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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 11.10.2002
Aktenzeichen: 1 U 107/02
Rechtsgebiete: BGB, AGBG


Vorschriften:

BGB § 626
BGB § 628
AGBG § 9
AGBG § 11 Nr. 5 a
Auch wenn die (formular)vertragliche Vereinbarung absoluter Kündigungsgründe eines privaten Internatsschulvertrages (hier: positives Drogentestergebnis) unwirksam ist, so sind diese inhaltlich bei der gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile doch berücksichtigungsfähig.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

1 U 107/02

Verkündet am: 11. Oktober 2002

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2002 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kürschner als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 17. Mai 2002 - 7 O 413/01 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die ein privates Internatsgymnasium betreibt, schloss am 14.8.1998 mit den Beklagten einen Schul- und Internatsvertrag, durch den die Klägerin sich verpflichtete, das gemeinsame Kind der Beklagten, den Schüler S., auf die Realschulabschlussprüfung vorzubereiten. Nach Kündigung des Internatsvertrages, die ausgesprochen wurde, nachdem beim Sohn der Beklagten am 25.11.1999 ein positiver Cannabinoid-Test erhoben wurde, verlangt die Klägerin Schadensersatz. Sie hat im ersten Rechtszug beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie DM 25.201,80 = € 12.885,50 nebst 8,25 % Zinsen hieraus seit 23.2.2000 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen und im Wege der Widerklage beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagten als Gesamtgläubiger € 50.681,30 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

Die Beklagten haben im wesentlichen vorgetragen, die fristlose Kündigung sei unwirksam. Mit der Widerklage haben sie Rückzahlung des von ihnen gezahlten Schulgeldes verlangt.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L..

Mit Urteil vom 17. Mai 2002, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin DM 23.512,59 = € 12.021,80 nebst 4 % Zinsen hieraus vom 23.02.2000 bis 31.12.2000, 8,25 % Zinsen vom 1.1.2001 bis 31.8.2001 und 4 % Zinsen seit 1.9.2001 zu zahlen; im Übrigen wurde die Klage ebenso wie die Widerklage abgewiesen.

Gegen das Landgerichtsurteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Sie wiederholen und vertiefen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen im Übrigen vor:

Die gesetzliche Regelung des § 626 BGB rechtfertige die ausgesprochene Kündigung nicht. Mit dem positiven Cannabinoid-Test vom 25.11.1999 sei ein von der Klägerin missbilligtes außerschulisches Verhalten des Sohnes der Beklagten aufgedeckt worden. Dieses könne aber in Ansehung der Grundlagen der Rechtsbeziehung der Parteien und unter Beachtung verfassungsrechtlicher Schranken keinen Verstoß gegen die Schulordnung begründen.

Selbst wenn man dies anders werte, wäre eine Abmahnung oder die vorherige Verhängung minder schwerer Disziplinarmaßnahmen Voraussetzung für die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung. Die Klägerin habe zunächst die ihr zur Verfügung stehenden pädagogischen Mittel unter Einschaltung der Beklagten ausschöpfen müssen. In ihrer Internet-Präsentation führe die Klägerin selbst aus, dass bei einem Regelverstoß der Grund analysiert würde und mit den Schülerinnen und Schülern gezielt auf eine Verhaltensänderung hin gearbeitet werde.

Ein die Relegation des Sohnes der Beklagten rechtfertigender Gesichtspunkt ergebe sich auch nicht aus der Abmahnung vom 25.3.1999.

Das Landgericht habe die besondere Rechtsnatur des Ausbildungsverhältnisses, die zurückgelegte Ausbildungszeit und die gesteigerte Fürsorgepflicht gegenüber Jugendlichen nicht ausreichend gewürdigt. Der Sohn der Beklagten habe ein Interesse daran gehabt, die begonnene Ausbildung zu Ende zu bringen und die vereinbarten Dienstleistungen in vollem Umfang zu erhalten. Dass es dem Sohn der Beklagten möglich geworden sei, den Realschulabschluss ohne zeitliche Verzögerung abzulegen und damit trotz des Schulwechsels mitten im Schuljahr die Schullaufbahn mit einem Abschluss fortsetzen zu können, beruhe auf einem glücklichen Zufall. Bei Ausspruch der Kündigung sei diese Entwicklung nicht abzusehen gewesen.

