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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 29.07.2002
Aktenzeichen: 1 U 73/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 675
Zur Haftung des Anlageberaters, der über die spezifischen Risiken von Zinsdifferenzgeschäften (Folgen möglicher Währungs- und Anleihekursschwankungen), die über "Stopp-Loss-Orders" nur unzureichend begrenzt werden, nicht hinreichend aufgeklärt hat.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

1 U 73/02

Verkündet am: 29. Juli 2002

In Sachen

wegen Schadensersatz

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 07. Juli 2002 durch

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 27.03.2002 - 7 O 361/01 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger verlangen Schadenersatz wegen ungenügender Aufklärung bei der Vermittlung einer Kapitalanlage in sogenannten Zinsdifferenzgeschäften bei der G. S.A.

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Die Kläger hatten die Beklagte auf Rückzahlung des angelegten Kapitals (53.000,00 DM) zuzüglich der vereinbarten Anlagezinsen in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagten zum Schadenersatz wie folgt verurteilt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 27.098,46 € (53.000,00 DM) nebst 5,75 % Zinsen aus 15.338,75 € seit 15.12.1998, aus weiteren 9.203,25 € seit 04.03.1999 und aus weiteren 2.556,46 € seit 13.05.1999 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher möglicher Ansprüche der Kläger gegen die G. S.A. Finance Suisse S.A. aus dem streitigen Anlage- und Verwaltungsvertrag Nr. 1/974-A1.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie wenden insbesondere ein:

Sie hätten keine Informations- oder Auskunftspflichten verletzt. Sie hätten die Anlage bei der G. S.A. auf ihre Plausibilität hin überprüft und diese bejaht. Anlass zu Zweifeln hätte nicht bestanden. Das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 23.11.1999 (12 O 6001/98, Anl. B 2 ) bestätige die Seriosität der Anlage.

Die Beklagten bestreiten weiter, dass die Kläger nach der ersten Anlage vom 15.12.1998 in Höhe von 30.000,00 DM am 04.03.1999 weitere 18.000,00 DM und am 13.05.1999 erneut 5.000,00 DM bei der G. S.A. angelegt hätten. Jedenfalls seien sie hierzu nicht durch den Beklagten Ziff. 1 veranlasst worden.

Die Beklagten beantragen:

Auf die Berufung der Beklagten/Berufungskläger wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 27.03.2002, Az. 7 O 361/01, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger beantragen:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Mit zutreffenden Gründen hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagten als Anlageberater den Klägern wegen der schuldhaften Verletzung des Beratungsvertrages zum Schadenersatz verpflichtet sind. Das Berufungsvorbringen ändert nichts an dieser Beurteilung.

1. Aufgrund der ausdrücklich und schriftlich geschlossenen Beratungsvereinbarung vom 14.5.1998 (dort § 2 Abs.1) waren die Beklagten zur umfassenden Auskunft und Beratung "mit der erforderlichen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit eines ordentlichen Kaufmanns" verpflichtet. Im Zusammenhang mit dieser übernommenen Vermögensberatung haben die Beklagten den Klägern das Anlagemodell der G. S.A. vorgestellt und empfohlen. Sie waren aufgrund dessen verpflichtet, die Kläger richtig und vollständig über diejenigen Umstände zu informieren, die für die Anlageentscheidung bedeutsam waren (BGH WM 2000, 426 ff.; OLG Karlsruhe, OLGR 2000, 17 ff.). Dazu gehören insbesondere diejenigen Risiken, die den wirtschaftlichen Erfolg der Anlage gefährden konnten, hier also die Folgen möglicher Währungs- und Anleihekursschwankungen.

2. Derartige Hinweise haben die Beklagten den Klägern pflichtwidrig nicht, jedenfalls nicht mit der gebotenen Deutlichkeit, erteilt. Der Umstand, dass sie diese Risiken - möglicherweise - selbst nicht erkannt haben, vermag sie dabei nicht zu entlasten. Sie hätten sie nämlich bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können und müssen:

Die von der G. S.A. angebotenen Zinsdifferenzgeschäfte bargen nämlich ganz erhebliche Risiken. Diese ergaben sich zum einen aus möglichen Schwankungen im Kurswert der angeschafften Anleihen, vor allem aber aus nicht vorhersehbaren Währungskursschwankungen, und zwar sowohl auf der Anlagenseite, als auch auf der Kreditseite, die sich kumulieren können. Darüber hinaus wirken sich Schwankungen im Währungskurs des Darlehensgeberlandes doppelt aus, weil das Doppelte des Anlagebetrages als Kredit aufgenommen wurde. Derartige Risiken werden im Prospekt der G. S.A. zwar angedeutet, sodann jedoch mit dem Hinweis auf eine Begrenzung durch "Stopp-Loss-Orders" in unseriöser Weise verharmlost: Werden bei Kursschwankungen von mehr als 1,5 %, die - bei kurzfristigen Kursänderungen - auch deutlich darüber liegen können, die angeschafften Anleihen durch andere ersetzt, so sind zunächst nur Verluste realisiert worden. Das kann sich innerhalb der Anlagedauer - auch mehrfach - wiederholen. Dem Risiko von - hebelartig wirkenden - Schwankungen im Währungskurs des Darlehensgeberlandes kann auf die beschriebene Weise überhaupt nicht wirksam begegnet werden, da der zurückzuzahlende Darlehensbetrag vom Wert der Anleihen völlig unabhängig ist. Die Angabe im Prospekt der G. S.A., wonach die Risiken der (angeblich) von der G. S.A. beabsichtigten Zinsdifferenzgeschäfte durch Stopp-Loss-Orders minimiert würden, ist danach schlicht falsch, zumindest aber grob verharmlosend.

