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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 702/03
Rechtsgebiete: AO
Vorschriften:
AO § 370 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In der Strafsache
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Köln gegen den Beschluss der 14. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 01.10.2003 - Gesch-Nr. 114-23/03 -, soweit darin die Eröffnung des Hauptverfahrnes gegen den Angeklagten X. teilweise abgelehnt worden ist, durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Ahn-Roth und den Richter am Oberlandesgericht Scheiter
am 4. März 2004
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten X. darin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Köln hat im Zusammenhang mit der Errichtung der L. Restmüllverbrennungsanlage wegen Bestechungsvorwürfen und Steuerstraftaten gegen den Angeklagten X. und weitere 4 Mitangeklagte Anklage erhoben. X. wird - neben Bestechungsdelikten, die nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sind - unter Ziff.III 2 der Anklageschrift vom 20.03.2003 Steuerhinterziehung in 7 Fällen zur Last gelegt, deren Hintergrund - kurz gefaßt - ihm im Zusammenhang mit der Errichtung der Müllverbrennungsanlage zugeflossene (teilweise eingeräumte) Schmiergeldzahlungen von insgesamt 6,4 Mio DM bilden. Insoweit geht es um Beträge von 2 mal 2 Mio DM aus dem Jahre 1994 sowie weitere 2,4 Mio DM aus dem Jahre 1996, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft noch vollständig bei dem Angeklagten vorhanden und um hieraus erzielte Kapitaleinkünfte noch angewachsen sind.
Im einzelnen wird dem Angeklagten X. vorgeworfen
a) in der Steuererklärung für das Jahr 1995 Kapitaleinkünfte (aus den 1994 erhaltenen Zahlungen ) iHv (jetzt und i.f. auf TDM gerundet) mind. 234 TDM verschwiegen und dadurch Einkommensteuer iHv rd.115 TDM zzgl. Solidaritätszuschlag verkürzt zu haben;
b) in der Steuererklärung für 1996 die in diesem Jahr erhaltenen Schmiergeldzahlungen iHv 2,4 Mio DM und außerdem Kapitaleinkünfte von mind. 246 TDM verschwiegen und dadurch Einkommensteuer iHv rd.1 Mio DM zzgl. Solidaritätszuschlag verkürzt zu haben;
c) für 1996 trotz entsprechender rechtlicher Verpflichtung (die Anklage wertet die in 1996 empfangene Schmiergeldzahlung als Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit) keine Gewerbesteuererklärung abgegeben und dadurch Gewerbesteuer iHv 331 TDM hinterzogen zu haben;
d) in der Umsatzsteuererklärung für 1996 die erwähnte Schmiergeldzahlung von 2,4 Mio DM ebenfalls verschwiegen und dadurch Umsatzsteuer iHv 313 TDM verkürzt zu haben;
e) in den Steuererklärungen für die Jahre 1997 bis 2000 die Einkünfte aus Kapitalvermögen, das er aus den Schmiergeldern angesammelt habe, verschwiegen zu haben; insoweit geht die Anklage von Einkünften iHv insgesamt rd. 1,47 Mio DM und einem Hinterziehungsbetrag von insgesamt rd. 413 TDM zuzügl. Solidaritätszuschlag aus (vgl. S. 197 der Anklageschrift).
Die 14. gr. Strafkammer des Landgerichts Köln hat durch Beschluß vom 01.10.2003 - 114-23/03 - die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten X. teilweise abgelehnt, nämlich soweit ihm "vorgeworfen worden ist, für die Jahre 1995 sowie 1997 bis 2000 Steuern hinterzogen zu haben und soweit er angeklagt ist, für 1996 Gewerbesteuer hinterzogen zu haben".
Das Landgericht geht davon aus, dass mangels sicherer Feststellungen zum Verbleib der Schmiergeldzahlungen dem Angeklagten die Hinterziehung von Kapitalertragssteuer in einer bestimmten Höhe nicht nachzuweisen sein werde; hinsichtlich der Gewerbsteuerverkürzung fehle es (jedenfalls) am Vorsatz, weil der Angeklagte nicht davon habe ausgehen müssen, dass die Schmiergeldzahlungen gewerbesteuerpflichtig seien.
Nach Auffassung der Strafkammer ist der Vorwurf der Steuerhinterziehung nur insoweit berechtigt, "als der Angeklagte für 1996 sowohl bei der Einkommensteuer als auch bei der Umsatzsteuer 2,4 Mio DM zu wenig angegeben hat".
Mit ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten sofortigen Beschwerde erstrebt die Staatsanwaltschaft die Zulassung der Anklage gegen X. in vollem Umfang.
II.