Zu berücksichtigen sei auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 20.6.2002 (NJW 2002, 2378), wonach es wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unzulässig sei, im Falle einmaligen oder nur gelegentlichen Cannabis-Konsums von Seiten der Fahrerlaubnisbehörde eine möglicherweise fehlende Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs anzunehmen und zur Überprüfung ein Drogen-Screening anzuordnen.

Danach sei auch die vertragliche Vereinbarung der Parteien verfassungswidrig, die den Vertragspartner ohne äußeren Anlass zur Teilnahme an einem Drogen-Screening verpflichte und im Falle eines positiven Ergebnisses den anderen Vertragspartner zur fristlosen Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grunde berechtige.

Der Geltendmachung der Klagforderung stehe, wie bereits erstinstanzlich ausgeführt, Treu und Glauben entgegen, nachdem die Klägerin zunächst eine geringere Schlussrechnung erteilt habe. Bestritten werde im Übrigen nach wie vor die Zinsforderung der Klägerin.

Das Landgericht habe auch die Widerklage zu Unrecht abgewiesen.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 17.5.2002 - 7 O 413/01 - abzuändern und

1. die Klage abzuweisen;

2. die Klägerin im Wege der Widerklage zu verurteilen, an die Beklagten als Gesamtgläubiger € 50.681,30 nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz p. a. seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das Urteil des Landgerichts. Ergänzend trägt sie vor:

Das Landgericht habe in zutreffender Art und Weise die Interessen beider Parteien gegeneinander abgewogen und entschieden, dass das Interesse der Klägerin am Schutz der ihr anvertrauten Schüler sowie der Integrität ihres Rufes nach außen hin überwiege; dies zumal unstreitig der Sohn der Beklagten seine schulische Ausbildung nahtlos an einer staatlichen Schule habe fortsetzen können, ohne den Verlust eines Schuljahres oder sonstiger Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung auch zu Recht zugrunde gelegt, dass der Sohn der Beklagten bereits 8 Monate vor dem nachgewiesenen Drogenverstoß wegen Alkoholmissbrauchs, somit eines Verstoßes, der ebenfalls im Zusammenhang mit dem Konsum von Rauschmitteln stehe, ordnungsgemäß abgemahnt worden sei. Die Beklagten versuchten den Verstoß ihres Kindes zu bagatellisieren; es sei jedoch festzustellen, dass diesem Vorfall eine erheblich gravierendere Qualität zukomme als einem sonst vorkommenden Verstoß gegen die Hausordnung, wie etwa Verletzung der Nachtruhe oder unerlaubtem Entfernen vom Schulgelände. Der Vorfall qualifiziere sich als Straftat gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Auch wenn bei Eigenkonsum von Rauschgift in geringen Mengen von einer Strafverfolgung abgesehen werde, ändere dies nichts an der grundsätzlichen Einordnung und Wertung der Handlung als Straftat.

Die Vorgehensweise der Klägerin, bei Nachweis von Drogenkonsum in der Regel einen Schulausschluss auszusprechen, habe durchaus nachvollziehbare Gründe. Die Klägerin wolle vermeiden, dass sich Schüler sozusagen an den Regelverstoß herantasten könnten. Da die Drogentests durch die Klägerin auch nur stichprobenartig und sporadisch durchgeführt werden, bestünde die Gefahr, dass vor diesem Hintergrund vermehrt Drogen konsumiert werden könnten. Es sei daher unerlässlich, den Schülern zu vermitteln, dass bereits der erste nachgewiesene Drogenkonsum zum Schulausschluss führen könne.

Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts würden das Verhältnis zwischen Staat und Bürger betreffen, nicht aber die Vertragsfreiheit. Die Beklagten hätten in dem unterzeichneten Vertragswerk rechtswirksam grundsätzlich der Durchführung von Drogentests zugestimmt. Die Maßnahmen der Klägerin stützten sich auf die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien. Auch darin unterscheide sich der Sachverhalt von demjenigen, der dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegen habe.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Für die Entscheidung ist der Einzelrichter zuständig, dem der Rechtsstreit durch Senatsbeschluss vom 25.07.2002 (II, 39) gemäß §§ 523, 526 ZPO übertragen worden ist. Entgegen der nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgten Anregung des Beklagtenvertreters war der Rechtsstreit mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 526 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht dem Senat zur Entscheidung über eine Übernahme vorzulegen.

