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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 17.07.2000
Aktenzeichen: 11 Wx 42/00
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 21 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
WEG § 22 Abs. 1 Satz 1
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
BGB § 1004 Abs. 2
1. Hat ein Wohnungseigentümer einen Baumangel ohne Herbeiführung eines Mehrheitsbeschlusses (auf eigene Kosten) behoben und verlangt ein anderer Wohnungseigentümer die Beseitigung dieser Baumaßnahme, so ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, einen Mehrheitsbeschluss über die Konzeption der Behebung des Baumangels herbeizuführen. Denn erst wenn die Wohnungseigentümer eine andere Lösung beschließen, kann über den Beseitigungsanspruch endgültig entschieden werden.

2. Hat die Wohnungseigentümergemeinschaft die Anbringung von Parabolspiegeln genehmigt, erlaubt es der sich aus § 14 Nr. 1 WEG ergebende Maßstab, auch den Interessen des Wohnungseigentümers, der einen Parabolspiegel installiert, Rechnung zu tragen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 11. Zivilsenat

11 Wx 42/00 11 T 487/99

Karlsruhe, 17. Juli 2000

Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

wegen Beseitigung

hier: sofortige weitere Beschwerde

Beschluß

Tenor:

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Landgerichts Karlsruhe vom 08. März 2000 - 11 T 487/99 - aufgehoben, soweit dem Antragsgegner darin aufgegeben wird, die Ausgrabung der Rasenfläche und die Anlage einer Mauer mit Treppe zu entfernen und den vorigen Zustand wieder herzustellen sowie die rechts neben dem zur Wohnung Nr. 1 gehörenden rechten Balkonfenster (Ansicht von Osten/Gartenseite) angebrachte Satelittenempfangsanlage so zu versetzen, daß diese von der Terrasse der Antragsteller (Wohnung Nr. 4) nicht mehr sichtbar ist.

Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde - an das Landgericht Karlsruhe zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Der Geschäftswert wird auf 16.000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligten zu 1 - 6 bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus fünf Wohneinheiten. Die Antragsteller sind Miteigentümer der im Dachgeschoß gelegenen Wohnung Nr. 4, während der Antragsgegner und Beschwerdeführer Eigentümer der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung Nr. 1 ist. Nach der Teilungserklärung steht ihm an der im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten, sich unmittelbar an seine Wohnung anschließenden Gartenfläche ein Sondernutzungsrecht zu. Nach dem Aufteilungsplan ist der Wohnung ferner eine Terrasse mit einer Fläche von 8,75 m² zugeordnet, die allerdings schon bei der Errichtung des Gebäudes durch den Bauträger tatsächlich mit einer Größe von 11,73 m² angelegt wurde. Die dem Beschwerdeführer zur Sondernutzung zugewiesene Gartenfläche fällt zum Haus hin ab, wobei das Gefälle ursprünglich zwischen 10 und 12 % lag. Um sich besser gegen Feuchtigkeitsschäden durch herabfließendes Oberflächenwasser zu schützen, ließ der Antragsgegner im Frühjahr 1999 auf der ihm zugewiesenen Gartenfläche in erheblichem Umfang Erde abtragen und eine Stützmauer errichten, so daß die Gartenfläche nunmehr aus zwei Ebenen, einer tiefer gelegenen, sich unmittelbar an die Terrasse anschließenden und einer höheren über sechs Stufen zu erreichenden Teilfläche, die jeweils geringfügiges Gefälle vom Hause weg aufweisen, besteht. Die Kosten für diese Baumaßnahme beliefen sich auf 15.000 DM und wurden vom Antragsgegner getragen. Außerdem wechselte der Antragsgegner den Plattenbelag seiner Terrasse aus und vergrößerte diese auf 15,5 m². Ein förmlicher Beschluß der Wohnungseigentümer bezüglich dieser Baumaßnahme liegt nicht vor, doch haben alle übrigen Wohnungseigentümer bis auf die Antragsteller dem Umbau schriftlich zugestimmt.

