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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 18.01.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 203/05
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 70 Abs. 2 Nr. 2
Der Spielkonsole "Sony Playstation 2" wohnt eine allgemeine Gefährlichkeit für die Sicherheit der Anstalt inne, der mit zumutbaren Vorkehrungen und Kontrollen nicht begegnet werden kann, so dass die Justizvollzugsanstalt ihren Besitz nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG untersagen darf (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 1. Strafsenat

1 Ws 203/05

Strafvollzugssache

hier: Rechtsbeschwerde gem. § 116 StVollzG

Beschluss vom 18. Januar 2007

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Z. vom 31. August 2005 wird kostenpflichtig (§ 121 Abs. 2 StVollzG) als unbegründet verworfen

Der Gegenstandswert wird auf 500,- Euro festgesetzt (§§ 52, 60, 65 GKG).

Gründe:

I.

Am 03.02.2005 lehnte die Justizvollzugsanstalt Y. den Antrag des Strafgefangenen, der eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen dreifachen Mordes, Vergewaltigung und anderem verbüßt, ihm den Kauf einer Spielkonsole "Playstation 2" der Marke Sony und ihren Besitz in seinem Haftraum zu genehmigen, mit der Begründung ab, hierdurch werde die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet.

Mit Beschluss vom 31.08.2005 wies die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Z. den Antrag des Strafgefangenen auf gerichtliche Entscheidung, mit dem er sein Ziel weiter verfolgte, als unbegründet zurück.

Hiergegen wendet sich der Strafgefangene mit seiner form - und fristgerecht erhobenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 116 Abs. 1 StVollzG); sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1.

Die vom Antragsteller erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

Soweit der Antragsteller rügt, die Strafvollstreckungskammer habe seinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem sie von ihm gestellte Beweisanträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der von der Spielkonsole ausgehenden Gefahren für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt und zur Frage ihrer möglichen Internetfähigkeit nicht verbeschieden habe, verkennt er, dass im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz nicht die strengen Beweisregeln gelten, die für die Durchführung der Hauptverhandlung in Strafsachen (§§ 244 ff. StPO) gesetzlich verbindlich vorgeschrieben sind. Die Beweiserhebung im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz folgt den Regeln des Freibeweisverfahrens; Beweisanträge haben die Bedeutung von Beweisanregungen, deren Nichtbefolgung grundsätzlich keiner Verbescheidung bedarf (KG Berlin ZfStrVo 1990, 119). Aus der fehlenden ausdrücklichen Ablehnung kann daher nicht darauf geschlossen werden, dass die Strafvollstreckungskammer die Beweisanregungen des Antragstellers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zur Kenntnis genommen und bei ihrer Entscheidung erwogen hätte. Dass sie seinen Beweisanregungen nicht nachgekommen ist, deutet nicht auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG hin.

Auch die weitere Rüge, die Strafvollstreckungskammer habe seinen Einwand, er erstrebe keine Erlaubnis zum Besitz einer so genannten "Memory-Card", die seit dem Jahr 2003 in der Justizvollzugsanstalt Y. zugelassen sei, nicht zur Kenntnis genommen und bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, ist nicht zulässig erhoben; insoweit fehlt es an jeglicher Darlegung dazu, inwiefern sein Vorbringen entscheidungserheblich gewesen sein könnte.

Soweit der Beschwerdeführer mit der Aufklärungsrüge geltend macht, die Strafvollstreckungskammer habe es versäumt, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob die Verplombung der Schnittstellen ein geeignetes Mittel zur Verhinderung der von der Spielkonsole ausgehenden Gefahren sein könnte, ist die Rüge nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Weise erhoben und daher unzulässig.

2.

