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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.05.2000
Aktenzeichen: 22 U 246/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847
BGB § 252 Satz 2
BGB § 814
BGB § 252
ZPO § 528 Abs. 2
ZPO § 285 Abs. 2
ZPO § 398
ZPO § 402
ZPO § 287
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 246/99 7 0 310/94 LG Bonn

Anlage zum Protokoll vom 30.05.2000

Verkündet am 30.05.2000

Biermann, JAng. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller, die Richterin am Oberlandesgericht Eickmann-Pohl und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Törl

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. September 1999 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 7 0 310/94 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 48.000,00 DM abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor einer Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheit kann auch geleistet werden durch Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstitutes mit Sitz in Deutschland.

Tatbestand

Die Beklagte, Frau M., geb. C., von Beruf selbständige Heilpraktikerin, erlitt am 12. Dezember 1989 einen Verkehrsunfall, für den die Klägerin als Versicherer des Unfallverursachers unstreitig dem Grunde nach in vollem Umfang haftet. Vorprozessual hat die Klägerin der Beklagten insgesamt 42.800,00 DM an Schadensersatz und Schmerzensgeld gezahlt.

Die Beklagte hatte bereits am 18. Juli 1989 bei einem Auffahrunfall ein erstes Schleudertrauma der HWS erlitten; damals saß sie in einem vor der Ampel stehenden Fahrzeug als Beifahrerin, als ein anderes Fahrzeug auffuhr. Arbeitsunfähigkeit aus diesem Unfall bestand bis Ende November 1989 (Gutachten Prof. Dr. R., Bl. 72 in AH I, künftig A I 72).

Etwa zwei Wochen später kam es zu dem zweiten Unfallereignis vom 12. Dezember 1989, um das es in dem vorliegenden Rechtsstreit geht. Diesmal saß die Beklagte als angeschnallte Beifahrerin in dem auffahrenden Pkw (einem Mercedes Benz 280), der von ihrem damaligen Lebensgefährten und späteren Ehemann gesteuert wurde und mit 70 bis 80 km/h frontal in eine stehende Fahrzeugkolonne fuhr. Die Beklagte wurde dann ambulant im Krankenhaus W. - auch röntgenologisch - untersucht und noch am selben Tage ohne Verordnung einer Therapie (mit der Maßgabe, zwei Tage Bettruhe zu halten) nach Hause entlassen.

Seit dem zweiten Unfall klagt die Beklagte über Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und des rechten Schultergelenkes sowie über Ohrensausen und Schwindelzustände nach Kopfdrehungen. Es kam zu zahlreichen Untersuchungen und ärztlichen Behandlungen.

Zur Klärung der Unfallfolgen gab die Klägerin Herrn Prof. Dr. M., damals kommissarischer Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik B., ein Gutachten in Auftrag, das dieser unter dem 10.07.1991 erstellte. Dabei kam der Gutachter zu folgender Diagnose:

"Ausgeheilte Halswirbelsäulendistorsion mit verbleibenden Restbeschwerden, welche orthopädischerseits nicht objektivierbar sind.

Orthopädischerseits werden keine Unfallfolgen zurückbleiben.

Rückwirkend schätzen wir die Minderung der unfallbedingten Erwerbsfähigkeit der Verletzten in ihrem Beruf in den ersten 3 Monaten nach dem Unfall auf 100%, für 4 weitere Wochen auf 50% und in den nachfolgenden 4 Wochen auf 25%.

Ein Dauerschaden ist durch die erlittene Verletzung vom 12.12.1989 nicht entstanden.

Die von Frau M. geklagten Ohrengeräusche und Drehschwindelattacken bei Kopfdrehungen kann durch die erlittene Halswirbelsäulenverletzung orthopädischerseits nicht geklärt werden."

Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten (Anlagenhefter I Bl. 38 ff - künftig A I 38 ff = A II 57 ff) Bezug genommen.

Zwischen den Parteien herrscht Streit über die Frage, ob die Beklagte als Folge des vorerwähnten Unfalles einen Dauerschaden im Bereich der Halswirbelsäule und der rechten Schulter erlitten hat. Die Klägerin hat geltend gemacht:

Nach dem Gutachten habe die Beklagte als Unfallfolge nur die von Herrn M. festgestellten Erwerbsminderungen gehabt. Weitere Minderung der Erwerbsfähigkeit sei nicht eingetreten. Auf dieser Grundlage hat sie eine Schadenersatzforderung der Beklagten in Höhe von 28.960,27 DM errechnet und damit eine Überzahlung in Höhe von 13.839,73 DM. Das ist die Klageforderung.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.839,73 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. Januar 1993 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen;

2. widerklagend:

a)

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 125.393,10 DM nebst 4% Zinsen seit dem 20.01.1993 aus dem Betrag von 94.946,90 DM, sowie für den restlichen Klagebetrag von 30.446,20 DM 4% Zinsen ab Zustellung zu zahlen;

b)

festzustellen, daß die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 12.12.1989 zu ersetzen, soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind;

c)

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen ab Zustellung zu zahlen.

Die Klägerin hat Abweisung der Widerklage beantragt.

Die Beklagte hat behauptet, seit dem 5. Monat nach dem Unfall bestehe eine Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit von mindestens 30% als Dauerschaden. Dazu hat sie sich auf von ihr eingeholte Privatgutachten der Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 4. April 1992 und Dr. W. vom 6. Februar 1994 berufen (wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten (A I 70 ff und 87 ff) Bezug genommen). Auf dieser Grundlage hat sie die Zahlung von zunächst weiteren 125.393,10 DM verlangt. Wegen der Einzelheiten zur Schadenshöhe wird auf die Seiten 6 bis 17 der Widerklage vom 15.03.1993 (Bl. 27 ff d.A.) Bezug genommen. Außerdem hat sie an Schmerzensgeld über den gezahlten Betrag von 3.000,00 DM hinaus die Zahlung weiterer 27.000,00 DM verlangt, ferner die Feststellung der Ersatzpflicht der Klägerin für Zukunftsschäden.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung mehrerer Sachverständigengutachten. Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat sie der Klage bis auf einen Betrag von 40,00 DM stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer im wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch aus Bereicherungsrecht auf Rückzahlung eines überzahlten Betrages von knapp 14.000,00 DM. Der rechtlich ersatzfähige Schaden der Beklagten belaufe sich nämlich nur auf gut 29.000,00 DM (S. 5, Bl. 582). Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Feststellungen des von der Klägerin beauftragen Privatgutachters M. zutreffend seien. Beschwerden ab dem 5. Monat nach dem Unfall könnten diesem nicht mehr als kausal zugerechnet werden; von einem Dauerschaden als Unfallfolge sei nicht auszugehen, jedenfalls habe die Beklagte dies nicht zu beweisen vermocht. Dieses Beweisergebnis folge insbesondere aus den Feststellungen des von der Kammer letztlich als Obergutachter beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. H. (Gutachten vom 08.04. und 23. 07.1997 sowie 26.04.1999, Bl. 291 ff, 319 ff, 522 ff). Der Sachverständige habe durch eigene Untersuchung sowie durch Auswertung anderer - gerichtlicher und privater - Gutachten überzeugend festgestellt, daß die Beklagte durch den Unfall keinen Dauerschaden erlitten habe. Zu den Einzelheiten wird auf die S. 6 des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 583 GA).

