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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 14.09.2001
Aktenzeichen: 10 Sch 4/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 1063
ZPO § 91
ZPO § 1059
ZPO § 1059 Abs. 3
ZPO § 1059 Abs. 2
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2b
Die Entscheidung befasst sich damit, inwieweit ein Schiedsspruch - hier der Schiedsgerichtsbarkeit der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder - unter dem Gesichtspunkt des ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO) zu überprüfen und ggf. aufzuheben ist.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Beschluss

10 Sch 4/01

Verkündet am: 14. September 2001

In Sachen

wegen Aufhebungsantrag gegen Schiedsspruch

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2001 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs des Oberschiedsgerichts der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 23.01.2001 - OS 32/00 - sowie des Schiedsspruchs des Schiedsgerichts der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 23.05.2000 - S 35/00 - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Am 23. Mai 2000 erließ das Schiedsgericht der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (in der Folge: VBL) in M. einen Schiedsspruch, wonach die Klage der Antragstellerin, die die am 18.06.1999 vorgenommene Neuerrechnung ihrer Versorgungsrente (vgl. AS. 69 ff) durch die Antragsgegnerin beanstandete, abgewiesen wurde (AS. 39 ff). Gegen diesen Schiedsspruch legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 02.08.2000 Berufung ein (AS. 31 ff). Mit Schiedsspruch vom 23.01.2001 wies das Oberschiedsgericht in Karlsruhe die Berufung zurück (AS. 17 ff). Der Beschluss wurde den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 02.02.2001 zugestellt (AS. 15). Mit Schriftsatz vom 25.04.2001, eingegangen am 26.04.2001, stellte die Antragstellerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Antrag gem. § 1059 ZPO auf Aufhebung des Schiedsspruchs des Oberschiedsgerichts vom 23.01.2001 sowie des Schiedsgerichts vom 23.05.2000.

Die Antragstellerin bezieht eine Altersrente der BfA und eine Zusatzrente (Versorgungsrente einschließlich Ausgleichsbetrag) der VBL. Die Zusatzrente bemisst sich nach der Satzung der VBL, diese sieht vor, dass als Berechnungsgrundlage unter anderem die Gesamtversorgung ermittelt wird. Bis zur 19. Satzungsänderung im Jahre 1983 wurde die Gesamtversorgung nach dem sogenannten Bruttoprinzip berechnet. Ab dann galt das Nettoprinzip. Die Antragstellerin erhält jedes Jahr eine Rentenerhöhung im Rahmen der BfA-Rente; auch der Gesamtversorgungsbetrag wird regelmäßig erhöht. Die Erhöhung des Gesamtversorgungsbetrages rechnet sich die Antragsgegnerin zu (Abbau des sich aus der Umstellung auf das Nettoprinzip resultierenden Ausgleichsbetrages) und reduziert die Zusatzrente um den Erhöhungsbetrag.

Die Antragstellerin trägt vor, durch diese Handhabung sinke ihre Gesamtrente von Jahr zu Jahr. Sie habe 1997 eine Gesamtrente von DM 61.507,92 bezogen, im Jahre 1998 von DM 60.992,94, im Jahre 1999 von DM 60.596,92 und im Jahre 2000 von DM 60.437,10.

Den Urteilen des Schiedsgerichts und des Oberschiedsgerichts, die dieses Ergebnis für rechtens hielten, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr verstießen diese beiden Schiedssprüche gegen den ordre public, nämlich Art. 14 GG und Art. 3 Abs. 1 GG und seien daher aufzuheben. Die jährliche Reduzierung des Gesamtrentenbetrages stelle einen Eingriff in die Eigentumsrechte, insbesondere bezüglich des Bestandes dar, da sie durch Einzahlung einen höheren Rentenanspruch erworben habe.

Die Kürzung in dem Maße, dass die Antragstellerin jährlich einen geringeren Betrag zur Verfügung habe, sei unverhältnismäßig. Außerdem liege eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vor, nämlich eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Rentenempfängern und Gesamtversorgungsempfängern. Für eine solche Ungleichbehandlung fehle jeder sachliche Grund. Die Schiedssprüche seien daher aufzuheben.

Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen.

Sie vertritt die Ansicht, die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs führe nicht zu einem Ergebnis, das der öffentlichen Ordnung widerspreche.

II.

Der Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung der genannten Schiedssprüche ist gem. § 1059 ZPO zulässig, insbesondere rechtzeitig innerhalb der 3-Monats-Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO eingegangen. Er hat aber keinen Erfolg, da ein Aufhebungsgrund gem. § 1059 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt. Die Antragstellerin macht zwar einen der in § 1059 Abs. 2 ZPO enumerativ aufgezählten Aufhebungsgründe geltend, nämlich, dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führe, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspreche (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO). Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO, der der einzige Ansatzpunkt für eine allerdings sehr beschränkte inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs ist (vgl. Kröll in NJW 2001 1173, 1183), grundsätzlich restriktiv auszulegen ist und keiner ausdehnenden Auslegung fähig ist. Insbesondere ist eine Aufhebung wegen offenbarer Unbilligkeit oder wegen Verstoßes gegen lediglich zwingende Vorschriften nicht vorgesehen. Auch eine bloße Verletzung des materiellen Rechts führt nicht zu einer Aufhebung, da ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung nicht schon deswegen bejaht werden kann, weil eine Entscheidung nicht paragraphengerecht ist (vgl. Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 6. Auflage Kapitel 24 Rdnr. 33).

