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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 21.12.2004
Aktenzeichen: 11 Wx 117/03
Rechtsgebiete: EWGRL 335/69, KostO, UmwG


Vorschriften:

EWGRL 335/69 Art. 4
EWGRL 335/69 Art. 10
EWGRL 335/69 Art. 12 Abs. 1 lit. e
KostO § 36 Abs. 2
KostO § 47
UmwG § 2 Nr. 1
UmwG § 6
UmwG § 13 Abs. 3 S. 1
Die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften in der Weise, dass das Kapital der aufnehmenden Gesellschaft durch Einbringung des gesamten Vermögens der übertragenden Gesellschaft erhöht wird, unterfällt der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Gesellschaftssteuerrichtlinie). Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass sich die Geschäftsanteile der verschmolzenen Gesellschaften in einer Hand befanden (Fortführung von OLG Karlsruhe vom 9.5.2003 - 11 Wx 120/00; vom 5.12.2002 - 14 Wx 130/01; vom 24.9.2002 - 14 Wx 133/00).
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

11 Wx 117/03

Karlsruhe, 21. Dezember 2004

In Sachen

Verschmelzungsvertrag vom 15. Dezember 1997 (1 UR 1075/97)

Beschluss

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 06. Oktober 2003 - 6 T 62/03 I - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit Urkunde des Notariats Heidelberg vom 15.12.1997 schlossen die E. GmbH und die A. GmbH (Beteiligte zu 1) einen Verschmelzungsvertrag, wonach erstere im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme ihr Vermögen als Ganzes auf die Beteiligte zu 1 überträgt. Als Gegenleistung erhält die alleinige Gesellschafterin der übertragenden Gesellschaft, die auch sämtliche Geschäftsanteile der übernehmenden Gesellschaft hält, einen im Zuge einer Kapitalerhöhung neu geschaffenen Geschäftsanteil der übernehmenden Gesellschaft. Außerdem enthält die notarielle Urkunde die Verschmelzungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen der übertragenden sowie der übernehmenden Gesellschaft. Die Kosten des Verschmelzungsvertrages und seiner Durchführung trägt nach I 12. der Urkunde die Beteiligte zu 1.

Der Kostenbeamte stellte der Beteiligten zu 1 für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages Gebühren in Höhe von DM 30.220,00 und für diejenige der Verschmelzungsbeschlüsse solche in Höhe von DM 10.000,00 in Rechnung. Einschließlich Auslagen und Mehrwertsteuer endet der Kostenansatz mit einem Betrag von DM 46.346,15. Mit ihrer Erinnerung macht die Kostenschuldnerin geltend, die Höhe der Gebühren verstoße gegen die Richtlinie 69/335/ EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.07.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Gesellschaftssteuerrichtlinie). Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Kostenfestsetzung unter Beachtung der Grundsätze der Gesellschaftssteuerrichtlinie an den Kostenbeamten des Notariats zurückgegeben. Hiergegen richtet sich die - vom Landgericht zugelassene - weitere Beschwerde der Staatskasse, mit der sie die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung begehrt.

II.

Die weitere Beschwerde ist in Folge ihrer Zulassung durch das Landgericht (§ 14 Abs. 3 S. 2 KostO a. F.) statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Die für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages (§ 36 Abs. 2 KostO) und der Zustimmungsbeschlüsse (§ 47 KostO) in Ansatz gebrachten Gebühren verstoßen gegen die Gesellschaftssteuerrichtlinie.

1. Nach Artikel 10 der Richtlinie 69/335 des Rates vom 17.07.1969 in der Fassung der Richtlinie 85/303 des Rates vom 10.06.1985 erheben die Mitgliedstaaten von Kapitalgesellschaften für die in Artikel 4 der Richtlinie genannten Vorgänge, einschließlich Einlagen, Darlehen und Leistungen für diese, sowie für die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann, abgesehen von der Gesellschaftssteuer keine anderen Steuern oder Abgaben. Artikel 12 Abs. 1 lit. e der Richtlinie gestattet jedoch die Erhebung von Abgaben mit Gebührencharakter. Mit Beschluss vom 21.03.2002 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden, dass die Gebühren für die notarielle Beurkundung eines unter die Gesellschaftssteuerrichtlinie fallenden Vorgangs durch einen beamteten Notar im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe als "Steuer" im Sinne der Richtlinie anzusehen sind (EuGH vom 21.03.2002 - Rs. C-264/00, ZIP 2002, 663 - "Gründerzentrum").

