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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 26.05.2000
Aktenzeichen: 11 Wx 48/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1748 Abs. 4 |
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 11. Zivilsenat
Karlsruhe, 26. Mai 2000
Ersetzung der Einwilligung zur Adoption
Beschluß
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse des Amtsgerichts vom und des Landgerichts vom aufgehoben.
Die Einwilligung des Vaters (Beteiligter zu 4) in die Annahme des Beteiligten zu 1 als Kind durch den Beteiligten zu 3 wird ersetzt.
2. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1 ist das am 25.02.1992 nichtehelich geborene Kind der Beteiligten zu 2. Er lebt seit seiner Geburt im gemeinsamen Haushalt seiner Mutter und des Beteiligten zu 3, die am 26.09.1994 die Ehe schlossen. Aus dieser Ehe ist am 23.05.1996 Sohn hervorgegangen.
Der Beteiligte zu 4 ist der nichteheliche Vater des Beteiligten zu 1. Er hat am 06.05.1992 gegenüber dem Jugendamt anerkannt, der Vater des Beteiligten zu 1 zu sein.
Der Beteiligte zu 3 hat als Stiefvater des Beteiligten zu 1 am 20.04.1995 beim Vormundschaftsgericht beantragt, die Annahme des Beteiligten zu 1 als Kind durch ihn, den Beteiligten zu 3, auszusprechen. Die Beteiligte zu 2, die die alleinige elterliche Sorge für den Beteiligten zu 1 inne hat, hat als dessen Vertreterin und als Ehegattin des Beteiligten zu 3 in die Adoption eingewilligt. Der nichteheliche Vater hat seine Einwilligung verweigert. Daraufhin hat die Mutter im Namen des Kindes beantragt, die Einwilligung des Vaters vormundschaftsgerichtlich zu ersetzen.
Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - hat den Antrag, die Einwilligung des Vaters zu ersetzen, durch Beschluß vom 22.09.1998 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Anzunehmenden ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Anzunehmende seinen Ersetzungsantrag weiter.
II.
Die weitere Beschwerde des Anzunehmenden ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts. Dem Antrag, die Einwilligung des Vaters zu ersetzen, ist stattzugeben.
1. Nach § 1748 Abs. 4 BGB ist in Fällen des § 1626 a Abs. 2 BGB die Einwilligung des Vaters vormundschaftsgerichtlich zu ersetzen, wenn das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
a) Es liegt ein Fall des § 1626 a Abs. 2 BGB vor. Die Kindesmutter hat die alleinige elterliche Sorge.
b) Auch die übrigen formellen Voraussetzungen - Antrag und Einwilligungen der übrigen Beteiligten - sind erfüllt.
c) Nach Auffassung des Senates würde das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanzen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Amts- und Landgericht haben zwar einen Nachteil für das Kind bei Unterbleiben der Annahme bejaht, aber die Auffassung vertreten, es fehle am Merkmal der Unverhältnismäßigkeit. Während das Amtsgericht die Unverhältnismäßigkeit des Nachteils verneint hat, weil auf seiten des Vaters kein Versagen im Sinne eines persönlichen Fehlverhaltens vorliege und daher bei der Abwägung von Kindeswohl und Interessen des Vaters eine Adoption nicht geboten erscheine, hat das Landgericht ausgeführt, unverhältnismäßig im Sinne von § 1748 Abs. 4 BGB seien nur solche Nachteile, die über das Maß der bei nichtehelichen Kindern in konfliktbeladenen Verhältnissen üblicherweise auftretenden Unzuträglichkeiten erheblich hinausgehen. Das sei hier nicht der Fall.
bb) Der Senat teilt diese Auslegungen nicht. Bei dem Tatbestandsmerkmal des "unverhältnismäßigen Nachteils" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung auf den festgestellten Sachverhalt im Verfahren der weiteren Beschwerde unbeschränkt nachprüfbar ist (BayObLG NJW-RR 1994, 903 unter II 2 c. bb. 2).
