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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 12.10.2001
Aktenzeichen: 10 U 126/01
Rechtsgebiete: StVO, StVG, ZPO


Vorschriften:

StVO § 37 Abs. 2 Nr. 5
StVG § 17
StVG § 18
ZPO § 91
ZPO § 92
ZPO § 97
ZPO § 713
ZPO § 708 Ziff. 10
ZPO § 546 Abs. 2
1. Bleibt ungeklärt, ob einer der Unfallbeteiligten bei roter Ampel - oder gelbem Blinklicht bei abgeschalteter Ampel trotz Gegenverkehrs - in die Kreuzung eingefahren ist, hat eine Schadensteilung im Verhältnis von 50 : 50 zu erfolgen.

2. Das gilt auch dann, wenn die Beweisaufnahme ergeben hat, dass einer der Unfallbeteiligten im für ihn günstigsten Fall bei Rot-Gelb in die Kreuzung eingefahren ist, aber nicht feststellbar ist, dass dieser Verkehrsverstoß unfallursächlich geworden ist, weil der Beteiligte möglicherweise nur einen Sekundenbruchteil vor dem Umschalten der Ampel auf Grün losgefahren ist und ein um diesen Sekundenbruchteil späterer Start den Unfall möglicherweise nicht vermieden hätte.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

10 U 126/01

Verkündet am: 12. Oktober 2001

In Sachen

wegen Schadensersatz

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2001 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 17. Mai 2001 - 3 O 31/01 - abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin DM 6.968,33 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.07.2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Wert der Beschwer der Parteien liegt jeweils unter DM 60.000,00.

6. Streitwert: DM 13.966,65

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da das Urteil der Revision nicht unterliegt (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, mit der sie nach wie vor 100 % des ihr entstandenen Schadens ersetzt verlangt, ist zulässig. Sie ist auch zum Teil begründet. Die Klägerin hat gem. §§ 7, 18, 17 StVG, 3 PflVG Anspruch auf 50 % des ihr bei dem Unfall am 06.05.2000 gegen 01:00 Uhr entstandenen Schadens. Den restlichen Schaden muss sie unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr auf sich behalten.

Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass der Beklagte Ziff. 1 den Unfall verschuldet hat. Sie kann ihre Behauptung, der Beklagte Ziff. 1 sei bei Rot in die Kreuzung eingefahren, während die Linksabbiegerampeln für ihren Sohn, den Zeugen D. , und für den Zeugen S. , als diese angefahren seien, Rot-Gelb gezeigt hätten, nicht beweisen. Die Beklagten bestreiten diese Behauptung und tragen demgegenüber vor, der Beklagte Ziff. 1 sei entweder gerade noch vor dem um 1.00 Uhr erfolgten Ausschalten der Ampel für den Geradeausverkehr bei Grün oder bereits bei für den Geradeausverkehr ausgeschalteter Ampel in die Kreuzung eingefahren.( Unstreitig hätten im letzteren Fall die für den Sohn der Klägerin, den Zeugen D. , und für den Zeugen S. maßgeblichen Ampeln nicht Rot-Gelb zeigen können, sondern wären auf gelbes Blinklicht umgeschaltet gewesen. Dann hätte der Zeuge D. als Linksabbieger die Vorfahrt des entgegenkommenden, geradeaus fahrenden Beklagten Ziff. 1 achten müssen.)

Die Richtigkeit ihrer Behauptung, der Beklagte Ziff. 1 sei bei Rot in die Kreuzung eingefahren, könnte die Klägerin unter den dargelegten Umständen allenfalls dann nachweisen, wenn festgestellt werden könnte, dass die Zeugen D. und S. bei Rot-Gelb und nicht bei gelbem Blinklicht nach links abgebogen sind (unstreitig arbeitete die Ampelanlage fehlerfrei und zeigte für die Fahrtrichtung des Beklagten Zif. 1 Rot, wenn sie für die Fahrtrichtung der Zeugen D. und S. Rot-Gelb zeigte). Diesen Nachweis hat die Klägerin aber nicht erbracht. Sowohl der Zeuge D. als auch der zunächst mit seinem Fahrzeug neben dem Zeugen D. auf der rechten Spur stehende Zeuge S. haben zwar angegeben, sie seien bei Rot-Gelb angefahren. Diese Aussagen überzeugen den Senat aber ebenso wenig wie das Landgericht.

