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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 28.05.2003
Aktenzeichen: 1 Ss 49/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 203
StPO § 206a Abs. 1
StPO § 207
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 354 Abs. 1
Das Fehlen der Unterschrift des zuständigen Richters unter dem Eröffnungsbeschluss führt jedenfalls dann zu dessen Unwirksamkeit und damit zu einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernis, wenn sich aus den Umständen nicht mit Sicherheit ergibt, dass das zuständige Gericht das Verfahren nach pflichtgemäßer und eigenständiger Prüfung tatsächlich eröffnen wollte.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 1. Strafsenat

1 Ss 49/03

Beschluss vom 28. Mai 2003

Strafsache gegen

wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht K. verurteilte den Angeklagten am 28. August 2001 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Die von dem Angeklagten eingelegte und im Hauptverhandlungstermin vom 9. Januar 2003 wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung verwarf das Landgericht K. mit Urteil vom 9. Januar 2003.

II.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte am 10. Januar 2003 Revision eingelegt und nach Zustellung des vollständigen Urteils am 6. Februar 2003 mit einem am 6. März 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt, das Urteil des Landgerichts K. vom 9. Januar 2003 aufzuheben.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 15. April 2003 beantragt, die Revision im Beschlussweg gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Durch die zulässige Revision sei die Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen eröffnet. Die Prüfung zeige, dass der Eröffnungsbeschluss vom 16. August 2001 nicht von dem Richter unterzeichnet worden sei. Auch in der Hauptverhandlung sei dieser Mangel nicht geheilt worden. Vielmehr habe das Amtsgericht ausweislich des Protokolls festgestellt, dass das Hauptverfahren eröffnet worden sei. Dies führe jedoch nicht zu einer Verfahrenseinstellung aufgrund eines Verfahrenshindernisses.

Der Verteidiger des Verurteilten hat mit Schriftsatz vom 6. Mai 2003 zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Stellung genommen.

III.

Durch die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Revision, ist die Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen eröffnet (vgl. BGHSt 10, 278 <279>). Diese Prüfung, die durch die wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch und die damit eingetretene Teilrechtskraft inhaltlich nicht begrenzt wird (vgl. BGHSt 8, 269), führt zur Feststellung eines Verfahrenshindernisses und begründet damit die Notwendigkeit, das Verfahren gemäß § 206a StPO einzustellen.

Die Bedeutung einer fehlenden richterlichen Unterschrift unter dem Eröffnungsbeschluss ist in der Rechtsprechung umstritten. Während einerseits vertreten wird, das Fehlen der Unterschrift führe zwingend zur Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses (vgl. OLG Frankfurt/Main, NJW 1991, 2849), wird andererseits die Unterzeichnung eines schriftlichen Eröffnungsbeschlusses nicht in jedem Fall als unerlässliche Voraussetzungen für dessen Wirksamkeit angesehen (vgl. BayObLG, StV 1990, 395 <396>; OLG Zweibrücken, NStZ-RR 1998, 75; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2000, 114). Die Vertreter der letztgenannten Auffassung setzten für die Annahme eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses allerdings die aus den Umständen gewonnene sichere Erkenntnis voraus, dass das zuständige Gericht das Verfahren tatsächlich eröffnen wollte (vgl. OLG Düsseldorf, StV 1983, 408 <409>; NStZ-RR 2000, 114; BayObLG, StV 1990, 395 <396>; StV 2001, 330; OLG Zweibrücken, NStZ-RR 1998, 75; StV 1998, 66; OLG Hamm, StV 2001, 331; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Juni 1994 - 2 StR 184/94 -, BGHR StPO § 203 Unterschrift 1).

Im vorliegenden Fall bedarf die Streitfrage, ob das Fehlen der Unterschrift unter einem Eröffnungsbeschluss zwingend und in jedem Fall zu dessen Unwirksamkeit führt keiner Antwort, da sich aus den Umständen schon nicht mit Sicherheit ergibt, dass das zuständige Gericht das Verfahren tatsächlich eröffnen wollte.

Das im Verfahren vor dem Amtsgericht K. benutzte Formblatt "Eröffnungsbeschluss und Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung" (StP 44) trägt nur hinsichtlich der Ladungsverfügung richterliche Bearbeitungsspuren und insgesamt keine Unterschrift. Selbst hinsichtlich der Ladungsverfügung kann deshalb nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass diese über ein Entwurfsstadium hinausgelangt und nicht etwa unbeabsichtigt in den Geschäftsgang geraten ist. Der Umstand, dass in das Formular - vermutlich durch den zuständigen Richter - ein Termin zur Hauptverhandlung und der Hinweis auf einen Zeugen eingetragen worden sind, lässt deshalb keinen sicheren Rückschluss auf den Willen des Gerichts zu, das Hauptverfahren zu eröffnen. Auch sonst sind der Akte bis zum Protokoll der Hauptverhandlung keine Hinweise auf einen entsprechenden Willen zu entnehmen. Bei dieser Sachlage kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass der Amtsrichter das Verfahren tatsächlich nach pflichtgemäßer und eigenständiger Prüfung des Akteninhalts eröffnet hat. Da ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 28. August 2001 auch in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht der Eröffnungsbeschluss nicht nachgeholt worden ist (vgl. zur Möglichkeit der Nachholung des Eröffnungsbeschlusses BGHSt 29, 224 <228>; 33, 167 <168>) - das Gericht ging davon aus, das Hauptverfahren mit Beschluss vom 16. August 2001 bereits eröffnet zu haben - besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, das gemäß §§ 206a, 354 Abs. 1 StPO zur Verfahrenseinstellung zwingt. Eine Zurückverweisung kommt nicht in Betracht (vgl. OLG Hamm, StV 2001, 331; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. 2003, § 203 Rdnr. 3 m.w.N.; KK-Tolksdorf, StPO, 4. Aufl. 1999, § 203 Rdnr. 2). Einer förmlichen Aufhebung des angegriffenen Urteils gemäß § 349 Abs. 4 StPO bedarf es nicht, weil die Einstellung des Verfahrens die Wirkung des angegriffenen Urteils beseitigt (vgl. BGHSt 23, 365 <368>; OLG Frankfurt/Main, NJW 1991, 2849 <2850>). Ein erneutes gerichtliches Verfahren setzt damit eine neue Anklage voraus (KK-Tolksdorf, aaO.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO. Von der Möglichkeit des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, weil das Verfahrenshindernis dem gerichtlichen Verfahren von Anfang an anhaftete.

Ende der Entscheidung

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