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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 13.12.2001
Aktenzeichen: 12 U 116/01
Rechtsgebiete: ABBR 1989


Vorschriften:

ABBR 1989 § 4 Ziff. 2
ABBR 1989 § 4 Ziff. 3
1. Nach § 4 Ziff. 2 ABBR 1989 sind nicht alle vom Versicherer aufgewandten Beträge vom Versicherten zu erstatten, sondern lediglich solche, die auf eine bestehende Schuld ("verauslagt") wegen tatsächlich angefallener Gerichts- Anwalts- und Dolmetscherkosten entrichtet wurden.

2. Gem. § 4 Abs. 3 ABBR 1989 hat der Versicherte nur zurück zu zahlen, was ihm aus der vom Versicherer zur Verfügung gestellten Summe auch zugeflossen ist . Das Verlustrisiko trägt der Versicherer.


Oberlandesgericht Karlsruhe

Tatbestand:

Im Dezember 1995 erlitt der Beklagte auf Kuba einen Unfall, in dessen Folge gegen ihn Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet wurden und die bei ihm zu einem Verlust von Reisezahlungsmitteln führten. Mit der Klägerin bestand ein Reiseversicherungsverhältnis , dem die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Beistandsleistungen auf Reisen und Rücktransportskosten (ABBR 1989) zugrunde lagen.

§ 4 Ziff. 2 ABBR 1989 sieht vor:

Wird die versicherte Person verhaftet oder mit Haft bedroht, ist der Versicherer bei der Beschaffung eines Anwalts und eines Dolmetschers behilflich. In diesem Zusammenhang anfallende Gerichts- Anwalts- und Dolmetscherkosten verauslagt der Versicherer bis zu einem Gegenwert von DM 5.000,00... Die versicherte Person hat die verauslagten Beträge unverzüglich nach Erstattung durch die Behörde oder das Gericht, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach Auszahlung, dem Versicherer zurückzuzahlen.

In § 4 Ziff. 3 ABBR 1989 wird bestimmt:

Gerät die versicherte Person durch den Verlust ihrer Reisezahlungsmittel aufgrund von Diebstahl, Raub oder sonstigem Abhandenkommen in eine finanzielle Notlage, stellt der Versicherer den Kontakt zur Hausbank der versicherten Person her. Sofern erforderlich, ist der Versicherer bei der Übermittlung eines von der Hausbank zur Verfügung gestellten Betrages an die versicherte Person behilflich. Ist eine Kontaktaufnahme zur Hausbank binnen 24 Stunden nicht möglich, stellt der Versicherer der versicherten Person einen Betrag bis zu DM 3.000,00 zur Verfügung. Dieser ist binnen eines Monats nach dem Ende der Reise in einer Summe an den Versicherer zurückzuzahlen.

Die Klägerin begehrt nun Erstattung von Anwalts- und Dolmetscherkosten sowie Rückzahlung eines zur Verfügung gestellten Betrages. Der Beklagte bestreitet, dass solche Kosten angefallen sind und will den Geldbetrag nicht erhalten haben.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg.

Gründe:

Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe in Höhe von DM 14.149,73 Beistandsleistungen erbracht. Auf einen "Zugang" dieser Beträge komme es ebenso wenig an wie auf die Qualifikation der eingeschalteten Hilfspersonen. Der Versicherungsnehmer sei analog § 670 BGB verpflichtet, dem Versicherer seinen Aufwand zu ersetzen. Diese Rechtsauffassung steht mit den vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht im Einklang.

II.

Bereits aus dem Wortlaut von § 4 Nr. 2 ABBR 1989 folgt, dass im Falle von Strafverfolgungsmaßnahmen der Versicherer zu unterschiedlichen Leistungen verpflichtet ist. Zum einen hat er bei der Beschaffung eines Anwalts und eines Dolmetschers behilflich zu sein. Diese Mühewaltung ist seine geschuldete Leistung. Der Versicherer hat sie auf eigene Kosten und Rechnung zu erbringen. Der damit verbundene Aufwand kann dem Versicherungsnehmer nicht in Rechnung gestellt werden. Als weitere Leistung des Versicherers sieht § 4 Nr. 2 ABBR 1989 vor, dass der Versicherer in diesem Zusammenhang bestimmte anfallende Kosten verauslagt. Bei richtigem Verständnis der Bestimmung ist somit davon auszugehen, dass nicht alle aufgewandten Beträge vom Versicherten zu erstatten sind, sondern lediglich solche, die auf eine bestehende Schuld ("verauslagt") wegen tatsächlich angefallener Gerichts- Anwalts- und Dolmetscherkosten entrichtet wurden.

