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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 22.11.2002
Aktenzeichen: 1 U 122/02
Rechtsgebiete: BGB, BinSchG


Vorschriften:

BGB § 164
BinSchG § 2
Zur Frage, mit wem ein Kaufvertrag zustande kommt, wenn ein Partikulier sein unter der Flagge des Charterers und Befrachters geführtes Motorschiff vorlegt und ohne weitere ausdrückliche Erklärungen Gasöl bunkert, nachdem über einen längeren Zeitraum zuvor auf der Grundlage von Rabattverhandlungen jeweils der Befrachter die an ihn gegangenen Rechnungen der Bunkerstation bezahlte.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

1 U 122/02

Verkündet am: 22.11.2002

In Sachen

wegen Forderung

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2002 durch

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 26. Juni 2002 - 5 O 89/02 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt den Kaufpreis für Gasöllieferungen für ein Motorschiff (MS). Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Schiffseigner oder ein Unternehmen, an das er sein Motorschiff vermietet hatte, oder aber beide als Gesamtschuldner zur Zahlung verpflichtet sind.

Die Klägerin betreibt Bunkerstationen in Mannheim und Koblenz für die Betankung von Binnenmotorschiffen mit Gasöl (Dieseltreibstoff). Der Beklagte ist Eigentümer von MS "K.", das wiederholt bei der Klägerin betankt wurde. Er hatte das Motorschiff mit Mietvertrag vom 30. Oktober 2000 (AHB 4) an S. GmbH vermietet. In § 4 des Ziff. 6 des Mietvertrages ist vereinbart, dass Gasöl zu Lasten des Mieters geht.

Die Firma S. und die Firma O. deren (Allein-) Geschäftsführer und Alleingesellschafter K. war, und die in Mannheim ein einheitliches Geschäftslokal eingerichtet hatten, hatten als Befrachter mit verschiedenen Binnenschiffern Verträge geschlossen. Unstreitig traf die Klägerin mit den Firmen S./O. eine Vereinbarung über Rabattgewährung bei der Lieferung von Gasöl. Im November 2001 stellten die Firmen S./O. Insolvenzantrag, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma O. wurde mangels Masse nicht eröffnet.

Gegenstand der Klage sind offene Kaufpreisforderungen für Gasöllieferungen für MS "K." in der Zeit vom 04.07. bis 03.09.2001. Auf den hierüber erstellten Lieferscheinen (AHK 1-5) ist in der Rubrik Warenempfänger "O." oder "S." und "K." bzw. "MS K." eingetragen, alle Lieferscheine sind vom Beklagten unterschrieben. Die von der Klägerin über diese Lieferungen ausgestellten Rechnungen (AHK 1-5) waren jeweils adressiert an

MS "K." & Eig.

dlfd. OBK

(Anschrift OBK)

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug im Wesentlichen vorgetragen:

Der Beklagte schulde als Käufer Bezahlung der Gasöllieferungen. Er habe für sein Schiff Gasöl getankt und dabei nicht erklärt, dass er für eine dritte Person, etwa für den Befrachter, handele. Die Gasöllieferungen habe er in sein Bezugsheft eingetragen.

Die Vereinbarung im Mietvertrag zwischen dem Befrachter Firma S. und dem Beklagten als Partikulier ändere nichts an dessen Zahlungsverpflichtung gegenüber der Klägerin. Diese Regelung betreffe nur das Innenverhältnis und sei der Klägerin nicht bekannt gewesen. Auch in der Rabattvereinbarung zwischen der Klägerin und den Firmen S./O. sei kein Schuldnerwechsel vereinbart worden. Dieser Rabatt werde den Befrachtern gewährt, weil diese größere Kontingente abnehmen. Damit würden die Befrachter neben den Schiffseigentümern zusätzliche Schuldner. Die Rechnungsstellung, wie sie hier erfolgt sei, sei so mit Herrn Kiefer seitens der Firma S./O. vereinbart worden.