1. Das gem. § 210 Abs. 2 StPO statthafte und auch im übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten X. in dem sich aus der angefochtenen Entscheidung ergebenden Umfang teilweise abgelehnt. Von der Wahrscheinlichkeit späterer Verurteilung wegen der beiden in Rede stehenden Tatkomplexe vermag auch der Senat nicht auszugehen. Er tritt den Ausführungen der Strafkammer bei und fügt ihnen - im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen - nur folgendes hinzu :
2. Was den Vorwurf der Gewerbesteuerhinterziehung für das Jahr 1996 angeht, hat das Landgericht (nicht ausdrücklich, aber stillschweigend) die Gewerbesteuerhinterziehung einerseits und die Einkommensteuerhinterziehung andererseits als zwei - auch prozessual - selbständige Straftaten angesehen. Sonst hätte es nicht zu einer Teilablehnung nach § 207 Abs. 2 Nr. 1 StPO kommen können.
a) Diese Wertung - der der Senat folgt - weicht allerdings von der Anklage ab, die ersichtlich von einer Tat ausgeht, wie aus dem Anklagesatz und der Konkretisierung (S.5,16 der Anklageschrift) hervorgeht. Lediglich die - hier nicht interessierende, weil ohnehin zugelassen - Umsatzsteuerhinterziehung wertet die Anklage als selbständige Tat ("Fall 13").
Die abweichende Wertung durfte - und mußte - die Strafkammer vornehmen.
Bei Änderung des Konkurrenzverhältnisses - hier: Übergang von Tateinheit auf Tatmehrheit - besteht nach § 265 Abs. 1 StPO die Hinweispflicht des Gerichts (vgl. BGH StV 91,102;KK-Engelhardt, StPO, 5.A. § 265 Rn 10; Meyer-Goßner, StPO, 46.A., § 265 Rn 15). Dann ist es als verfahrensrechtlich unbedenklich anzusehen, wenn bereits im Eröffnungsbeschluß statt Tateinheit Tatmehrheit angenommen und wegen einer Tat die Eröffnung abgelehnt wird. Das stellt sich gewissermaßen als eine Kombination von § 207 Abs. 2 Nr. 1 und 3 StPO dar.
Eine Ausweitung der Anklage liegt darin nicht. Denn am Strafverfolgungswillen der Staatsanwaltschaft bez. der Gewerbesteuerhinterziehung - die auch genügend konkretisiert ist - kann kein Zweifel bestehen.
b) Der Senat sieht in Übereinstimmung mit der Strafkammer in den Vorwürfen von Gewerbesteuerhinterziehung und Einkommensteuerhinterziehung jedenfalls bei der hier gegebenen Fallgestaltung zwei - auch prozessual - selbständige Straftaten (vgl. BGH NJW 85, 1719 u. wistra 92, 103; BayObLG wistra 92, 314; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rn 316;319.1; Rolletschke-Kemper, Steuerverfehlungen, § 369 AO Rn 49).
Die Annahme von Tateinheit zwischen der Verkürzung verschiedener Steuerarten ist auf Fälle aktiven Handelns - etwa, wenn mehrere Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden - beschränkt (vgl. BGH wistra 92,103; Rolletschke/Kemper aaO).
So liegt der Fall indes nicht, weil nur die Einkommensteuererklärung (unrichtig) abgegeben wurde, während die Abgabe einer Gewerbesteuererklärung entgegen § 14 a GewStG unterlassen wurde.
c) Der Strafkammer ist weiter auch darin zu folgen, dass der Wahrscheinlichkeit späterer Verurteilung entgegen steht, dass die Einlassung des Angeklagten, hinsichtlich einer (etwaigen) Gewerbesteuerverkürzung jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt zu haben, nicht zu widerlegen sein wird.
§ 370 AO ist ein Blankettgesetz, so dass zur Erfüllung des Tatbestandes auch die im einzelnen in Betracht kommenden Steuervorschriften verwirklicht sein müssen. Das bedeutet, dass, wenn der Steuerpflichtige über das Bestehen des Steueranspruchs irrt, er einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum erliegt (BGH in stRspr: BGHSt 5,90; wistra 86,174 sowie 89,263; vgl auch Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rn 88.4, 224,228,229)
Die aus der Beratertätigkeit erzielten Honorare versteuerte der Angeklagte X. in der Vergangenheit stets als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gem. § 18 EStG. Dem liegt seine (durch Rechtsrat seines Steuerberaters bestätigte, vgl. Schreiben des Steuerberaters P. vom 22.10.03 Bl. 14728) Rechtsauffassung zugrunde, als "Lobbyist" nicht gewerblich tätig zu sein. Die Finanzbehörden (und ihnen folgend die Staatsanwaltschaft) sehen die Tätigkeit des Angeklagten demgegenüber als gewerbliche Tätigkeit an und haben auf der Grundlage dieser gegenteiligen Rechtsauffassung die durch das vorliegende Verfahren bekannt gewordenen Schmiergeldzahlungen zum Anlaß dafür genommen, den Angeklagten X. - der die entsprechenden Steuerbescheide angefochten hat - nunmehr erstmals zur Gewerbesteuer heranzuziehen.
