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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 12.11.2002
Aktenzeichen: 1 W 44/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 358
ZPO § 360
ZPO § 567
1. Auf § 358 ZPO beruhende Beweisbeschlüsse sind unanfechtbar. Als verfahrensleitende Anordnung ist die Überprüfung des Beweisbeschlusses dem laufenden Verfahren entzogen, vielmehr dem Rechtsmittelverfahren gegen die nachfolgende gerichtliche Entscheidung vorbehalten. Nichts anderes gilt, wenn ein Antrag auf Abänderung eines Beweisbeschlusses gemäß § 360 ZPO abgelehnt wird und eine Partei sich dagegen wendet (im Anschluss an OLGR Brandenburg 2000, 436).

2. Seit der Neureglung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz ist eine außerordentliche Beschwerde wegen "greifbarer Gesetzeswidrigkeit" an die nächst höhere Instanz nicht mehr gegeben. Auch wenn bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten von Verfassungs wegen die Möglichkeit einer Abhilfe innerhalb der angerufenen Gerichtsbarkeit vorzusehen ist, eröffnet dies nicht einen im Gesetz nicht vorgesehenen Zugang zu einer weiteren Instanz. Vielmehr ist ein Verfassungsverstoß - falls ein solcher gegeben ist - durch das Gericht, das ihn begangen hat (iudex a quo), auf eine Gegenvorstellung zu korrigieren (im Anschluss an BGH NJW 2002, 1577).


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

1 W 44/02

Karlsruhe, den 12. November 2002

In Sachen

wegen Herausgabe

hier: sofortige Beschwerde

Beschluss

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 25. Juli 2002 - 7 O 80/00 - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 500,00 festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Beweisbeschluss vom 19. Juli 2001 hat das Landgericht Heidelberg auf die mündliche Verhandlung vom selben Tage, bei der die Beklagte persönlich anwesend war, angeordnet, dass Beweis zu erheben ist über die bestrittene Behauptung der Kläger, die Beklagte sei bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages am 08.07.1998 bzw. am 07.09.1998 nicht geschäftsfähig gewesen durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens; mit dessen Erstattung wurde Herrn Prof. Dr. D. beauftragt, der ferner gebeten wurde auch Ausführungen dazu zu machen, ob die Beklagte prozessfähig ist.

Mit handschriftlichem Brief vom 19.7.2001 erklärte die Beklagte gegenüber dem Landgericht u.a. "verbindlich u. unwiderruflich":

"Ich ... bin bereit mich jederzeit v. einem Amtsarzt nach Wahl des Gerichts untersuchen zu lassen..."

Mit Schreiben vom 2.8.2001 wiederholte sie ihre Bereitschaft, sich von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen untersuchen zu lassen.

Mit Schriftsatz vom 14.06.2002 teilte der Beklagtenvertreter mit, dass die Beklagte einen ersten Termin beim Sachverständigen wahrgenommen habe. Sie wünsche "aufgrund der Heftigkeit des geführten Rechtsstreits" nicht, dass den Klägern und ihrem Prozessbevollmächtigten persönliche und intime Einzelheiten über ihre Person bekannt würden. Das Gericht wurde gebeten, noch einmal zu überprüfen, ob tatsächlich an den für die Beklagte sehr einschneidenden Begutachtungen festgehalten werden solle. Soweit sich in früheren Rechtstreitigkeiten Zweifel an der Geschäfts- bzw. Prozessfähigkeit der Beklagten ergeben hätten, seien diese letztlich beseitigt worden. Hilfsweise wurde eine Begutachtung durch Dr. M. angeregt.

Der Vorsitzende der 7. Zivilkammer teilte daraufhin den Parteien mit, dass hinsichtlich des Antrags auf Geheimhaltung wegen des Grundsatzes der Parteiöffentlichkeit erhebliche Bedenken bestünden, auch wenn das Anliegen der Beklagten auf Wahrung der Intimsphäre nachvollziehbar sei. Auch könne dem Antrag auf Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen nicht entsprochen werden (Einzelheiten AS 747).

Der Beklagtenvertreter erklärte mit Schriftsatz vom 27.06.2002 u.a. :

"Für die Beklagte besteht kein Anlass, an der Kompetenz, Zuverlässigkeit oder Vertrauenswürdigkeit des Sachverständigen Prof. Dr. D. zu zweifeln. Sie hat ihn als vertrauensvollen Sachverständigen kennen gelernt".

Er beantrage jedoch, gemäß § 171 b GVG die Öffentlichkeit für die Begutachtung und eine eventuelle Erörterung des Sachverständigengutachtens in der mündlichen Verhandlung auszuschließen und ferner, nach § 174 Abs. 3 GVG die Verfahrensbeteiligten anzuweisen, Tatsachen und Wertungen, die ihnen durch das Sachverständigengutachten über die Person der Beklagten bekannt werden, geheim zu halten.

Der Klägervertreter erklärte hierauf, es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die Kläger und ihr Prozessbevollmächtigter nicht mit der erforderlichen Vertrauenswürdigkeit den Inhalt des Gutachtens behandeln würden.