Etwas anderes ergebe sich auch nicht bei Heranziehung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. F. (Bl. 187 ff). Soweit dieser in seinem Gutachten (vom 28.07.1996) eine andere Meinung vertreten habe, als der zuerst von der Kammer beauftragte Sachverständige Dr. L. (Gutachten vom 08.03. 1995, Bl. 95 ff, mit Ergänzung vom 30.09.1996, Bl. 240 ff), habe die Kammer Herrn Prof. Dr. H. zum Obergutachter bestellt. Deshalb sei auch eine Anhörung des Sachverständigen Dr. F. nicht erforderlich gewesen (S. 7, Bl. 584).

Im Streitfall stünden zwei medizinische Lehrmeinungen, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kämen, gleichwertig nebeneinander. Dies führe zu dem Ergebnis, daß die Beklagte den ihr obliegenden Beweis nicht zu führen vermocht habe.

Als rechtlich ersatzfähiger Schaden stehe der Beklagten ein Betrag von 29.000,27 DM zu, nämlich:

17.322,00 DM Verdienstausfall und Haushaltsschaden 3.000,00 DM Schmerzensgeld 827,07 DM Anwaltskosten 3.330,00 DM "Aufrechnungsbetrag" Unfallversicherung 1.608,40 DM Privatgutachten Prof. Dr. R. 2.872,80 DM Privatgutachten G. 40,00 DM Nebenkosten

Darüber hinaus geltend gemachte Posten seien nicht berechtigt (Einzelheiten S. 8 ff, Bl. 585 ff). Daraus ergebe sich, daß die Klage bis auf einen Betrag von 40,00 DM begründet und die Widerklage unbegründet sei (S. 11, Bl. 589).

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel auch rechtzeitig begründet.

Die Beklagte macht geltend:

Das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler. Die Kammer hätte - zumindest - den Sachverständigen Prof. Dr. H. mündlich anhören müssen (Berufungsbegründung S. 2 f, Bl. 616 f, und S. 8 f, Bl. 622 f). Auch habe die Kammer die Beweislast verkannt. Soweit die Klägerin geltend mache, rechtsgrundlos geleistet zu haben, treffe sie die Beweislast (S. 3 ff, Bl. 617 ff). Ferner sei die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerhaft (S. 6 ff, Bl. 620 ff). Der Obergutachter habe letztlich nur erklärt, er könne einen Dauerschaden als Unfallfolge nicht feststellen; er habe ihn aber auch nicht ausgeschlossen. Damit liege insoweit ein unergiebiges Beweisergebnis vor. Der Beweis sei dann aber im Sinne der Beklagten dadurch geführt, daß andere Gutachter, z.B. Herr Dr. W. (A I 87 ff = A II 1 ff) die Kausalitätsfrage bejaht hätten (S. 6 f, Bl. 620 f). Vor dem Unfall vom 12. Dezember 1989 sei die Beklagte beschwerdefrei gewesen; die Folgen eines früheren Unfalls seine ausgeheilt gewesen (S. 10, Bl. 624). Die nach dem Unfall aufgetretenen und bis heute vorhandenen Beschwerden - auch psychischer Art - seien Unfallfolge (S. 11 ff, Bl. 625 ff).

Auf dieser Grundlage habe das Landgericht auch die Schadenshöhe fehlerhaft bestimmt (S. 17 ff, Bl. 631 ff); ferner habe es einzelne Schadensposten zu unrecht gestrichen bzw. gekürzt (S. 24 ff, Bl. 638 ff). Auch sei das vom Landgericht angesetzte Schmerzensgeld zu niedrig (S. 27 f, Bl. 641 f). Schließlich müsse bei Vorliegen eines Dauerschadens die begehrte Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten ausgesprochen werden.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach den in erster Instanz gestellten Schlußanträgen zu entscheiden.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Beweislast liege insgesamt bei der Beklagten, da die Klägerin nur Vorschüsse auf eine noch festzustellende Schadensersatzsumme geleistet habe (Berufungserwiderung S. 4 f, Bl. 655 f). Die Beklagte sei - zumindest - beweisfällig geblieben. Das ergebe sich aus den verschiedenen vorliegenden Gutachten, die einen Dauerschaden als Unfallfolge nicht festgestellt hätten. Die abweichende Meinung des Sachverständigen Dr. F. sei nicht haltbar (S. 5 f, Bl. 656 f). Beschwerdefreiheit vor dem Unfall werde mit Nichtwissen bestritten (S. 7, Bl. 658). Eine etwaige psychische Beeinträchtigung der Beklagten werde bestritten und sei jedenfalls nicht Unfallfolge (S. 7 f, Bl. 658 f). Auch die Schadenshöhe sei vom Landgericht zutreffend ermittelt worden (S. 9 ff, Bl. 660 ff).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer hat zutreffend entschieden. Die Beklagte hat gegen die Klägerin keine weiteren Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Vielmehr hat die Klägerin mehr gezahlt, als der Beklagten zugestanden hat, so daß der Klägerin in der vom Landgericht festgestellten Höhe Anspruch auf Rückzahlung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereichung (§ 812 BGB) zusteht.

Im einzelnen:

I.

Mit der Klage begehrt die Klägerin Bereicherungsausgleich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB und macht geltend, die vorprozessual geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 42.800,00 DM überstiegen den der Beklagten zustehenden rechtlich ersatzfähigen Schaden (einschließlich Schmerzensgeld).

