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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: 11 Wx 121/03
Rechtsgebiete: EWGRL 335/69, KostO, GG
Vorschriften:
EWGRL 335/69 Art. 4 | |
EWGRL 335/69 Art. 10 | |
EWGRL 335/69 Art. 12 Abs. 1 lit. e | |
KostO § 18 | |
KostO § 36 Abs. 2 | |
KostO § 47 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 3, 104a ff. |
2. Die Erhebung von Notargebühren nach den Regeln der Kostenordnung für die Tätigkeit beamteter Notare im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist nicht verfassungswidrig.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
Karlsruhe, 22. Dezember 2004
Verschmelzungsvertrag vom 9. August 1999 (1 UR 777/99)
Beschluss
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 7. Oktober 2003 - 6 T 75/03 I - dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde der Kostenschuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 11. März 2003 zurückgewiesen wird.
Gründe:
I.
Mit Urkunde des Notariats Heidelberg vom 9.8.1999 schlossen die Beteil. zu 1 (G.GmbH) und die K. GmbH einen Verschmelzungsvertrag, wonach letztere im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme ihr Vermögen als Ganzes auf die Beteil. zu 1 überträgt. Da die Beteil. zu 1 sämtliche Geschäftsanteile der übertragenden Gesellschaft hielt, wurde vereinbart, dass eine Gewährung von Anteilen am aufnehmenden Rechtsträger auf die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers nicht erfolgt. Die notarielle Urkunde enthält neben den Vertragsbestimmungen die Verschmelzungsbeschlüsse der Gesellschafter. Die durch den Vertrag und seine Durchführung entstehenden Kosten trägt die Beteil. zu 1.
Der Kostenbeamte stellte der Beteil. zu 1 für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages Gebühren in Höhe von 16.180,- DM und für diejenige der Verschmelzungsbeschlüsse in Höhe von 10.000 DM in Rechnung. Hinzu treten Kosten für Auswärtsbeurkundung, Schreibauslagen sowie Mehrwertsteuer.
Gegen diesen Kostenansatz hat die Beteil. zu 1 Erinnerung eingelegt. Sie ist der Ansicht, er verstoße gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Gesellschaftssteuerrichtlinie) und sei daneben verfassungswidrig, weshalb die Gebühren anhand der tatsächlich entstandenen Kosten zu berechnen seien. Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteil. zu 1 hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts sowie die Kostenrechnung aufgehoben und die Sache zur erneuten Kostenfestsetzung unter Beachtung der Grundsätze der Richtlinie des Rates betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital an den Kostenbeamten zurückgegeben. Hiergegen richtet sich die - vom Landgericht zugelassene - weitere Beschwerde der Staatskasse.
II.
Die weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung durch das Landgericht (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KostO a. F.) statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache führt sie zur Abänderung der Beschwerdeentscheidung und zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung. Die für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages (§ 36 Abs. 2 KostO) und der Zustimmungsbeschlüsse (§ 47 KostO) in Ansatz gebrachten Gebühren verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
1. Der Kostenansatz verstößt nicht gegen die Gesellschaftssteuerrichtlinie.
a) Nach Art. 1 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten eine als Gesellschaftssteuer bezeichnete harmonisierte Abgabe auf Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften erheben. Die Vorgänge, die der Gesellschaftssteuer unterliegen, sind in Art. 4 der Richtlinie aufgeführt. Nach Art. 10 der Richtlinie erheben die Mitgliedstaaten abgesehen von der Gesellschaftssteuer von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck keinerlei andere "Steuern oder Abgaben" auf die in Art. 4 der Richtlinie genannten Vorgänge (lit. a), auf die Einlagen, Darlehen oder Leistungen im Rahmen der in Art. 4 genannten Vorgänge (lit. b) sowie auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann (lit. c). Art. 12 Abs. 1 lit. e der Richtlinie gestattet jedoch die Erhebung von " Abgaben mit Gebührencharakter ".
