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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 15.01.2001
Aktenzeichen: 11 Wx 44/00
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 8
WEG § 15
BGB § 1004
WEG §§ 8,15; BGB § 1004

1. Eine mit dem Wortlaut der Teilungserklärung nicht übereinstimmende Nutzung des Sondereigentums ist zulässig, sofern durch sie kein anderer Wohnungseigentümer mehr gestört oder beeinträchtigt wird als durch eine Nutzung entsprechend der Zweckbestimmung.

2. Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Wohnnutzung einer in der Teilungserklärung als Ausstellungsraum beschriebenen Teileigentumseinheit für die übrigen Wohneigentümer belastender - weil intensiver - als eine zweckentsprechende Nutzung ist.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 15.01.2001 - 11 Wx 44/00 - rechtskräftig


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 11. Zivilsenat

11 W x 44/00 11 T 499/99

Karlsruhe, 15. Januar 2001

Wohnungseigentumssache

Beschluss

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 2 - 7 bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beteiligte zu 1 ist die frühere Eigentümerin der Teileigentumseinheit Nr. 6, der Beteiligte zu 2 der jetzige Sondereigentümer.

Auf dem Grundstück befinden sich drei Gebäude, ein "Herrenhaus", ein "Gesindehaus" und ein Nebengebäude. Diese drei Gebäude, die in einem Halbkreis angeordnet sind, schließen eine Hofanlage mit Springbrunnen und Begrünung ein. Im Erdgeschoss des Nebengebäudes befindet sich die dem Beteiligten zu 2 gehörende Sondereigentumseinheit Nr. 6. In der Teilungserklärung ist diese wie folgt beschrieben:

"Miteigentumsanteil von 160,4/1000, verbunden mit dem Sondereigentum an dem Ausstellungsraum Nr. 6 im Nebengebäude mit Abstellraum im Zwischengeschoss, Nebenraum im Seitenflügel des Gesindehauses, Toilettenräumen, ferner Heizungsraum und Nebenraum im Erdgeschoss des Gesindehauses."

Die Einheit Nr. 6 wurde vom teilenden Eigentümer, der dem Hobby der Malerei nachging, als Bildergalerie zu Ausstellungszwecken genutzt. Der Beteiligte zu 2, der die Einheit von der Beteiligten zu 1 erwarb; möchte sie zu Wohnzwecken nutzen.

In der Versammlung vom 05.05.1999 lehnte es die Wohnungseigentümergemeinschaft mit Mehrheit ab, einer solchen Nutzungsänderung zuzustimmen. Hiergegen wandte sich zunächst die Beteiligte zu 1 als frühere Eigentümerin, später auch der Beteiligte zu 2 als Erwerber der Teileigentumseinheit Nr. 6 mit einem Antrag auf Beschlussanfechtung, der vor dem Amtsgericht ohne Erfolg geblieben ist. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts haben die Beteiligten zu 1 und 2 sofortige Beschwerde geführt, wobei der Beteiligte zu 2 im Beschwerdeverfahren zusätzlich beantragt hat, die Antragsgegner zu verpflichten, die Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 6 als Büro- u./o. Wohnraum zuzulassen. Die sofortigen Beschwerden sind - auch was die Antragserweiterung angeht - vom Landgericht zurückgewiesen worden. Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 2 weiterhin seine Anträge auf Beschlussanfechtung und Duldung der Nutzung als Büro- und Wohnraum.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist unbegründet, soweit der Beteiligte zu 2 den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft anficht. Im übrigen führt das Rechtsmittel zur - teilweisen - Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Die Ablehnung der Genehmigung der beabsichtigten Nutzungsänderung für die Teileigentumseinheit Nr. 6 durch die Mehrheit der Wohnungseigentümer stellt einen sogenannten Negativbeschluss dar, der nicht anfechtbar ist; denn durch seine Ungültigerklärung käme der vom Beschwerdeführer erstrebte positive Beschluss nicht zustande (BayObLGZ 1974, 172, 175; OLG Zweibrücken ZMR 1999, 429). Soweit sich die weitere Beschwerde gegen die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer richtet, muss ihr deshalb der Erfolg versagt bleiben.