Mit der Widerklage begehrt die Beklagte weitergehenden Schadenersatz sowie weitergehendes Schmerzensgeld auf der Grundlage der §§ 823 Abs. 1, 847 BGB, 3 PflVG.

Für beide Ansprüche ist die Frage entscheidend, ob die von der Beklagten behaupteten - vom Senat hier als wahr unterstellten - gesundheitlichen Beeinträchtigungen Folge des Unfalls vom 12. Dezember 1989 sind.

Die Beweislast für diese - haftungsausfüllende - Kausalität liegt sowohl für die Klageforderung als auch für die Widerklageforderung bei der Beklagten.

Für den mit der Widerklage geltend gemachten Schadenersatzanspruch ergibt sich das - wie auch die Beklagte nicht verkennt - aus der allgemeinen Regel, daß derjenige, der einen Anspruch geltend macht, grundsätzlich dessen tatbestandliche Voraussetzungen zu beweisen hat. Zu berücksichtigen ist hier allerdings, daß im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität der Beklagten die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute kommt (vgl. BGHZ 4, 192, 196 = NJW 52, 301, 302; BGH NJW 93, 3073, 3076; Baumbach-Lauterbach-Hartmann § 287 ZPO, Rn. 13) und - soweit es um Verdienstausfall geht - die Regelung des § 252 Satz 2 BGB.

Daß die mit der Klage zurückverlangten Leistungen mit Rechtsgrund erfolgt sind, hat ebenfalls die Beklagte - hier entgegen ihrer Auffassung - darzulegen und zu beweisen. Allerdings hat grundsätzlich derjenige, der eine angeblich rechtsgrundlose Leistung zurückfordert, deren Rechtsgrundlosigkeit zu beweisen (vgl. Palandt-Thomas § 812 BGB, Rn. 103 f, m.N.). Eine Ausnahme hiervon gilt aber, wenn jemand vorschußweise Zahlungen auf eine nicht anerkannte, nach Grund oder Höhe noch nicht feststehende, sondern erst noch festzustellende Forderung erbracht hat. In einem solchen Fall muß der Anspruchsgegner des späteren Bereicherungsanspruchs beweisen, daß ihm in Höhe der Vorschußleistung eine Forderung zugestanden hat (vgl. BGH NJW 89, 161, 162 - in Abschn. 3 -; NJW 89, 1616, 1617 l.Sp.; BGH, Urteil vom 29.02.2000 - VI ZR 47/99, Leitsatz abgedruckt in NJW 2000, Heft 18, S. VIII; Palandt-Thomas a.a.O., Rn. 104 m.N.).

Nach diesen Grundsätzen trägt im Streitfall die Beklagte die Beweislast dafür, daß die vorprozessualen Leistungen der Klägerin mit rechtlichem Grund erfolgt sind, daß also der Beklagten ein Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld jedenfalls in Höhe dieser Zahlungen (42.800,00 DM) zugestanden hat. Denn die Klägerin hat hier ersichtlich Vorschüsse auf einen von der Beklagten geltend gemachten Anspruch geleistet, dessen Voraussetzungen hinsichtlich Kausalität und Anspruchshöhe noch zur Überprüfung standen. Dies hat die Klägerin auch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Ausweislich ihres Schreibens vom 7. März 1990 (A I 8) hat sie eine erste Teilzahlung ausdrücklich "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" geleistet. Daß dieser Vorbehalt, wie die Beklagte meint (Berufungsbegründung S. 5, Bl. 619), nur den Sinn gehabt haben sollte, den Ausschluß eines späteren Bereicherungsanspruchs nach § 814 BGB zu verhindern, ist nicht ersichtlich. Da die Einstandspflicht der Klägerin jedenfalls der Höhe nach noch ganz ungeklärt war, konnte die Beklagte diese vorerwähnte Erklärung der Klägerin nur in dem Sinne verstehen, daß hier Vorschüsse geleistet werden sollten. Auch wenn die Klägerin ihre Erklärung nicht bei jeder weiteren Zahlung wiederholt hat (Anlagen K 5 und 9, A I 10 und 30), hat die Beklagte doch nicht verkennen können, daß der Vorbehalt - ausdrücklich wiederholt im Schreiben der Klägerin vom 01.03.1991, Anlage K 12, A I 34 - bis zur endgültigen Klärung der Kausalität und der Schadenshöhe fortgelten sollte. Gerade zur Klärung dieser Fragen hat dann die Klägerin mit Schreiben vom 26.04.1991 (K 14, A I 37) Herrn Prof. Dr. M. mit der Anfertigung eines (Privat-)Gutachtens beauftragt, das dieser dann unter dem 10. Juli 1991 erstattet hat (A I 38 ff). Unter diesen Umständen liegt die Beweislast für Kausalität und Schadenshöhe insgesamt bei der Beklagten. Aus der von ihr angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 84, 2826 f, läßt sich für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Der dort zur Entscheidung stehende Fall ist mit dem Streitfall des hiesigen Verfahrens nicht zu vergleichen. Damals ging es um Zahlungen auf einen titulierten Unterhaltsanspruch, während es sich hier - wie bereits erwähnt - um Zahlungen auf einen rechtlich noch ungeklärten Anspruch gehandelt hat.

II.

Den Beweis ihrer Behauptung, die jetzt - nach Darstellung der Beklagten - noch vorhandenen gesundheitlichen Beschwerden seien Folge des Unfalls vom 12. Dezember 1989, hat die Beklagte - wie schon die Kammer im Ergebnis zutreffend angenommen hat - nicht zu führen vermocht. Der Einholung weiterer schriftlicher Gutachten oder der Erhebung sonstiger Beweise bedarf es nicht, da von solchen Maßnahmen keine neuen Erkenntnisse mehr zu erwarten sind.

A.

Die Auswertung der vorliegenden Arztberichte und - gerichtlichen sowie privaten - Gutachten ergibt folgendes:

Arztbericht Dr. W. 15.03.1990 (A I 11):

Zustand nach Schleudertrauma, "Fehlstatik", Übergewicht. In Abschnitt 4 f: Es werden keine Folgen zurückbleiben.

