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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 31.05.2000
Aktenzeichen: 11 Wx 96/99
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 10 Abs. 2 | |
WEG § 10 Abs. 3 | |
WEG § 23 Abs. 4 S. 2 |
2. Dies kann grundsätzlich auch dann durch Mehrheitsbeschluss geschehen, wenn der erste Beschluss einstimmig gefasst wurde.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 11. Zivilsenat
11 Wx 96/99 7 T 3/99 LG 25 UR 169/96 AG
Karlsruhe, den 31. Mai 2000
In der Wohnungseigentumssache
wegen Beschlußanfechtung
Beschluß
Tenor:
1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners zu 1 werden der Beschluß des Landgerichts vom 26. Juli 1999 - 7 T 3199 - sowie der Beschluß des Amtsgerichts vom 29. Januar 1999 - 25 UR 169196 -, soweit er die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 23.11.1996 zu TOP 3 und vom 19.04.1997 zu TOP 3 für ungültig erklärt hat, aufgehoben.
2. Die Anträge der Antragsteller, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 23.11.1996 zu TOP 3 und vom 19.04.1997 zu TOP 3 für ungültig zu erklären, werden zurückgewiesen.
3. Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten aller drei Instanzen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 12.500 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft x, Antragsteller und Antragsgegner zu 1 streiten um die Gültigkeit zweier Beschlüsse der Wohnungseigentümer, die jeweils unter dem Tagesordnungspunkt 3 in den Eigentümerversammlungen vom 23.11.1996 und 19.04.1997 gefaßt wurden und den Kostenverteilungsschlüssel betreffen.
Nach § 11 der Teilungserklärung tragen die Wohnungseigentümer die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums "nach dem Verhältnis der Wohnfläche bzw. Nutzfläche des ihnen zugeordneten Wohnungseigentums bzw. Teileigentums" (AS. 51). In der Eigentümerversammlung vom 14.10.1987 beschloß die Gemeinschaft, der der Antragsgegner zu 1 damals noch nicht angehörte, entsprechend den Miteigentumsanteilen der Mitglieder den Verteilerschlüssel für die gemeinschaftlichen Kosten für die Zukunft festzusetzen.
Der Beschluß wurde einstimmig gefaßt, wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob an der Versammlung alle Eigentümer teilgenommen haben. Er wurde nicht angefochten.
Am 23.11.1996 beschloß die Eigentümergemeinschaft mit 2:1 Stimmen bei 3 Enthaltungen: "Der Umlagenschlüssel wird gemäß der Teilungserklärung nach dem Wohn- bzw. Nutzflächenverhältnis bestimmt." In der Versammlung vom 19.04.1997 beschloß die Eigentümerversammlung unter TOP 3: "Der Beschluß vom 23.11.1996 TOP 3 soll dahingehend konkretisiert werden, daß der neue Verteilerschlüssel, wie es die Teilungserklärung vorschreibt, nach den Wohn- bzw. Nutzflächenverhältnissen festzulegen war." Die Antragsteller haben diese beiden Beschlüsse angefochten. Amts- und Landgericht haben die unter TOP 3 gefaßten Beschlüsse vom 23.11.1996 und 19.04.1997 für ungültig erklärt. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners zu 1.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners zu 1 ist zulässig und begründet. Sie führt zur Abweisung der Anträge der Antragsteller, soweit sie nicht schon durch den Beschluß des Amtsgerichts - rechtskräftig - zurückgewiesen worden sind.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Verteilung der Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums bestimme sich nach dem in der Eigentümerversammlung vom 14.10.1987 gefaßten Beschluß, der die in § 11 der Teilungserklärung vereinbarte Regelung wirksam abgeändert habe. Zwar handele es sich bei diesem Beschluß nicht um eine - eigentlich erforderliche Vereinbarung. Der Beschluß sei jedoch bestandskräftig geworden und habe damit eine vereinbarungsersetzende Wirkung erlangt. Er binde auch ohne Eintragung im Grundbuch Sondernachfolger, die erst danach Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft geworden sind. Da dem Beschluß vom 14.10.1987 durch seine Bestandskraft die Qualität einer Vereinbarung zukomme, könne er grundsätzlich nur durch eine neuerliche Vereinbarung der Wohnungseigentümer aufgehoben werden. Die Mehrheitsbeschlüsse vom 23.11.1996 und 19.04.1997, die auf eine Aufhebung des Beschlusses vom 14.10.1987 abzielten, seien daher für ungültig zu erklären.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Ohne Erfolg wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Ansicht der angefochtenen Entscheidung, daß der Eigentümerbeschluß vom 14.10.1987 den Kostenverteilungsschlüssel der Teilungserklärung wirksam abgeändert und auch ihn als später eingetretenes Mitglied der Eigentümergemeinschaft gebunden hat.
