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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 20.09.2000
Aktenzeichen: 11 W 120/00
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 519 b I 2
BRAGO § 31 I Nr. 1
BRAGO § 32
Begründet der Berufungsführer die Berufung nicht und stellt auch keine Berufungsanträge, so hat er dem Berufungsgegner, der einen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Berufungsverfahren beauftragt hat, selbst wenn dieser einen Verwerfungsantrag gem. § 519 b S. 2 ZPO gestellt hat, nur eine 13/20 Prozessgebühr zu erstatten.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 1. Zivilsenat

11 W 120/00 10 O 330/99 LG KA

Karlsruhe, den 20. September 2000

In Sachen

wegen Forderung

Beschluß

Gründe:

I.

Die in erster Instanz unterlegenen Beklagten legten durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein mit der Bitte an die Gegenseite, sich derzeit noch nicht zu legitimieren und die Berufungsbegründungsfrist zu verlängern, da beabsichtigt sei, dies für außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zu nutzen. Nach entsprechender Verlängerung durch den Vorsitzenden teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin schließlich mit, dass die Vergleichsverhandlungen gescheitert seien und deshalb gebeten werde, dem Berufungsklägervertreter eine Frist zur Berufungsbegründung zu setzen. Nach Ablauf der Frist wurden die Parteien vom Vorsitzenden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung der Beklagten gemäß § 519 b ZPO zu verwerfen, weil das Rechtsmittel nicht rechtzeitig begründet wurde. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragten hierauf die Berufung gemäß § 519 b ZPO zu verwerfen. Entsprechender Beschluß erging danach.

Der Rechtspfleger des Landgerichts Karlsruhe billigte der Klägerin in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluß statt der beantragten 13/10-Prozeßgebühr lediglich eine 13/20Prozeßgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 600,65 DM zu.

II.

Die hiergegen von der Klägerin eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Der von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß § 519 b ZPO gestellte Antrag auf Verwerfung der Berufung als unzulässig ist zwar Sachantrag im Sinne von § 32 Abs. 1 BRAGO (vgl. Gerold/von Eicken, BRAGO, 14. Aufl., § 32, 15), der gemäß §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO eine volle 13/10-Gebühr entstehen lässt, diese ist jedoch mangels Notwendigkeit nicht in vollem Umfänge erstattungsfähig (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Der Anspruch auf die Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) entsteht für d(t Prozessbevollmächtigten des Berufungsgegners dann, wenn er aufgrund eines Auftrages zur Vertretung im Berufungsverfahren tätig geworden ist. Eine solche Tätigkeit kann darin liegen, dass er sein Mandat dem Berufungsgericht anzeigt, kann aber auch dadurch entstehen, dass er, ohne sein Mandat dem Gericht anzuzeigen, den Berufungsgegner nur berät.

Diese gemäß §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO 13/10-Prozeßgebühr ermäßigt sich jedoch gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO auf eine 13/20-Gebühr, wenn der Auftrag zur Vertretung des Berufungsgegners endet, bevor der Bevollmächtigte eine der in § 32 Abs. 1 BRAGO benannten Voraussetzungen erfüllt, insbesondere den Antrag auf Zurückweisung der Berufung beim Berufungsgericht gestellt hat.

Auch wenn § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO davon ausgeht, dass die gesetzlichen Gebühren eines Rechtsanwaltes der obsiegenden Partei stets zu erstatten sind, entbindet dies nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im Kostenfestsetzungsverfahren gleichwohl nicht von der Prüfung, ob die einzelne Prozesshandlung des hinzugezogenen Rechtsanwaltes im konkreten Fall zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung auch notwendig war. Die Bedeutung des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist nach Auffassung des Senats dahin eingeschränkt, dass im Rahmen der Kostenfestsetzung zwar die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes - ob die Beauftragung eines Rechtsanwaltes als solches notwendig und zweckmäßig war - keiner Prüfung bedarf. Dagegen besteht für jede vom beauftragen Rechtsanwalt entfaltete Tätigkeit das uneingeschränkte Prüfungsrecht dahin, ob die in Frage stehende einzelne Maßnahme zur zweckentsprechenden Führung des Rechtsstreites erforderlich war (OLG Karlsruhe Senatsbeschluß vom 22.08.1994, JurBüro 1995, 88 = Rpfleger 1995,227).

Der Senat hat dementsprechend in der zitierten Entscheidung und in ständiger Rechtsprechung darauf erkannt, dass in Fällen, in denen die Berufungsschrift lediglich die Berufungseinlegung selbst enthält, während die Stellung der Berufungsanträge und die Berufungsbegründung - ausdrücklich oder konkludent - einem weiteren Schriftsatz vorbehalten bleiben, der Berufungsbeklagte in jedem Falle auch im Blick auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO berechtigt ist, seinerseits sogleich einen Anwalt für die Berufungsinstanz zu beauftragen und diesen seine Vertretung gegenüber dem Berufungsgericht anzeigen zu lassen, um Rechtsnachteile, die sich sonst in bestimmten Fällen ergeben könnten, zu vermeiden. Der Klägerin sind daher - zu Recht - in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluß eine 13/20-Prozeßgebühr aus dem Berufungsstreitwert nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer (nachdem sie durch ihre Prozessbevollmächtigte hat erklären lassen, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein) als erstattungsfähig zuerkannt worden.

Der Antrag aber, die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen, löste dagegen keine weiteren erstattungsfähigen Kosten aus, da dieser Antrag zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig war.

Wird die Berufung - wie hier - nicht begründet, hat sie das Berufungsgericht von Amts wegen als unzulässig (kostenpflichtig) zu verwerfen (§ 519 b Abs. 1 Satz 2 ZPO). Da es somit hierfür - im Unterschied zur Entscheidung nach § 515 Abs. 3 Satz 2 ZPO im Falle einer Rücknahme - keines Antrages der Berufungsbeklagten bedurfte, ist ein dennoch gestellter, hierauf gerichteter Antrag zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig. Dass auch den Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu der vom Gericht beabsichtigten Maßnahme nach § 519 b Abs. 1 Satz 2 ZPO gegeben wurde, ändert hieran nichts. Durch diesen Antrag entstandene außergerichtliche Kosten sind daher nicht erstattungsfähig (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluß vom 29.08.1994 - 11 W 117/94 -; Beschluß vom 25.11.1996 - 11 W 124/96 -; 04.09.1997 - 11 W 126/97 -; vgl. auch OLG Frankfurt, MDR 1994, 1151). Die mit zustimmender Anmerkung von H vertretene a.A. des OLG Nürnberg (JurBüro 1995, 473), die allein darauf abstellt, ob die (nicht begründete) Berufung zurückgenommen wird oder nicht, vermag der Senat aus vorgenanntem Grunde nicht zu teilen.

Anderes mag gelten, wenn bei (verspätet) abgegebener Berufungsbegründung die Frage (einer Wiedereinsetzung oder sonst) der Zulässigkeit streitig ist (vgl. z.B. OLG Karlsruhe 3. Zivilsenat, Beschluß vom 21.06.1995 - 3 W 49/95).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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