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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 02.03.2007
Aktenzeichen: 83 Ss 22/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 47
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

83 Ss 22/07

In der Strafsache

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 8. Dezember 2006 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO

am 2. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu gehörigen Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gummersbach zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Gummersbach hat den Angeklagten, der zu diesem Zeitpunkt in anderer Sache erstmals Strafhaft verbüßte, durch Urteil vom 8. Dezember 2006 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Nach seinen Feststellungen zum Schuldspruch hat der Angeklagte, der seit langem Betäubungsmittel konsumiert, bei drei Gelegenheiten im Zeitraum zwischen Mai und Ende Juli 2006 in Bergneustadt von einem "Achmed" jeweils 1 g Amphetamin zum Preis von 10 € zum Eigenkonsum erworben.

Zum Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht u.a. Folgendes ausgeführt:

"Das Gericht hat für jede Tat jeweils auf eine Einsatzfreiheitsstrafe von 2 Monaten erkannt. Diese Strafen erschienen nach Abwägung aller erkennbaren für und gegen den Angeklagten in Betracht kommenden Strafzumessungsgesichtspunkte tat- und schuldangemessen. Bei der Bemessung der Höhe der Strafen innerhalb des Strafrahmens des § 29 Abs. 1 BtMG (Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe) hat sich das Gericht an den Grundsätzen der Strafzumessung gemäß § 46 StGB ausgerichtet. Dabei konnten zugunsten des Angeklagten vor allem sein umfassendes Geständnis sowie der Umstand berücksichtigt werden, dass er die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenkonsum erworben hat. Zu seinen Lasten mussten die mehrfachen einschlägigen Vorstrafen sowie der Umstand ins Gewicht fallen, dass die Taten für den Angeklagten auch ein Bewährungsversagen darstellen.

Allerdings war auch bei Berücksichtigung der vorstehend angeführten mildernden Zumessungsfaktoren zur Einwirkung auf den Angeklagten die Verhängung von Freiheitsstrafen unerlässlich. Zu schwer wiegt, dass der Angeklagte bereits mehrfach, darunter einschlägig, strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und ferner die Taten, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, während einer laufenden Bewährungszeit begangen hat, was zusammengenommen einen besonderen Täterumstand im Sinne von § 47 Abs. 1 StGB darstellt, als dass geringer gewichtige Geldstrafen schon ausreichend und geeignet wären, eine innere Umkehr des offenbar zur Begehung von Betäubungsmittelstraftaten leicht bereiten Angeklagten zu bewirken."

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte "Rechtsmittel" eingelegt, das er durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 19. Januar 2007 als Revision bezeichnet und zugleich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Er rügt die Verletzung von materiellem Recht.

II.

Das gemäß § 335 StPO als Sprungrevision statthafte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtmittel hat insofern (vorläufigen) Erfolg, als es gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts führt.

Die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts bezüglich der verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Monaten und der Gesamtfreiheitsstrafe sind im Hinblick auf die Vorschrift des § 47 StGB materiell-rechtlich unvollständig; sie bilden keine tragfähige Grundlage für die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen.

Zu beanstanden ist insoweit, dass das Amtsgericht bei seiner Entscheidung den Umstand der erstmaligen Hafterfahrung des Angeklagten nicht berücksichtigt hat.

Das Amtsgericht Wermelskirchen hatte gegen ihn durch Urteil vom 15. Dezember 2005 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt und die seinerzeit bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung später widerrufen. Der Angeklagte verbüßte nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung diese Freiheitsstrafe; er hat somit zwischen der Begehung der Taten des vorliegenden Verfahrens und deren Aburteilung erstmals einen längeren Freiheitsentzug erlitten. Bei einer solchen Fallgestaltung entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass das Tatgericht bei der Beurteilung, ob eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, im Rahmen der Prognose auch darauf eingehen muss, welche Wirkungen die Haft auf den Angeklagten hatte (SenE v. 31.10.2003 - Ss 448/03 - m. w. Nachw.; SenE v. 03.05.2005 - 8 Ss 64/05 -; SenE v. 07.11.2006 - 83 Ss 70/06 -). Gerade bei einem Erstverbüßer lässt nämlich der von der Strafhaft ausgehende Warneffekt erwarten, dass dieser sich die Strafvollstreckung zur Warnung dienen lässt und künftig keine Straftaten mehr begeht (OLG Karlsruhe, zfs 2005, 410 = VRS 108, 423). Das hat das Amtsgericht ausweislich der Urteilsgründe auch bedacht, denn es hat den Gesichtspunkt der Strafhaft bei der Feststellung einer insgesamt günstigen Sozialprognose mit herangezogen.

