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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 21.06.2001
Aktenzeichen: 11 W 52/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 850 I
ZPO § 850 b I Nr. 1
ZPO § 850 II
ZPO § 850 c
1. Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung sind als Renten i.S. von § 850 I Nr. 1 ZPO zu qualifizieren.

2. Die generelle Übertragung der Pfändungsfreigrenzen (§ 850 c ZPO) auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist nicht zulässig.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

Zwangsvollstreckungssache

hier: sofortige weitere Beschwerde

Beschluss

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 5. März 2001 - 11 T 1/01 - wird zurückgewiesen.

2. Die Gläubigerin hat die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 10.803,66 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Gesamtforderung aus Lieferungen nebst Kosten der Rechtsverfolgung in der Höhe von 10.803,66 DM. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 07.11.2000 ließ sie sich die Ansprüche des Schuldners aus privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen bei der Versicherungs-AG und Lebensversicherungs-AG pfänden und zur Einziehung überweisen. Auf die vom Schuldner hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hob das Landgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf und wies den Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurück. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, weil die Entscheidung des Landgerichts zu Lasten der Gläubigerin einen neuen selbständigen Beschwerdegrund enthält (§§ 793 Abs. 2, 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Leistungen, die der Schuldner aus zwei privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen bezieht, sind als Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit entrichtet werden (§ 850 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO) zu qualifizieren (OLG Oldenburg MDR 1994, 257; OLG München VersR 1997, 1520; OLG Jena OLGR 2001, 51; vgl. auch BGH NJW 1978, 950 für den Fall einer Invalidenrente). Als solche sind sie grundsätzlich unpfändbar.

2. Allerdings können diese Bezüge nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners keinen Erfolg verspricht und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht (§ 850 b Abs. 2 ZPO). Während die erstgenannte Voraussetzung hier unstreitig erfüllt ist, fehlt es nach der zutreffenden Würdigung des Landgerichts an besonderen Umständen des Falles, die eine - teilweise - Pfändung als billig erscheinen lassen.

Zu Recht hat es das Landgericht abgelehnt, Einkünfte aus Berufsunfähigkeitsversicherungen wie Arbeitseinkommen zu behandeln und deshalb die Zwangsvollstreckung jenseits der Pfändungsfreigrenzen (vgl. § 850 c ZPO) zuzulassen. Auch der Senat vermag den gegenteiligen Standpunkt des Vollstreckungsgerichts nicht zu teilen. Richtig ist zwar, dass die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung an die Stelle des früheren Arbeitseinkommens getreten sind, doch rechtfertigt diese wirtschaftliche Erwägung allein nicht, derartige Versicherungsleistung in gleicher Weise der Pfändung zu unterwerfen wie Arbeitseinkommen. Letzteres ist grundsätzlich pfändbar, auch wenn dabei die besonderen Vorgaben der §§ 850 a bis 850 i ZPO zu beachten sind (§ 850 Abs. 1 ZPO). Demgegenüber hat der Gesetzgeber Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind (also auch Ansprüche aus Berufsunfähigkeitsversicherungen), grundsätzlich unpfändbar gestellt und nur in § 850 b Abs. 2 ZPO die Möglichkeit geschaffen, in derartige Ansprüche zu vollstrecken, wenn dies nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht. Diese unterschiedliche gesetzliche Regelung und die dahinter stehende Wertung verbieten nach Ansicht des Senates eine generelle Gleichbehandlung von Arbeitseinkommen und Rentenleistungen aus privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen. Es bedarf vielmehr einer wertenden Einzelfallentscheidung nach Maßgabe von § 850 b Abs. 2 ZPO.

3. Das Landgericht ist - in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes - zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass hier die Pfändung auch nur eines Teiles der monatlichen Versicherungsleistungen nicht der Billigkeit entspricht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese Ausführungen Bezug.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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