Mit zutreffenden Gründen, die durch das Berufungsvorbringen im Ergebnis nicht entkräftet werden, hat das Landgericht der Klage im zuerkannten Umfange stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

1. Nach der wirksamen außerordentlichen Kündigung des Schul- und Internatsvertrags steht der Klägerin gemäß § 628 Abs. 2 BGB ein Schadensersatzanspruch zu.

a) Die Kündigung aus wichtigem Grund ist fristgerecht innerhalb von zwei Wochen gemäß § 626 Abs. 2 BGB erfolgt.

b) Das durch den Schul- und Internatsvertrag vom 14.8.1998 begründete Schuldverhältnis ist als Dienstverhältnis gem. § 611 BGB zu qualifizieren, das nach den Voraussetzungen des § 626 BGB außerordentlich kündbar war, d. h. bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ein solcher lag bei Ausspruch der fristlosen Kündigung vor.

aa) Allerdings kann sich die Klägerin dabei nicht auf einen "absoluten" Kündigungsgrund unter Verweis auf Ziff. 7 des Vertrages berufen, in dem es heißt:

"Eine Kündigung aus wichtigem Grunde bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund ist insbesondere bei groben Verstößen gegen die Schul- und Internatsordnung anzunehmen. Dies gilt auch bei wiederholten Fällen weniger schwerer Verfehlungen sowie bei erheblicher Schädigung des Ansehens des privaten K.-Internats in der Öffentlichkeit. In diesen Fällen liegt es im Ermessen der Leitung, statt der Kündigung einen befristeten Ausschluss auszusprechen. Ein grober Verstoß gegen die Schul- und Internatsdisziplin liegt insbesondere in folgenden Fällen vor: - Benutzung von Kraftfahrzeugen ohne Erlaubnis

- Mitführen von alkoholischen Getränken

- Besitz und/oder Konsum von Drogen

- Mitführen von Gegenständen oder Stoffen, die die Sicherheit oder Unversehrtheit von Mitschülern gefährden.

Das private K.-Internat behält sich vor, um Drogenmissbrauch vorzubeugen, regelmäßig kostenpflichtige stichprobenartige Drogentests durchzuführen. Die Vertragsparteien stimmen einem Test vorbehaltlos zu und nehmen zur Kenntnis, dass ein positiver Drogentest zur fristlosen Kündigung des Vertrags durch das private K.-Internat führt."

Das Interesse der Klägerin darauf hinzuwirken, dass die ihr anvertrauten Schüler drogenfrei sind, ist berechtigt. Die Schaffung eines absoluten Kündigungsgrundes verstößt jedoch wegen der Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 626 BGB gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG und ist deshalb nichtig (so für einen ähnlich gelagerten Vertrag auch LG Frankfurt a. M. NJW-RR 1999, 130 f.; vgl. zur Unwirksamkeit vertraglicher Vereinbarung absoluter Kündigungsgründe ferner Schwerdtner in MüKo BGB 3. Aufl. § 626 Rdnr. 74). Das Landgericht hat im Einzelnen zutreffend ausgeführt, dass der Formularvertrag der Parteien nicht individuell ausgehandelt wurde, sondern den Regelungen des AGBG unterliegt. Während die gesetzliche Regelung für die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung die Abwägung aller Umstände des Einzelfalles erfordert, soll es nach der Formularklausel bei Vorliegen eines bestimmten Tatbestandes in jedem Falle zwingend zu einer Kündigung berechtigen. Eine derartige Regelung ist unwirksam.

bb) Folge der Unwirksamkeit der Klausel ist jedoch gemäß § 6 Abs. 2 AGBG, dass die gesetzliche Regelung des § 626 BGB Anwendung findet. Deren Voraussetzungen hat das Landgericht zu Recht bejaht und dabei - entgegen der Berufungsangriffe der Beklagten - eingehend gewürdigt.

Das Interesse der beklagten Eltern und ihres Kindes an einer Fortsetzung der Schul- und Internatsleistungen der Klägerin ist gerade bei einem Schüler der 10. Klasse, der den (Real-) Schulabschluss erstrebt, besonders groß, zumal, wenn im Einzelfall, wie vorliegend, das Kind bereits einmal eine Klasse wiederholt hatte und nicht sicher ist, ob nach einem Ausschluss aus der Privatschule gleichwohl eine Fortsetzung und Beendigung der Schulausbildung an einer anderen Schule ohne zeitlichen Verlust möglich sein wird. Dass dies im vorliegenden Fall letztlich so geschehen ist, war für die Parteien bei Ausspruch der fristlosen Kündigung nicht als sicher vorherzusehen. Zu berücksichtigen ist auch die nicht unerhebliche finanzielle Folge für die Dienstberechtigten, die ohne weitere Gegenleistungen zu erhalten sich dem Schadensersatzanspruch des Dienstverpflichteten ausgesetzt sehen. Diesem Interesse der Beklagten und ihres Sohnes an der Fortsetzung und erst späteren ordnungsgemäßen Beendigung seiner bis dahin erfolgreich bei der Klägerin verlaufenden und mit hohem finanziellem Aufwand erkauften schulischen Ausbildung standen jedoch die überwiegenden Interessen der Klägerin an einer sofortigen Auflösung des Dienstverhältnisses gegenüber:

Für die Klägerin ist es von sehr hoher Bedeutung, zum Schutz der Gesundheit der Schüler, der Ordnung an ihrer Schule und ihrem Ruf nach außen, die Schule und ihre Schüler drogenfrei zu halten. Dieses starke Interesse kommt in der vertraglichen Regelung entsprechend zum Ausdruck. Auch wenn die vertragliche Vereinbarung "absoluter" Kündigungsgründe eines Internatsschulvertrages unwirksam ist (vgl. oben lit. aa) ), so sind sie inhaltlich bei der erforderlichen Gesamtabwägung doch berücksichtigungsfähig. Die Bedeutung des Interesses der Klägerin an Drogenfreiheit war die Beklagten und ihren Sohn unmissverständlich erkennbar, indem sie der Regelung zustimmten, dass sich die Schüler regelmäßig kostenpflichtigen stichprobenartigen Drogentests unterwerfen. Es war weiterhin ersichtlich, dass ein positiver Drogentest zur fristlosen Kündigung des Vertrages führen könnte. Auch wenn die Regelung eines absoluten Kündigungsgrundes (wie oben unter Ziff. aa) ausgeführt) rechtlich unwirksam ist, so ändert dies nichts an der Warnungswirkung, die sich aus den vertraglichen Regelungen für die Beklagten ergab. Bei der gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile sind u. a. pädagogische Erwägungen maßgeblich, die sich daran auszurichten haben, ob ein Verhalten des Schülers an dieser Schule im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags oder wegen des Schutzes Dritter, etwa der Mitschüler, nicht mehr hingenommen werden kann und ob dem Schüler in dieser Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht geduldet werden kann. Als Orientierung hierfür kann auch die Praxis bei öffentlichen Bildungseinrichtungen herangezogen werden. Hier ist in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte durchweg anerkannt, dass u. a. der Konsum von Rauschgift (ebenso wie die Herstellung von Kontakten zum Erwerb von Rauschgift und dessen Weitergabe an Mitschüler) den Ausschluss von der betreffenden Schule rechtfertigen kann (vgl. BayVerwGH München NVwZ-RR 1998, 239 f. m.w.N.), weil hierin eine ernsthafte Gefährdung des Erziehungsauftrags der Schule zu sehen ist. Dabei dürfen auch "generalpräventive" Gesichtspunkte eine Rolle spielen.

Zugunsten des Sohnes der Beklagten spricht, dass es sich um einen erstmals festgestellten Verstoß gegen das Verbot, Drogen zu konsumieren, handelte und dieser Verstoß außerhalb des Schulbetriebes an einem Wochenende im Freizeitbereich stattfand und die Probenerhebung nicht etwa durch ein auffälliges Verhalten veranlasst wurde, sondern weil vereinbarungsgemäß stichprobenartige Drogen-Screenings durchgeführt wurden. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass der festgestellte Befund mit 80 mg/ml den Schwellenwert des immunologischen Nachweises von 25 mg/ml um mehr als das dreifache überschritt und damit keinen ernsthaften Zweifel an dem Drogenkonsum zulässt.