In Übereinstimmung mit dem Landgericht sieht der Senat es nicht als erwiesen an, dass die Zeugen D. und S. nach Rot die Schaltung Rot/Gelb hatten. Zwar haben die beiden Zeugen sowohl bei ihrer polizeilichen Vernehmung (vgl. AS. 25, 31 der beigezogenen Akte des Amtsgerichts Heidelberg 15 OWi 54 Js 17563/00) als auch bei ihrer Zeugenvernehmung 1. Instanz angegeben, die Ampel habe nach Rot Rot/Gelb gezeigt. Eindeutig sind diese Angaben aber auch nicht. So hat der Zeuge S. zunächst vor der Polizei angegeben, dass er wegen Rotlicht zum Stehen gekommen sei. Die Ampel habe dann auf "Orange" umgeschaltet und er sei eingebogen. Als die Ampel auf "Orange" umschaltete, sei er davon ausgegangen, dass es gleich Grün werde, jedoch habe sich in diesem Moment die Ampel abgeschaltet. Es habe ihn verwirrt, dass die Ampel auf Rot/Gelb schaltete und dann aber nur auf Gelb (vgl. AS. 25 der beigezogenen Akte). In dieser Aussage kommt nicht klar zum Ausdruck, ob die Ampelfolge Rot mit anschließendem gelben Blinklicht oder Rot mit anschließendem Rot/Gelb war. Dabei ist auch zu beachten, dass auch der Zeuge D. vor der Polizei noch davon ausging, dass die Ampel, als er losfuhr, gerade ausschaltete. Er hat angegeben, die zunächst rote Ampel habe dann auf Rot/Gelb geschaltet und er sei losgefahren, da er davon ausgegangen sei, dass die Ampel gleich auf Grün schaltet. Dass die Ampel sich in diesem Moment abgeschaltet habe, habe er nicht wissen können (vgl. S. 31 der beigezogenen Akte).

Vor dem Landgericht reduzierten sich die Angaben dann darauf, dass die Ampel Rot/Gelb wurde, bevor man losgefahren sei (Zeuge D. , I 109, und Zeuge S. , I 113). Damit ist zur Überzeugung des Senats jedenfalls nicht der sichere Nachweis dafür erbracht, dass nach dem bereits erfolgten Anfahren der beiden Zeugen die Ampel auf Grün schaltete und damit der Beklagte Ziff. 1 Rot gehabt haben muss. Dagegen sprechen auch die Angaben des ebenfalls erstinstanzlich gehörten Zeugen Sch. , der angegeben hat, er habe ca. 100 Meter vor der Ampel, es könnten aber 50 oder 150 Meter sein, festgestellt, dass diese grünes Licht zeigt. Ein Umspringen auf Rot habe er nicht bemerkt, so was bemerke man als Autofahrer , besonders bei Nacht (vgl. I 105).

Nach diesen teils sich widersprechenden, teils nicht eindeutigen Angaben sieht der Senat es nicht als erwiesen an, dass der Beklagte Ziff. 1 bei Rot in die Kreuzung gefahren ist. Ein Verschulden des Beklagten Ziff. 1 ist demnach nicht nachgewiesen.

Aber auch die Beklagten haben nicht nachgewiesen, dass der Zeuge D. den Unfall verschuldet hat. Ein solcher Nachweis würde voraussetzen, dass jetzt die Beklagten beweisen, dass der Beklagte Ziff. 1 bei Grün oder bei ausgeschalteter Ampel und der Zeuge D. bei Rot oder bei gelbem Blinklicht gefahren ist. Diesen Nachweis haben sie ebenfalls nicht erbracht.

Zwar trifft den Zeugen D. bereits bei Zugrundelegung seiner eigenen Angaben, er sei bei Rot-Gelb in die Kreuzung gefahren, der Vorwurf eines Verkehrsverstoßes. Gem. § 37 Abs. 2 Nr. 5 StVO ordnet Rot und Gelb an: "Halt vor der Kreuzung" und "Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten". Das hat der Zeuge nicht getan. Damit hat er bei Zugrundelegung seiner eigenen Aussage gegen seine Wartepflicht verstoßen (vgl. dazu BGH DAR 61, 167), da erst Grün den Verkehr freigibt (Hentschel, StVR 36. Auflage, § 37 StVO Rdnr. 48). Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, dass der Zeuge D. den Unfall verschuldet hat, gleichgültig ob er Rot, Rot-Gelb oder gelbes Blinklicht hatte. Denn nur im Fall von Rot oder gelbem Blinklicht hätte sich das verfrühte Losfahren unfallursächlich ausgewirkt, da der Zeuge D. dann als Linksabbieger die Vorfahrt des geradeaus fahrenden Beklagten Ziff. 1 hätte beachten müssen. Dagegen hätte sich ein verfrühtes Losfahren bei Rot-Gelb nicht, jedenfalls nicht nachweisbar, auf den Unfall ausgewirkt, da dieser sich dann möglicherweise bei Grün in gleicher Weise ereignet hätte. Letzteres kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil keine Feststellungen dazu getroffen werden können, ob der Zeuge D. zu Beginn, in der Mitte oder erst ganz am Ende der Rot-Gelb-Phase angefahren ist. Zugunsten der Klägerin ist daher davon auszugehen, dass er nur einen Sekundenbruchteil vor Umschalten der Ampel auf Grün losgefahren ist und ein um diesen Sekundenbruchteil späterer Start den Unfall nicht vermieden hätte.

