Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.06.1999
Aktenzeichen: 6 U 13/99
Rechtsgebiete: UWG, PAngVO, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 13 Abs. 2 Ziff. 2
PAngVO § 1 Abs. 2
PAngVO § 1 Abs. 6
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 545 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 13/99 31 O 451/98 LG Köln

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 23.6.1999

verkündet am 23.6.1999

Berghaus, JS'in z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Einstweiligen Verfügungsverfahren

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 2.6.1999 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr.Schwippert, Pietsch und von Hellfeld

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 3.12.1998 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 451/98 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Tenor wie folgt neu gefaßt wird:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung ein Handy Alcatel One Touch Easy, wie auf der nachfolgenden Seite 3 dieses Urteils wiedergegeben, wobei die Daten nur beispielhaft angeführt sind, unter Preisangabe mit dem Hinweis:

"Inklusive freies Telefonieren für 100 DM"

zu bewerben.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Soweit der Senat den Urteilstenor neu gefaßt hat, liegt hierin keine inhaltliche Änderung und damit kein Abweichen von den Anträgen der Antragstellerin, sondern eine sprachliche Klarstellung sowie - durch die Einblendung von Farbablichtungen - eine engere Anpassung an die konkrete Verletzungsform.

Der zulässige Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist aus § 3 UWG und aus § 1 Abs.2 und 6 PAngVO begründet, weil in der angegriffenen Werbung nicht hinreichend klar dargestellt wird, zu welchen Bedingungen das Alcatel-Gerät abgegeben wird.

Mit der Anzeige wird, soweit das Alcatel-Handy betroffen ist, ein gekoppeltes Angebot beworben, nämlich zum einen der Verkauf des erwähnten Handy zum Preis von 11 DM und zum anderen die Vermittlung eines Netzkartenvertrages des Providers debitel. In derartigen Koppelungsfällen eines Kaufvertrages über ein Handy mit der Vermittlung eines Netzkartenvertrages, bei dem auch verbrauchsabhängige Kosten anfallen, ist zwar nicht die Bildung eines Endpreises (§ 1 Abs.1 S.1 PAngVO) geboten, die wegen der erwähnten verbrauchsabhängigen Kosten auch gar nicht möglich wäre, wohl aber eine dem Verkaufspreis für das Handy eindeutig zugeordnete, leicht erkennbare und deutlich lesbare Angabe der Preisbestandteile, die auf den Netzkartenvertrag entfallen. In der Entscheidung des BGH "Handy-Endpreis" heißt es dazu (a.a. O., S.264):

"Auch wenn ... ein einheitlicher Endpreis von Telefon und Kosten des Netzzugangs nicht gebildet werden kann, ist die - mit Preisen werbende - Beklagte nach § 3 UWG sowie nach § 1 Abs.2 und 6 PAngVO verpflichtet, die für den Verbraucher mit dem Abschluß eines Netzkartenvertrages verbundenen Kosten hinreichend deutlich kenntlich zu machen. Die Beklagte stellt in ihrer Werbung blickfangmäßig heraus, daß ein Teil des einheitlichen, aus Mobiltelefon und Netzzugang bestehenden Angebotes besonders günstig ist. Eine solche Angabe ist jedoch unvollständig, wenn nicht gleichzeitig die Preisbestandteile, die auf den Netzkartenvertrag entfallen und mit denen das besonders günstige Angebot für das Mobiltelefon - unmittelbar oder mittelbar über die vom 'Service Provider' gezahlte Provision - finanziert wird, in der Werbung so dargestellt werden, daß sie dem blickfangmäßig herausgestellten Preis für das Mobiltelefon eindeutig zugeordnet sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar sind.

... Wird aber bei einer Koppelung zweier Angebote mit der besonderen Preiswürdigkeit des einen Angebotes geworben, darf der Preis des anderen Angebotes nicht verschwiegen werden oder in der Darstellung untergehen, weil damit ein unzutreffender Eindruck über die Preiswürdigkeit des gekoppelten Angebots vermittelt würde."

Diesen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen. Legt man sie der im vorliegenden Verfahren zu treffenden Entscheidung zugrunde, so ergibt sich, daß die Berufung zurückzuweisen ist. Denn es trifft entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin nicht zu, daß die Hinweise auf die Tarife des notwendigerweise abzuschließenden Netzkartentarifes im vorstehenden Sinne eindeutig erkennbar und dem besonders günstigen Angebot des Handys für 11 DM einschließlich des Freibetrages von 100 DM zuzuordnen wären.

