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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 14.12.2001
Aktenzeichen: 1 U 164/01
Rechtsgebiete: BRAO, ZPO


Vorschriften:

BRAO § 51 b
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
Zur Frage des Verjährungsbeginns gemäß § 51b BRAO bei unterlassener Verfahrensrüge im Rahmen einer ansonsten form- und fristgerecht eingelegten und begründeten (zugelassenen) Revision.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

Im Namen des Volkes Urteil

wegen Forderung

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2001 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kürschner als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2001 - 6 O 76/01 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert der Beschwer des Klägers wird auf DM 10.555,00 festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

(abgekürzt und ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Die Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Mit zutreffenden Gründen, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, da ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den beklagten Rechtsanwalt aus positiver Vertragsverletzung jedenfalls verjährt ist.

a) Gemäß § 51 b BRAO verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in drei Jahren nach der Beendigung des Auftrages. Ein Anspruch ist entstanden, sobald er klageweise geltend gemacht werden kann, die Tatbestandsvoraussetzungen voll verwirklicht sind und der Anspruch fällig ist. Der Rechtsanwalt muss eine schadensstiftende Handlung oder Unterlassung begangen haben, die eine Vertragsverletzung darstellt und zu einem Schaden geführt hat. Ein Schaden, der einen vertraglichen Ersatzanspruch auslöst, entsteht, sobald die Vermögenslage des Auftraggebers durch eine anwaltliche Pflichtverletzung objektiv sich verschlechtert. Dies ist noch nicht der Fall, solange nur das Risiko eines Vermögensnachteils infolge einer Pflichtverletzung des Rechtsanwalts besteht, also bei der gebotenen wertenden Betrachtung allenfalls eine Vermögensgefährdung vorliegt. Ein Schaden ist eingetreten, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen infolge des schädigenden Ereignisses im Vergleich mit dem früheren Vermögensstand objektiv verschlechtert hat. Durch die Verletzungshandlung muss eine als Schaden anzusehende Vermögenseinbuße eingetreten sein, ohne dass feststehen muss, ob ein Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird. Es ist nicht erforderlich, dass der Schaden auch der Höhe nach schon feststeht oder feststellbar ist, wenn er wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist. Unkenntnis des Schadens und damit des Ersatzanspruches hindert den Verjährungsbeginn nicht (vgl. Feuerich/Braun BRAO 5. Auflage, § 51 b, Rdn. 16 ff. m.w.N.).

b) Der Kläger wirft dem beklagten Rechtsanwalt am Bundesgerichtshof vor, dieser habe im Rahmen eines Revisionsverfahrens es an der Rüge von Fehlern des Berufungsgerichts fehlen lassen. Deshalb habe der Bundesgerichtshof in der dann ergangenen Entscheidung sich zwar mit den mit der zugelassenen Revision aufgeworfenen Grundsatzfragen auseinandergesetzt, sei aber nicht auf einzelne - vom Kläger behauptete - Berufungsfehler (unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens, Rechenfehler) eingegangen.

Hat ein Rechtsanwalt einen - nicht von Amtswegen zu beachtenden - Verfahrensmangel während der Frist zur Revisionsbegründung nicht gerügt, so kann daraus ein Schaden des Mandanten in der Regel frühestens mit der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung entstehen (Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, S. 670 unter Hinweis auf BGH VersR 1969, 849 f.). Ob einer Prozesspartei durch Versäumung einer Revisionsrüge ein Schaden entstanden ist, lässt sich erst ermessen, wenn die Entscheidung über die der Revisionsprüfung unterliegende materiell-rechtlichen Fragen des Streitfalls sowie der von Amtswegen zu prüfenden oder durch rechtzeitige Rüge zur Nachprüfung gestellten sonstigen Verfahrensfragen insgesamt vorliegt. Erst von diesem Zeitpunkt an - und nicht bereits mit dem Ende der Revisionsbegründungsfrist aber auch nicht erst mit dem Zugang der schriftlichen Entscheidungsgründe des Revisionsurteils an die Partei - beginnt im allgemeinen die Verjährung eines gegen den verantwortlichen Rechtsanwalt gerichteten Schadensersatzanspruches (vgl. BGH VersR 1969, 849).