Entgegen der Berufung steht der ausgesprochenen fristlosen Kündigung nicht entgegen, dass die Klägerin nicht zunächst versuchte, auf das missbilligte vertragswidrige Verhalten des Kindes der Beklagten, dass sich diese gem. § 278 BGB zurechnen lassen müssen (vgl. BGH NJW 1984, 2093 ff.), mit milderen pädagogischen Mitteln oder einer Abmahnung zu reagieren. Denn der Sohn des Beklagten war bereits am 22.3.1999 wegen eines Verstoßes gegen das absolute Alkoholverbot abgemahnt und mit einer Ausgangssperre belegt worden. Zu Recht führt das Landgericht aus, dass sowohl einem Drogenverstoß als auch einem Alkoholverstoß das Verbot des Konsums von Rauschmitteln zugrunde liegt und er daher ausreichend gewarnt war, zumal er als 16-Jähriger ohne weiteres die Bedeutung seiner Verhaltensweise vor dem Hintergrund des strengen absoluten Rauschmittelverbots an dem Internat der Klägerin kannte. Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles war es danach der Klägerin im Hinblick ihr überwiegendes Interesse an Drogenfreiheit an ihrer Schule unzumutbar, das Vertragsverhältnis mit den Beklagten bis zum Ende des Schuljahres fortzusetzen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 (1BvR 2062/96), wonach ein einmalig festgestellter Haschischbesitz und die Weigerung der Teilnahme am Drogen-Screening nicht als alleinige Grundlage der Entziehung der Fahrerlaubnis genommen werden dürfen, zu keiner anderen Beurteilung. In dieser Entscheidung des ging es um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen verweigerter Beibringung eines behördlich angeforderten Drogen-Screenings nach festgestelltem Besitz einer geringen Menge Haschisch. Im vorliegenden Falle haben sich demgegenüber die Beklagten und ihr Sohn (formular-) vertraglich wirksam verpflichtet, freiwillig Drogen-Screenings am Internat der Klägerin zu dulden. Es stellt sich - auch unter dem Gesichtspunkt der Drittwirkung von Grundrechten im Zivilrecht - damit nicht die Frage, ob der Sohn der Beklagten in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt wurde. Auch andere Verfassungsverstöße sind nicht erkennbar.

Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen spielt auch eine Rolle, dass die Klägerin vermeiden will, dass sich Schüler sozusagen an einen Regelverstoß herantasten könnten. Da die Drogentests bei der Klägerin nur stichprobenartig und sporadisch durchgeführt werden, sieht sie zu Recht die Gefahr, dass vor diesem Hintergrund vermehrt Drogen konsumiert werden könnten. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sie es für unerlässlich erachtet, den Schülern zu vermitteln, dass bereits der erste nachgewiesene Drogenkonsum zum Schulausschluss führen kann.

2. Unbegründet sind ferner die Berufungsangriffe gegen die Höhe des zuerkannten Betrages. Das Landgericht hat zu Recht die Regelung des pauschalierten Schadensersatzes, wonach die Parteien die Fortzahlung des Schul- und Internatskostenbeitrages bis zum Ende der Mindestvertragslaufzeit bzw. bis zu dem Zeitpunkt, zu dem eine fristgemäße Beendigung des Vertrags möglich gewesen wäre, vereinbarten, wobei der Nachweis eines geringeren Schadens durch den Kündigungsempfänger möglich sein solle, gemäß § 11 Nr. 5 a AGBG als unwirksam erachtet, da die Klausel nicht die ersparten Aufwendungen der Klägerin berücksichtigt. Die Klägerin hat jedoch ihren Schaden konkret nachgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die Ausführungen und Ziff. I 3 des Landgerichtsurteils (S. 9/10) Bezug genommen, die das Berufungsgericht teilt. Danach errechnet sich eine Schadensersatzforderung i.H.v. DM 23.512,59 = € 12.021,80.

Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der Korrektur der kurz zuvor aufgestellten Rechnungen der Klägerin nicht entgegen. Durch die Bezahlung der ersten Rechnung durch die Beklagten war keine abschließende Regelung getroffen worden, die die Klägerin von einer Nachforderung ausgeschlossen hätte.

3. Entgegen der Berufungsangriffe ist auch der zuerkannte Zinsanspruch nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat mit der vorgelegten Zinsbescheinigung hinreichend nachgewiesen, dass ihr für den Zeitraum vom 1.1.2001 - 31.8.2001 Zinsen i.H.v. 8,25 % zustehen.

4. Die zulässige Widerklage hat das Landgericht ebenfalls zu Recht als unbegründet abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch steht den Beklagten wegen einer Schlechterfüllung oder Verletzung einer Aufklärungspflicht gegen die Klägerin nicht zu. Der Sohn der Beklagten hatte zum Eintrittszeitpunkt in die Schule der Klägerin die Schulpflicht bereits erfüllt. Aus Ziff. 10 des Schul- und Internatsvertrages ergibt sich für die Beklagten ohne weiteres, dass die Klägerin nicht selbst Prüfungen abnimmt, sondern ihre Schüler zu Prüfungen an anderen Lehranstalten anmeldet. Im Übrigen ist den Beklagten und ihrem Sohn durch die behaupteten Pflichtverletzungen der Klägerin kein Schaden entstanden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung auf vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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