1. Nach diesem Verständnis von § 4 Ziff. 2 ABBR 1989 kann die Klägerin lediglich Erstattung der geltend gemachten Anwaltskosten in Höhe von $ 3.200,00 (DM 4.672,00) verlangen. Wie die Klägerin unbestritten vorträgt, ist in Kuba die Vertretung von Ausländern nur ausgewählten kubanischen Anwälten gestattet, die besonderen Kanzleiorganisationen angehören. Die Bezahlung der Anwälte erfolgt in einheimischer Währung und wird vom kubanischen Staat übernommen. Die Mandatsabrechnung im Außenverhältnis erfolgt dagegen in Devisenwährung durch den kubanischen Staat, der dabei durch die jeweilige Kanzleiorganisation vertreten wird. Eine entsprechende Kostenlast ergebe sich aus den dem Beklagten vorliegenden Gerichtsentscheidungen. Dem entsprechen auch die Rechnungen der O. vom 08.05.1996 und 07.08.1996. Beide Rechnungen nehmen auf einen Urteilsspruch Bezug, von dem die Klägerin unbestritten vorträgt, dass er dem beklagten vorliegt. Deshalb ist davon auszugehen, dass beide Rechnungen nach kubanischer Rechtspraxis entstandene Anwaltskosten betreffen. Die Zahlungen haben den Kläger von - ihn nach kubanischem Recht treffenden - Vergütungsforderungen befreit. Auf weiteres kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

2. Anders verhält es sich demgegenüber bei den geltend gemachten Dolmetscherkosten. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin sollen diese zwar entsprechend der Praxis bei den Anwälten gehandhabt werden. Aus der vorgelegten Rechnung der V. vom 30. Juli 1996 geht jedoch nicht hervor, dass es sich dabei um eine Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen kubanischer Gerichte handelt. Die Klage ist deshalb insoweit abzuweisen, da die Klägerin nicht näher dargelegt hat, welche der hier in Rechnung gestellten Dolmetscherleistungen der Beklagte tatsächlich mandatierte oder in Auftrag gab bzw. in dem Bewusstsein entgegennahm, hierfür aufkommen zu müssen. In diesem Zusammenhang kann nicht übergangen werden, dass nach dem Vorbringen der Klägerin Dolmetscherleistungen auch bei Anlässen in Anspruch genommen worden, die die Erfüllung von Verpflichtungen der Klägerin und gerade nicht die Verteidigung des Beklagten zum Gegenstand hatten. Die Klägerin selbst erwähnt ein sechsstündiges Gespräch in Begleitung eines Anwalts und eines Übersetzers, bei welchem es um die Unterzeichnung eines Schuldanerkenntnisses durch den Beklagten ging. Bei dieser Sachlage stellen sich die Dolmetscherleistungen aber allenfalls als Teil der von der Klägerin vertragsgemäß geschuldeten Beistandsleistung dar und können nicht vom Beklagten erstattet verlangt werden. Zudem hat die Klägerin auch keinen konkreten Vortrag zur üblichen Vergütung bei Dolmetschern - außerhalb des Gerichtsverfahrens - gebracht.

III.

Unbegründet ist die Klage auch insoweit, als die Klägerin die Rückzahlung von DM 3.000,00 (US-$ 2051,50) wegen eines dem Beklagten gewährten Kredits geltend macht. Gem. § 4 Abs. 3 ABBR 1989 hat der Versicherte binnen eines Monats nach Ende der Reise in einer Summe zurückzuzahlen, was der Versicherer ihm - bis zur Höchstsumme von DM 3.000,00 - zur Verfügung gestellt hat. Eine "Zurückzahlung" kann sich lediglich auf den Betrag beziehen, der dem Versicherten auch zugeflossen ist. Hier bestreitet der Beklagte den Erhalt der Mittel. Einen Nachweis für die Auszahlung der überwiesenen Summe an den Beklagten hat die Klägerin nicht erbracht.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann sich die Klägerin insoweit auch nicht auf die Regeln der Geschäftsbesorgung oder der Geschäftsführung ohne Auftrag berufen. Die Klägerin handelte aufgrund ihrer versicherungsvertraglichen Verpflichtungen, so dass schon deshalb ein Rückgriff auf die genannten Rechtsinstitute ausscheidet. Das Risiko eines Verlusts der abgesandten Zahlung vor Zugang beim Versicherten trägt bedingungsgemäß der Versicherer.



Ende der Entscheidung

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