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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 24.01.2007
Aktenzeichen: 5 U 6/04
Rechtsgebiete: AMG, BGB


Vorschriften:

AMG § 5
AMG § 84 a.F.
BGB § 823 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Dezember 2003 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 16 O 23/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger wurde in der Zeit von Oktober 1997 bis zumindest Mai 1998 mit dem von der Beklagten hergestellten Medikament Lipobay 0,3 behandelt. Neben Lipobay erhielt der Kläger in dieser Zeit noch weitere Medikamente, unter anderem das ebenfalls cholersterinsenkende Mittel Gevilon uno.

Nach einem Aufenthalt in Sri Lanka im Februar 1998 wurde beim Kläger eine Entzündung im rechten Unterschenkel festgestellt Am 8. Mai 1998 wurde er mit akuten Muskelschmerzen und Muskelschwäche stationär in die Medizinische Klink und Poliklinik I aufgenommen, wo eine Polymyositis mit massiver Rhabdomyolyse diagnostiziert wurde. Der Kläger wurde nach einer Steroid-Therapie am 21. Mai 1998 als weitgehend beschwerdefrei entlassen.

Der Kläger hat behauptet, die Muskelschmerzen seien durch die Einnahme des Medikamentes Lipobay ausgelöst worden. Auch nach dem Absetzen des Mittels im Mai 1998 seien die Symptome nicht vollständig abgeklungen. Es sei zu einem weiteren Schub Ende 1999 gekommen. Die Muskelschwäche habe sich so sehr verstärkt, dass er nunmehr berufsunfähig sei. Der Kläger macht die Beklagte als Hersteller des Medikamentes Lipobay für die aufgetretene Rhabdomyolyse, die medikamenten-induziert gewesen sei, und deren Folgen verantwortlich. Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe nicht hinreichend geprüft, welche Wechselwirkungen bei gleichzeitiger Einnahme anderer Medikamente (wie hier Gevilon uno, das er in der Dosierung 1-0-0 genommen habe) auftreten könnten. Es fehle auch ein eindeutiger Hinweis im Beipackzettel, dass Lipobay eine Rhabdomyolyse verursachen könne.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum Juni 1998 bis August 2003 Schadensersatz in Höhe von 64.868,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Februar 2003 und ein Schmerzensgeld von mindestens 40.000,- € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Rhabdomyolyse sei durch die Infektion, die der Kläger während des Aufenthaltes in Sri Lanka erlitten habe, verursacht worden. Sie sei jedenfalls nicht medikamentös verursacht worden. Der Kläger habe das Medikament Lipobay auch noch nach seinem Krankenhausaufenthalt im Mai 1998 weiter eingenommen. Die Begleitmedikation sei unklar; er habe das Medikament Gevilon uno in zu hoher Dosierung zu sich genommen.

Das Landgericht hat den Vortrag des Klägers als nicht schlüssig angesehen und die Klage mit Urteil vom 19. Dezember 2003 abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge unter Reduzierung der Schadensersatzforderung auf 62.248,96 € weiterverfolgt.