Die Antragsteller verlangen die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, wobei sie hinsichtlich der Terrassenfläche die Auffassung vertreten, diese sei nicht auf die ursprünglich vorhanden gewesene Größe von 11,73 m², sondern auf die im Aufteilungsplan ausgewiesene Fläche von 8,75 m² zu verkleinern.

In der Eigentümerversammlung vom 12.05.1995 beschlossen die Wohnungseigentümer, die Anbringung von Parabolspiegeln zu gestatten. Der Antragsgegner brachte daraufhin im Bereich seines Sondereigentums eine Parabolantenne an. Diese kann zur Hälfte vom Balkon der Antragsteller aus gesehen werden. Die Antragsteller fühlen sich durch den Anblick der Antenne gestört und verlangen von dem Antragsgegner, die Parabolantenne so zu befestigen, daß sie vom Balkon der Antragsteller aus nicht mehr gesehen werden kann.

Beide Anträge sind vor dem Amtsgericht ohne Erfolg geblieben. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht dem Antragsgegner aufgegeben, seine Terrasse wieder auf - wie ursprünglich ausgeführt - 11,73 m² zu verkleinern und die Umgestaltung der Gartenfläche rückgängig zu machen sowie die Satelittenempfangsanlage so zu versetzen, daß sie vom Balkon der Antragsteller aus nicht mehr zu sehen ist. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde.

Die sofortige weitere Beschwerde hat überwiegend Erfolg. Lediglich soweit sich der Antragsgegner gegen das Gebot wendet, seine Terrassenfläche wieder zu verkleinern, erweist sie sich als unbegründet.

Das Begehren der Antragsteller umfaßt drei Punkte: Verkleinerung der Terrassenfläche (1.), Umgestaltung der Gartenfläche (2.) und Anbringung der Parabolantenne (3.), die unterschiedlicher Behandlung bedürfen.

1. Die von dem Antragsgegner vorgenommene Vergrößerung der Terrasse bedurfte als bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG grundsätzlich der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer. Fehlt es - wie hier - an der erforderlichen Zustimmung, ist die bauliche Veränderung auf Verlangen eines Wohnungseigentümers rückgängig zu machen. Die Zustimmung ist nach § 22 Abs. 2 Satz 2 WEG nur dann nicht erforderlich und die Vergrößerung zu dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB), wenn die Veränderung des Gemeinschaftseigentums andere Wohnungseigentümer nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Diesen Ausnahmetatbestand hat das Landgericht verneint, was jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

Das Landgericht hat aufgrund einer Gesamtbetrachtung in der Veränderung des Gartens einschließlich der Terrassenfläche einen nicht zu duldenden Nachteil für die Antragsteller gesehen, weil die Umgestaltung eine intensivere Nutzung des Gartens ermögliche und den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage nachteilig verändere. Ob letztgenannter Gesichtspunkt trägt, kann dahinstehen (vgl. dazu OLG Zweibrücken MDR 2000, 696, wonach nur eine objektiv nachteilige Veränderung beachtlich ist); denn nach Ansicht des Senates sind die Vergrößerung der Terrasse und die Umgestaltung der Gartenfläche gesondert zu beurteilen. Die Ausdehnung der Terrassenfläche von 11,73 m² auf 15,5 m², also um knapp 1/3, und die damit einhergehende zusätzliche Beanspruchung von Gartenfläche, die zum Gemeinschaftseigentum gehört, stellt schon deshalb eine zustimmungspflichtige Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG dar, weil sie eine intensivere Nutzung der Terrasse erlaubt. Es liegt auf der Hand, daß die vergrößerte Terrassenfläche den Aufenthalt einer größeren Anzahl von Personen erlaubt und daß erfahrungsgemäß bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise damit auch in gesteigertem Maße Belästigungen (z.B. durch Lärm) verbunden sind. Darauf, ob der Antragsgegner von der Möglichkeit intensiverer Nutzung Gebrauch machen wird, kommt es nicht an (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 12.10.1998, WuM 1998, 744; BayObLG ZMR 1993, 534, 536; NZM 1999, 1009, 1011, zitiert nach JURIS Dok.-Nr. KORE 409639900).