Bei der in § 11 der Teilungserklärung enthaltenen Regelung über die Kostenverteilung in der Gemeinschaft handelt es sich um eine Vereinbarung der Eigentümer, die - weil die Teilungserklärung die Möglichkeit einer Änderung durch Mehrheitsbeschluß nicht vorsieht grundsätzlich nur durch eine weitere Vereinbarung aller Eigentümer geändert werden kann. Eine solche Änderungsvereinbarung entfaltet gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nur dann Wirkung, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen ist (§ 10 Abs. 2 WEG). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist jedoch ein Beschluß der Wohnungseigentümer, der nicht innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG angefochten und damit bestandskräftig wird, auch dann für die Gemeinschaft verbindlich, wenn es eigentlich einer Vereinbarung bedarf; ein solcher Beschluß kann zu einer wirksamen Änderung des in der Teilungserklärung vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels führen (BGHZ 127, 99, 102 ff.). Da ein solcher Beschluß nicht in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift, wirkt er gemäß § 10 Abs. 3 WEG auch ohne Eintragung im Grundbuch für und gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers (BGHZ 127, 99, 104 f.; BGHZ 129, 329, 332).
Da der Eigentümerbeschluß vom 14.10.1987 nicht angefochten wurde, wurde er für die Kostenverteilung der Gemeinschaft verbindlich. Diese Bindungswirkung entfiel auch nicht durch den Eintritt des Antragsgegners zu 1 in die Gemeinschaft. Schließlich kann der Antragsgegner zu 1, der die Mehrheitsbeschlüsse vom 23.11.1996 und 19.04.1997 verteidigt, die in Abweichung vom Beschluß vom 14.10.1987 zur Regelung der Teilungserklärung zurückkehren, nicht damit gehört werden, die in diesem bestandskräftigen Beschluß vom 14.10.1987 enthaltene Regelung der Kostenverteilung sei grob unbillig, weshalb die in den späteren Versammlungen vom 23.11.1996 und 19.04.1997 überstimmten Antragsteller nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet seien, der dort mehrheitlich beschlossenen Kostenverteilung zustimmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann selbst dann, wenn ein solcher Mitwirkungsanspruch bestehen sollte, dieser im Verfahren der Beschlußanfechtung nicht im Wege der Einrede geltend gemacht werden (BGHZ 130, 304, 313).