Arztbericht Dr. M. 26.04.1990 (A I 12):

Dies ist der erstbehandelnde Arzt. In Abschnitt 3 a attestiert er als nicht mit dem jetzigen Unfall zusammenhängendes Leiden: Schleudertrauma vom 18.07.1989; in Abschnitt 4 f meint er, Ohrgeräusche würden zurückbleiben.

MdE bis 17.04.1990: 100%, danach bis auf weiteres 50%.

Privatgutachten Prof. Dr. M. 10.07.1991

(A I 38 ff - künftig Bl. 38 ff = A II 57 ff; Auftraggeber: Klägerin):

Beim rechten Schultergelenk eingeschränkte Beweglichkeit für Seitwärtsbewegung des Armes (Bl. 48). S. 14 ff Darstellung der Röntgenbefunde ab 12.12.1989, zuletzt am 10.07.1991 (Bl. 53 und 57). Kein sicherer krankhafter Befund (Bl. 56 f):

"Die von der Beklagten angegebenen Beschwerden lassen sich vom orthopädischen Fachgebiet her nicht erklären".

Insbesondere ein schmerzfreies Intervall spreche gegen Schleudertrauma größeren Ausmaßes. Keine relevante Vorschädigung durch den früheren Unfall. Aber vor dem Unfall habe es bereits degenerative Vorschäden gegeben (Bl. 58).

MdE 100% für 3 Monate, 50% für weitere 4 Wochen, danach für weitere 4 Wochen 25%. Kein Dauerschaden (Bl. 59).

Prof. Dr. R. 18.11.1991 (A I 66 f)

Röntgenärztliches Zusatzgutachten auf Veranlassung von M..

Keine Fraktur, Spondylosis deformans = degenerative Erkrankung von Wirbelkörpern (alle Übersetzungen nach Pschyrembel, 257. Aufl.).

Sonst nichts Wesentliches.

Prof. Dr. R. 28.03.1992 (A I 70 ff)

Neurologisch - Psychiatrisches - Gutachten

(Auftraggeber: Beklagte, vgl. Bl. 9 GA).

Kernspin-Tomographie am 02.04.1992 (Schreibfehler?) habe keinen pathologischen Befund an Knochen- und Hirnstrukturen ergeben (Bl. 81).

Vorausgesetzt, die Angaben der Beklagten seien richtig, habe sie eine Unfallneurose erlitten (Angstzustände, Depressionen etc.), die auch den organischen Befund im Sinne eines circulus vitiosus beeinflusse (Bl. 84). Dem Orthopäden sei zuzustimmen, daß auf seinem Gebiet ein krankheitswertiger Befund nur kurzfristig bestanden habe.

MdE wegen der Neurose 30%, die sich aber bei sachgemäßer Behandlung rückbilden lasse (Bl. 85).

Prof. Dr. H. 12.05.1992 (A III 1 f)

Epikrise nach stationärer Behandlung 28.04. bis 05.05.1992 auf Veranlassung von R..

Naiv wirkende Patientin (Bl. 2), Unfallneurose. Behandlungsversuch mit Antidepressiva nach 4 Tagen wegen Nebenwirkungen abgebrochen. Weitere Behandlung in Spezialklinik erforderlich, um dauernde Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden.

Prof. Dr. D. 10.11.1992 (A III 10 ff)

Orthopäde (Auftraggeber: Klägerin)

Zustand nach Sturz mit Bruch des rechten Sprunggelenkes (20.05.1992 in Teneriffa).

Nichts zur Beweisfrage.

Dr. Kü. 02.12.1992 (A II 79 f)

Arztbericht an Dr. M. nach stationärer Behandlung 07.10. bis 04.11.1992

Vermehrte Kyphosierung (= Buckelbildung) im BWS- und HWS-Übergang

Fremdmotiviertes Unfallentschädigungsverfahren. (Das ist wohl der vorliegende Rechtsstreit.) Bei den Unfallfolgen sehe die Patientin kaum eine Veränderungsmöglichkeit (Bl. 81). Schulterbeweglichkeit, rechts endgradig schmerzhaft; HWS-Beweglichkeit frei (Bl. 82). Schwindelgefühl.

Dr. W. 16.02.1994 (A I 87 ff, künftig: Bl. 87 ff = A II 1 ff)

Lehrbeauftragter für "manuelle Medizin"

(Auftraggeber: Beklagte)

Beobachtung und Behandlung 23.07.1993 bis 07.01.1994.

Schmerzen bei Druck auf bestimmte Bereiche der HWS (Bl. 90). Die Schulter sei generell beweglich, aber Schmerzen rechts (Bl. 91).

Posttraumatisches Zervikalsyndrom bei Funktionsstörungen in 2 Wirbelgelenken (Bl. 92).

Mit Beschwerden müsse auch gerechnet werden, wenn bildgebende Verfahren keine Beweise lieferten (Bl. 95).

Somato-Psychische-Veränderungen.

Somatische Traumafolgen im Kopfbereich (Bl. 101), auch Befunde am Schultergürtel unfallursächlich (Bl. 102).

MdE 30% allgemein, 40% "im Bereich als Heilpraktikerin".

Es folgen - mit einer Ausnahme - die Gerichtsgutachten (Blattzahlen beziehen sich deshalb ab jetzt auf die Gerichtsakte).

Dr. L. 08.03.1995 (Bl. 95 ff)

Röntgenaufnahmen ergäben nichts (Bl. 109 ff).

Beschwerden ließen sich nicht objektivieren, jedenfalls nicht als Unfallfolge (Bl. 112 f). Es bedürfe aber noch weiterer bildtechnischer Befunde (Bl. 114 f).

Bei den bisherigen Untersuchungen hätten sich keine objektiven verletzungsspezifischen Befunde herausgestellt (Bl. 113). Für Unfallneurose (Gutachten R.) reiche das bisherige Informationsmaterial nicht aus. Der Privatgutachter W. benenne weder einen klinischen noch einen bildtechnischen krankhaften Befund (Bl. 114). Bei einer Untersuchung am 02.03.1995 hätten sich keine Verletzungszeichen an der Wirbelsäule bzw. am rechten Schultergelenk gezeigt.

Dr. K.-H. 20.05.1995 (Bl. 121 ff)

Nervenärztliches Zusatzgutachten

Gedrückte Stimmung der Patientin, aber keine tiefergehende depressive Symptomatik (Bl. 134).