(1) Zu Unrecht mißt das Amtsgericht der Frage, ob dem Vater ein Fehlverhalten angelastet werden kann, Bedeutung zu. Daß die Ersetzung der Einwilligung des nichtehelichen Vaters kein Versagen oder einen sonstigen - auch unverschuldeten - Eignungsmangel auf dessen Seite voraussetzt, ergibt sich schon zwingend im Wege des Umkehrschlusses aus den Absätzen 1 - 3 des § 1748 BGB. Nach diesen Bestimmungen erfordert die Einwilligungsersetzung - neben einer am Kindeswohl orientierten Interessenabwägung - ein Fehlverhalten oder ein anderes Defizit in der Person des Elternteils, dessen Einwilligung ersetzt werden soll. Hierauf wurde bei der Schaffung von § 1748 Abs. 4 BGB bewußt verzichtet. Im Interesse des Schutzbedürfnisses der Kindesmutter sollte das Vormundschaftsgericht die Einwilligung des nichtehelichen Vaters "bereits immer dann ersetzen dürfen, wenn das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde" (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 13/4899 S. 71). Jegliche Bezugnahme auf ein Fehlverhalten oder eine Erziehungsunfähigkeit des betroffenen Vaters als Voraussetzung für die Ersetzung seiner Einwilligung wurde bewußt vermieden (vgl. Gegenäußerung Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates, BT-Drs. 13/4899 S. 170).
(2) Auch der vom Landgericht vertretenen Ansicht, ein unverhältnismäßiger Nachteil sei nur anzunehmen, wenn der Nachteil für das Kind das Maß dessen überschreite, was üblicherweise nichtehelichen Kindern in konfliktbeladenen Verhältnissen zugemutet werde, tritt der Senat nicht bei. Zwar mag eine solche Auslegung bei bloßer Orientierung am Wortlaut der Norm naheliegen, doch widerspricht sie eindeutig der Gesetzgebungsgeschichte. Sie würde im übrigen dazu führen, daß der nichteheliche Vater durch sein Veto eine Adoption verhindern könnte, obgleich auf seiner Seite keine wesentlichen Belange zu berücksichtigen sind und das Unterbleiben der Annahme für das Kind einen zwar gewichtigen, aber das "Normalmaß" nicht übersteigenden Nachteil darstellen würde. Diese Konsequenz der Beteiligung des nichtehelichen Vaters am Adoptionsverfahren wollte der Gesetzgeber aber gerade verhindern. Der Bundesrat hat sie als Gefahr gesehen und wollte ihr durch einen Änderungsvorschlag begegnen, wonach die Ersetzung der Einwilligung des Vaters auch dann möglich sein sollte, wenn "der Annahme überwiegende Belange des Vaters nicht entgegenstehen" (BT-Drs. 13/4899 S. 157). Die Bundesregierung ist dem zwar nicht gefolgt, so daß die ursprüngliche Fassung Gesetz geworden ist, doch kann daraus nicht geschlossen werden, sie habe - anders als der Bundesrat - der Stellung des nichtehelichen Vaters größeres Gewicht geben wollen. Sie hat vielmehr in ihrer Gegenäußerung die Auffassung vertreten, "das in § 1748 Abs. 4 BGB-E vorgesehene Verhältnismäßigkeitskriterium (ermögliche) es in umfassender Weise, sowohl die Belange des Kindes als auch die des Vaters und darüber hinaus auch das Fehlen solcher Belange zu berücksichtigen".