Deshalb ist dem Rechtsmittel der Erfolg zu versagen, soweit es sich gegen das Gebot des Landgerichts richtet, den ursprünglichen Zustand der Terrasse wieder herzustellen.

2. Anders verhält es sich bezüglich der vom Antragsgegner vorgenommenen Umgestaltung der Gartenfläche. Zwar handelt es sich auch insoweit - ungeachtet des dem Antragsgegner zustehenden Sondernutzungsrechtes - um eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, doch kommt in Betracht, daß die Umgestaltung eine Maßnahme ordnungsmäßiger Instandsetzung darstellt und deshalb von den Wohnungseigentümern durch Mehrheitsentscheidung gebilligt werden könnte (vgl. §§ 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2, 22 Abs. 1 Satz 1 WEG). Unter diesem Gesichtspunkt hat das Landgericht das Verteidigungsvorbringen des Antragsgegners nicht geprüft.

a) Der Antragsgegner hat vorgetragen, die Wohnungseigentumsanlage sei mangelhaft errichtet worden, weil es an einem Schutz der im Erdgeschoß liegenden Wohnungen vor gartenseitig den Hang herunterlaufendem Oberflächenwasser fehle. Wegen dieses Baumangels sei es in seiner Wohnung am 21.07.1992 zu einem Wasserschaden in Höhe von 2.639,10 DM gekommen, dessen Regulierung der Gebäudeversicherer mit der Begründung abgelehnt habe, das versicherte Gebäude sei nicht entsprechend den "technischen Vorschriften des Baurechts und den allgemein anerkannten Regeln der Technik" errichtet worden. Dieser Baumangel ist unstreitig. Unstreitig ist auch, daß man ihm jedenfalls auch durch die Anbringung einer Aufkantung abhelfen kann, wie sie in der anderen Erdgeschoßwohnung Nr. 2 ausgeführt wurde.

b) Das vom Antragsgegner vorgelegte Schreiben der Bauunternehmung spricht dafür, daß auch die Aufgliederung des Gartens in zwei Ebenen, jeweils mit Gefälle vom Hause weg, eine mögliche technische Lösung darstellt, um den Eintritt von Oberflächenwasser in die Erdgeschoßwohnung des Antragsgegners zu verhindern.

c) Der Antragsgegner kann von den übrigen Wohnungseigentümern verlangen, daß sie Maßnahmen ergreifen - und entsprechende Beschlüsse fassen -, um den dargestellten Baumangel zu beseitigen. Unter mehreren geeigneten Lösungen können die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluß diejenige auswählen, die ihnen am geeignesten erscheint. Ohne weitere Sachaufklärung läßt sich jedenfalls nicht ausschließen, daß sie sich auch für die vom Antragsgegner durchgeführte Umgestaltung der Gartenfläche hätten entscheiden können, zumal der Antragsgegner bereit war, die erforderlichen Baukosten alleine zu tragen.

d) Bislang fehlt es allerdings an einer solchen Beschlußfassung der Wohnungseigentümer. Die vom Antragsgegner vorgelegten schriftlichen Erklärungen vermögen einen förmlichen Beschluß der Wohnungseigentümer nicht zu ersetzen, weil den Antragstellern nicht die Möglichkeit abgeschnitten werden darf, eine Beschlußanfechtung nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG durchzuführen.

