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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.05.2004
Aktenzeichen: 3 U 152/03
Rechtsgebiete: CMR, HGB
Vorschriften:
CMR Art. 31 Abs. 1 lit. b | |
HGB § 452 a |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Anlage zum Protokoll vom 25.05.2004
Verkündet am 25.05.2004
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lampenscherf, die Richterin am Oberlandesgericht Caesar und den Richter am Landgericht Ahlmann auf die mündliche Verhandlung vom 2. April 2004
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 07.10.2003 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (85 O 196/99) abgeändert.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht mit der Klage geltend, ihr stünden als Transportversicherer teilweise aus übergeleitetem, insgesamt aber aus abgetretenem Recht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche aus insgesamt drei zwischen ihrem Versicherungsnehmer - der Fa. W.S. F. Ltd., T., Großbritannien - und der - ebenfalls in Großbritannien ansässigen - Beklagten geschlossenen Transportverträgen vom 28.04.1998, 13.05.1998 und 07.12.1998 zu, bei deren Durchführung drei Partien Prozessoren mit einem Gesamtwert von 326.100,00 US-$ abhanden gekommen seien; die Ware sollte vom Absender in Großbritannien zu Empfängern in den Niederlanden (Schipol Airport) transportiert werden.
Die Einzelwerte der zur Versendung aufgegebenen Partien beliefen sich auf 95.200,00 US-$, 64.900,00 US-$ und 166.000,00 US-$; die erste und zweite Sendung bestand aus jeweils 2 Paketen, die dritte Sendung umfasste insgesamt 3 Pakete mit Prozessoren.
Die Sendungen wurden vom Versicherungsnehmer der Klägerin in T. per Lkw abgeholt; hierbei wurden Waybills über das von Großbritannien in die Niederlande zu transportierende Frachtgut (Bl. 5-7 GA) ausgestellt. Im Anschluss hieran wurden die Sendungen per Luftfracht von London zum Flughafen Köln-Bonn transportiert, dort auf einen Lkw umgeladen und in die Niederlande verbracht. Den Zielort T. erreichten die Sendungen nicht, weil sie im Umschlaglager der Beklagten in Amsterdam abhanden gekommen sind. Die Klägerin begehrt Schadensersatz in Höhe der vollen Rechnungsbeträge von 326.100,- USD abzüglich gezahlter 2.591,54 US-$.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung des geltend gemachten Schadensersatzes in Höhe von 323.508,46 US-$ nebst 5 % Zinsen seit dem 11.11.1998 verurteilt.
Hierbei hat das Landgericht, das sich nach Art. 31 Abs. 1 lit. b) CMR für international zuständig hielt, seine Entscheidung im wesentlichen darauf gestützt, dass auf den streitgegenständlichen LKW-Transport von Köln-Bonn in die Niederlande Art. 1 CMR Anwendung finde. Innerhalb des nach Art. 28 Abs. 4 EGBGB anzuwendenden britischen Rechts sei insoweit anerkannt, dass auf einer grenzüberschreitenden LKW-Teilstrecke innerhalb eines multimodalen Sendungstransports die Regelungen der CMR unmittelbar zur Anwendung gelangen würden. Die Haftung der Beklagten für den eingetretenen Sendungsverlust ergebe sich aus Art. 17, 29 CMR, da der Beklagten ein qualifiziert leichtfertiges Verhalten vorzuwerfen sei, zumal sie ihre Transport- und Lagerverhältnisse und etwaige Schutzmassnahmen innerhalb des Rechtsstreits nicht dargelegt habe und von ihr - der Klägerin - darüber hinaus Umstände aufgezeigt worden seien, die für massive Organisationsmängel im Bereich der Beklagten sprächen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 07.10.2003 (Bl. 479 ff. GA) Bezug genommen.
Mit der Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Sie vertritt - wie auch in erster Instanz - insbesondere die Auffassung, dass die Regelungen der CMR auf den Streitfall wegen Art. 2 Abs. 1 CMR unanwendbar seien, weil Umladungen des Sendungsgutes erfolgt seien und die Anwendbarkeit der CMR voraussetze, dass innerhalb des multimodalen Transports eine Beförderung des Sendungsgutes ohne Umladungen erfolge (sog. "Huckepackverkehr"). Aus einer eventuellen Anwendung englischen Rechts auf den Streitfall ergebe sich nichts anderes.
Darüber hinaus sei eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben. Denn Übernahmeort im Sinne von Art. 31 Abs. 1 lit. b) CMR sei nicht der Flughafen Köln-Bonn und damit Köln, sondern vielmehr der tatsächliche Ort der Übernahme, T. in England, an dem die Sendung von der Beklagten - welches zwischen den Parteien unstreitig ist - für den Transport übernommen worden sei. Auch der Umstand, dass sich an den LKW-Transport in England eine Übernahme des Sendungsgutes durch ein Luftfahrtunternehmen angeschlossen habe, ändere hieran nichts, weil mit Beginn des Haftungsregimes der CMR ein gesonderter und weiterer Übernahmeort zwischen den Parteien des Transportverhältnisses nicht habe begründet werden können. Vielmehr sei nur von einem Übergabeort auszugehen, der in England belegen sei, zumal die Beklagte einen eigenständigen Unterfrachtführer für die Übernahme des Sendungsgutes in der Bundesrepublik Deutschland beauftragt gehabt habe.