Weiter heißt es in der Gegenäußerung der Bundesregierung:
"Eine am Kindeswohl ausgerichtete Interpretation unterstützt der Entwurf dabei dadurch, daß er in § 1748 Abs. 4 BGB-E - anders als in § 1748 Abs. 1 und 3 BGB - jegliche Bezugnahme auf ein Fehlverhalten oder auf eine Erziehungsunfähigkeit des betroffenen Vaters als Voraussetzung für die Ersetzung seiner Einwilligung in die Adoption vermeidet. Deshalb lassen sich bisherige Deutungen des Verhältnismäßigkeitskriteriums im Rahmen des § 1748 Abs. 1 BGB auf den Tatbestand des neuen § 1748 Abs. 4 BGB-E nicht übertragen. Das vom Bundesrat für § 1748 Abs. 4 BGB-E vorgeschlagene alternative Tatbestandsmerkmal des Fehlens überwiegender Belange des Vaters müßte dagegen an ein wie auch immer zu bestimmendes Fehlverhalten des Vaters oder an ein sonstiges Defizit seiner Beziehung zum Kind anknüpfen und könnte gerade dadurch - genau im Gegensatz zu der mit dem Vorschlag des Bundesrates verfolgten Zielsetzung - zu einer Wiederannäherung der Interpretation des § 1748 Abs. 4 BGB-E an die des - strenger gefaßten - Tatbestands des § 1748 Abs. 1 BGB führen."
(3) Für den Senat folgt daraus, daß ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne von § 1748 Abs. 4 BGB immer schon dann gegeben ist, wenn das Unterbleiben der Adoption für das Kind nachteilig ist und wenn die Abwägung der Interessen des Kindes und des Vaters zu dem Ergebnis führt, daß das Interesse des Kindes am Ausspruch der Adoption überwiegt (in diesem Sinne auch: Maurer in FamRefK, § 1748 Rdn. 5 a. E.). Diese Auslegung läßt sich mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren. Sie wird im übrigen bestätigt, wenn man den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 07.03.1995 (BVerfGE 92, 158), der Anlaß für die Einfügung von § 1748 Abs. 4 BGB war, in den Blick nimmt. In der genannten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht erstmals die Frage bejaht, ob Väter nichtehelicher Kinder Träger des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind. Vor diesem Hintergrund hat es eine Grundrechtsverletzung darin gesehen, daß für die Adoption des nichteheliches Kindes weder die Einwilligung des Vaters noch eine Abwägung mit dessen Interessen vorgesehen war. Es hat - speziell für die hier vorliegende Stiefkindadoption - ausgeführt, daß es zur Wahrung des Kindeswohls ausreichen würde, wenn die Adoption durch den Ehemann der Mutter nur in den Fällen ermöglicht würde, in denen die Abwägung mit den Belangen des Vaters ergibt, daß das Interesse des Kindes am Ausspruch der Adoption überwiegt (BVerfGE a.a.O., S. 182). Die Nichtbeteiligung des nichtehelichen Vaters am Adoptionsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht vor allem in den Fällen für verfassungsrechtlich problematisch gehalten, in denen durch die Adoption eine bestehende Vater-Kind-Beziehung zerstört und dem Kindesvater durch die Adoption die rechtliche Möglichkeit genommen wird, eine Umgangsregelung zu beantragen und eine persönliche Beziehung zu seinem Kind aufrechtzuerhalten oder wiederzubeleben (BVerfGE a.a.O., S. 179). Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb dem Gesetzgeber aufgegeben, die Rechtslage mit der Verfassung in Einklang zu bringen und ihm dafür einen Zeitraum bis zum Ende der 13. Legislaturperiode gewährt (BVerfGE a.a.O., S. 186/187). Mit der Einfügung von § 1748 Abs. 4 BGB hat der Gesetzgeber diesen Auftrag erfüllt. Anhaltspunkte dafür, daß er dem nichtehelichen Vater eine stärkere Rechtsstellung geben wollte, als dies vom Bundesverfassungsgericht gefordert war, sind nicht gegeben.
cc) Nach dem von den Vorinstanzen festgestellten - und im übrigen auch weitgehend unstreitigen - Sachverhalt würde das Unterbleiben der Annahme für den Beteiligten zu 1 einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellen.