Mit der Berufung und im Einklang mit der oben auszugsweise zitierten Entscheidung des BGH (a.a.O., S.263) ist allerdings davon auszugehen, daß der Verbraucher inzwischen weiß, daß er ein Handy, das zu einem derartig niedrigen und offenkundig weit unter seinem Wert liegenden Preis angeboten wird, nicht ohne den Abschluß eines Netzkartenvertrages erwerben kann. Das allein rechtfertigt indes die angegriffene Werbung nicht. Vielmehr wäre diese nur dann nicht zu beanstanden, wenn die oben im einzelnen beschriebene Klarheit gewährleistet wäre. Diese Voraussetzung ist aber entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht erfüllt. Die Werbung zeichnet sich dadurch aus, daß zwei verschiedene Handys beworben werden, die sich zumindest im Preis ganz erheblich von einander unterscheiden: während das verfahrensgegenständliche Alcatel-Gerät 11 DM kostet, ist der Preis für das Panasonic-Gerät mit 99 DM neun mal so hoch. Das nimmt der Verkehr - wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt - ohne weiteres wahr, wobei dahinstehen kann, ob wirklich der Text in dem weißen Pfeil bei einer nennenswerten Anzahl von Verbrauchern für diese Erkenntnis erforderlich ist.

Diese Bewerbung von zwei Handys in einer einzigen Anzeige macht es nach den vorgenannten Grundsätzen erforderlich, daß für beide Telefone leicht erkennbar ist, welche Tarife für den Netzkartenvertrag gelten sollen. Das ist indes für das verfahrensgegenständliche Gerät nicht der Fall. Aufgrund der graphischen Anordnung der beiden bildlichen Darstellungen der Handys einerseits und des Tarifwerks unter der Überschrift "Thema Kleintarif" andererseits wird der Verkehr - was offenbar ja auch so beabsichtigt ist - die Angaben über das Tarifwerk zunächst dem Panasonic-Gerät zuordnen. Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Umstand, daß das Gerät unmittelbar neben dem Kasten mit der Überschrift "Thema Kleintarif" angeordnet ist. Darüber hinaus mag dazu auch das Sternchen hinter der Preisangabe 99 DM beitragen, wenn auch dessen Pendant als letzte Angabe unter der Überschrift "Thema Kleintarif", also an einer nicht erwarteten Stelle, nicht leicht zu finden ist.

Demgegenüber ist, worauf es indes entscheidend ankommt, gerade nicht leicht erkennbar, daß die links angegebenen Tarife auch für das verfahrensgegenständliche Alcatel-Gerät maßgeblich sein sollen. Das ergibt sich zunächst aus der bildlichen Aufteilung der Werbung: So sprechen schon die Größenverhältnisse der Darstellungen gegen die Annahme, die angegebenen Tarife sollten auch für das Alcatel-Handy gelten. Während das Panasonic-Gerät und die Tarifdarstellung zusammen etwa die Hälfte der Bildfläche in Anspruch nehmen, wird die zweite Hälfte der Werbung allein durch die Darstellung des Alcatel-Gerätes und die herausgehobenen Angaben des Preises und des Freibetrages von 100 DM ausgefüllt. Bereits diese Aufteilung der Werbung spricht für die Annahme, der Tarif gelte nur für das Panasonic-Gerät. Dieser Eindruck wird noch durch die Umrandung des rechten Teils der Werbung verstärkt, der den Eindruck einer Selbständigkeit des darin enthaltenen Angebotes vermittelt. Vor diesem Hintergrund könnten die Anforderungen an die eindeutige Zuordnung und leichte Erkennbarkeit nur dann gewahrt sein, wenn der Blick auf dem langen Weg zu den Angaben mit besonders auffälligen Sternchen geleitet und so die nicht erwartete Zuordnung klargestellt würde. Davon kann jedoch keine Rede sein. So ist schon das Sternchen an dem Preis recht unauffällig und erst recht ist das Pendant kaum zu finden. Dieses ist im Gegenteil schon graphisch völlig unauffällig gestaltet und im übrigen auch - wie bereits dargelegt worden ist - an einer Stelle angeordnet, an der die Angabe nicht erwartet wird. Denn der Hinweis, daß der Abschluß eines bestimmten Netzkartenvertrages erforderlich sei, wird von dem Verbraucher nicht hinter, sondern vor der Darstellung dieser Tarife erwartet.

Dem kann auch nicht etwa mit Erfolg entgegengehalten werden, in dem Sternchenhinweis finde sich nur die Notwendigkeit, überhaupt einen debitel-D1 Netzkartenvertrag abzuschließen, von der der Verbraucher aber doch ohnehin wisse. Denn der Hinweis lenkt auf diese Weise gerade zu den davor angeordneten Tarifen, zu denen der Kunde abzuschließen verpflichtet werden soll. Entgegen der von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung ergibt sich die gebotene Klarstellung auch nicht aus der übrigen Aufmachung der mehrseitigen Werbebeilage. Denn auch wenn darin in jeweils der gleichen Art Produktgruppen gebildet worden sind und schon auf der Seite vor der verfahrensgegenständlichen Werbung ebenfalls zwei Handys unter Voranstellung der Tarife beworben werden, gewährleistet dies doch aus den vorstehenden Gründen nicht, daß der Verbraucher die angegebenen Tarife auch dem jeweils von den Tarifen entfernt abgebildeten Handy zuordnet. Überdies wird ohnehin nicht jeder Leser wahrnehmen, daß auch auf der Seite zuvor bereits in derselben Art geworben wird, zumal die angegriffene Werbung sich auf der Rückseite der Beilage befindet und deswegen auch dann gefunden werden kann, wenn die Beilage gar nicht vollständig aufgeschlagen wird.