Hierneben rügt die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin und erhebt den Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit im Sinne von Art. 31 Abs. 2 CMR aufgrund in den Niederlanden anhängiger Rechtstreitigkeiten der Parteien mit (teil-)identischen Streitgegenständen. Ferner beruft sie sich auf einen vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss und bestreitet den von der Klägerin behaupteten Inhalt der zum Versand aufgegebenen und in Verlust geratenen Pakete. Schließlich hält sie die schon in erster Instanz gegenüber den geltend gemachten Ansprüchen erhobene Einrede der Verjährung aufrecht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 07.10.2003 (85 O 196/99) abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihrerseits ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und geht nach wie vor von der Anwendbarkeit der CMR und einer sich hieraus ergebenden internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Köln aus.
Insbesondere vertritt sie die Auffassung, die CMR treffe keine Regelung dazu, welcher Ort im Rahmen einer multimodalen Transportkette als Übernahmeort im Sinne von Art. 31 Abs. 1 lit. b) CMR anzusehen sei. Im Streitfall sei aufgrund des Teilstreckentransports mittels Luftbeförderung und LKW infolge der Übernahme für den Straßentransport in Köln-Bonn nach Art. 31 Abs. 1 lit. b), Art. 1 lit. a) CMR jedenfalls von der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Köln auszugehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts vom 07.10.2003, die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden und Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Denn die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist für die von der Klägerin erhobene Klage nicht gegeben.
1.
Obwohl das Landgericht seine Zuständigkeit angenommen hat, war es dem Senat nicht verwehrt, die Prüfung der internationalen Zuständigkeit erneut vorzunehmen. Die Regelung des § 513 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen; denn diese Vorschrift bezieht sich nach h.M., der sich der Senat anschließt, nicht auf die internationale Zuständigkeit (vgl. BGH, Urteil v. 16.12.2003 - XI ZR 474/02; Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 513 Rz.8; Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 513 Rdnr. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 513 Rz. 5).
2.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist im Streitfall nicht gemäß Art. 31 Abs. 1 CMR begründet. Art. 31 Abs. 1 CMR regelt für die vorliegend aus Art. 17, 29 CMR erhobenen Ansprüche ausschließlich und abschließend die Frage, welche Gerichte eines Vertragsstaates oder eines anderen Staates international zuständig sind, ohne dass hierdurch zugleich die örtliche oder sachliche Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts begründet würde (vgl. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Art. 31 CMR Rz. 2; Fremuth/Thume, Kom. z. Transportrecht, 2000, Art. 31 CMR Rz. 2 m.w.N.).
Die Voraussetzungen der hier für die Zuständigkeitsbegründung allein in Betracht kommenden Regelung des Art. 31 Abs. 1 lit. b) CMR sind nicht erfüllt.
Nach Art. 31 Abs. 1 lit. b) CMR wird für Streitigkeiten, die aus einer der CMR unterliegenden Beförderung resultieren, die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Staates begründet, auf dessen Gebiet der Ort der Übernahme des Gutes oder der für die Ablieferung vorgesehene Ort liegt.
Zwar ist die vorliegende Streitigkeit aus einer den Haftungsgrundsätzen der CMR unterliegenden Beförderung (auf einer Teilstrecke) entstanden, da der Schaden innerhalb eines nach der CMR maßgeblichen Haftungszeitraums (Art. 17 Abs. 1 CMR) entstanden ist und die Frachtführerhaftung der Beklagten geltend gemacht wird. Jedoch ist das Sendungsgut i.S. des Art. 31 Abs. 1 lit b CMR auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland weder übernommen noch abgeliefert worden.
Denn bei der Beförderung durch einen Frachtführer - wie auch bei einem Hauptfrachtführer, der sich (teilweise) eines Unterfrachtführers bedient - ist bei einem - wie hier - einheitlichen Frachtvertrag als Übernahmeort im Sinne von Art. 31 Abs. 1 lit. b) CMR derjenige Ort anzusehen, an dem das Sendungsgut ursprünglich, d.h. beim Absender, übernommen wurde (vgl. BGH NJW-RR 2002, 31 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, findet diese Betrachtung ihre Rechtfertigung in dem Sinn und Zweck der Regelung des Art. 31 Abs. 1 lit. b) CMR, der darin besteht, Streitigkeiten aus der CMR unterliegenden grenzüberschreitenden Beförderungen auf ganz bestimmte Gerichtsstände zu beschränken, wodurch Klagen aus ein und demselben Beförderungsvertrag vor unterschiedlichen Gerichten verschiedener Staaten vermieden werden (vgl. BGH NJW-RR 2002, 31 f.; Herber/Piper, CMR, Art. 31 Rz. 17; vgl. auch ÖOGH Wien TranspR 2000, 34, 35 f.). Der Ort der Übernahme des Gutes liegt hier in Großbritannien, der Ort der Ablieferung in den Niederlanden.
Nachdem die Sendungen im Streitfall von der Beklagten jeweils in England übernommen worden sind und ihre bestimmungsgemäße Ablieferung in den Niederlanden erfolgen sollte, ist hiernach der bloße Umstand, dass in Köln ein Umschlag der Sendung aufgrund eines Wechsels des Transportmittels erfolgte, nicht geeignet, eine internationale Zuständigkeit der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 31 Abs. 1 lit b CMR zu begründen. Dass für den Verlust der Sendung, der bei einem einheitlichen Frachtvertrag, der mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln durchgeführt wird, eintritt, auf Haftungsmaßstäbe der bekannten Teilstrecke zurückgegriffen werden kann, begründet für sich keine internationale Zuständigkeit, die das Haftungsregime antonom regelt.
Eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts war schließlich auch nicht aus dem Recht nach dem Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) oder Art. 28 Abs. 1 WA 1955 begründet, so dass die Klage als unzulässig abzuweisen war.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Von der Zulassung der Revision sieht der Senat ab, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 346.704,01 €
Ende der Entscheidung
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