Auch wenn unterstellt wird, dass die Auffassung der Finanzbehörden zutrifft - was angesichts der beachtlichen Argumente der Verteidigung nicht gänzlich zweifelsfrei ist - bleibt es doch dabei, dass der Angeklagte X. geglaubt hat, nicht der Gewerbesteuer zu unterliegen. Von der Wahrscheinlichkeit späterer Verurteilung ist deswegen in Übereinstimmung mit der Strafkammer nicht auszugehen.
3. Dasselbe gilt vom Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen verschwiegener Kapitaleinkünfte.
a) Für 1996 hat die Strafkammer die Anklage wegen der Einkommensteuerhinterziehung uneingeschränkt zugelassen (und nur wegen der Gewerbesteuerhinterziehung nicht).
b) Im übrigen, d.h. für die Jahre 1995 und 1997 ff gilt folgendes : Die Ermittlungen haben weder hinsichtlich des Verbleibs noch der etwaigen zinsbringenden Anlage der Schmiergeldzahlungen zu irgendwelchen konkreten Feststellungen geführt. Die Aussage des Mitangeklagten E., X. habe ihm erklärt, "dass er sein Geld in Monaco anlege" mag einen Anfangsverdacht begründet haben. Der Senat hat das Gewicht dieser Äußerung aber bereits in der Haftentscheidung vom 02.09.2002 - 2 Ws 409/02 - relativiert, weil sie das vor dem kritischen Zeitraum liegende Jahr 1993 betraf.
Es steht nicht zu erwarten, dass die Hauptverhandlung hierzu noch irgendwelche Erkenntnisse erbringt.
c) Die Anklage ist in diesem Punkt mithin zur Gänze auf eine Schätzung angewiesen, die zwar auch im Steuerstrafverfahren zulässig ist (vgl. nur BGH wistra 99,104/105), aber - unter Bedacht auf den Grundsatz in dubio pro reo - nur in engen Grenzen und jedenfalls nicht in dem von der Staatsanwaltschaft hier angenommenen Umfang.
Die bei dem hier gegebenen Sachverhalt in Betracht kommende - auch von der Rechtsprechung des BGH anerkannte, vgl. BGH aaO - Schätzungsmethode ist die sog. Vermögenszuwachsrechnung, die jedoch nicht ohne belegbare Anhaltspunkte zur Entwicklung des Gesamtvermögens und des Geldbestandes auskommt, an denen es indessen völlig fehlt. Solche Anhaltspunkte werden von der Staatsanwaltschaft auch mit der Beschwerde nicht aufgezeigt. Der allein angeführte Umstand, dass der Angeklagte X. über Schmiergeldzahlungen iHv 6,4 Mio DM gewissermaßen als "Anfangsvermögen" verfügt haben soll (wovon auch die Strafkammer ausgeht) genügt mangels jeder sicheren Erkenntnis, was mit diesen Geldern später geschehen ist, als Grundlage für eine wie auch immer geartete Schätzung von Besteuerungsgrundlagen für hinterzogene Steuern aus verschwiegenen Kapitaleinkünften nicht.
Im übrigen steht auch nicht allein die Möglichkeit im Raum, dass der Angeklagte X. einen etwaigen Vermögenszuwachs - für den es, wie nochmals zu betonen ist, an konkreten Anhaltspunkten völlig fehlt - durch nicht steuerbare Vorgänge erzielt haben könnte. Vielmehr ist schon der Verbleib des Kapitals selbst ungeklärt, worauf die Strafkammer zutreffend hingewiesen hat. In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage des Mitangeklagten E. zu beachten, wonach X. ihm bei der Geldübergabe i.J. 1996 erklärt haben soll, er müsse das Geld mit einer dritten Person teilen.
Es mag zwar - insoweit in Übereinstimmung mit der erwähnten Haftentscheidung des Senats - der Verdacht weiterhin gerechtfertigt sein, dass der Angeklagte X. über Fluchtkapital (sei es im In- oder im Ausland) verfügt. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten der - ggfs auch unrentablen - Anlage eines solchen Kapitals ist damit aber nichts darüber gesagt, ob der Angeklagte im fraglichen Zeitraum daraus eine Rendite erzielt hat.
Ist nach allem ein bestimmter Geldendbestand nicht feststellbar, fehlt es bereits an einem tragfähigen Ausgangspunkt für die Schätzung von verschwiegenen Kapitaleinkünften.
Es wird mit der Beschwerde nicht aufgezeigt, wie die Strafkammer auf der Grundlage der Anklage zu der Überzeugung gelangen könnte, dass der Angeklagte Besteuerungsgrundlagen in Höhe eines bestimmten Mindestbetrages verschwiegen und mindestens den entsprechenden Steuerbetrag hinterzogen hat. Das ist aber Voraussetzung für eine Schuldfeststellung (vgl. OLG Bremen ZfZ 65,22; Franzen-Gast-Joecks, Steuerstrafrecht, 5. A., § 370 AO Rn 59; Kohlmann, Steuerstrafrecht § 370 AO Rn 158.2; Streck/Spatscheck, wistra 98,334/339).
Nach alledem war die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu verwerfen mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 2 StPO.
Ende der Entscheidung
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