Zu der graphischen Gestaltung der Anzeige, die schon für sich genommen der Annahme hinreichender Klarheit entgegensteht, kommt folgender Gesichtspunkt hinzu: Zumindest nicht unerhebliche Teile der angesprochenen Verbraucher werden angesichts des ganz erheblichen Preisunterschiedes zwischen beiden Geräten Zweifel hegen, ob trotz des neun mal so hohen Preises tatsächlich dasselbe Tarifwerk für beide Geräte gelten soll. Denn gerade angesichts des Umstandes, daß die angesprochenen Verkehrskreise inzwischen von dem Koppelungscharakter derartiger Angebote wissen, werden sie auch in sogar erheblichem Umfange annehmen, daß bei einem so viel preiswerteren Handy die Tarifbedingungen nicht gleich, sondern auch dementsprechend ungünstiger als bei dem Erwerb des anderen, neun mal teureren Gerätes sein werden. Das gilt um so eher angesichts des Umstandes, daß für das verfahrensgegenständliche Handy - anders als für das Panasonic-Gerät - auch noch ein Gebühren-Freibetrag von 100 DM ausgelobt wird. Dieser Umstand erhärtet den Verstoß gegen § 1 Abs.2 und 6 PAngVO.

Dem vorstehenden Ergebnis kann auch nicht etwa entgegengehalten werden, die grundsätzliche Kenntnis der Verbraucher von dem Koppelungscharakter derartiger Angebote führe dazu, daß diese den abgedruckten Tarif (auch) dem Alcatel-Gerät zuordneten, weil ein anderer Tarif in der Anzeige nicht angegeben sei. Denn auch wenn der Verbraucher von der Koppelung der Angebote weiß, ist ihm dennoch nicht bewußt, daß eine Verpflichtung des Anbieters besteht, auch die Tarife für den mitangebotenen Netzkartenvertrag im einzelnen anzugeben. Nicht wenige Verbraucher werden sogar annehmen, gerade wegen des niedrigen Preises für das Alcatel-Gerät habe der Anbieter davon abgesehen, auch den Tarif für den bei dem Kauf dieses Gerätes abzuschließenden Netzkartenvertrag anzugeben. Aus diesem Grunde geht auch der in der mündlichen Verhandlung von der Antragsgegnerin geäußerte Einwand für die vorliegende Fallgestaltung fehl, der Sternchenhinweis sei angesichts der soeben angesprochenen Feststellung, daß der Verbraucher heute von der Koppelung wisse, sogar überflüssig.

Vor diesem Hintergrund kann die Anzeige schließlich nicht mit dem - zutreffenden - Hinweis gerechtfertigt werden, daß die Tarife vollständig und richtig wiedergegeben werden. Denn die Werbung ist nicht deswegen zu beanstanden, weil die Angaben unrichtig oder unvollständig wären, sondern deswegen, weil der Verbraucher sie in erheblicher Zahl dem beworbenen Gerät nicht zuordnet.

Diesem Ergebnis steht auch nicht das von der Antragsgegnerin angesprochene Verbraucherleitbild des EuGH entgegen, ohne daß in diesem Zusammenhang zu klären wäre, ob und inwieweit dieses von demjenigen der zitierten jüngeren Rechtsprechung des BGH abweicht und ggfls. im vorliegenden Verfahren, das keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufweist, zu berücksichtigen wäre. Auch ein nicht nur flüchtiger, sondern gründlich lesender und verständiger Verbraucher könnte der Anzeige nicht sicher entnehmen, ob der Tarif auch das verfahrensgegenständliche Alcatel-Gerät betrifft. Erfährt er dies indes erst durch etwa eine Rückfrage bei der Antragsgegnerin, hat diese schon erreicht, daß der Kunde sich näher mit der Werbung befaßt hat, was ihn schließlich - verursacht durch die irreführende Werbung - veranlassen kann, sich auch für das beworbene Gerät zu entscheiden.

Liegen damit die Voraussetzungen der vorgenannten §§ 3 UWG und 1 Abs.2 und 6 PAngVO vor, so sind die tatsächlichen Voraussetzungen des Verfügungsanspruchs insgesamt glaubhaft gemacht, weil die Werbung auch geeignet ist, den Wettbewerb im Sinne des § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG wesentlich zu beeinträchtigen. Das ergibt sich schon aus der gerichtsbekannten Größe der Antragsgegnerin und der weiten Verbreitung der beanstandeten Werbung und bedarf keiner weiteren Begründung, weil die Antragsgegnerin selbst diese Voraussetzung nicht in Zweifel zieht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird aus den in dem parallel geführten Hauptsacheverfahren 6 U 14/99 dargelegten Gründen endgültig auf 50.000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück