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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 12 U 191/05
Rechtsgebiete: AUB 61, AUB 94, ZPO
Vorschriften:
AUB 61 § 8 II. Abs. 1 | |
AUB 61 § 13 Nr. 3 a | |
AUB 94 § 7 I. Abs. 1 | |
AUB 94 § 11 IV | |
ZPO § 286 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 12 U 191/05
Verkündet am 15. Dezember 2005
In dem Rechtsstreit
wegen Versicherungsleistung
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2005 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richter am Oberlandesgericht Dr. Stecher Richterin am Oberlandesgericht Lampel-Meyer
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 08.07.2005 - 5 O 24/04 - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 127.822,97 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 23.10.1998 zu zahlen.
Wegen des weitergehenden Zinsschadens wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens 12 U 92/03, für welches Gerichtskosten nicht erhoben werden.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt Invadliditätleistungen aus zwei Unfallversicherungen , denen die AUB 61 zugrunde liegen. Der Kläger war als Mitfahrer 1992 in einen Auffahrunfall verwickelt. Er macht geltend, durch die Folgen dieses Unfalls mindestens 60 % in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt zu sein. Die Beklagte hat vorprozessual 50.000 DM gezahlt. Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender Invalidität abgewiesen.
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt Versicherungsleistungen aus zwei bei der Beklagten im Jahre 1972 und 1984 abgeschlossenen Unfallversicherungen (Anlage K 1). Den Versicherungsverträgen liegen die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung 1961 (AUB 61) zugrunde, die bei einer 100 % igen Erwerbsunfähigkeit insgesamt eine Versicherungsleistung von DM 500.000 vorsehen.
Der Kläger (geboren 1945) war als Mitfahrer am .....1992 in einen Auffahrunfall auf der Bundesautobahn bei D. verwickelt. Er macht geltend, durch die Folgen dieses Unfalls mindestens 60 % in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt zu sein. Die Beklagte hat vorprozessual 50.000 DM an den Kläger gezahlt.
Vor dem Unfall war der Kläger bereits wegen einer Lendenwirbelsäulenverformung, eines Lungenemphysems, wegen chronischer Gastritis und einer Kreuzbandverletzung im rechten Knie schwer behindert. Der Behinderungsgrad war mit Bescheid vom 03.06.1981 auf insgesamt 50 % festgesetzt worden.
Mit Urteil vom 11.07.2003 - 5 O 40/99 - hatte das Landgericht die Klage zunächst abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Senat mit Urteil vom 15.01.2004 (12 U 92/03) die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhanldung in Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit Urteil vom 08.07.2005, auf das wegen der weiteren Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage nach Einholung eines weiteren Gutachtens durch den Sachverständigen Prof. Dr. M. erneut abgewiesen. Das Landgericht hat ausgeführt, beim Kläger lägen keine neurologischen Beeinträchtigungen vor, welche die Annahme einer dauerhaften Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit rechtfertigten. Bei der Beurteilung, ob eine solche Beeinträchtigung gegeben sei, müsse vom Kenntnisstand der letzten mündlichen Verhanldung ausgegangen werden. Es könne daher eine geringere oder keine Invaliditätsentschädigung zugesprochen werden, wenn sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers gebessert habe. Von diesem Kenntnisstand aus habe der Kläger nicht das Vorliegen einer dauernden Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit nachweisen können. Nach den Ausführungen des Sachverständigen existiere beim Kläger heute kein so genannter Lagerungsschwindel mehr. In den Jahren 1992 und 1993 habe man eine sichere Aussage über die Heilungschance nicht treffen können, nachdem sich beim Kläger nicht der übliche Heilungsverlauf eingestellt habe. Ausgehend vom Gesundheitszustand des Klägers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei diesem keine Invalidität beizumessen. Jedenfalls sei die Invalidität nicht binnen eines Jahres eingetreten. Ein Zervikalsyndrom heile nach spätestens eineinhalb Jahre aus. Erst nach Ablauf dieses Zeitraums könne festgestellt werden, ob sich ein chronisches Syndrom mit dauerhaften Beeinträchtigungen entwickelt habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Dieser macht geltend, das Landgericht sei von einem falschen Beurteilungszeitpunkt ausgegangen, indem es den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt habe. Hinzu komme, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht so gebessert habe, dass die Voraussetzungen für eine Invaliditätsentschädigung nicht mehr gegeben wären. Der Kläger leide heute noch regelmäßig monatlich an stark auftretenden Schwindelanfällen. Außerdem träten beim Kläger Schwindel beim Lesen auf und bei Zwangshaltungen vor dem Computer mit Nackenverspannungen und Kopfschmerzen sowie Druckgefühl hinter dem Auge. Der Sachverständige Prof. Dr. M. habe bei ihm einen rezidivierenden benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel diagnostiziert. Diese Beschwerden hätten sich erst seit seiner Pensionierung gebessert, weil er keinem beruflichen Druck mehr ausgesetzt sei. Das Landgericht habe sich mit seiner Auffassung, dass es auf die 3 Jahresprognose nur dann ankomme, wenn der nachfolgende Heilungsverlauf zum Zeitpunkt der letzen mündlichen Verhandlung noch nicht vollständig abzusehen sei, in Widerspruch mit der Rechtsprechung gesetzt. Bei der Beurteilung des Invaliditätsgrades dürfe nur auf den Sachverhalt abgestellt werden, der spätestens am Ende der 3 Jahresfrist erkennbar wäre. Es wäre verfehlt, wenn spätere Erkenntnisse einbezogen würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Heidelberg abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127.822,97 € nebst 10,5 % Zinsen hieraus seit 22.10.1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst aller Anlagen verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. M. (Sitzungsniederschrift vom 15.12.2005, II 75 ff).