Mit Beschluss vom 21.3.2002 hat der EuGH entschieden, dass die Gebühren für die notarielle Beurkundung eines unter die Gesellschaftssteuerrichtlinie fallenden Vorgangs durch einen beamteten Notar im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe nicht als Abgabe mit Gebührencharakter, sondern als " Steuer " im Sinne der Richtlinie anzusehen sind (EuGH vom 21.3.2002 - Rs. C-264/00, ZIP 2002, 663 = GmbHR 2002, 486 - " Gründerzentrum").
b) Die Gebühren für die notarielle Beurkundung des Verschmelzungsvertrages und der Verschmelzungsbeschlüsse unterfallen im vorliegenden Fall nicht dem Verbotstatbestand gem. Art. 10 der Richtlinie, weil die Beteil. zu 1 als übernehmende Gesellschaft vor der Verschmelzung Inhaberin aller Anteile der übertragenden Gesellschaft war. In einem solchen Fall ist nach der Rechtsprechung des EuGH keiner der in Art. 10 der Richtlinie aufgeführten Verbotstatbestände erfüllt (EuGH vom 27.10.1998 - Rs. 152/97, WM 1999, 343 - "Agas"; vgl. auch Senatsbeschluss vom 30.1.2001 - 11Wx 59/00 - ZIP 2001, 517 = Rpfleger 2001, 321 = OLGR 2001, 200).
Die Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch eine Gesellschaft, die bereits alle Anteile der übernommenen Gesellschaft hält, führt nicht zu einer Erhöhung des Gesellschaftskapitals der übernehmenden Gesellschaft, weshalb sie nicht unter Art. 4 Abs. 1 lit. c und d der Richtlinie fällt. Auch Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie ist nicht erfüllt. Damit unterliegt ein solcher Vorgang nicht der Gesellschaftssteuer und unterfällt nicht den Verbotstatbeständen nach Art. 10 lit. a und b der Richtlinie (EuGH a.a.O., Tz. 22-26). Auch unter Art. 10 lit. c können die mit einer solchen Übernahme verbundenen Vorgänge - wie der EuGH ausdrücklich feststellt - nicht subsumiert werden. Der Gerichtshof hebt hervor, die Richtlinie solle u. a. verhindern, dass die Übertragung von Vermögenswerten zwischen Gesellschaften durch Steuerhemmnisse erschwert wird, sodass die Umorganisation und die Zusammenlegung von Unternehmen erleichtert wird; dennoch können die betreffenden Vorgänge nach seiner Ansicht nicht als die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität i. S. v. Art. 10 lit. c aufgefasst werden (Tz. 27-29). Der Gerichtshof befindet sich insoweit in Übereinstimmung mit den Schlussanträgen des Generalanwalts (Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 25.6.1998 in der Rs. C-152/97 - "Agas"). Wie in den Schlussanträgen ausgeführt wird, finden die Bestimmungen der Gesellschaftssteuerrichtlinie nicht auf den Fall einer Fusion durch Übernahme einer Gesellschaft durch eine andere, der bereits das gesamte Kapital der erstgenannten gehört, Anwendung; demgemäß liegt eine anlässlich einer solchen Übernahme erhobene Steuer oder Abgabe außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 10 der Richtlinie (Schlussanträge Tz. 67, 83 mit Fn. 37, 108). Die Stellungnahme des Generalanwalts hebt in diesem Zusammenhang maßgeblich darauf ab, dass eine solche Fusion weder eine Erhöhung des Kapitals der übernehmenden Gesellschaft noch eine Stärkung ihres Wirtschaftspotenzials zur Folge hat (Schlussanträge Tz. 59 und öfter).