Was insoweit für die Entscheidung zu § 56 StGB gilt, muss aber auch bereits bei der Frage der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe Berücksichtigung finden. Diese muss nach dem Gesetzeswortlaut aufgrund besonderer Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters zur Einwirkung auf diesen unerlässlich sein. Zwar setzt das nicht zwingend voraus, dass auch der Vollzug und dessen Einwirkung auf den Täter geboten sein müssen (BGHSt 24, 164; Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 47 Rdnr. 12; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 47 Rdnr. 8 m. w. Nachw.); es genügt vielmehr, dass das gewichtigere Unwerturteil, das im Ausspruch einer Freiheitsstrafe liegt, oder dass die Einwirkung während einer Bewährungszeit unerlässlich ist (Tröndle/Fischer a.a.O.). Es liegt aber auf der Hand, dass eine gegenwärtige Hafterfahrung einen Umstand darstellt, der den Angeklagten nachhaltig beeindrucken und einen positiven Effekt auf sein künftiges Leben sowie seine Einstellung zur Rechtsordnung ausüben kann. Angesichts dessen besteht gerade im Hinblick auf eine positiv entschiedene Bewährungsfrage Anlass zu der Prüfung, ob es der Verhängung einer weiteren (kurzen) Freiheitsstrafe noch bedarf, um einen günstigen Einfluss auf den Angeklagten zu nehmen, diese daher als unerlässlich anzusehen ist oder ob die Verhängung einer - auch empfindlichen - Geldstrafe zur Einwirkung auf den Täter als ausreichend angesehen werden kann.

Ein Absehen von Strafe unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 5 BtMG durch eine eigene Sachentscheidung des Senats kommt entgegen der Auffassung der Revision nicht in Betracht. Denn der Angeklagte muss als Wiederholungstäter und Dauerkonsument gelten. In einem solchen Fall bedarf es einer näheren tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung (vgl. SenE v. 28.10.2003 - Ss 464/03; vgl. OLG Karlsruhe StV 2003, 622).

Der Senat weist schließlich für die künftige Hauptverhandlung noch auf Folgendes hin:

Auch unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe (StV 2003, 622 f. = NJW 2003, 1825) dürfte der Auffassung der Revision, dass die Verhängung von jeweils kurzen Einzelfreiheitsstrafen im Fall des Angeklagten bereits gegen das Übermaßverbot verstößt, nicht zu folgen sein. Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen zwar weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen (vgl. BGHSt 24, 40, 42 f.; OLG Hamm VRS 97, 410 [411]). Zu berücksichtigen ist vorliegend aber, dass der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und auch bereits zu Freiheitsstrafen verurteilt werden musste. Unter den abgeurteilten Straftaten befinden sich zwei, freilich vom Amtsgericht nicht näher dargelegte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Auch bei Straftaten mit geringer Schadenshöhe bzw. mit vergleichsweise untergeordnetem Gewicht ist die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe jedenfalls dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Täter mehrfach und zudem einschlägig vorbestraft ist (BayObLG NJW 2003, 2926; OLG Hamm VRS 106, 189 f.) und insgesamt ein hartnäckiges gemeinschädliches Verhalten festgestellt werden kann (OLG Hamm VRS 105, 136 f.).

Berücksichtigt der Tatrichter Vorbelastungen zum Nachteil des Angeklagten, hat er diese im Urteil so genau mitzuteilen, dass dem Revisionsgericht die Nachprüfung ermöglicht wird, ob sie im Hinblick auf ihre Bedeutung und Schwere für den Strafausspruch richtig bewertet worden sind. Neben dem Gegenstand und dem Zeitpunkt der Verurteilung, der Art und der Höhe der Strafen sind daher in der Regel die den als belastend eingestuften Vorverurteilungen zugrundeliegenden Sachverhalte zwar knapp, aber doch in einer aussagekräftigen Form zu umreißen (vgl. OLG Frankfurt StV 1995, 27; st. Senatsrechtsprechung, vgl. nur VRS 70, 210; VRS 100, 123; SenE v. 30.01.2007 - 81 Ss 7/07 -). Das gilt insbesondere dann, wenn eine kurze Freiheitsstrafe gemäß § 47 StGB festgesetzt wird (st. Senatsrechtsprechung, vgl. SenE v. 09.01.2007 - 81 Ss 182/06 -).

Ende der Entscheidung

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