Psychische Auffälligkeit nach dem Unfall sei ohne Krankheitswert (Bl. 140).

Die von der Beklagten behaupteten Unsicherheitsgefühle seien Ausdruck einer unfallunabhängigen neurotischen Fehlentwicklung (Bl. 140).

Keine MdE (Bl. 141).

Dr. F. 28.07.1996 (Bl. 187 ff)

Radiologisches Gutachten

Der Sachverständige hat eine Kernspin-Tomographie durchgeführt (Bl. 189 f), außerdem Röntgenaufnahmen angefertigt (Bl. 190 f) und Fremdaufnahmen ausgewertet (Bl. 191 f).

Er stellt eine Schädigung des cranio-cervicalen Überganges sowie an der HWS fest (Bl. 193). Dafür sei der Unfall Ursache, zumindest mitursächlich. Die Angaben der Beklagten über ihre Beschwerden seien glaubhaft (Bl. 195 f). Ein symptomarmes Intervall von 3 bis 4 Tagen sei normal (Bl. 197). Das Gutachten M. sei falsch (Bl. 197 f).

Nun nochmals ein Privatgutachten:

Prof. Dr. M. 27.08.1996 (Bl. 219 ff, Auftraggeber: Klägerin)

Man könne nicht nur auf radiologische Untersuchungen abstellen, wie das F. getan habe (Bl. 220). Eine gesunde Bandscheibe C6/C7 könne nicht durch ein Schleudertrauma verletzt werden (Bl. 220).

Sei die Bandscheibe C5/C6 hier vorgeschädigt gewesen, dann könne der Unfall zu einer zeitlich sehr begrenzten Verschlimmerung geführt haben, keinesfalls aber zu einer richtunggebenden Verschlimmerung (Bl. 222). Bei C6/C7 müsse es sich aber um eine gesunde Bandscheibe gehandelt haben (Bl. 223 f).

Die Schlußfolgerungen von F. seien zweifelhaft, jedenfalls sei eine etwaige Schädigung nicht Unfallfolge.

Jetzt wieder gerichtliche Gutachten:

Dr. L. 30.09.1996, Bl. 240 ff

Die Befunde des Radiologen seien nicht verletzungsspezifisch (Bl. 244 ff). Aus solchen Befunden könne man nicht auf Unfallfolgen zurückschließen (Bl. 246). Unfallmechanisch erkläre sich im Bereich der unteren HWS und der Kopfgelenke die Feststellung von F. nicht (Bl. 248 f). Sonst hätten Verletzungszeichen erkennbar sein müssen (Bl. 249). Auch seien die Beschwerdebilder wechselnd. Es gebe keine Hinweise darauf, daß die von der Beklagten behaupteten Beschwerden Unfallfolge seien.

Obergutachten Prof. Dr. H. 08.04. und Ergänzung 23.07.1997 (Bl. 291 ff, 390 ff)

Orthopädisches Gutachten:

Kein Druckschmerz an der HWS (Bl. 296). Bei Rechtsdrehung erhebliche Schmerzen und Schwindel. Die Vorgutachter hätten im wesentlichen gleiche Befunde beschrieben, nur seien die Schlußfolgerungen unterschiedlich (Bl. 314 ff mit ausführlicher Darstellung zu den Vorgutachten).

Der Hinweis von M. auf bereits früher vorhandene Veränderungen sei zutreffend (Bl. 320). Gegen das Vorliegen der von F. beschriebenen Veränderungen bestünden Bedenken (Bl. 328). Verletzungsspezifische Befunde seien nicht festzustellen (Bl. 329). Ein Dauerschaden bestehe nicht (Bl. 326). Rauschen im Ohr und Schwankschwindel seien nicht nachvollziehbar (Bl. 396). Trotz geklagter Beschwerden sei die funktionelle Beweglichkeit der Halswirbelsäule frei (Bl. 398). Hinsichtlich der Beurteilung von F. sei die zeitliche Distanz zwischen der Diagnose und dem Unfall kritisch, Kausalität sei nicht nachvollziehbar (Bl. 399). Die Gutachter L. und M. seien ausgezeichnete klinische Befunderheber (Bl. 400). isnHin

Eine Schwankschwindelsymptomatik sei nicht feststellbar, die Patientin habe bei der Untersuchung nicht geschwankt (Bl. 401). Es fehle allerdings noch eine HNO- und neurologische Diagnostik (Bl. 402). Auch nach Kenntnis der Röntgenbilder sei eine Änderung des ersten Gutachtens nicht veranlaßt; Dauerschaden liege nicht vor (Bl. 406).

Prof. Dr. M. 11.03.1998, Bl. 450 ff

HNO-Gutachten

Die Beklagte höre gut (Bl. 456 f), etwas Tinnitus, (Bl. 457), keine Störung des Gleichgewichts. Untersuchung insgesamt unauffällig. Chronische Schmerzen aufgrund des Unfallereignisses seien unwahrscheinlich (Bl. 462). Schwankschwindel sei nicht nachweisbar; Störung der Gleichgewichtskontrolle könne ausgeschlossen werden (a. a. O.).

MdE weniger als 10%.

Prof. Dr. L. 27.01.1999 (Bl. 483 ff)

Radiologisches Gutachten; Grundlage sind die bereits zuvor erstellten Bilder (Bl. 483 unten). Der Sachverständige beschreibt zunächst die ihm vorgelegten Aufnahmen, auch die CT- und Kernspin-Tomographie. Dann geht er auf die Vorgutachten ein (Bl. 493 ff). Entgegen dem Gutachten W. sei ein pathologischer Befund an den Ligamenta alaria nicht nachweisbar (Bl. 494). Dann zu F.: Entgegen dessen Annahme lasse sich durch die vorliegenden Aufnahmen ein degeneratives Erkrankungsbild nicht ausschließen (Bl. 497). Die Befunde erlaubten nicht die Zuordnung zu einer bestimmten Ursache eines der beiden Schleudertraumen oder Degeneration (Bl. 489), schon gar nicht eine Zuordnung zu dem Unfallereignis vom 12.12.1989. Die Aufnahme vom Unfalltag beweise entgegen F. nicht, daß ein Hämatom aufgetreten sei (Bl. 499). Weiter sei entgegen F. eine verminderte Mobilität bei HW 1/2 nicht nachvollziehbar (Bl. 500). Was F. vorgefunden habe, könne angeboren sein (Bl. 501), lasse jedenfalls keinen Schluß dahin zu, es handele sich um eine Unfallfolge.

Entgegen M. sei ein Zusammenhang zwischen Veränderungen des ligamentum alare und einer HWS-Verletzung nicht auszuschließen; er sei aber auch nicht festzustellen (Bl. 505).

Daß Beschwerden Folge des Unfalles seien, lasse sich letztlich nicht ausschließen, sei aber auch nicht beweisbar (Bl. 505 f, Bl. 511).

Prof. Dr. H. 26.04.1999 (Bl. 522 ff)

Abschließendes orthopädisches Gutachten

Der Sachverständige bleibt in Auswertung der zwischenzeitlich ergangenen weiteren Gutachten bei seiner Auffassung, es liege kein Dauerschaden als Unfallfolge vor (Bl. 545).

B.

Auf dieser Grundlage erweist sich die Entscheidung der Kammer im Ergebnis als zutreffend.

Auch nach Auffassung des Senates hat die Beklagte die haftungsausfüllende Kausalität zwischen den von ihr angegebenen Beschwerden und dem Unfallereignis nicht zu beweisen vermocht. Auch unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen der §§ 287 ZPO, 252 BGB reicht das Ergebnis der Beweisaufnahme für die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Ursächlichkeit des Unfalls für die angeblichen Folgen nicht aus.

Schon der Privatgutachter M. hat in seinem ersten Gutachten ausgeführt, ein Zusammenhang zwischen den Beschwerden der Beklagten und dem Unfallereignis sei nicht nachvollziehbar. In seinem zweiten Gutachten hat er - als Reaktion auf das gerichtliche Gutachten von F. - seine Ausführungen bekräftigt: Der Unfall habe allenfalls zu einer zeitlich sehr beschränkten Schadensfolge führen können; es bleibe dabei, daß etwaige Schäden nicht Unfallfolge seien. Bereits auf Voraufnahmen der Halswirbelsäule vor dem Unfall sei eine Rechtsdeviation des Dornfortsatzes des zweiten Halswirbels zu erkennen.

Dieser Auffassung haben sich die gerichtlichen Sachverständigen L. und H. angeschlossen.

Der von der Beklagten beauftragte Privatgutachter R. hat ausgeführt, auch aus seiner Sicht habe auf orthopädischem Gebiet ein Befund mit Krankheitswert nur kurzfristig bestanden. Auf der Grundlage der Angaben der Beklagten habe diese jedoch eine Unfallneurose erlitten. Diese beeinflusse auch den organischen Befund im Sinne eines circulus vitiosus (A I 84). Dem hat sich Holzgraefe in seiner nach viertägiger stationärer Behandlung der Beklagten erstellten Epikrise angeschlossen (A III 1 f).

Demgegenüber hat die Sachverständige K.-H. lediglich eine gedrückte Stimmung der Beklagten festgestellt, nicht aber eine depressive Symptomatik (Bl. 134) mit Krankheitswert. Hinweise auf eine psychische Erkrankung hatte sie nicht gefunden(Bl. 139). In gleichem Sinne hat sich der Sachverständige L. ausgesprochen (Seite 11 seines Gutachtens vom 30.09.1996, Bl. 250). Auf dieser Grundlage vermag sich auch der Senat nicht davon zu überzeugen, daß die Beklagte eine psychische Schädigung mit Krankheitswert als Unfallfolge erlitten hat.

Der Sachverständige F. hat in seinem radiologischen Gutachten vom 28.07.1996 ausgeführt, den von ihm begutachteten Röntgen- und CT-Aufnahmen sei ein pathologischer Befund zu entnehmen, nämlich eine morphologische sowie funktionelle Schädigung des cranio-cervicalen Überganges; sehr wahrscheinlich habe eine Einblutung des linken ligamentum alare stattgefunden. Außerdem sei eine morphologische Schädigung der unteren HWS im Bereich C5/C6 und C6/C7 festzustellen sowie eine funktionelle Schädigung der mittleren und unteren Halswirbelsäule (S. 7, Bl. 153). Diese Schäden seien Unfallfolgen (S. 8 f, Bl. 194 f).

Diesen Feststellungen haben aber die übrigen Sachverständigen mit beachtlichen Argumenten widersprochen.

M. hat ausgeführt, die Röntgendiagnose könne eine klinische Diagnose nicht ersetzen, sei mit ihr auch nicht gleichzusetzen (zweites Gutachten, S. 2, Bl. 220). Das Gutachten F. sei nicht überzeugend, da die klinisch erhobenen Feststellungen nicht berücksichtigt würden; es beruhe auf Spekulationen. Anhand der Röntgenaufnahmen lasse sich nicht ausschließen, daß hier ein degenerativer Befund vorliege, der mit dem Unfall nichts zu tun habe. Dafür spreche auch, daß ein Schleudertrauma nur eine zeitlich sehr beschränkte, auf keinen Fall richtunggebende Verschlimmerung des Befundes bei C5/C6 habe zur Folge haben können (S. 4, Bl. 222). Bei C6/C7 müsse es sich um eine gesunde Bandscheibe gehandelt haben. Eine gesunde Bandscheibe könne aber durch ein HWS-Trauma nicht verletzt werden. Deshalb sei hier von einer unfallunabhängigen Bandscheibendegeneration auszugehen (S. 5 und 6, Bl. 223 f). Für eine Läsion des linken ligamentum alare gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte (S. 7 f, Bl. 225 f). Dem hat sich der Sachverständige L. angeschlossen (Bl. 244 ff).

Gleiches gilt für den zum Obergutachter bestellten Sachverständigen H.. Er bezeichnet es als zweifelsfrei, daß bei der Beklagten im Bereich C5/C6 und C6/C7 leichtere degenerative Veränderungen vorhanden seien. Verletzungsbedingte Folgen im Bereich der HWS hätten weder knöchern noch ligamentär sicher nachgewiesen werden können. Die von F. beschriebenen Veränderungen des Flügelbandes könnten nicht außerhalb des klinischen Verlaufes gesehen werden und müßten mit großer Vorsicht beurteilt werden. Die zur Darstellung kommenden Befunde seien also nicht hinweisend auf eine konkrete, in diesem Zusammenhang traumatische Ursache. Es handele sich um keine verletzungsspezifischen Befunde. Eine Aussage über ihr Alter sei nicht möglich. Auf den Unfall vom 12.12.1989 könnten Beschwerden der Beklagten nicht zurückgeführt werden.

Dabei ist dieser Sachverständige auch in seinen weiteren Gutachten geblieben. Er hat insbesondere darauf hingewiesen, daß trotz der genannten Beschwerden die funktionelle Beweglichkeit der HWS im Prinzip frei gewesen sei (zweites Gutachten, S. 9, Bl. 398). Außerdem hat er ausgeführt, kritisch bleibe für ihn weiterhin die zeitliche Distanz zwischen Unfallereignis und Diagnoseerstellung durch F. hinsichtlich dieser morphologisch faßbaren Veränderungen; kritisch sei deshalb auch der kausale Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Befund zu sehen (Bl. 399). Einerseits verfüge F. über ein ausgezeichnetes technisches Instrumentarium, andererseits seien L. und M. ausgezeichnete klinische Befunderheber und könnten deshalb bildgebende Befunde und klinisches Untersuchungsergebnis in Einklang bringen. Dies sei insbesondere in den Gutachten von M. auf gut verständliche Weise geschehen (Bl. 400). Eine Schwindelsymptomatik, wie sie von der Beklagten angegeben werde, sei nicht objektivierbar.

Die Patientin habe bei der Untersuchung nicht geschwankt, ein Nystagmus habe nicht vorgelegen, die Patientin habe nicht hingelegt werden müssen (Bl. 401). Auch in dem auf Veranlassung des Sachverständigen H. erstellten HNO-Gutachten heißt es, der von der Beklagten angegebene Schwankschwindel lasse sich nicht objektivieren und könne allenfalls zu einer MdE von weniger als 10% führen (dort S. 13, Bl. 462).

Im röntgenologischen Gutachten des Sachverständigen L. wird ausgeführt, aus der Röntgenaufnahme vom Unfalltage lasse sich kein früherer Bandscheibenvorfall erkennen. Im Vergleich zu Voraufnahmen vom 18.07.1989 sei keine eindeutige Veränderung zu erkennen, insbesondere lasse sich eine Einblutung nicht nachweisen (S. 5, 14 f, Bl. 487, 496 f). In den ligamenta alaria sei beidseits kein pathologischer Befund nachweisbar (S. 8 und 12, Bl. 490, 494). Durch die vorliegenden Aufnahmen lasse sich ein degeneratives Erkrankungsbild nicht ausschließen. Denn die Progredienz der Entwicklung bei HW 5/6 und HW 6/7 sei vergleichbar (Bl. 497).

Alle diese Ausführungen der Sachverständigen M., L., L. und insbesondere des Obergutachters H. machen nach Überzeugung des Senats deutlich, daß gegen die Feststellungen des Sachverständigen F. erhebliche Bedenken bestehen und sein Gutachten deshalb nicht den der Beklagten obliegenden Beweis der Unfallursächlichkeit ihrer Beschwerden erbringt.

Soweit sich die Beklagte ferner auf das Privatgutachten W. vom 16.02.1994 (A I 87 ff) beruft, gilt folgendes:

Dieser Gutachter, Lehrbeauftragter für "Manuelle Medizin", hat zwar ein posttraumatisches Zervikalsyndrom rechts bei Funktionsstörungen im Wirbelgelenk 0/C1 und C2/C3 rechts (weitere Einzelheiten A I 92) festgestellt und gemeint, die von der Beklagten vorgetragenen Beschwerden seien glaubhaft und mit solchen Beschwerden müsse auch gerechnet werden, wenn die bildgebenden Verfahren keine diagnostischen Beweise lieferten. Hieraus läßt sich aber für den Streitfall nicht folgern, daß die von der Beklagten vorgetragenen Beschwerden tatsächlich durch den hier maßgeblichen Unfall und nicht durch eine andere Ursache bedingt sind.

Auch soweit der Privatgutachter W. ausgeführt hat, degenerative Veränderungen seien als Ursache wenig wahrscheinlich, da klinisch kaum zu beweisen (A I 100), vermag die Beklagte daraus nichts herzuleiten. Denn im Streitfall geht es nicht darum, degenerative Veränderungen zu beweisen, sondern die Unfallursächlichkeit für die geltend gemachten Beschwerden. Soweit der Privatgutachter davon ausgeht, die Beschwerden hätten eine traumatische Ursache, stehen dem die Feststellungen der gerichtlichen Gutachter entgegen. Im übrigen bleibt auch auf der Grundlage des Privatgutachtens offen, ob die darin genannte Ursache in dem ersten oder dem zweiten Unfall der Beklagten aus dem Jahre 1989 zu sehen ist.

Es muß deshalb auch in Anbetracht dieses Privatgutachtens dabei verbleiben, daß es der Beklagten nicht gelungen ist zu beweisen, daß die von ihr geltend gemachten Beschwerden Folge des Unfalls vom Dezember 1989 sind. Damit ist sie - wie schon die Kammer ausgeführt hat - insoweit beweisfällig geblieben.

C.

Der Einholung weiterer Gutachten und der Erhebung sonstiger Beweise bedarf es nicht.

1.

Soweit die Beklagte die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens beantragt, geht dies fehl.

a)

Zum einen beantragt die Beklagte die Einholung eines Gutachtens aus dem neurologisch-psychiatrischen Bereich (Berufungsbegründung S. 15, Bl. 629).

Die Einholung eines solchen Gutachtens ist jedoch nicht veranlaßt. Die Sachverständige K.-H. hat in ihrem für das Landgericht erstatteten Gutachten vom 20.3.1995 nachvollziehbar ausgeführt, daß die von der Beklagten geschilderten Auffälligkeiten als normale Unfallreaktion auf ein solches Unfallereignis zu verstehen sind, die keinen Krankheitswert habe, und daß die jetzt beklagten Unsicherheitsgefühle Ausdruck einer unfallunabhängigen neurotischen Fehlentwicklung seien (Bl. 140 d.A.). Diese Ausführungen werden durch die zeitlich überholten Feststellungen in dem von der Beklagten vorprozessual eingeholten Privatgutachten des Sachverständigen R. vom 28.3.1992 nicht widerlegt (A I Bl. 70 ff, 84).