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg.
Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Landgericht den Nachweis führen können, dass bei ihm von einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit als Folge des Unfallgeschehens vom 28.08.1992 auszugehen ist und der Grad seiner Invalidität mit 60 % - wie auszuführen sein wird - zu bemessen ist.
1. Das Landgericht vertritt die Auffassung, eine dauerhafte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit im Sinne von § 8 II 1 AUB 61 könne nicht festgestellt werden, wenn sich im noch laufenden Rechtstreit und sei es Jahre nach Ablauf der Frist des § 13 Abs. 3 AUB 61 ergebe, dass sich ein Zustand, der beim Versicherten 3 Jahre nach dem Unfall vorgelegen habe und dessen Ende zu diesem Zeitpunkt nicht mit einiger Sicherheit abzusehen gewesen sei, sich soweit gebessert habe, dass keine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit mehr vorliege.
Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anschließen. Sie steht im Widerspruch zu den Bedingungen, denen zu entnehmen ist, dass Veränderungen nach Ablauf der Frist von drei Jahren nicht mehr zu berücksichtigen sind (BGH NJW-RR 2005, 974; BGH r+s 1981, 204 und schon RGZ 161, 184). Die vom Landgericht hierzu herangezogenen Entscheidungen ergeben nichts anderes. Die Entscheidung OLG Hamm VersR 1987, 1233 betrifft nicht die Unfallversicherung, sondern die Feststellung der Berufsunfähigkeit als Anspruchsausschluss in der Krankentagegeldversicherung. Die Entscheidung OLG Hamm VersR 1988, 513 (ZfS 1988, 222) betrifft Änderungen des Gesundheitszustands, die innerhalb der Frist von drei Jahren eingetreten waren (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., AUB 94 § 7 Rn. 6)
2. Entscheidend für die Leistungspflicht der Beklagten ist vorab die Frage, ob beim Kläger innerhalb eines Jahres nach dem Unfall Invalidität eingetreten ist. Für die Beurteilungsgrundlagen gilt Folgendes: Nach der Rechtsprechung des BGH (r+s 1998, 80) ist der vom Versicherungsnehmer zu führende Nachweis einer unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigung als solcher und der Dauerhaftigkeit des Gesundheitsschadens nach den strengen Anforderungen des § 286 ZPO zu führen. Für die Frage, ob die dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit auf die unfallbedingte Gesundheitsschädigung zurückzuführen ist, gelten die Beweiserleichterungen des ZPO § 287 (BGH VersR 2001, 1547).
Die Feststellung des Invaliditätseintritts kann allerdings nur in wenigen Fällen bereits nach Ablauf des Unfalljahres mit Sicherheit getroffen werden, etwa bei Glied- oder Organverlusten. In anderen Fällen verbleibt nach Heilung der akuten Verletzungen häufig unsicher, ob sich der Gesundheitszustand des Versicherten stabilisieren, auf Dauer verschlechtern oder verbessern wird. Dem wird bedingungsgemäß durch die Bestimmung eines Stichtags für die abschließende und dann verbindliche Beurteilung des Dauerzustands (§ 13 Nr. 3 a AUB 61; vgl. auch 11 IV AUB 88) Rechnung getragen. Das sehen offenbar auch die meisten Unfallversicherer nicht anders, da sie im Rahmen ihrer Leistungsprüfung in den für ärztliche Stellungnahmen bestimmten Formularen danach fragen, ob der Unfall "voraussichtlich" Dauerfolgen hinterlassen werde.