2. Bei der Beteiligten zu 1 handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie. Die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages sowie der Zustimmungsbeschlüsse ist auf einen von Artikel 4 Abs. 1 lit. c erfassten Vorgang bezogen. Nach dieser Vorschrift unterliegt die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art der Gesellschaftssteuer. Hierunter fällt eine Kapitalansammlung, die in der Erhöhung des Kapitals der übernehmenden Gesellschaft durch Einbringung des gesamten Vermögens der übertragenden Gesellschaft besteht. Damit unterfällt die beurkundete Verschmelzung im Wege der Aufnahme (§§ 2 Nr. 1, 46 ff. UmwG) dem in Artikel 10 in der Richtlinie geregelten Verbot, andere Steuern und Abgaben als die Gesellschaftssteuer zu erheben (EuGH, Urteil vom 13.02.1996, Rs. C-197/94 und C-252/94 - "Bautiaa" - Tz. 34 ff; Senatsbeschluss vom 09.05.2003 - 11 Wx 120/00, OLGR 2003, 365, 366; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.12.2002 - 14 Wx 130/01, OLGR 2003, 80 = ZIP 2003, 800; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.09.2002 - 14 Wx 133/00, OLGR 2002, 437 = GmbHR 2002, 1248).

Da der Verschmelzungsvertrag (§ 6 UmwG) sowie die Verschmelzungsbeschlüsse (§ 13 Abs. 3 S. 1 UmwG) zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung bedürfen, stellt diese Beurkundung eine Formalität im Sinne von Artikel 10 lit. c der Richtlinie dar, der die Gesellschaft zur Ausübung ihrer Tätigkeit aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen ist. Die für die Beurkundung angesetzten Gebühren stellen keine "Abgaben mit Gebührencharakter" im Sinne von Artikel 12 Abs. 1 lit. e der Richtlinie dar, weil hierunter nach der Rechtsprechung des EuGH nur solche Abgaben zu verstehen sind, deren Berechnung auf der Grundlage der Kosten für die erbrachte Leistung erfolgt (EuGH vom 21.03.2002 - C-264/00, Tz. 31, ZIP 2002, 663, 666 m. w. N. - "Gründerzentrum"). Da dies bei den angesetzten Gebühren für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages und der Verschmelzungsbeschlüsse nicht der Fall ist, kann der Kostenansatz keinen Bestand haben.

3. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass sich die Geschäftsanteile der verschmolzenen Gesellschaften in einer Hand befanden.

a) Der Vertreter der Staatskasse ist im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 27.10.1998 (Rs. C-152/97 - "Agas", WM 1999, 343 ff.) der Auffassung, dass die beurkundete Verschmelzung aus diesem Grund nicht der Gesellschaftssteuerrichtlinie unterfällt. Es handele sich um eine "interne Kapitalumstrukturierung" der Alleingesellschafterin beider Gesellschaften, die entsprechend dem Sachverhalt der genannten Entscheidung des EuGH zu bewerten sei.

b) Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften von der Gesellschaftssteuerrichtlinie nicht erfasst wird, wenn die übernehmende Gesellschaft vor der Verschmelzung Inhaber aller Anteile der übertragenen Gesellschaft war, weshalb auf diesen Vorgang eine Registersteuer erhoben werden darf (EuGH a. a. O.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 30.01.2001 - 11 Wx 59/00, ZIP 2001, 517 = Rechtspfleger 2001, 321). Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar. Durch die Übertragung des Vermögens der E GmbH als Ganzes auf die Beteiligte zu 1 (§ 2 Nr. 1 UmwG) hat eine Kapitalansammlung stattgefunden, die das Wirtschaftspotential der Beteiligten zu 1 verstärkt hat und die deshalb gem. Artikel 4 Abs. 1 lit. c der Richtlinie der Gesellschaftssteuer unterliegt (vgl. EuGH vom 13.02.1996, Tz. 34, 36 - "Bautiaa"). Der Verschmelzungsvorgang muss bereits deshalb dem Verbot gem. Artikel 10 der Richtlinie unterfallen, andere Steuern oder Abgaben zu erheben, um der Gefahr einer Doppelbesteuerung vorzubeugen (vgl. Nr. 2, 6 und 8 der Erwägungsgründe der Richtlinie 69/335/EWG). Dass sich die Geschäftsanteile der an dem Verschmelzungsvorgang beteiligten Gesellschaften in der Hand einer Gesellschafterin befanden, deren Vermögen sich durch die Verschmelzung nicht geändert hat, ist dabei ohne Belang. Letzteres ist übrigens regelmäßig der Fall, wenn Gesellschafter einer Gesellschaft - gleich auf welche Weise - Kapital zuführen und sich dadurch der Wert der Gesellschaftsanteile erhöht.

4. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 7 KostO a. F.).

Ende der Entscheidung

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