Wegen des erstinstanzlich gestellten Klagantrags wird auf den Tatbestand des Landgerichtsurteils verwiesen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat im ersten Rechtszug im Wesentlichen vorgetragen:

Er bestreite die Aktiv- und die Passivlegitimation der Prozessparteien. Seit Beginn der Geschäftsbeziehung zur Firma S. habe diese laut Mietvertrag das Gasöl zu zahlen. Dementsprechend seien in der Vergangenheit alle Rechnungen für Gasöllieferungen ausschließlich durch die Firmen S. bzw. O. beglichen worden, er selbst habe keine Rechnungen erhalten. Aus den Unterlagen ergebe sich auch, dass die Firma S./O. selbst Schuldner gegenüber der Klägerin seien. Nur diese hätten ein Interesse an der Rabattvereinbarung mit der Klägerin gehabt, weil sie nach dem Mietvertrag sämtliche laufende Betriebskosten zu zahlen hätten. Eine Bestellung von Gasöllieferungen durch den Beklagten selbst sei zu keiner Zeit erfolgt. Entsprechend der Branchenübung fakturiere die Klägerin auch nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung zu den Firmen S./O. ihre Bunkerung auf den neuen Befrachter des Beklagten, die Firma S. .

Das Landgericht hat mit Urteil vom 26. Juni 2002 - auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird - den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin € 12.318,41 nebst 5 % Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz seit 30.10.2001 zu zahlen, gesamtschuldnerisch haftend mit O..

Gegen seine Verurteilung wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er wiederholt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:

Es sei kein Kaufvertrag zwischen den Parteien über die Gasöllieferungen geschlossen worden. Der bloße Empfang des Gasöls sei nicht einer für einen Kaufvertrag erforderlichen Willenserklärung gleichzustellen. Die Unterzeichnung unter den Lieferscheinen stelle lediglich eine Quittierung dar. Demgegenüber seien Willenserklärungen allein von O. und S., jeweils vertreten durch den zwischenzeitlich untergetauchten Geschäftsführer K. , abgegeben worden. Im übrigen sei es üblich, dass ein Bezugsvertrag unmittelbar zwischen Befrachter und Bunkerunternehmen bestehe. Die Befrachter würden für die Partikuliere komplett die Versorgung mit Treib- und Schmierstoffen übernehmen. Der Partikulier habe damit, abgesehen von dem faktischen Betankungsvorgang selbst, mit dem Kaufvertrag nichts zu tun. Die Betankungsvorgänge von MS "K." würden sich im Ergebnis lediglich als einzelne Abrufe im Rahmen eines zwischen der Klägerin und O./S. geschlossenen Bezugsvertrages darstellen, nicht aber als eigenständige Kaufvertragsabschlüsse.

Der Vermerk auf den Rechnungen "dlfd. O." könne die Rechtsauffassung der Klägerin nicht stützen, dass neben dem Beklagten als Partikulier auch der Befrachter zahlungspflichtig sei. Die Rechnungen sollten danach bei dem Beklagten durchlaufen und nicht bei der O..

Bis zur Insolvenz des Charterers seien auch alle Rechnungen nicht an den Beklagten gerichtet worden. Der Beklagte sei mit seinem Schiff bei der Klägerin angekommen, das unter der Flagge von S. gefahren sei; es sei dort vollgetankt worden, es sei der Lieferschein quittiert worden und im übrigen habe der Beklagte von der Klägerin nie wieder etwas gehört; alles andere (Aushandeln der Vertragsbedingungen, Rechnungen, Bezahlungen) sei unstreitig über S./O. gelaufen.

S./O. sei nicht nur Befrachter, sondern zugleich Ausrüster von MS "K." i.S.v. § 2 BSchG gewesen.

Die Tatsache, dass der Beklagte im Namen von S./O. handelte, habe sich aus den Umständen ergeben.

Der Beklagtenvortrag werde gestützt durch eine schriftliche Aussage des Herrn G., der Gesellschafter der O. gewesen sei. Auch wenn sich die Aussage auf einen anderen Partikulier beziehe, werde doch deutlich, dass ausschließlicher Vertragspartner der Klägerin S./O. und nicht die Partikuliere gewesen seien.