Darin unterscheiden sich derartige Fälle von solchen Fällen, in denen innerhalb einer Rechtsmittelbegründungsfrist überhaupt keine Begründung vorgelegt wird, so dass für das Rechtsmittelgericht nur eine einzige Entscheidung möglich ist, nämlich die, das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. Versäumt ein Rechtsanwalt die Frist zur Begründung der Berufung, so entsteht deshalb der Ersatzanspruch des Mandanten bereits mit dem Ablauf der Frist und zwar auch dann, wenn objektiv Wiedereinsetzungsgründe gegeben sind, Wiedereinsetzung aber wegen Ablaufs der Ausschlussfrist nicht mehr möglich ist (OLG Karlsruhe, MDR, 1990, 336). Demgegenüber war im vorliegenden Fall durch den beklagten Revisionsanwalt rechtzeitig Revision eingelegt und diese auch form- und fristgerecht begründet worden. Wenngleich nach Ablauf der Begründungsfrist die Geltendmachung neuer Revisionsgründe nicht zulässig ist und nachträglich vorgebrachte Verfahrensrügen bei der Entscheidung unberücksichtigt bleiben müssen - soweit nicht Mängel des Verfahrens von Amtswegen zu beachten sind (§ 559 ZPO) - ergibt sich regelmäßig doch erst aus dem das Verfahren abschließenden Urteil, ob der Partei durch die Versäumung der Rüge ein Schaden entstanden ist. Welche Bedeutung der versäumten Rüge für den Ausgang des Rechtsstreits zugekommen wäre, lässt sich erst ermessen, wenn die Entscheidung über die der Revisionsprüfung unterliegenden materiell-rechtlichen Fragen der Streitfälle sowie der von Amtswegen zu prüfenden oder durch rechtzeitige Rüge zur Nachprüfung gestellten sonstigen Verfahrensfragen insgesamt vorliegt. Kommt es im Revisionsverfahren etwa zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache in die Vorinstanz, so ist die Partei nicht gehindert, eine im Revisionsverfahren versäumte Verfahrensrüge in dem erneuten Verfahren vor dem Instanzgericht zur Geltung zu bringen (so zutreffend BGH VersR 1969, 849, 850).

Danach ist - entgegen der mit der Berufung des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragenen Auffassung - weder der Zeitpunkt des Endes der Revisionsbegründungsfrist (30.09.1997) noch derjenige des Zugangs der schriftlichen Gründe des Revisionsurteils (05.03.1998) für die Entstehung des möglichen Schadensersatzanspruches und damit den Beginn der Verjährungsfrist, maßgeblich sondern - wie das Landgericht zutreffend entschieden hat - allein der Zeitpunkt der Verkündung des Revisionsurteils: 19.02.1998.

Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers war daher jedenfalls am 19.02.2001 verjährt. Die Klageschrift im vorliegenden Rechtsstreit vom 27.02.2001 ging erst am 01.03.2001 beim Landgericht Karlsruhe ein.

2. Auch unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Sekundäranspruches war Verjährung bei Klageeinreichung bereits eingetreten. Der Sekundäranspruch ist nicht auf einen Schadensausgleich in Form einer Geldzahlung gerichtet, sondern hindert den Anwalt daran, erfolgreich die Verjährungseinrede im Regressprozess zu erheben (vgl. Feuerich/Braun a.a.O. § 51 b, Rdn. 16 ff. m.w.N.). Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, den Auftraggeber auf die Möglichkeit einer eigenen Regresshaftung und die dafür geltende Verjährungsfrist hinzuweisen, wenn sich für ihn während des Mandats ein begründeter Anlass zur Überprüfung seiner Tätigkeit ergibt und er erkennt oder bei gehöriger Sorgfalt erkennen muss, dass er durch einen Fehler dem Mandanten einen Schaden zugefügt hat. Verletzt er diese Pflicht, dann beginnt mit Eintritt der Primärverjährung die dreijährige Verjährungsfrist von neuem zu laufen. Trotz unterlassener Belehrung über den etwaigen Regressanspruch und dessen Verjährung entfallen der Sekundäranspruch und damit die Verlängerung der Verjährungsfrist, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Primärver-jährung anderweitig anwaltlich zum Zweck der Prüfung des Regressanspruches beraten wird. In diesem Fall treten die Hinweispflichten des mit dieser Prüfung betrauten Rechtsanwalts an die Stelle derjenigen des ursprünglichen Beraters; der Mandant ist durch die Haftung des (neuen) Anwalts hinreichend gesichert (BGH NJW 2001, 826, 828 m.w.N.). Der Kläger hatte sich im Januar 2001 an Rechtsanwalt gewandt; er war daher noch innerhalb der bis 19.02.2001 offenen Primärverjährungsfrist wegen des Regressanspruches gegen den Beklagten anderweitig anwaltlich beraten, so dass die Voraussetzungen einer sogenannten Sekundärhaftung nicht gegeben sind.

3. Nach allem kann daher - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger erhobenen Vorwürfe einer schuldhaften Verletzung des Anwaltsvertrages und eines darauf beruhenden Schadens der Klägers in der Sache gerechtfertigt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713.

Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.



Ende der Entscheidung

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