Also komt es darauf an, ob der Zeuge D. bei Rot oder gelbem Blinklicht in die Kreuzung eingefahren ist. Den Nachweis hierfür haben die Beklagten nicht erbringen können.

Insbesondere kann hier nicht auf die Angaben des Zeugen Sch. abgestellt werden. Dieser hat lediglich bekundet, dass er ca. 50 bis 150 Meter (bei der Prüfung des Verschuldens des Zeugen D. ist somit zu dessen Gunsten von einer Entfernung von ca. 150 Meter auszugehen) vor der Ampel gesehen habe, dass diese Grün zeigt. Ab dann habe er nicht mehr bewusst auf die Ampel geschaut. Er hätte sich mit dem Beklagten Ziff. 1 unterhalten, er meine aber, dass es ihm aufgefallen wäre, wenn die Ampel in diesem Zeitraum auf Rot umgesprungen wäre. So etwas bemerke man als Autofahrer (vgl. I 105).

Aus dieser Aussage schließt das Landgericht, dass die Ampel, nachdem der Zeuge Grün gesehen hatte und bevor der Beklagte Ziff. 1 die Kreuzung passiert hatte, abgeschaltet hat. Dieser Schluss erscheint dem Senat jedenfalls nicht zwingend, zumal der Zeuge Sch. auf entsprechende Fragen des Klägervertreters angegeben hat, er könne nicht ausschließen, dass die Ampel möglicherweise auch rot war.

Nach diesen Angaben sieht der Senat es nicht als erwiesen an, dass der Beklagte Ziff. 1 bei Grün oder ausgeschalteter Ampel über die Kreuzung gefahren ist. Dann ist aber auch nicht der Nachweis dafür erbracht, dass der Zeuge D. bei Rot oder bei gelbem Blinklicht gefahren ist.

Da somit keine Partei der anderen hat nachweisen können, dass sie bei Rot oder bei gelbem Blinklicht gefahren ist und den Unfall dadurch verschuldet hat, kann nur die jeweilige Betriebsgefahr der Fahrzeuge bei der gem. §§ 17, 18 StVG vorzunehmenden Abwägung berücksichtigt werden. Unter diesen Umständen erscheint dem Senat eine hälftige Teilung des unfallbedingten Schadens angemessen. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur 10 U 40/98, 10 U 202/99, 10 U 120/00, 10 U 60/01).

Der Klägerin ist ein ersatzfähiger Schaden von DM 13.936,65 entstanden. Sie hat einen ins Einzelne gehenden Kostenvoranschlag der Firma Auto-E. vorgelegt, der Reparaturkosten in Höhe von DM 13.916,65 ausweist (AH Kläger S. 5-9). Das Bestreiten der Beklagten im Schriftsatz vom 19.02.2001 ist unsubstantiiert. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 13.03.2001 vorgetragen, das Fahrzeug habe zum Unfallzeitpunkt noch einen Wert von mindestens DM 20.000,00 gehabt. Dieser Vortrag wurde von den Beklagten nicht bestritten. Ein wirtschaftlicher Totalschaden lag daher nicht vor.

Die Auslagenpauschale konnte nur in Höhe von DM 20,00 und nicht, wie beantragt mit DM 50,00 zuerkannt werden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats. Den Geschädigten bleibt es unbenommen, im Einzelfall höhere Unkosten nachzuweisen.

Der Klägerin waren daher 50 % von DM 13.936,65 nebst Zinsen (§§ 284,288 BGB) in unstreitiger Höhe zuzusprechen. Das macht einen Betrag von DM 6.968,33 aus. Insoweit war das landgerichtliche Urteil abzuändern. Die weitergehende Berufung der Klägerin war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO. Der Wert der Beschwer war gem. § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 546 Abs. 1 ZPO) liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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