Überprüft werden durch den erkennenden Senat kann daher nur, ob der angegriffene Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des deutschen staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens im Bund oder in einem der Länder in zwingender, dem Parteibelieben entzogener Weise regelt und nicht nur auf bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen beruht (Schwab/ Walter a. a. O., Rdnr. 37). Damit zählen zum ordre public alle wesentlichen fundamentalen Normen und Rechtsgrundsätze, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens berühren, sowie die elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen (Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 1998 Kapitel 11 Rdnr. 576). Zum ordre public zählen daher insbesondere auch die Grundrechte, deren Verletzung die Antragstellerin hier geltend macht. Die vom Senat gem. § 1059 ZPO vorzunehmende Überprüfung dahingehend, ob zum einen die Rechtsauffassung des Schiedsgerichts und zum anderen dessen vorgenommene Subsumtion mit dem ordre public vereinbar sind (zum Prüfungsumfang des staatlichen Gerichts vgl. Lachmann a. a. O. Rdnr. 582 ff), führt zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen den ordre public nicht gegeben ist.

Wie die Antragstellerin selbst vorträgt, resultiert der Abbau der Zusatzrente aus der bereits im Jahre 1983 beschlossenen 19. Satzungsänderung der VBL, wonach der Ausgleichsbetrag sukzessive abzubauen ist. Das führt im hier vorliegenden Fall in der Tat dazu, dass, wie die Antragstellerin vorträgt und wie auch aus der von der Antragsgegnerin im Schiedsverfahren vorgelegten Übersicht (AS. 121) hervorgeht, zwar sowohl die Sozialversicherungsrente als auch eine nach § 40 Abs.1 der Satzung der Antragsgegnerin (im folgenden: d. S.) errechnete fiktive Versorgungsrente und damit auch die Gesamtversorgung eine kontinuierliche Steigerung erfahren, die ausgezahlten Gesamtbezüge aber von Mitte 1997 bis Mitte 1999 gleichzeitig kontinuierlich - wenn auch geringfügig - gesunken sind. Dass die Gesamtversorgung gestiegen ist, ist für die Antragstellerin verständlicherweise nicht der entscheidende Gesichtspunkt; für sie ist relevant, was sie tatsächlich ausbezahlt bekommt. Dass dieser Auszahlungsbetrag in den letzten Jahren gesunken ist, hängt damit zusammen, dass die Versorgungsrente, die der Antragstellerin nach § 40 Abs. 1 d. S. rechnerisch zustünde, niedriger ist als der nach § 40 Abs. 4 d. S. maßgebliche Mindestbetrag der Versorgungsrente, der der Berechnung tatsächlich zu Grunde gelegt wird (vgl. Übersicht AS. 121). Während die Mindestrente statisch ist, hat die Sozialversicherungsrente wie die Versorgungsrente nach § 40 Abs. 1 d. S. und damit auch die Gesamtversorgung - jedenfalls im hier relevanten Zeitraum von Juli 1997 bis Juni 1999 - eine Steigerung erfahren. Da bei jeder Erhöhung der Gesamtversorgung der Ausgleichsbetrag abzubauen ist (vgl. dazu z. B. Berechnung der VBL vom 11.10.1996, AS. 71 ff, 79), führt dies dazu, dass solange die Versorgungsrente nach § 40 Abs. 1 d. S. unter der Mindestrente liegt und der Ausgleichsbetrag abgebaut wird, die Antragstellerin bei jeder Neuanpassung des Ausgleichsbetrages eine Einbuße hinnehmen muss, andererseits ihre Gesamtbezüge aber immer noch höher sind als wenn ihre Bezüge auf der Grundlage der für sie errechneten Versorgungsrente nach § 40 Abs. 1 d. S. und nicht der Mindestrente nach § 40 Abs. 4 d. S. berechnet würden.

