechtsschutzbedürfnis bezogen auf den gesamten Auskunftszeitraum zu bejahen wäre, bedarf es somit nicht.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 891 ZPO.

Ende der Entscheidung

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