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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 05.12.2002
Aktenzeichen: 11 Wx 6/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
WEG § 28 Abs. 1
WEG § 28 Abs. 3
1. Der Wohnungseigentümer kann grundsätzlich auch einen Beschluss anfechten, dem er in der Eigentümerversammlung selbst zugestimmt hat.

2. Zu den Anforderungen an die Aufgliederung der Kostenposition "Hausmeister/Putzhilfe" in der Jahresabrechnung und im Wirtschaftsplan.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

11 Wx 6/02

Karlsruhe, 5. Dezember 2002

In Sachen

wegen: Ungültigerklärung von Versamm- lungsbeschlüssen

hier: sofortige weitere Beschwerde

Beschluss

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 8. Januar 2002 - 11 T 563/00 - wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen und dem Antragsteller die ihm im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert wird für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde auf € 4.600 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage B. in Karlsruhe. Der Antragsteller ist Eigentümer der Wohnung Nr. 47. Die Antragsgegner sind die übrigen Wohnungseigentümer.

In der Eigentümerversammlung vom 24. Mai 2000 wurden u.a. folgende Beschlüsse gefasst:

TOP 4: Abrechnung und Rechnungslegung für das Wirtschaftsjahr 1998/99

TOP 5: Beschluss über den Wirtschaftsplan 1999/2000.

Die Rechnungslegung für das Wirtschaftsjahr wurde mehrheitlich, gegen die Stimmen des Antragstellers, gebilligt. Der Wirtschaftsplan 1999/2000 wurde einstimmig beschlossen.

Der Antragsteller hat die Beschlüsse der Eigentümerversammlung zu TOP 4 bis 7 angefochten. Er beanstandet hinsichtlich der TOP 4 und 5 jeweils die Abrechnungs - bzw. Kostenposition "Hausmeister/Putzhilfe". Unter dieser Position waren in der Abrechnung für 1998/99 DM 21.931,35 ausgewiesen, im Vorschlag für den Wirtschaftsplan 1999/2000 DM 23.500,-. Der Antragsteller meint, die in diese Position eingestellten Kosten müssten weiter aufgegliedert werden. Es müsse ersichtlich sein, welche Personen Bezüge in welcher Höhe erhielten.

Das Amtsgericht hat den Antrag in vollem Umfang zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht die Beschlüsse zu TOP 4 und 5 hinsichtlich der Abrechnungs- bzw. Kostenposition "Hausmeister/Putzhilfen" für ungültig erklärt. Im übrigen wurde das Rechtsmittel des Antragstellers zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Antragsgegner mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Zu Recht hat das Landgericht ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers auch hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 5 bejaht. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht grundsätzlich auch für den Eigentümer, der dem angefochtenen Beschluss zugestimmt hat (BayObLG, ZMR 1994, 279, 280; BayObLG NJW-RR 1997, 715, 717; OLG Hamm, NJW-RR 1997 970; Staudinger-Wenzel, Vorbem. zu §§ 43ff. WEG, Rdn. 64; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Auflage, § 43 Rdn. 102, jeweils m.w.N.). Denn das Anfechtungsrecht dient nicht allein dem persönlichen Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers oder dem Minderheitenschutz, sondern auch dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verwaltung.

Eine Anfechtungsbefugnis des Wohnungseigentümers besteht allerdings nicht, wenn die Gültigkeit des Beschlusses nur wegen eines Verfahrensmangels in Frage gestellt wird und der Antragsteller dem Beschluss zugestimmt hatte, obwohl ihm der Verfahrensmangel schon in der Versammlung bekannt war. Ficht der Wohnungseigentümer in einem solchen Fall den Beschluss an, setzt er sich mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch. Die Geltendmachung des Anfechtungsrechts ist dann als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig anzusehen (BayObLGZ 1992, 79, 83; BayObLG NJW-RR 1988, 1168; OLG Düsseldorf, DWE 1989, 28).

Um einen solchen Fall des Rechtsmissbrauchs handelte es sich auch in dem der Entscheidung des OLG Köln vom 27.1.1992 (DWE 1992, 165) zugrundeliegenden Sachverhalt, weswegen eine Vorlage der weiteren Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 FGG an den Bundesgerichtshof nicht geboten ist. In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob sich die Anzahl der Stimmen in der Wohnungseigentümerversammlung dadurch geändert hatte, dass durch eine Neuaufteilung aus ursprünglich drei von sieben Wohnungseigentumseinheiten vier solcher Einheiten entstanden waren. Die dortigen Antragsteller, Eigentümer der vier neuen Miteigentumsanteile, die für sich nicht nur drei, sondern vier Stimmrechte beanspruchten, hatten in einer nach der Neuaufteilung stattfindenden Eigentümerversammlung der Beschlussfassung in einigen Fällen zugestimmt, in anderen dagegen nicht. Trotzdem hatten sie sämtliche Beschlüsse angefochten. Da die Anfechtung - soweit aus dem in der Veröffentlichung der Entscheidung mitgeteilten Sachverhalt ersichtlich - allein auf die nach ihrer Auffassung unzutreffende Beurteilung der Zahl der Stimmen gestützt war, war die Anfechtung rechtsmissbräuchlich, soweit sie sich gegen Beschlüsse richtete, denen die Antragsteller selbst zugestimmt hatten.