Schließlich habe auch das pfälzische OLG Zweibrücken in einem vergleichbaren Fall entsprechend zugunsten der Partikuliere entschieden.

Der Beklagte beantragt,

auf seine Berufung das Landgerichtsurteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, macht sich die Gründe des Landgerichtsurteils zu eigen und trägt ergänzend vor:

Der Beklagte habe bei der Klägerin sein MS "K." vorgelegt und Bunkerung verlangt, also Gasöl geordert. Hierin liege unabhängig von der Wortwahl allein aufgrund des unbestrittenen schlüssigen Verhaltens der Abschluss eines Kaufvertrages mit der Klägerin. Hätte der Beklagte das Rechtsgeschäft stellvertretend für den Befrachter abschließen wollen, so hätte es einer entsprechenden Erklärung, jedenfalls eines deutlich erkennbaren Vertreterwillens bedurft.

Die kaufmännische Rechtfertigung der Rabattgewährung bestehe in einer zusätzlichen Garantie und einem Schuldbeitritt durch den Befrachter. Es habe sich nicht um den einzelnen Abruf im Rahmen eines Bezugsvertrages zum Befrachter gehandelt, sondern um eine vom Beklagten jeweils eingegangene schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber der Klägerin.

Das Amtsgericht Wiesloch habe in einem Parallelverfahren der Klage stattgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Kaufpreisanspruch gemäß § 433 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten nicht zu.

1. Zwar ist die Klägerin - wie das Landgericht insoweit zutreffend ausführt und mit der Berufung auch nicht ernsthaft in Frage gestellt wird - aktiv legitimiert. Nach dem Bunker-Händler-Vertrag mit der S. AG (AS 157 ff) verkauft die Klägerin Gasöl in eigenem Namen. Weder S./O. noch der Beklagte zählen zu den sogenannten "S.direktkunden".

2. Der Beklagte ist jedoch nicht passiv legitimiert. Alleiniger Vertragspartner der Klägerin sind die Firmen S./O.. Der Beklagte haftet auch nicht - wie das Landgericht meint - als Gesamtschuldner für deren Verbindlichkeiten.

Indem der Beklagte als Schiffsführer und Partikulier sein MS "K." am 4., 16. und 26. Juli, 7. August und 3. September 2001 vorlegte und bei der Klägerin Gasöl bunkerte, schloss er - allerdings nicht in eigenem, sondern - in fremden Namen Kaufverträge.

a) Ob zu diesen Zeitpunkten - wie der Beklagte meint - der Befrachter/Charterer S./O. Ausrüster von MS "K." i.S.v. § 2 BSchG war, erscheint fraglich. Der Mieter eines Schiffes erlangt nämlich nur dann die Stellung eines Ausrüsters, wenn er selbst den Schiffsführer, auch den sein Schiff führenden Eigentümer, bestellt, indem er mit ihm einen Dienstvertrag abschließt oder wenn jedenfalls der Schiffsführer in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Verwender steht, insbesondere wenn dem Verwender die Überwachung und Erhaltung des Schiffes obliegt und er die Entlassung des Schiffsführers bestimmen kann (vgl. Vortisch/Bemm, BSchR, 4. Aufl., § 2 BSchG Rn. 6 m.w.N.). Letztlich ist die Ausrüstereigenschaft des Befrachters im vorliegenden Fall aber nicht streitentscheidend.

b) Wie das Landgericht im Ansatz richtig sieht, wären die jeweiligen Kaufverträge als vom Beklagten im eigenen Namen abgeschlossen zu erachten, wenn sich weder aus seinen Erklärungen noch aus den Umständen ergeben würde, dass er im fremden Namen handeln wollte.