Die beschriebenen - aus dem Anlagekonzept selbst sich ergebenden - Risiken mussten den Beklagten, die sich ja selbst als hoch qualifizierte Finanzdienstleister darstellen, auch dann auffallen, wenn sie die Warnungen in der Zeitschrift "Finanztest", wie sie behaupten, nicht kannten. Den Beklagten hätte ferner auffallen müssen, dass in den Modellrechnungen im Prospekt der G. S.A. keinerlei Gebühren und Kosten berücksichtigt sind, die aber beim Erwerb von Anleihen typischerweise anfallen und die Rendite mindern. Schließlich hätten sie schon wegen der Höhe der angeblich zu erzielenden Rendite aufmerksam werden müssen. Den Beklagten als Fachleuten musste die Selbstverständlichkeit bekannt sein, dass überdurchschnittliche Renditen grundsätzlich nur mit überdurchschnittlichem Risiko zu erreichen sind.

Wenn sie die gebotenen Überlegungen nicht anstellten, sondern dem Konzept der G. S.A. ohne weitere Überprüfung "blauäugig" vertrauten, so handelten sie mit der Empfehlung dieser Anlage zumindest fahrlässig. Ob sie dabei selbst auf die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Anlage vertraut und selbst in diese investiert haben, ist nicht entscheidungserheblich (BGH WM 2000, 426); bezüglich ihrer eigenen Kapitalanlagen oblagen ihnen keine Sorgfaltspflichten.

Die eingeholten Auskünfte der Creditreform waren von vornherein nicht geeignet, Erkenntnisse über die Wirtschaftlichkeit des Anlagekonzepts der G. S.A. zu gewinnen, weil sie dazu keinerlei Informationen enthielten. Bedenken gegen die Sicherheit der Anlage konnten so nicht zerstreut werden.

Entsprechendes gilt für das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 23.11.1999, das die Werbung der G. S.A. (mit knapper Begründung) als nicht irreführend i.S.v. § 3 UWG bezeichnet, weil die versprochene Rendite in der Vergangenheit tatsächlich bezahlt wurde. Über künftige Risiken besagt das nichts. Im Übrigen lag dieses Urteil im Zeitpunkt der Beratung (im Jahr 1998) noch gar nicht vor.

3. Soweit sich die Beklagten damit zu entlasten versuchen, die Anlagestrategie der G. S.A. sei als solche schlüssig und stelle ein im Bankgewerbe übliches Anlagemodell dar, kann das als zutreffend unterstellt werden. Den Beklagten wird nicht vorgeworfen, eine von vornherein zum Scheitern verurteilte Anlage empfohlen zu haben. Das Konzept der G. S.A. mag hohe Renditen ermöglicht haben, dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass es nicht zu den oben beschriebenen ungünstigen Währungs- bzw. Anleihekursänderungen kommen würde. Mit diesem - für Fachleute offensichtlichen - Risiko war die Anlage von vornherein behaftet. Auf dieses Risiko hätten die Beklagten deutlich hinweisen müssen, zumal es sich aus dem Prospekt der G. S.A. nicht mit der notwendigen Deutlichkeit ergab, sondern dort vielmehr verharmlosend als leicht beherrschbar dargestellt wurde. Das wussten die Beklagten.

Dass sie den Klägern die beschriebenen Risiken deutlich geschildert hätten, behaupten die Beklagten nicht. Damit wäre es auch nicht vereinbar, dass sie selbst nicht unerhebliche Beträge bei der G. S.A. angelegt haben.

4. Die Kläger können aufgrund der Schlechterfüllung des Auskunftsvertrages verlangen, so gestellt zu werden, als hätten sie sich an dem vermittelten Anlagemodell nicht beteiligt. Dass der Schaden auch bei pflichtgemäßer Aufklärung eingetreten wäre, ist nicht anzunehmen (die Darlegungs- und Beweislast tragen insoweit die Beklagten, vgl. BGH NJW-RR 1997,144; OLG Karlsruhe WM 1999, 1059). Vielmehr spricht eine Vermutung dafür, dass sich die Kläger im Fall der gebotenen Warnung aufklärungsgerecht verhalten und von der Anlage Abstand genommen hätten.

Die Beklagten können schließlich auch nicht einwenden, der eingetretene Schaden liege außerhalb des Schutzzwecks der ihnen obliegenden Aufklärungspflicht, weil die der G. S.A. anvertrauten Gelder veruntreut worden seien und sich somit ein "allgemeines Lebensrisiko" verwirklicht habe. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang wird nicht dadurch unterbrochen, dass sich ein Risiko verwirklicht, über das nicht aufgeklärt zu werden brauchte (BGH WM 1993, 1787; OLG Karlsruhe WM 1999, 1059 und OLGR 2000, 17). Der auszugleichende Schaden war bereits dadurch eingetreten, dass die Kläger ihr Geld in eine unsichere und unseriöse Anlage investiert hatten. Es ist deshalb auch nicht entscheidungserheblich, ob die Kläger noch eine (theoretische) Chance haben, ihr Geld von der G. S.A. zurückzuerhalten, was freilich nicht ernsthaft zu erwarten ist.

5. Dass die Kläger nach der ersten Anlage von 30.000,- DM weitere 18.000,- DM am 4.3.1999 und nochmals 5.000,- DM am 13.5.1999 angelegt haben, hat die G. S.A. schriftlich bestätigt. Auch wenn die Beklagten dies nicht unmittelbar veranlasst haben, war ihre vorangegangene unzureichende Risikoaufklärung auch dafür ursächlich.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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