Die auf die Sachrüge hin gebotene Nachprüfung der angegriffenen Entscheidung zeigt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Antragstellers auf. Die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, dass den von der Spielkonsole "Playstation 2" der Marke Sony in ihrer derzeit marktüblichen Ausstattung ausgehenden Gefahren für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht mit einem vertretbaren Kontrollaufwand begegnet werden kann und daher ein Recht des Strafgefangenen zum Besitz der Spielkonsole nicht besteht, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. a)

§ 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG schränkt das Recht des Gefangenen, in angemessenem Umfang Gegenstände zur Freizeitgestaltung zu besitzen (§ 70 Abs. 1 StVollzG), ein, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstands die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde. Bereits die dem Gegenstand innewohnende grundsätzliche Eignung für sicherheits- oder ordnungsgefährdende Verwendungen kann das Recht zu seinem Besitz ausschließen, wenn derartige Verwendungen nicht oder nur mit einem von der Anstalt nicht erwartbaren Kontrollaufwand ausgeschlossen werden können (Senat Beschluss vom 09.03.2006 - 1 Ws 16/06; OLG Hamm StV 2002, 270; OLG Jena ZfStrVo 2003, 304 <305>). Lässt sich der erforderliche Kontrollaufwand durch technische Vorkehrungen (Versiegelung, Verplombung o.ä.) auf ein vertretbares Maß reduzieren, so dass dem Gefangenen der Besitz des betreffenden Gegenstands ohne Gefahr für Sicherheit oder Ordnung der Anstalt ermöglicht werden kann, gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, diese Möglichkeiten zu nutzen (BVerfG NStZ 1994, 453; Senat, Beschluss vom 25.01.2006 - 1 Ws 500/04). Besteht diese Möglichkeit nicht, kann - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG NStZ 2003, 621; NStZ-RR 1996, 252) - das Recht zum Besitz des Gegenstands versagt werden, ohne dass es darauf ankäme, ob darüber hinaus auch in der Person des Strafgefangenen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er den Gegenstand in einer die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdenden Weise verwenden könnte (OLG Rostock ZfStrVo 2003, 56; Brandenburgisches OLG ZfStrVo 2004, 115; OLG Hamm ZfStrVo 2005, 119 <120>; KG Berlin ZfStrVo 2005, 306; OLG Frankfurt ZfStrVo 2004, 248; OLG Saarbrücken ZfStrVo 2005, 122).

b)

Die Strafvollstreckungskammer ist bei ihrer Entscheidung von diesem Prüfungsmaßstab ausgegangen und dabei in einem ersten Schritt zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Antragsteller begehrte Spielkonsole "Playstation 2" des Herstellers Sony abstrakt-generell die Anstaltssicherheit gefährden kann. Dies steht im Einklang mit der Entscheidung des Senats vom 10.03.2005 (1 Ws 230/02 - ZfStrVo 2003, 244) und der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Hamm a.a.O.; OLG Jena a.a.O.; Brandenburgisches OLG a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Saarbrücken a.a.O.; KG Berlin ZfStrVo 2005, 306 <307>; OLG Rostock, Beschluss vom 19.12.2005, bei JURIS; siehe auch OLG Rostock a.a.O.). Die Hohlräume der Spielkonsole können als Versteck für verbotene Gegenstände dienen; bei Einsatz einer Speicherkarte - einer so genannten "Memory-Card" (zu Größe, Funktionsweise und möglichen Missbrauchsmöglichkeiten siehe LG Bochum NStZ-RR 2005, 124) - kann unter Hinzuziehung von Hilfsprogrammen die Möglichkeit zur Speicherung von Texten geschaffen werden; damit ist die Möglichkeit eröffnet, Daten mit möglicherweise sicherheits- oder vollzugszielgefährdendem Inhalt zu speichern, die kaum oder nur sehr schwer zu kontrollieren ist. Unter Zuhilfenahme eines Mobiltelefons und eines Modems ist die Spielkonsole internetfähig; sie eröffnet damit nicht nur die Möglichkeit, die mittels der Speicherkarte gespeicherten Daten mit anderen Gefangenen oder mit der Außenwelt auszutauschen, sondern darüber hinaus Daten aus dem Internet herunter zu laden und diese Daten mit Personen innerhalb und außerhalb der Anstalt auszutauschen. Bereits diese durch das Gerät eröffnete Möglichkeit eines Datenaustauschs stellt eine erhebliche Gefahr für die Anstaltssicherheit dar. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann die Gefährdungseignung nicht mit dem Hinweis darauf entkräftet werden, dass die derzeit auf dem Markt erhältlichen Mobiltelefone bereits für sich genommen internetfähig seien; die Spielkonsole bietet aufgrund der vorhandenen und für den Spielbetrieb notwendigen Speichermöglichkeiten die bei weitem größere Möglichkeit des Datenaustausches. Nicht zuletzt besteht die Möglichkeit, dass die Spielkonsole dazu benutzt wird, DVDs mit strafrechtlich relevantem gewaltverherrlichendem oder pornografischem Inhalt abzuspielen und hierdurch die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu gefährden (OLG Jena, a.a.O.; siehe auch Brandenburgisches OLG, ZfStrVo 2004, 115 <116>).