Im hier zu entscheidenden Fall ist das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen. Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschlussanfechtung gegen die inhaltliche Richtigkeit der Jahresabrechnung 1998/99 und des Wirtschaftsplans 1999/2000. Insoweit geht es um eine Frage der ordnungsgemäßen Verwaltung.

2. Das Landgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 24. Mai 2000 zu TOP 4 und 5 ungültig sind, soweit sie die Abrechnungs- bzw. Kostenposition "Hausmeister/Putzhilfe" betreffen.

a) Nach § 28 Abs. 3 WEG hat der Verwalter nach Ablauf des Wirtschaftsjahres eine Abrechnung aufzustellen. Diese dient unter anderem der Kontrolle der Wirtschaftsführung des Verwalters. Die Anforderungen an die Abrechnung ergeben sich mangels besonderer gesetzlicher Regelungen im WEG aus § 259 Abs. 1 BGB (Merle a.a.O., § 28 Rdn. 51). Die Jahresabrechnung muss eine geordnete und übersichtliche Aufstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben enthalten. Diese sind dabei soweit aufzuschlüsseln, dass sich ihre Berechtigung durch die einzelnen Wohnungseigentümer ohne besondere Fachkenntnisse überprüfen lässt. Inwieweit dabei Einzelpositionen zusammengefasst werden können, ist eine Frage des Einzelfalls (Staudinger-Bub, WEG, § 28 Rdn. 380). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich ein Auskunftsrecht gegen den Verwalter zusteht (vgl. Staudinger-Bub, WEG, § 28 Rdn. 581ff) und der einzelne Wohnungseigentümer ein Recht auf Einsicht in sämtliche Verwaltungsunterlagen durchsetzen kann (vgl. Staudinger-Bub, WEG, § 28 Rdn. 607ff), welchem datenschutzrechtliche Belange nicht entgegenstehen (Staudinger-Bub, WEG, § 28 Rdn. 615; Merle a.a.O., § 28 Rdn. 85). Aufgrund dieser ergänzenden Rechte der Wohnungseigentümer dürfen an die Aufgliederung der Gesamtjahresabrechnung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.

Die von der Verwalterin hier zu TOP 4 vorgelegte Gesamtjahresabrechnung genügt jedoch auch den solchermaßen begrenzten Anforderungen nicht. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts beschäftigt die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht nur eine Person, sondern mehrere. In der Gesamtjahresabrechnung hätten daher die Ausgaben zumindest getrennt nach den einzelnen beschäftigten Personen unter Angabe der Namen aufgegliedert werden müssen. Erst eine solche Aufgliederung vermittelt dem Wohnungseigentümer die Information, wer von dem Verwalter beschäftigt wird und für welche Leistungen der Betreffende welches Entgelt erhält. Der Antragsteller muss sich insoweit nicht auf sein Einsichtsrecht verweisen lassen, zumal nicht erkennbar ist, dass diese Aufgliederung der Position dem Verwalter irgendwelche Schwierigkeiten bereiten könnte. Solche haben die Antragsgegner in der Beschwerdebegründung auch nicht aufgezeigt. Das geleistete Entgelt ist im Verhältnis zu den gesamten Ausgaben der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht so gering, dass das Verlangen nach einer Aufgliederung als unangemessen erscheinen könnte.

Die Berufung der Antragsgegner auf eine Kontrolle der Gesamtjahresabrechnung durch den Verwaltungsbeirat greift nicht durch. Zwar gewährt § 29 Abs. 3 WEG diesem ein Kontrollrecht, doch führt dies nicht zu einem Verlust oder zu einer Beschränkung des Kontrollrechts des einzelnen Wohnungseigentümers (Merle a.a.O., § 28 Rdn. 83).

b) Für den Wirtschaftsplan gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Auch hier bestimmt sich die Frage, in welchem Maße geplante Ausgaben aufgegliedert werden müssen oder zusammengefasst werden können, nach den Umständen des Einzelfalles (Staudinger-Bub, WEG, § 28 Rdn. 124), wobei insbesondere die Höhe der Ausgaben und der mit der Aufgliederung verbundene Aufwand zu berücksichtigen sind. Auch insoweit hätte die Kostenposition "Hausmeister/Putzhilfe", wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, zumindest getrennt nach den einzelnen beschäftigten Personen unter Angabe des Namens und der zu jeweils geplanten Vergütung aufgegliedert werden müssen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Dabei entsprach es billigem Ermessen, die Antragsgegner auch mit den außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu belasten, nachdem sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz ohne Erfolg geblieben sind.

Der Geschäftswert war nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung festzusetzen (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG). Zu seiner Bemessung wurde der Betrag der beanstandeten Kostenposition in der Gesamtjahresabrechnung und im Wirtschaftsplan mit jeweils rund 1/5 (€ 2.300) berücksichtigt.

Ende der Entscheidung

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