Der Kläger räumt ein, dass er sich nicht auf die Neuregelungen des AMG berufen kann, sondern sich etwaige Ansprüche nach § 84 AMG a.F. bzw. nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 AMG richten. Er wehrt sich gegen die Annahme des Landgerichts, er habe zu den Anspruchsvoraussetzungen nicht genügend vorgetragen. Er habe in erster Instanz dargetan und unter Beweis gestellt, dass er infolge der Einnahme von Lipobay an einer Rhabdomyolyse erkrankt sei, die zu einer dauerhaften Muskelschwäche und zu Muskelschmerzen geführt habe. Dieser Vortrag reiche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus. Hinsichtlich der anzustellenden Risiko-Nutzen-Analyse genüge sein Vortrag, dass bei ihm eine Rhabdomyolyse aufgetreten sei bei Einnahme eines Medikaments, das der Senkung des Cholesterinspiegels diene. Das Landgericht habe daher ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, weist demgegenüber darauf hin, dass die Klage bereits deshalb unschlüssig gewesen sei, weil die darin aufgestellten Behauptungen zur Medikamenteneinnahme und zur Krankheitsentwicklung nicht mit den gleichzeitig vorgelegten Arztbriefen in Einklang zu bringen seien. Vor allem seien dort 2 mögliche Ursachen für die Rhabdomyolyse aufgeführt worden: Entweder sei diese medikamenten-induziert gewesen oder sie sei durch eine Infektion ausgelöst worden. Außerdem hätten auch andere Medikamente, die der Kläger eingenommen habe, eine Rhabdomyolyse auslösen können. Auch wenn der Bundesgerichtshof nur geringe Anforderungen an die Darlegungslast stelle, sei hier zu berücksichtigen, dass sie, die Beklagte, eingehend zur fehlenden Ursächlichkeit vorgetragen habe, was die Substantiierungspflicht des Klägers erhöhe. Insbesondere die zahlreich aufgeführten Widersprüche zwischen Klagevortrag und dem Inhalt der vorgelegten Arztbriefe habe der Kläger nicht widerlegt. Unabhängig davon spreche eine Nutzen-Risiko-Analyse eindeutig für den Einsatz von Lipobay; der Nutzen der Cholesterinsenkung sei ihm Hinblick auf das Risiko einer Rhabdomyolyse vertretbar gewesen; anderenfalls hätte Lipobay gar nicht als Arzneimittel zugelassen werden dürfen. Die Rhabdomyolyse sei im übrigen entgegen der Behauptung des Klägers - keine möglicherweise sogar tödliche Erkrankung, sondern sie klinge schon kurze Zeit nach dem Absetzen des Medikamentes folgenlos ab.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß dem Beschluss vom 2. Februar 2005 Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X vom 19. Januar 2006 (Bl. 359-379 d.A.) sowie auf das Ergänzungsgutachten vom 18. September 2006 (Bl. 405-407 d.A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger kann gegen die Beklagte weder aus § 84 AMG (alter Fassung - darüber, dass das neue AMG hier, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht einschlägig ist, herrscht zwischen den Parteien kein Streit mehr) noch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 AMG (zum Schutzgesetzcharakter: BGH, NJW 1991, 2351, 2352; OLG Stuttgart, VersR 1990, 631, 633) Ansprüche geltend machen, denn er hat nach dem Ergebnis der vom Senat veranlassten Beweisaufnahme nicht den ihm obliegenden Beweis geführt, dass die Einnahme des Medikamentes Lipobay ursächlich oder zumindest mitursächlich für die im Mai 1998 aufgetretene Rhabdomyolyse war. Auch unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers, wonach er Lipobay lediglich bis Mai 1998 und das Medikament Gevilon uno nur in einer Dosierung 1-0-0 eingenommen habe, und unter Berücksichtigung seiner Darstellung des Krankheitsbildes hat der Sachverständige Prof. X keine sicheren Feststellungen zur Kausalität zwischen der Einnahme von Lipobay und der Erkrankung des Klägers treffen können. Beim Kläger ist zwar im Mai 1998 eine deutliche Rhabdomyolyse aufgetreten. Auch ist davon auszugehen, dass die kombinierte Therapie von Lipobay und Gevilon uno (unabhängig von dessen Dosierung) eine Muskelerkrankung zur Folge haben kann. Trotz eingehender Diagnostik war die genaue Ursache für die beim Kläger im Mai 1998 aufgetretene Muskelerkrankung - so der Sachverständige - damals nicht feststellbar und sie ist es auch heute nicht mehr. Neben einer toxisch-medikamentösen Ursache kommt vor allem entweder ein autoimmuner Prozess oder eine Infektion in Betracht. Die vom Kläger geschilderten Symptome sind auch mit dem Krankheitsbild einer infektiös verursachten Rhabdomyolyse vereinbar, wie der Sachverständige ausgeführt hat. Der Senat hat keinen begründeten Zweifel, dass der Sachverständige die an ihn gestellten Fragen sorgfältig unter Auswertung der ihm zur Verfügung gestellten Krankenunterlagen des Klägers beantwortet hat. Wenn er gleichwohl nicht zu sicheren Feststellungen hinsichtlich der Ursache der aufgetretenen Rhabdomyolyse kommen konnte, so muss dies hingenommen werden. Der Kläger hat denn auch weitere Einwendungen gegen die gutachterlichen Feststellungen nicht mehr erhoben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Berufungsstreitwert: 102.248,96 € (s. Senatsbeschl. v. 25. Mai 2005)

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