b) Nicht gefolgt werden kann der angefochtenen Entscheidung in der Annahme, der Beschluß der Eigentümergemeinschaft vom 14.10.1987 könne, weil er vereinbarungsersetzende Wirkung habe, grundsätzlich nur durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer aufgehoben werden. Obergerichtliche Rechtsprechung und Literatur sind sich vielmehr einig, daß einem bestandskräftigen Eigentümerbeschluß eine solche weitreichende Wirkung nicht zukommt. Er kann vielmehr trotz seines "vereinbarungsersetzenden" Charakters grundsätzlich durch einen erneuten Beschluß der Eigentümergemeinschaft geändert werden (KG ZfIR 1998, 423, 424; KG WuM 1996, 647; Staudinger/Kreuzer, BGB, 12. Aufl., § 10 WEG Rdnr. 60; Röll in MünchKomm. zum BGB, 3. Aufl., § 23 WEG Rdnr. 23; Palandt/Bassenge, BGB, 59. Aufl., § 10 WEG Rdnr. 19), sofern dieser nicht eine erneute Abweichung von den Vereinbarungen der Gemeinschaft beinhaltet (zutreffend Palandt/Bassenge, a.a.O.), was bei einer Aufhebung des "vereinbarungsersetzenden" Beschlusses und einer Rückkehr zur Regelung der Teilungserklärung nicht der Fall ist. Die Entscheidung des BayObLGZ 1996, 256 steht dem nicht entgegen: Sie wendet sich lediglich gegen die in der Literatur zum Teil vertretene Ansicht (vgl. z.B. Hauger, WE 1993, 231, 234), ein bestandskräftiger Eigentümerbeschluß "überlagere" die Vereinbarungen der Eigentümergemeinschaft und gebe jedem Mitglied gemäß § 21 Abs. 4 WEG den Anspruch, die Zustimmung zu seiner Aufhebung zu verlangen. Die Aufhebung durch einen Beschluß der Eigentümergemeinschaft ist jedoch auch dann möglich, wenn man dieser Ansicht nicht folgt (Demharter, MittBayNot 1996, 417, 419).
Nach Auffassung des Senates ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der "vereinbarungsersetzende" Beschluß der Gemeinschaft vom 14.10.1987 mit den Stimmen aller Wohnungseigentümer gefaßt wurde, wie die Antragsteller behaupten, der Antragsgegner zu 1 jedoch bestreitet. Er kann vielmehr auch dann durch einen mehrheitlich gefaßten Beschluß wieder aufgehoben werden. Die Anerkennung der grundsätzlichen Bindungswirkung vereinbarungswidriger, aber bestandskräftiger Eigentümerbeschlüsse stützt sich maßgeblich auf Bedürfnisse der Praktikabilität und Rechtssicherheit (BGHZ 127, 99, 103 ff.). Diese Bedürfnisse erfordern es nicht, eine Regelung, die in der Form eines Beschlusses getroffen (vgl. Staudinger/Kreuzer, § 10 WEG Rdnr. 49) und nicht in das Grundbuch eingetragen wurde, über § 10 Abs. 3 WEG hinaus und in Abweichung von § 10 Abs. 2 WEG die volle Wirkung einer im Grundbuch eingetragenen Vereinbarung zuzumessen, die nur durch eine erneute Vereinbarung aller Eigentümer wieder aufgehoben werden kann. Im übrigen wäre es kaum praktikabel, den Eigentümern, die einen früheren "vereinbarungsersetzenden" Beschluß mehrheitlich aufheben wollen, die Überprüfung aufzugeben, ob dieser - unter Umständen Jahrzehnte zurückliegende - Beschluß nicht nur mit den Stimmen aller Anwesenden, sondern auch in Anwesenheit aller damaligen Wohnungseigentümer gefaßt wurde, zumal das Versammlungsprotokoll hierüber nicht immer Auskunft gewährt.
Die angefochtenen Beschlüsse wurden mit Mehrheit gefaßt. Dies gilt, da Stimmenthaltungen bei der Ermittlung der Mehrheit nicht mitzuzählen sind (BGHZ 106, 179), auch für den Beschluß vom 25.11.1996. Mit ihnen kehrt die Gemeinschaft unter Aufhebung des Beschlusses vom 14.10.1987 zu der in § 11 der Teilungserklärung vorgesehenen Kostenverteilung nach dem Verhältnis der jeweiligen Wohn- bzw. Nutzflächen zurück. Sie verstoßen damit weder gegen die Teilungserklärung noch gegen die Bindungswirkung des Beschlusses vom 14.10.1987. Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, daß die laut Protokoll vom 19.04.1997 vom Antragsgegner zu 1 im Rahmen der Diskussion genannten Quadratmeter- und Prozentzahlen, deren Richtigkeit von den Antragstellern bestritten wird, nicht Gegenstand der Abstimmung und Beschlußfassung geworden sind.
Ende der Entscheidung
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