Mit Beschluss vom 25.07.2002, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Anträge der Beklagten auf Aufhebung der angeordneten Begutachtung, auf Entbindung des bisherigen und Bestellen eines neuen Sachverständigen und auf Geheimhalten der Gutachtensergebnisse und der Erhebungen des Sachverständigen gegenüber den Klägern zurückgewiesen und ausgeführt, dass über den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens entschieden werde.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit der sofortigen, hilfsweise außerordentlichen Beschwerde, zu deren Begründung sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens im Wesentlichen vorträgt, es müssten sehr hohe Anforderungen an die Substanziierungslast desjenigen gestellt werden, der sich auf die Geschäftsunfähigkeit einer Partei berufe, bevor deren psychiatrische Untersuchung angeordnet werden dürfe. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Psychiatrie-Fachschwester empfinde die Beklagte die angeordnete Untersuchung als sehr belastend und wünsche deshalb die Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde unter Hinweis darauf, dass zur Erhebung des Beweises ausreichend Anlass bestehe, nachdem Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, an der Geschäfts- und Prozessfähigkeit der Beklagten zu zweifeln, der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 25.09.2002 nicht abgeholfen. Die Kläger sind dem Rechtsmittel entgegen getreten.

II.

1. Die sofortige Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen, da eine Anfechtung des den Beweisbeschluss des Landgerichts vom 19. Juli 2001 bestätigenden Beschlusses vom 25. Juli 2002 nicht statthaft ist.

Auf § 358 ZPO beruhende Beweisbeschlüsse sind unanfechtbar. Als verfahrensleitende Anordnung ist die Überprüfung des Beweisbeschlusses dem laufenden Verfahren entzogen, vielmehr dem Rechtsmittelverfahren gegen die nachfolgende gerichtliche Entscheidung vorbehalten. Nichts anderes gilt, wenn ein Antrag auf Abänderung eines Beweisbeschlusses gemäß § 360 ZPO abgelehnt wird und eine Partei sich dagegen wendet (vgl. OLGR Brandenburg 2000, 436).

2. Die eingelegte sofortige Beschwerde ist auch nicht als außerordentliches Rechtsmittel deshalb statthaft, weil geltend gemacht wird, ein Verfahrensgrundrecht der Beklagten werde durch die angeordnete Begutachtung verletzt.

a) Seit der Neureglung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat teilt (vgl. BGH NJW 2002, 1577 mit zustimmender Besprechung von Lipp NJW 2002, 1700; OLG Karlsruhe B. v. 13.08.2002 - 1 W 14/02 -) eine außerordentliche Beschwerde wegen "greifbarer Gesetzeswidrigkeit" an die nächst höhere Instanz nicht mehr gegeben. Auch wenn bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten von Verfassungs wegen die Möglichkeit einer Abhilfe innerhalb der angerufenen Gerichtsbarkeit vorzusehen ist, eröffnet dies nicht einen im Gesetz nicht vorgesehenen Zugang zu einer weiteren Instanz. Vielmehr ist ein Verfassungsverstoß - falls ein solcher gegeben ist - durch das Gericht, das ihn begangen hat (iudex a quo), auf eine Gegenvorstellung zu korrigieren (BGH a.a.O.).

b) Die Möglichkeit einer "Selbstkorrektur" aufgrund des als Gegenvorstellung zu wertenden Vortrags der Beklagten hat das Landgericht gesehen, indem es sich damit inhaltlich im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung auseinandergesetzt hat.

c) Selbst wenn man - anknüpfend an die Beweisanordnung vom 19.07.2001 - noch frühere Rechtsgrundsätze zur Überprüfbarkeit von mit ordentlichen Rechtsmitteln unanfechtbaren Beschlüssen anwenden würde, führten diese vorliegend doch zu keinem anderen Ergebnis. Eine "greifbare Gesetzeswidrigkeit" ist nicht zu erkennen. Eine solche kann nur dann vorliegen, wenn gerichtliche Entscheidungen mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar sind, weil jede gesetzliche Grundlage für sie fehlt und sie inhaltlich dem Gesetz fremd sind, insbesondere weil eine Entscheidung dieser Art oder dieses Inhalts im Gesetz überhaupt nicht vorgesehen ist (BGH, MDR 1990, 541). Davon kann vorliegend keine Rede sein. Das Landgericht hat unter Berücksichtigung des beiderseitigen Parteivortrags die Erhebung eines Beweises über eine für die Entscheidung über Klage und Widerklage für erheblich erachtete Tatsachenfrage angeordnet und damit zivilprozessrechtskonform gehandelt. Nicht zu beanstanden ist ferner der Hinweis des Landgerichts auf den Vorrang des Grundsatzes der Parteiöffentlichkeit vor dem Geheimhaltungsinteresse einer Partei beim Sachverständigenbeweis (vgl. dazu auch BGHZ 116, 47; Kürschner NJW 1992, 1804; Prütting/Weth NJW 1993, 576).

Der Sorge der Beklagten um die Wahrung ihrer schutzwürdigen Interessen sind im übrigen der Klägervertreter mit seiner Vertraulichkeitszusicherung und das Landgericht mit der Ankündigung, nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens Maßnahmen nach §§ 171b ff GVG zu prüfen, sachgerecht begegnet.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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