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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.01.2001
Aktenzeichen: Ss 532/00 (Z)
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 80 a Abs. 2 Nr. 2
OWiG § 79 Abs. 1 S. 1
OWiG § 79 Abs. 1 S. 2
OWiG § 80 Abs. 1
OWiG § 80 Abs. 2
OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 1
OWiG § 79 Abs. 3
OWiG § 46
StPO § 344 Abs. 2
StPO § 473 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Ss 532/00 (Z) - 3/01 Z -

In der Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln

im Verfahren über den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 25. September 2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft in der Besetzung gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 2 OWiG durch den Richter am Oberlandesgericht Schröders

am 11. Januar 2001

beschlossen:

Tenor:

I. Der Zulassungsantrag wird als unbegründet verworfen.

II. Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG).

III. Die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht trägt der Betroffene.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 150 DM verurteilt. Zur Begründung des Fahrlässigkeitsvorwurfs hat es ausgeführt, die Einlassung des Betroffenen, an seinem Fahrzeug sei die Geschwindigkeitsanzeige ausgefallen und andere Orientierungsmittel bezüglich seiner Geschwindigkeit hätten ihm wegen der Dunkelheit nicht zur Verfügung gestanden, könne ihn nicht entlasten; denn abgesehen davon, dass er ein erfahrener Kraftfahrer sei, könne von jedem Kraftfahrer in einer solchen Situation erwartet werden, dass er seine Geschwindigkeit soweit reduziere, dass mit Sicherheit die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten werde.

Mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird die Sachrüge erhoben und geltend gemacht, bei absoluter Dunkelheit und geringem Verkehr sei es auch einem erfahrenen Fahrer unter Aufwendung größtmöglicher Sorgfalt nicht möglich, mit der vom Amtsgericht vorausgesetzten Genauigkeit einzuschätzen. Die entgegenstehende Annahme verstoße gegen Denk- und Erfahrungssätze. Zumindest sei bei nachgewiesenem Ausfall des Tachometers ein Abzug von 15% der gemessenen Geschwindigkeit als Toleranz vorzunehmen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber sachlich nicht gerechtfertigt und daher - dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend - als unbegründet zu verwerfen.

In dem angefochtenen Urteil ist ausschließlich eine Geldbuße von 150 DM festgesetzt worden. Die Rechtsbeschwerde ist daher nicht nach § 79 Abs. 1 S. 1 OWiG statthaft, sondern bedarf gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG der Zulassung. Nach § 80 Abs. 1 OWiG setzt die Zulassung voraus, dass sie entweder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (Nr. 1) oder dass die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (Nr. 2). Beträgt - wie im vorliegenden Fall - die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 200,00 DM, so ist die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde durch § 80 Abs. 2 OWiG noch weiter eingeschränkt, und zwar in der Weise, dass in den Fällen des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nur noch die Notwendigkeit einer Fortbildung des sachlichen Rechts die Zulassung rechtfertigt.

Beide Voraussetzungen, die danach die Zulassung der Rechtsbeschwerde ermöglichen, liegen hier nicht vor.

Eine Versagung des rechtlichen Gehörs, die in einer den Anforderungen der §§ 344 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 OWiG genügenden Form zu rügen wäre (vgl. dazu OLG Düsseldorf VRS 97, 55 = NZV 1999, 437 L.; OLG Hamm VRS 98, 117 f.; SenE v. 11.04.2000 Ss 175/00 Z -; SenE v. 05.07.2000 - Ss 280/00 Z -; SenE v. 11.07.2000 - Ss 274/00 B -), ist weder dargetan noch sonst erkennbar.

Der vorliegende Fall gibt darüber hinaus auch keine Veranlassung, allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BGH VRS 40, 134 [137]). Zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache nicht auf.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein defekter Tachometer den Vorwurf der Fahrlässigkeit bei Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht ausschließt (BayObLG NStZ-RR 2000, 121 = DAR 2000, 171 = NZV 2000, 216 [217] = VRS 98, 288 [289]; OLG Celle DAR 1978, 169; OLG Düsseldorf NZV 1992, 454; OLG Hamm DAR 1972, 251; OLG Schleswig VM 1964, 54; SenE v. 03.10.1986 - Ss 564/86 -; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 3 Rdnr. 51/52). Die Tatsache, dass der Tachometer defekt ist, begründet sogar eine besondere Pflicht, der Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gesteigerte Aufmerksamkeit zu widmen (BayObLG a.a.O.). Dabei gilt der Grundsatz, dass ein Kraftfahrer, der sein Fahrzeug kennt, in der Lage ist, eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung zu bemerken. Einem geübten Fahrer ist es ohne weiteres möglich, anhand der Motorgeräusche des ihm vertrauten Fahrzeugs, der sonstigen Fahrgeräusche und insbesondere anhand der Schnelligkeit, mit der sich die - ggfs. durch Scheinwerferlicht ausgeleuchtete - Umgebung verändert, zuverlässig zu schätzen und zu erkennen, dass er die erlaubte Geschwindigkeit wesentlich überschreitet (OLG Düsseldorf NZV 1992, 454 m. w. Nachw.; OLG Celle a.a.O. [für einen Pkw Mercedes 280]). Wenn ein Kraftfahrer daher - wie der Betroffene - die ihm bekannte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 36 km/h - also fast die Hälfte - in Kenntnis eines defekten Tachometers überschreitet, lässt dies sogar auf ein besonderes Maß an Sorglosigkeit im Straßenverkehr schließen (vgl. BayObLG a.a.O.; ferner BGH NStZ-RR 1997, 378).

Für den Fahrlässigkeitsvorwurf kommt es danach auch nicht darauf an, ob die gemessene Geschwindigkeit einer auf Schätzung beruhenden konkreten Vorstellung des Betroffenen entsprach. Entscheidend ist vielmehr, dass derjenige, der ohne Tachometeranzeige erkennbar zu schnell fährt, damit rechnen muss, mit einer Geschwindigkeit zu fahren, wie sie durch Messung konkret festgestellt wird. Für einen "Toleranzabzug" (so AG Grevesmühlen DAR 1999, 517) besteht ebenso wenig Anlass wie bei einem Betroffenen, der bei intakter Tachometeranzeige dieser keine Beachtung schenkt und daher keine konkrete Vorstellung von der Höhe seiner Geschwindigkeit entwickelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 OWiG.

Ende der Entscheidung

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