Das Landgericht hat - sachverständig beraten - einen Nachteil für das Kind darin gesehen, daß bei Unterbleiben der Adoption die Verwandtschaftsbeziehung zwischen dem Kind und seinem nichtehelichen Vater bestehen bleibt mit der Folge, daß dieser nach § 1684 Abs. 1 BGB zum Umgang mit dem Kind berechtigt ist. Ein derartiges Umgangsrecht würde - so das Landgericht - den Beteiligten zu 1 aus seiner bisher selbstverständlichen Rolle innerhalb der Familie herausreißen und damit konfrontieren, daß nicht der Beteiligte zu 3, sondern der Beteiligte zu 4 sein Vater ist. Der besondere Nachteil liege darin, daß dies erst im Alter von acht Jahren und zudem noch völlig unvermittelt, plötzlich geschehe. Eine weitere Gefahr sieht das Landgericht - in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen - darin, daß der Beteiligte zu 1 in die Konflikte seiner leiblichen Eltern hineingezogen werden könnte.
Diese rechtsfehlerfrei getroffenen und deshalb für den Senat bindenden ( 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO) tatrichterlichen Feststellungen tragen die rechtliche Schlußfolgerung, das Unterbleiben der Adoption stelle für den Beteiligten zu 1 einen Nachteil dar.
Dieser Nachteil ist auch unverhältnismäßig, weil die Abwägung der Interessen des Kindes mit denen des Vaters dazu führt, daß die Belange des Kindes überwiegen. Das beruht hier vor allem darauf, daß in die Abwägung keine Belange des Vaters von Gewicht einzubeziehen sind. Eine Vater-Kind-Beziehung besteht nicht. Der Beteiligte zu 4 hat zu dem Kind lediglich zweimal in den ersten Lebensmonaten Kontakt gehabt. Er hat sich von der Kindesmutter bereits zu Beginn der Schwangerschaft getrennt, nachdem er - wie er bei seiner Anhörung vor dem Amtsgericht angegeben hat - mit dieser "vollständig zerstritten" war. Er habe das Kind nicht gewollt, weil er eine andere Lebensplanung gehabt habe. Noch während der Schwangerschaft habe er die Trennung von der Mutter endgültig vollzogen. Diese hat sich dann bereits während der Schwangerschaft ihrem jetzigen Ehemann zugewandt und nach der Entbindung - abgesehen von den beiden Kurzbesuchen während der ersten Lebensmonate des Kindes - jeden weiteren Kontakt zwischen dem Beteiligten zu 4 und dem Kind unterbunden. Das Kind ist seit seiner Geburt in der Lebensgemeinschaft der Beteiligten zu 2 und 3 aufgewachsen und lebt zusammen mit seinem Halbbruder in Verhältnissen, die einer leiblichen Eltern-Kind-Beziehung völlig entsprechen. Berücksichtigt man zum einen, daß sich die Beziehung des Beteiligten zu 4 zu seinem nichtehelichen Sohn inzwischen auf das rechtliche Band der Verwandtschaft beschränkt, und zum anderen, daß er für diesen Zustand maßgeblich mitverantwortlich ist, weil er sich von der Kindesmutter noch während der Schwangerschaft endgültig getrennt hat, sind auf seiner Seite keine Belange erkennbar, die das Interesse des Kindes, die oben dargestellten Nachteile zu vermeiden und die bestehende tatsächliche Situation rechtlich abzusichern, überwiegen.
2. Nach alledem können die Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts keinen Bestand haben. Da der Sachverhalt keiner weiteren Aufklärung bedarf (vgl. § 12 FGG), kann der Senat abschließend entscheiden und die von dem Beteiligten zu 1 beantragte Ersetzung der Einwilligung des Beteiligten zu 4 aussprechen.
Ende der Entscheidung
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