2. Rechtlich zulässig ist hingegen der Antrag des Beschwerdeführers gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf Duldung der von ihm beabsichtigten Wohnnutzung der Teileigentumseinheit Nr. 6. Auch in der Sache hat dieser Antrag (vorläufigen) Erfolg.

a) Der näheren Bezeichnung eines Teileigentums in der Teilungserklärung (hier als Ausstellungsraum mit Nebenräumen) kommt die gleiche Bedeutung wie einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne von § 15 Abs. 1 WEG zu (BGHZ 73, 145, 147). Das Teileigentum darf grundsätzlich zu keinem anderen Zweck genutzt werden. Zulässig ist jedoch eine mit dem Wortlaut nicht übereinstimmende Nutzung, sofern durch sie kein anderer Wohnungseigentümer mehr gestört oder beeinträchtigt wird als durch eine Nutzung entsprechend der Zweckbestimmung (BayObLG WuM 1991, 707; Der Wohnungseigentümer 1994, 153).

b) Art und Maß der zulässigen, von der eigentlichen Zweckbestimmung abweichenden Nutzung können folglich nur bestimmt werden, wenn die bei bestimmungsgemäßer Nutzung denkbaren Störungen und Beeinträchtigungen als Vergleichsmaßstab feststehen. Dies wiederum setzt die Ermittlung der von der Teilungserklärung gedeckten Verwendung des Sondereigentums und der damit für die übrigen Wohnungseigentümer verbundenen Belastungen voraus. Ausgangspunkt der Überlegungen muss dabei die Auslegung der Teilungserklärung sein.

c) Das Landgericht hat angenommen, nach der Teilungserklärung dürfe das Sondereigentum hier als Galerie- oder Ausstellungsraum genutzt werden. Typischerweise beschränke sich die Nutzung "auf täglich bestimmte Besuchs- u. Ausstellungszeiten", in der übrigen Zeit bleibe das Teileigentum ungenutzt. Dem so verstandenen Nutzungszweck hat das Landgericht eine Wohnnutzung gegenübergestellt. Eine solche bewertet es als "intensive Raumnutzung ..., da eine Wohnung den Lebensmittelpunkt einer oder mehrerer Personen darstellt." Die Beschwerdekammer kommt deshalb zu dem Ergebnis, eine Wohnnutzung sei belastender als eine (gewerbliche) Nutzung als Ausstellungsraum und somit vom Inhalt der Teilungserklärung nicht mehr gedeckt.

d) Dem kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht gefolgt werden.

aa) Die im Grundbuch eingetragene Teilungserklärung unterliegt in der Rechtsbeschwerdeinstanz der Auslegung durch den Senat. Dabei ist darauf abzustellen, welche nächstliegende Bedeutung sich für den unbefangenen Betrachter aus Wortlaut und Sinn der Erklärung erschließt. Die Auslegung ist an objektiven Kriterien zu orientieren. Auf den Willen des Erklärenden kommt es nicht an. Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (Senatsbeschluss vom 15.11.2000 11 Wx 125/99; BayObLG WuM 1985, 298; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 10 Rn. 44 m. w. N.). Solche außerhalb der Teilungserklärung liegenden Umstände können beispielsweise die - ohne weiteres erkennbaren - örtlichen Verhältnisse innerhalb der Wohnungseigentumsanlage sein (KG NJW-RR 1989, 140).