Im übrigen hat die Beklagte in dem rund 5 Jahre dauernden Verfahren vor dem Landgericht auch keine näheren Behauptungen zu einer Unfallneurose aufgestellt, insbesondere auch nicht nach Eingang des Gutachtens K.-H.. Soweit sie nunmehr in 2. Instanz auch auf eine Unfallneurose abstellt, beschränken sich ihre Ausführungen auf Hinweise auf die 3 Jahre älteren Untersuchungen des Privatsachverständigen R., die aber, wie dargelegt, zeitlich überholt sind und deshalb das Gutachten K.-H. nicht zu widerlegen vermögen. Wäre dies anders zu beurteilen, müßte der neue Beweisantrag jedenfalls nach § 528 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden, weil er nicht rechtzeitig in 1. Instanz vorgebracht war, seine Zulassung den Rechtsstreit verzögen würde und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß der Beweisantrag in 1. Instanz nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen wurde.

b)

Zum anderen beantragt die Beklagte die Einholung eines Gutachtens aus dem "orthopädisch-manualtherapeutischen Lager" (Berufungsbegründung S. 7 und 8, Bl. 621 f).

Auch hierfür besteht kein hinreichender Anlaß. Die gerichtlichen Gutachter haben sich, was die orthopädischen Folgen des Unfalls anbetrifft, eindeutig geäußert. Danach ist - mit Ausnahme der Ausführungen des Sachverständigen F., die der Senat nicht für überzeugend hält - davon auszugehen, daß sich die Frage der Kausalität nicht mehr im Sinne der Beklagten klären läßt.

2.

Die Beklagte beantragt schließlich die Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. H. und Dr. L. (Berufungsbegründung S. 4 und 8, Bl. 618, 621). Außerdem macht sie geltend, schon das Landgericht hätte diese sowie den Sachverständigen Dr. F. anhören müssen (BB 4, Bl. 616). Auch dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Die Anhörung eines Sachverständigen muß in dem Verhandlungstermin beantragt werden, in dem über sein Gutachten verhandelt und dieses im Sinne von § 285 Abs. 2 ZPO vorgetragen und damit in den Rechtsstreit eingeführt wird (vgl. BGHZ 35, 370, 373). Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht gerecht geworden.

Der Sachverständige L. hat sein Gutachten Ende Januar 1999 vorgelegt. Seine Anhörung hat die Beklagte in erster Instanz nicht beantragt.

Der Obergutachter H. hat sein letztes Gutachten Ende April 1999 vorgelegt. Auch hierzu hat die Beklagte einen Anhörungsantrag weder bis zur mündlichen Verhandlung der Kammer am 22.07.1999 schriftsätzlich noch ausweislich des Terminsprotokolls der Kammer - in der Verhandlung selbst - gestellt. Frühere Anhörungsanträge der Beklagten waren dadurch prozessual überholt, daß die Kammer schriftliche Nachtragsgutachten eingeholt hatte.

Im Hinblick auf den Sachverständigen F. gilt dies im Ergebnis ebenso. Allerdings hat die Beklagte ursprünglich im Hinblick auf das Gutachten vom 28.07.1996 (Bl. 187 ff) mit Schriftsatz vom 08.11.1996 rechtzeitig die Anhörung im Kammertermin vom 11.12.1996 beantragt. Dieser Antrag hat sich aber dadurch erledigt, daß die Kammer - ersichtlich im Einvernehmen mit den Parteien - die Beauftragung eines Obergutachters in Erwägung gezogen hat, zu der es dann auch gekommen ist. Gleiches gilt für den Anhörungsantrag vom 14. Mai 1997 (Bl. 353), da die Kammer daraufhin die Fortsetzung der Beweisaufnahme durch Einholung weiterer schriftlicher Gutachten angeordnet hat. Der Anhörungsantrag vom 21.07.1999 - einen Tag vor der letzten mündlichen Verhandlung der Kammer (Bl. 556 f) - ist zu spät gekommen.

Unter diesen Umständen hat die Entscheidung, ob eine Anhörung von Sachverständigen anzuordnen ist, im Ermessen der Kammer gestanden und steht jetzt im Ermessen des Senates, §§ 398, 402 ZPO. Der Senat hält eine Anhörung von Sachverständigen nicht für geboten. Weitere Erkenntnisse sind von ihr nicht zu erwarten. Die Sachverständigen haben sich ausführlich geäußert. Es ist nicht ersichtlich, daß sich ihre unterschiedlichen Standpunkte aufgrund ergänzender Fragen ändern könnten.

3.

Auch den weiteren Beweisanträgen aus der Berufungsbegründung braucht nicht nachgegangen zu werden.

Der Beweisantrag, F. zu der Frage zu vernehmen, daß er über "übergeordnete Sachkunde" verfüge, ist ungeeignet.

Der weitere Beweisantritt, den Privatgutachter W. als Zeugen zu der Frage zu vernehmen, daß das Obergutachten anders ausgefallen wäre, wenn "hier durchweg Gutachter des sogenannten orthopädisch-manualtherapeutischen Lagers beauftragt worden wären" (Bl. 621), ist ebenfalls ungeeignet.

Im übrigen hat der Sachverständige H. ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ihm auch dieser Bereich seines Fachgebietes - selbstverständlich - vertraut ist (Bl. 326).

Weiter benennt die Beklagte diverse Zeugen zu der Frage, daß sie vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei. Diesen Punkt unterstellt der Senat zu Gunsten der Beklagten als wahr. Er beinhaltet aber nicht mehr als ein Indiz für das Vorliegen der Kausalität, das alleine auch im Rahmen der Anwendung des § 287 ZPO für eine Überzeugungsbildung des Senates nicht ausreichen kann.

III.

Die Höhe des der Beklagten zustehenden rechtlich ersatzfähigen Schadens und damit die Höhe der von der Klägerin geleisteten Überzahlung hat die Kammer zutreffend festgestellt. Der Senat nimmt Bezug auf die Ausführungen auf den Seiten 8 bis 11 des angefochtenen Urteils (Bl. 585 ff). Gleiches gilt für das Schmerzensgeld, das die Kammer ebenfalls zutreffend mit 3.000,00 DM bemessen hat.

IV.

Die Berufung der Beklagten hat danach keinen Erfolg haben können.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: 174.192,83 DM.

Ende der Entscheidung

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