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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.05.2003
Aktenzeichen: 2 W 37/03
Rechtsgebiete: InsO, VVG, ALB 86, ALB 94, ZPO


Vorschriften:

InsO § 134 Abs. 1
InsO § 139 Abs. 2
InsO § 143 Abs. 1
VVG § 43 Nr. 2
VVG § 47
ALB 86 § 12 Abs. 1 Satz 3
ALB 94 § 14 Abs. 4
ZPO § 114
ZPO § 115 Abs. 1
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 W 37/03

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn, des Richters am Oberlandesgericht Sternal und des Richters am Landgericht Dr. Göbel

am 19. Mai 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 13. März 2003 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 11. Februar 2003 - 1 O 556/02 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäss § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde, der das Landgericht gemäss Beschluss vom 1. April 2003 nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet. Das Landgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch der Beklagten zu Recht abgelehnt. Die Rechtsverteidigung der Beklagten bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist der von dem Kläger geltend gemachte Anfechtungsanspruch gemäss § 143 Abs. 1 InsO i. V. m. § 134 Abs. 1 InsO begründet. Die von der Beklagten hiergegen vorgebrachten Einwendungen sind rechtlich unerheblich.

1. Die Abtretung der Ansprüche des Schuldners C aus den Lebensversicherungsverträgen bei der B-Lebensversicherung-AG mit den Nr. #####/###1 (im Folgenden: LV 1), #####/###2 (LV 2), #####/###3 (LV 3) und #####/###4 (LV 4), an seine Tochter - die Beklagte - stellt eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO dar. Ob die Abtretung bereits im Mai 1997 - so die Ansicht der Beklagten - oder erst mit dem Zugang der Abtretungsanzeige vom 24.10.2001 bei der B-Lebensversicherung-AG wirksam geworden ist, wie der Kläger meint, spielt hierfür keine Rolle. Entscheidend für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit ist, ob der Empfänger für die Leistung ein Vermögensopfer in Form eines die Leistung des Schuldners ausgleichenden Entgelts erbringen musste oder nicht. Dies bestimmt sich in erster Linie nach objektiven Gesichtspunkten; maßgeblich ist, ob sich Leistung und Gegenleistung in ihrem jeweils objektiv zu ermittelnden Wert entsprechen (vgl. nur Kreft in HK-InsO, 2. Aufl. 2001 § 134 Rn. 9 m. w. Nw.). Die Beklagte trägt zur Begründung der von ihr geltend gemachten Entgeltlichkeit lediglich vor, dass dem Schuldner C Ausbildungsversicherungen, die auf die Kinder übertragen worden seien, zur Verfügung gestellt worden seien. Die Abtretungen der Lebensversicherungen seien zum Ausgleich dieser Übertragungen der Ausbildungsversicherungen erfolgt. Dem Vortrag der Beklagten lässt sich aber nicht einmal ansatzweise entnehmen, dass die von ihr auf Herrn C übertragenen Ausbildungsversicherungen wertmäßig den infolge der Abtretung erlangten Ansprüchen aus den Lebensversicherungsverträgen entsprachen. Ausweislich des - von der Beklagten insoweit nicht bestrittenen - Vortrags des Klägers kam den Lebensversicherungen ein Gesamtwert in Höhe von 71.302,86 € zu (LV 1: 30.569,20; LV 2: 14.730,10; LV 3: 14.550,86 sowie LV 4: 11.452,70). Welchen Wert demgegenüber die übertragenen Ausbildungsversicherungen hatten, legt die Beklagte nicht dar. Insoweit kommt es auch ausschließlich darauf an, ob die Beklagte mögliche Ausbildungsversicherungen an den Schuldner übertragen hat. Ob auch andere Kinder des Schuldners derartige Versicherungen auf ihn übertragen haben, ist für die Frage, ob die Beklagte als Empfängerin der Lebensversicherungsbeträge ein Vermögensopfer und damit eine Gegenleistung erbracht hat, irrelevant. Auch deshalb begründet der Vortrag der Beklagten, die Ausbildungsversicherungen seien "auf die Kinder" übertragen worden, keine rechtserhebliche Einwendung gegen die Annahme der Unentgeltlichkeit der Leistung des Schuldners.

2. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO auch in zeitlicher Hinsicht gegeben sind. Aufgrund des eigenen Vortrags der Beklagten steht fest, dass die Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen nicht früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind.

a) Entgegen der Ansicht des Klägers ist allerdings für die Fristberechnung nicht das Datum des 22.10.2001 entscheidend, an dem der Schuldner einen Insolvenzantrag stellte. Grundsätzlich ist zwar gemäss § 139 Abs. 2 InsO für den Fall, dass mehrere Eröffnungsanträge gestellt worden sind, der erste zulässige und begründete Antrag maßgeblich. Wenn jedoch - wie hier - ein Antrag zurückgenommen worden ist, kommt es für die Fristberechnung hierauf nicht mehr an (vgl. nur Kreft in HK-InsO, a. a. O., § 139 Rn. 12 unter Hinweis auf BGH, ZIP 1999, 1977; Hirte in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl. 2003, § 139 Rn. 12 m. w. N.). Für die Berechung des 4-Jahreszeitraums des § 134 Abs. 1 InsO ist deshalb der Antrag der K N2 vom 18.02.2002 maßgeblich, der nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers zur Insolvenzeröffnung führte.