Ausdrückliche Erklärungen des Beklagten beim Betanken dahin, der Kaufvertrag solle mit S. oder O. zustande kommen, wurden unstreitig nicht abgegeben. Jedoch kann sich der Wille, in fremden Namen zu handeln, aus den Umständen ergeben, § 164 Abs. 1 BGB. Dabei ist entscheidend, wie der Geschäftspartner das Verhalten des Handelnden verstehen durfte. Zu berücksichtigen sind alle Umstände, insbesondere früheres Verhalten und die erkennbare Interessenlage. Bleiben Zweifel, ist gemäß § 164 Abs. 2 BGB ein Eigengeschäft anzunehmen.

Anders als das Landgericht ist das Berufungsgericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände davon überzeugt, dass der Beklagte für die Klägerin erkennbar nicht in eigenem Namen, sondern für die Firmen S./O. handelte.

MS "K." fuhr unter der Flagge von S./O..

Die Rechnungen der Klägerin waren jeweils adressiert an MS "K." und dlfd. O.. Zweifel daran, ob dies bedeutete, dass nur diese Firma für die Zahlung aufkommen sollte, ergaben sich jedenfalls für die streitgegenständlichen Rechnungen nicht mehr, nachdem - wie im Berufungsverfahren ausdrücklich auf Frage des Gerichts unstreitig gestellt wurde - die ganze Zeit zuvor (ca. 1,5 Jahre) die Klägerin sämtliche Rechnungen an diesen Befrachter geleitet und ausschließlich von diesem auch beglichen wurden. Damit kann der zusätzlichen Angabe in den Rechnungen (MS Karan & Eig.) nur die Bedeutung zukommen, dass klargestellt wurde, welches Schiff und welcher Eigentümer das Gasöl erhalten hatte, das S./O. zu bezahlen hatte.

Die Unterzeichnung der Lieferscheine, in denen als Warenempfänger jeweils der Befrachter und die Bezeichnung des Schiffes (MS K.) vermerkt wurden, durch den Beklagten, bedeutet lediglich die Quittierung des Warenempfangs, also eine Wissenserklärung und ist selbst kein Rechtsgeschäft (vgl. Palandt/ Heinrichs BGB 61. Aufl. § 368 Rdnr 2).

Ebenso belegt das Bezugsheft für Schiffsbetriebsstoffe in keiner Weise, dass der Beklagte und nicht der Befrachter/Charterer Vertragspartner der Klägerin wurde, denn es hat nur zoll- und abgaberechtliche Bedeutung.

Dagegen spricht die Tatsache, dass Rabattverhandlungen geführt und Vereinbarungen getroffen wurden zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Firmen S./O. K. für eine unmittelbare und ausschließliche Vertragsbeziehung zwischen diesen Verhandlungsführern. Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht hat der Geschäftsführer der Klägerin N. auch erklärt, der Geschäftsführer der Firmen S./O. K. habe "angeordnet", an wen die Rechnung zu stellen sei; bei den Verhandlungen habe K. nicht gesagt, dass er im Namen des Beklagten handle.

Damit ging nach Überzeugung des Berufungsgerichts - ebenso wie in dem der Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 31.10.2002 (4 U 191/01) zugrundeliegenden Sachverhalt - die Klägerin im vorliegenden Fall selbst davon aus, dass ihr alleiniger Vertragspartner und Schuldner der Gasölpreise der Charterer/Befrachter und nicht der jeweilige Partikulier war.

Auch die in den Rechnungen ausgewiesene einheitliche Kundennummer, die ausschließlich dem Befrachter (und nicht den unterschiedlichen Schiffen und Schiffseignern !) zugewiesen wurde, stellt ein weiteres Indiz dafür dar, dass die Klägerin selbst den Befrachter als ihren Vertragspartner und Kunden ansah und erst seit dessen Insolvenz versucht, die einzelnen Schiffseigner haftbar zu machen.

Nach allem war auf die Berufung das Landgerichtsurteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Auf das weitere, den Beklagtenvortrag stützende Vorbringen (schriftliche Aussage des G. zu einem anderen Parallelfall) kommt es danach nicht mehr an, so dass auch über die Verspätungsrüge der Klägerin nicht zu entscheiden ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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