Der Senat ist an diese Auslegung der Gesellschaftssteuerrichtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gebunden. Die für die gesetzlich notwendige (§§ 6, 13 Abs. 3 UmwG) notarielle Beurkundung des Verschmelzungsvertrages und der Verschmelzungsbeschlüsse erhobenen Gebühren (§§ 36 Abs. 2, 47 KostO) können daher nicht an der Richtlinie gemessen werden.
2. Die Erhebung von Notargebühren nach den Regeln der Kostenordnung für die Tätigkeit beamteter Notare im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist nach Auffassung des Senats nicht verfassungswidrig (ebenso bereits OLG Karlsruhe, 14. Zivilsenat, Beschluss vom 20.8.2003 - 14 Wx 75/02 - FGPrax 2003, 287).
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen Gebühren für staatliche Leistungen nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgelegt werden (BVerfGE 50, 217, 227). Aus der Zweckbestimmung der Gebühren ergibt sich jedoch keine verfassungsrechtlich begründete Begrenzung der Gebührenhöhe durch die tatsächlichen Kosten einer staatlichen Leistung. Art. 3 Abs. 1 GG steht weder einer Unterdeckung noch einer Überdeckung der Kosten durch die Gebühren von vornherein entgegen. Dem Kostendeckungsprinzip kommt kein verfassungsrechtlicher Rang zu. Auch der Wert einer Leistung für den Empfänger darf sich in den Gebührenmaßstäben niederschlagen (BVerfGE 97, 332, 345; BVerfG NJW 2004, 3321). Der Gesetzgeber darf bei der Gestaltung der Gebühren berücksichtigen, dass sich der Wert der notariellen Leistung, die bei der Beurkundung von Willenserklärungen unter anderem in der Erfüllung von Prüfungs- und Belehrungspflichten (vgl. § 17 BeurkG) und der vollen Haftung des Staates für Fehler des Notars besteht, mit dem Wert des beurkundeten Geschäfts erhöht.
Bei Anwendung dieser Maßstäbe verletzt die Erhebung der Gebühren für die Tätigkeit beamteter Notare im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe nach dem Wert des Geschäfts gem. § 18 Abs. 1 KostO weder den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) und verstößt auch nicht gegen die Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung. Mit der Erhebung der den tatsächlichen Aufwand ausnahmslos um ein Vielfaches übersteigenden Rückmeldegebühr nach dem Universitätsgesetz des Landes Baden-Württemberg, die das BVerfG aus diesem Grund für kompetenzwidrig erklärt hat (BVerfGE 108, 1 ff.), lassen sich die Wertgebühren für die Tätigkeit beamteter Notare nicht vergleichen.
b) Schließlich verstößt es nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, für Beurkundungsvorgänge, die nicht der Gesellschaftssteuerrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften unterliegen, Wertgebühren nach § 18 KostO zu erheben, während für der Richtlinie unterfallende Vorgänge die Gebühren nur nach dem tatsächlichen Aufwand des konkreten Geschäfts bemessen werden dürfen. Dieser Rechtszustand ist die zwangsläufige Folge des fragmentarischen Charakters der Gesellschaftssteuerrichtlinie, die nicht alle notariellen Beurkundungsvorgänge erfasst, sowie der Auslegung der Richtlinie durch den EuGH, wonach ein Element der Solidarität - wie es für Wertgebühren des deutschen Rechts charakteristisch ist -bei der Gestaltung von Gebühren im Anwendungsbereich der Richtlinie unzulässig sein soll (EuGH, Urteil vom 21.06.2001, Rs. 206/99, ZIP 2001, 1145 - "SONAE"). Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, nationale Rechtsnormen durch europäisches Recht zu überlagern oder außer Kraft zu setzen, obwohl sich der Geltungsbereich des europäischen Rechts und die Kompetenz des europäischen Normgebers nicht auf den Regelungsbereich dieser nationalen Rechtsnormen erstreckt (vgl. insoweit bereits BayObLG NJW-RR 2001, 880; OLG Zweibrücken NJW-RR 2003, 235).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 7 KostO a.F.).
Ende der Entscheidung
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