Gleichwohl kann das Verlangen der Antragsteller nach Wiederherstellung des ursprünglichen Gartenzustandes unbegründet sein, weil der Antragsgegner Anspruch darauf hat, daß die Wohnungseigentümer nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung darüber Beschluß fassen, auf welche Weise der Gefahr eines künftigen Wasserschadens begegnet werden soll. Erst wenn feststeht, daß eine bereits vorgenommene bauliche Umgestaltung außerhalb der von der Mehrheit gewünschten Konzeption liegt, kann über Beseitigungsansprüche endgültig entschieden werden. Gegebenenfalls ist das Verfahren so zu gestalten, daß ein (bestandskräftiger) Wohnungseigentümerbeschluß herbeigeführt werden kann (KG, Wohnungseigentum 1991, 324 f; ähnlich Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 22 Rdn. 19). Die im Rechtsbeschwerdeverfahren abgegebene Stellungnahme der Wohnungseigentümer A., B., C. und D. läßt vermuten, daß eine Mehrheitsentscheidung für die vom Antragsgegner gewählte Problemlösung zustande kommen wird. Ob diese tauglich ist und nicht über eine ordnungsmäßige Instandsetzung hinausgeht, bleibt der tatrichterlichen Aufklärung und Würdigung vorbehalten. Gegebenenfalls wird es sich empfehlen, das vorliegende Verfahren ruhen zu lassen, bis die Bestandskraft eines entsprechenden Mehrheitsbeschlusses feststeht.

e) Vorsorglich sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Feststellung des Landgerichts, wonach die Umgestaltung des Gartens "eine nicht ganz unerhebliche nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage" bewirke, einer tragfähigen Grundlage entbehrt. Das Landgericht hat sich insoweit allein auf die vorgelegten Lichtbilder gestützt. Diese zeigen zum Teil den Zustand des Gartens unmittelbar nach Durchführung der Erd- und Maurerarbeiten, also noch vor Wiederbepflanzung. Ob tatsächlich eine Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks gegeben ist oder ob - wie die Wohnungseigentümer A., B., C. und D. vortragen - "die vorgenommene Umgestaltung des Gartens... gärtnerisch gelungen ist und sich harmonisch in das Gesamtbild einfügt", wird sich nur im ahmen eines Augenscheins klären lassen.

3. Soweit der angefochtene Beschluß dem Antragsgegner aufgibt seine Parabolantenne zu versetzen, kann er ebenfalls keinen Bestand haben. Auch insoweit leidet die Entscheidung des Landgerichts an einem Aufklärungsmangel (§ 12 FGG). Nach Ansicht des Senates rechtfertigen allein die vorgelegten Lichtbilder nicht die Annahme, "die Parabolantenne (falle) als farblicher Fremdkörper deutlich auf und (beeinträchtige) die Aussicht der Antragsteller auf die Umgebung nicht unerheblich in nachteiliger Weise". Auch zu diesem Punkt wird die Kammer gegebenenfalls einen Beweis durch Einnahme eines Augenscheines erheben müssen.

Abgesehen hiervon begegnet die Auslegung des Beschlusses der Wohnungseigentümer vom 12.05.1995 über die Anbringung von Parabolspiegeln rechtlichen Bedenken. Daß Parabolantennen nur "unter größtmöglicher Schonung der Interessen der anderen Wohnungseigentümer" installiert werden dürfen, vermag der Senat dem Beschluß nicht zu entnehmen. Durch den Beschluß ist die Anbringung eines Parabolspiegels grundsätzlich gedeckt, was ein gewisses Maß an optischer Beeinträchtigung zwangsläufig mit sich bringt. Gewiß dürfen die mit der Anbringung einer Parabolantenne verbundenen Nachteile für den optischen Eindruck des Hauses und für die Aussicht aus den Wohnungen nicht ohne Not auf andere Wohnungseigentümer abgewälzt werden. Der sich aus § 14 Nr. 1 WEG ergebende Maßstab erlaubt es aber durchaus, auch den Interessen des Wohnungseigentümers, der einen Parabolspiegel installiert, Rechnung zu tragen. Angesichts der geringfügigen Beeinträchtigung der Aussicht vom Balkon der Antragsteller bliebe beispielsweise auf seiten des Antragsgegners Raum für die Berücksichtigung des Anliegens, die Kopffreiheit über der Terrasse zu erhalten und die Außenwand der Wohnanlage (Gemeinschaftseigentum) nicht zu Befestigungszwecken zu beschädigen, sondern die Parabolantenne an der vorhandenen Terrassenbrüstung anzubringen.

Ende der Entscheidung

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