Diese durch die 19. Satzungsänderung eingeführte Nettobegrenzung, die zur Festsetzung des sukzessive abzubauenden Ausgleichsbetrags geführt hat, ist, wie bereits der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.03.1988 (Versicherungsrecht 88, 575 ff = BGHZ 103,370 ff) festgestellt hat, weder unbillig noch wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes oder der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie unwirksam (BGH a. a. O., S. 577 rechte Spalte). Er dient übergeordneten Gesichtspunkten, nämlich dem Abbau einer sozialpolitisch unerwünschten Überversorgung der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst, die teilweise dazu geführt hatte, dass diese nach ihrem Eintritt in den Ruhestand höhere Nettobezüge erhielten als vorher (vgl. dazu im Einzelnen BGH a. a. O.). Um hier unbillige Härten zu vermeiden, erfolgt der Abbau sukzessive (bei jeder Anpassung um 1/6 des ursprünglichen Betrages, höchstens um den Betrag der Erhöhung der Gesamtversorgung). Auch das Bundesverfassungsgericht hat den Abbau der Überversorgung im öffentlichen Dienst für verfassungsgemäß gehalten (vgl. Beschluss vom 06.11.1991 - 1 BvR 825/88 -) und hier keine Grundrechte, insbesondere auch nicht die Schutzfunktion des Eigentums als verletzt angesehen. Es hat dazu unter II 2 der Gründe seiner Entscheidung ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer des dortigen Verfahrens angegriffene Satzungsänderung, durch die dessen Ansprüche auf Versorgungsrente herabgesetzt wurden, den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Eigentum verletze. Es könne dahingestellt bleiben, ob und in wieweit die streitigen Rentenansprüche einschließlich ihrer satzungsgemäßen Dynamisierung in den Schutzbereich des Grundrechts des Art. 14 Abs. 1 GG falle. Auch wenn dies uneingeschränkt zuträfe, wäre die Eigentumsgarantie nicht verletzt. Die Rentenansprüche könnten durch die angegriffenen Satzungsänderungen im Rahmen der Privatrechtsordnung ohne Verstoß gegen die Eigentumsgarantie eingeschränkt werden.

Diese vom Bundesverfassungsgericht allgemein gehaltenen Ausführungen müssen auch für den hier zu entscheidenden Fall gelten.

Dass die auf der Grundlage dieser Satzung durchgeführte Errechnung der Versorgung der Antragstellerin zu einem für die Antragstellerin unbefriedigenden Ergebnis führt (dass die Berechnung als solche richtig durchgeführt wurde, wird auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt), kann auf dem aufgezeigten Hintergrund der übergeordneten Interessen nicht dazu führen, hier einen Verstoß gegen grundlegende Elemente des deutschen Rechtssystems anzunehmen, zumal die Einbußen, die die Antragstellerin hinzunehmen hat, nicht erheblich sind. Von 1996 auf 1997 erfolgte eine Steigerung der monatlichen Bezüge um circa DM 50,00, von 1997 auf 1998 eine Verminderung um circa DM 60,00, von 1998 auf 1999 eine Verminderung um circa DM 62,00 und von 1999 auf 2000 eine Erhöhung um circa DM 18,00.

Die vom Senat allein vorzunehmende Überprüfung im Rahmen des Aufhebungsantrags führt daher dazu, dass hier die Schiedsgerichte weder gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen haben, noch dass die angewandten Vorschriften (hier Satzung der VBL einschließlich 19. Satzungsänderung) gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen.

Dagegen spricht auch nicht, dass der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung vom 16.03.1988 (BGH aaO, S. 579) die 19.Satzungsänderung auch deshalb als für die Betroffenen zumutbar und mit dem Vertrauensschutz zu vereinbaren angesehen hat, weil die Neuregelung für die Betroffenen zu keiner Kürzung der Bezüge geführt hat und der erreichte Besitzstand gewahrt blieb. In jener Entscheidung hatte der BGH einen Zivilrechtsstreit zu entscheiden, in dem es um die Wirksamkeit der 19. Satzungsänderung ging. Im hier vorliegenden Fall geht es demgegenüber um die Frage, ob ein Schiedsgericht gegen den ordre public verstoßen hat. Der Prüfungsmaßstab ist daher, wie oben ausgeführt, ein ganz anderer. Wer sich, wie hier die Antragstellerin, an ein Schiedsgericht wendet, muss u. U. auch eine offenbare Unbilligkeit- die hier noch gar nicht gegeben ist- hinnehmen. Es ist nicht Sache der staatlichen Gerichte, etwaige Fehlentscheidungen der Schiedsgerichte zu korrigieren, es sei denn, die Entscheidung ist mit elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen unvereinbar (Zöller/Geimer, ZPO, 22.A. § 1059 RN 55 ff ). Das ist aber bei einer nur geringfügigen Absenkung der monatlichen Rente- wie hier- , die auf einer mehrfach höchstrichterlich überprüften Satzung beruht, mit Sicherheit nicht der Fall.

Der Antrag war daher insgesamt mit der Kostenfolge der §§ 1063, 91 ZPO zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 1065 ZPO, § 546 Abs. 1 ZPO analog) liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird gem. § 3 ZPO entsprechend dem Interesse der Klägerin auf DM 2.496,00 festgesetzt (Differenz der bezogenen Rente in den Jahren 1998, 1999 und 2000 im Vergleich zu der Rente im Jahre 1997; vgl. S. 2 des obigen Beschlusses).

Ende der Entscheidung

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