In einem zweiten Schritt hat die Strafvollstreckungskammer geprüft, ob den von der Spielkonsole ausgehenden Gefahren mit Kontrollmitteln, die im Rahmen einer ordnungsgemäßen Aufsicht anzuwenden und zumutbar sind, begegnet werden kann, und hat diese Frage verneint. Auch dies ist im Ergebnis angesichts der unterschiedliche Gefahren, die von der Spielkonsole ausgehen können, nicht zu beanstanden. Der Senat hält insoweit nicht mehr an der in der Entscheidung vom 10.03.2003 vertretenen Auffassung fest, dass den von der Spielkonsole ausgehenden Gefahren mit einem vertretbaren Aufwand - durch Versiegelung und Verplombung der Hohlräume und Schnittstellen - hinreichend entgegen gewirkt werden könne. Die genannten Vorkehrungen können nicht verhindern, dass durch Manipulationen an der Hardware der Spielkonsole oder durch die Veränderung geeigneter Software andere Schnittstellen, die zum ordnungsgemäßen Spielbetrieb benötigt werden und die daher nicht verplombt werden können, umfunktioniert werden (vgl. Brandenburgisches OLG a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O. und NStZ-RR 2006, 125; KG Berlin ZfStrVo 2005, 306 <307>; OLG Rostock, Beschluss vom 19.12.2005, bei JURIS). Die Kontrolle der auf der Speicherkarte gespeicherten Daten wäre kaum oder nur mit einem erheblichen Zeitaufwand möglich (vgl. OLG Jena a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.); einem möglichen Missbrauch könnte auch durch ein entsprechendes Verbot nicht wirkungsvoll begegnet werden, da es sich bei der Speicherkarte um einen verhältnismäßig kleinen Gegenstand handelt, der erfahrungsgemäß auch in Justizvollzugsanstalten mit erhöhtem Sicherheitsstandard wie der Justizvollzugsanstalt Y. trotz regelmäßiger Kontrollen immer wieder eingeschmuggelt wird. Schließlich haben die in jüngerer Zeit gewonnenen Erfahrungen in der Justizvollzugsanstalt Y., in der nach der Entscheidung des Senats vom 10. März 2003 Geräte vom Typ "Playstation 2" ausgegeben worden sind und in der bei Kontrollen immer wieder Spiele mit gewaltverherrlichendem und menschenverachtendem Inhalt sowie - aufgrund des Formats leicht einzuschmuggelnde - DVDs mit pornografischem Inhalt aufgefunden worden sind, gezeigt, dass den mit der Spielkonsole verbundenen Missbrauchsgefahren nicht wirkungsvoll begegnet werden kann (siehe hierzu auch OLG Jena a.a.O.; Brandenburgisches OLG a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.10.2006 - 2 Ws 241/05, bei JURIS).

c)

Nachdem vom Antragsteller auch keine in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzustellenden ernsthaften und nachhaltigen Belange für die Verwendung einer Spielkonsole - einem Gegenstand der Unterhaltungselektronik - vorgetragen werden, begegnet die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, dem Gefangenen den Kauf und Besitz des Gerätes nicht zu genehmigen, im Hinblick auf die genannte allgemeine und mit zumutbaren Kontrollen nicht abwendbare Gefährdung von Sicherheit und Ordnung keiner Beanstandung.

Ende der Entscheidung

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