b) Wenn die Abtretungen entsprechend dem Vortrag der Beklagten bereits im Mai 1997 erfolgt wären, würde eine Anfechtung gemäss § 134 Abs. 1 InsO ausscheiden. Der Vortrag der Beklagten rechtfertigt aber die Annahme einer wirksamen Abtretung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht. Es fehlt, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, an einer für die Wirksamkeit der Abtretung konstitutiven Anzeige an den Versicherer (§ 13 Abs. 4 der allgemeinen Bedingungen für Lebensversicherungsverträge ALB 86 = § 14 Abs. 4 ALB 94). Diese ist erst mit Schreiben vom 24.10.2001 und damit innerhalb des 4-Jahreszeitraumes der B-Lebensversicherung-AG zugeleitet worden. Wenn jedoch eine Abtretungsanzeige an den Versicherer fehlt, ist die Abtretung absolut unwirksam, so dass der Versicherer bis zur Anzeige der Abtretung nicht an den Zessionar leisten muss und der Zessionar bis zur Anzeige kein Forderungsrecht erlangt (vgl. BGHZ 112, 387; BGH, VersR 1992, 561; OLG Köln, VersR 1993, 1133).

aa) Die Beklagte behauptet, die Abtretung vom Mai 1997 sei dem Zeugen N angezeigt worden. Insoweit könnten zunächst bereits Zweifel bestehen, ob Herr N für die B-Lebensversicherung-AG empfangsbevollmächtigt gewesen ist. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten "Bestätigung" des Herrn N vom 26. Oktober 2002 obliegt diesem die "Vermittlung von Krankenversicherungen, Bausparverträgen und Geldanlage" für die B-Versicherungs-AG. Ein Versicherungsagent ist gemäss § 43 Nr. 2 VVG grundsätzlich auch zur Entgegennahme von Anzeigen etc. empfangsbevollmächtigt. In den allgemeinen Lebensversicherungsbedingungen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 3 ALB 86) wird der Versicherungsnehmer aber auf eine Einschränkung dieser Vollmacht hingewiesen. Hiernach sind nämlich Versicherungsvertreter zur Entgegennahme von Mitteilungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, nicht bevollmächtigt. Eine derartige Einschränkung der Bevollmächtigung ist nach der Rechsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich wirksam (vgl. BGHZ 141, 137 <150 ff.>) und kann unter den Voraussetzungen des § 47 VVG auch dem Versicherungsnehmer entgegengehalten werden.

c) Diese Frage bedarf jedoch im Ergebnis keiner Entscheidung. Selbst wenn der Zeuge N zur Entgegennahme der Abtretungsanzeige befugt gewesen wäre, fehlt es an der gebotenen Schriftform der Anzeige. Hierauf hat das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung zu Recht hingewiesen. Zwar kann ein rechtsgeschäftlich vereinbartes Schriftformerfordernis zwischen den Parteien wieder aufgehoben werden (vgl. statt aller Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. 2003, § 127 Rn. 1 a sowie § 125 Rn. 14). Der Abschluss eines solchen - von der Beklagten in der Beschwerdebegründung nunmehr behaupteten - Änderungsvertrages wäre jedoch nur dann wirksam erfolgt, wenn der Zeuge N hierzu bevollmächtigt gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere ergibt sich eine derartige Vollmacht nicht aus § 43 VVG.

3. Schließlich ist auch der von dem Kläger im Hinblick auf die Lebensversicherungen LV 3 und LV 4 geltend gemachte Auskunftsanspruch begründet, da er für die Bestimmung der Art und des Umfangs des Rückgewähranspruchs auf die Auskünfte angewiesen ist, die die Beklagte unschwer erteilen kann (vgl. zu den Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs des Insolvenzverwalters nur Kreft, a.a.O. § 129 Rn. 90 m.w.Nw.).

4. Da hiernach der Prozesskostenhilfeantrag bereits mangels hinreichender Erfolgsaussicht von dem Landgericht zu Recht zurückgewiesen wurde, kann es offen bleiben, ob die Beklagte bedürftig im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO ist. Dies hat das Landgericht verneint. Der Senat weist deshalb lediglich ergänzend darauf hin, dass Bedenken an der Bedürftigkeit der Beklagten auch dann bestehen könnten, wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass sie derzeit zu einer Realisierung der Lebensversicherungen LV 1 und LV 2 nicht in der Lage ist. Die Beklagte hat nämlich nicht erläutert, was mit den bereits ausgezahlten Lebensversicherungen LV 3 und LV 4 geschehen ist, die sich immerhin auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 26.003,56 € belaufen.

5. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf die Regelung des § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs.1 Nr.2, Abs. 2 und 3 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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