bb) Bei Berücksichtigung dieser Auslegungsgesichtspunkte lässt sich nach Auffassung des Senats bislang nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen, ob eine Wohnnutzung für die übrigen Wohnungseigentümer belastender wäre als eine Nutzung als "Ausstellungsraum". Zu Recht hat das Landgericht - vom Wortlaut ausgehend - angenommen, die Wohnungseigentumseinheit Nr. 6 könne als Ausstellungsraum oder als (Kunst-) Galerie genutzt werden. Das schließt - wohl auch nach Auffassung der Vorinstanzen - eine gewerbliche, mit Publikumsverkehr verbundene Nutzung ein. Zutreffend ist auch die Überlegung, dass Ausstellungsräume/Galerien - typischerweise - nur zu bestimmten Zeiten geöffnet sind und dass von ihnen, solange sie geschlossen bleiben, keinerlei Belästigungen ausgehen. Mit diesen Erwägungen sind indessen die möglichen mit dem Betrieb einer Ausstellung für die anderen Wohnungseigentümer verbundenen Belastungen nicht ausreichend beschrieben. Gerade bei Kunstausstellungen ist es üblich, regelmäßig Vernissagen zu veranstalten, um den ausstellenden Künstler und seine Werke einem interessierten Publikum bekannt zu machen. Dadurch würde hier nicht nur das Teileigentum des Beschwerdeführers, sondern auch der - nach Aktenlage dem Gemeinschaftseigentum zuzurechnende - Innenhof in besonderem Maße beansprucht. Berücksichtigt man ferner, dass derartige Veranstaltungen üblicherweise außerhalb normaler Arbeitszeiten stattfinden, also gerade dann, wenn die Wohnnutzer der Anlage Ruhe suchen und von dem gartenähnlich angelegten Innenhof ungestört Gebrauch machen wollen, sind Interessenkonflikte vorgezeichnet. Welches Ausmaß solche mit dem Betrieb einer Galerie verbundenen Belästigungen annehmen können, hängt vor allem von den örtlichen Verhältnissen, namentlich von der Größe der Räumlichkeiten ab. Feststellungen hierzu fehlen bislang. Das gleiche gilt für die Frage, ob nach den Verhältnissen vor Ort in der Teileigentumseinheit Nr. 6 (entweder im Ausstellungsraum selbst oder in den in der Teilungserklärung genannten Nebenräumen) auch ein kleines, dem Ausstellungsbetrieb dienendes Büro unterhalten werden könnte. Vor diesem Hintergrund lässt sich bislang nicht feststellen, dass eine Wohnnutzung der Teileigentumseinheit Nr. 6 tatsächlich zu größeren Belastungen für die übrigen Wohnungseigentümer führen würde als eine gewerbliche Nutzung des Sondereigentums als Ausstellungsraum und dass deshalb eine Wohnnutzung von der Teilungserklärung nicht mehr gedeckt ist. In diesem Zusammenhang kann auch dem Umstand Bedeutung zukommen, dass nach der Teilungserklärung fünf der sieben Einheiten Wohnzwecken gewidmet sind und - mangels gegenteiliger Feststellungen - davon auszugehen ist, dass sämtliche Wohnungseigentümer zur Mitbenutzung des Innenhofes befugt sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es verfehlt, (wie das Amtsgericht) darauf abzustellen, dass "der Innenhof als Ruhepunkt" gegenwärtig nur den Bewohnern zweier Wohneinheiten, insbesondere den Beteiligten zu 3, zugute kommt und deren Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt würden, wenn der Beschwerdeführer sein Sondereigentum als Wohnung nutzt. Dass der Gebrauch des Innenhofs zur Zeit einigen wenigen Bewohnern vorbehalten ist, beruht in erster Linie darauf, dass - im Widerspruch zur Teilungserklärung - in zwei als Wohnung beschriebenen Einheiten gewerbliche Zwecke (Musikschule und Büro einer Softwarefirma) verfolgt werden. Die dadurch geprägten derzeitigen Verhältnisse können keine tragfähige Grundlage für die Beantwortung der Frage bilden, ob eine Wohnnutzung des Teileigentums Nr. 6 durch den Beschwerdeführer andere Wohnungseigentümer in einem von der Teilungserklärung nicht mehr gedeckten Maße beeinträchtigen würde.

cc) Zu Unrecht beruft sich das Landgericht für seinen Standpunkt auf die Entscheidung des BayObLG vom 13.01.1994 (Der Wohnungseigentümer 1994, 153 f). Zwar heißt es dort, dass die Nutzung eines Teileigentums zu Wohnzwecken wegen der damit verbundenen intensiveren Nutzungsmöglichkeit regelmäßig störender als eine Nutzung zu anderen Zwecken sei, doch ist diese Aussage vor dem Hintergrund des damals zu beurteilenden Sachverhalts zu verstehen. Es ging um die Nutzung eines Dachgeschossraumes, der in der Teilungserklärung als "Teileigentum ... an der im Dachgeschoss gelegenen nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumlichkeit" beschrieben war. An einer positiven Zweckbestimmung, gar an einer solchen, die eine gewerbliche Nutzung erlaubt hätte, fehlte es. Bei einem solchen Sachverhalt wäre auch der Senat der Auffassung, dass eine Wohnnutzung, weil typischerweise intensiver als eine sonstige nichtgewerbliche Nutzung, von den übrigen Wohnungseigentümern nicht hingenommen werden müsste.

Ende der Entscheidung

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