Die Regelung, wonach die Invalidität binnen Jahresfrist eingetreten sein muss, stellt eine die Entschädigungspflicht des Unfallversicherers begrenzende Anspruchsvoraussetzung dar (BGH VersR 1998, 175). Als solche ist sie eng auszulegen. Im Interesse des Versicherten darf sie nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Die Fristsetzung des § 8 II Abs. 1 S. 1 1. Halbs. AUB 61 bezweckt, dass der Versicherer nicht für Spätschäden, die in der Regel schwer aufklärbar und unvorhersehbar sind, einstehen muss (BGH aaO m.w.N.). Von einem solchen Spätschaden kann aber keine Rede sein, wenn zum Ende des Unfalljahres Unfallfolgen verblieben sind und bereits zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie andauern werden (OLG Hamm VersR 2000, 43).
Dabei ist die Prognose an den konkreten Verhältnissen beim Versicherten auszurichten. Allein auf allgemeine Erfahrungen mit dem Ausheilen von Unfallfolgen darf nicht abgestellt werden, wenn beim Versicherten eine Disposition vorliegt, die einen ungünstigeren Verlauf erwarten lässt.
Nach Auffassung des Senats kann eine dauerhafte Beeinträchtigung in diesem Sinne (nach einem Jahr vorhandene Beeinträchtigung, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft sein wird) auch dann als nachgewiesen angesehen werden, wenn der sich nach einem Jahr ergebende unfallbedingte Zustand nach Ablauf von drei Jahren (unbeschadet gradueller Unterschiede) noch immer vorhanden ist, und sich ein Ende nicht absehen lässt (RGZ 161, 184). Der Fassung der Versicherungsbedingungen und dem Sinn und Zweck des Regelwerkes ist auch eine vertragliche Vorgabe für das Beweismaß und den maßgebenden Zeitpunkt für verwertbare Erkenntnisse zu entnehmen (BGH r+s 1981, 204; RGZ 161, 184). Die Belange des Versicherers sind insoweit hinreichend gewahrt, weil neben dem Vorliegen einer dauerhaften Beeinträchtigung nach Jahresfrist als weitere Anspruchsvoraussetzung des § 8 II. Abs.1 AUB 61 die Geltendmachung des Dauerschadens sowie insbesondere die ärztliche Feststellung eines solchen hinzukommen muss.
3. Unter Berücksichtigung dieser für die Beurteilung einer dauerhaften Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) als Unfallfolge maßgeblichen Kriterien ist nach dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. und seiner erneuten Anhörung durch den Senat von einer dauerhaften Beeinträchtigung des Klägers als Unfallfolge im Sinne von § 8 II 1 AUB 61 auszugehen.
Der Sachverständige hat in sich schlüssig und auch den Senat überzeugend ausgeführt, dass bei dem Kläger nach dem Unfall ein HWS - Schleudertrauma und nachfolgend über Jahre anhaltende Nacken - und Kopfschmerzen, eine Läsion des nervus ulnaris im Bereich des linken Ellenbogens, eine Labyrinthschädigung mit nachfolgend rezidivierend auftretenden Schwindelerscheinungen (paroxysmaler Lagerungsschwindel) mit Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen sowie ein Angstsyndrom vorgelegen haben. Hierbei handele es sich um Unfallfolgen. Der Sachverständige Prof. M. hat anlässlich seiner mündlichen Anhörung weiter überzeugend erläutert, dass akute HWS - Syndrome in der Regel zwar in eineinhalb Jahren plus/minus abklingen können, dass aber in 30 % der Fälle sich auch ein chronisches Syndrom einstelle. Beim Kläger habe sich als Folge des HWS - Schleudertraumas ein chronisches Zervikalsyndrom entwickelt. Dies habe sich daran gezeigt, dass sich beim Kläger innerhalb des genannten Zeitraumes keine Besserung eingestellt habe, insbesondere binnen Jahresfrist keine Linderung, sondern eine Verstärkung der Beschwerden eingetreten sei. Darüber hinaus wären beim Kläger binnen Jahrsfrist schon klare Anzeichen für eine Chronifizierung vorhanden gewesen. In erster Linie sei hier der Schwindel anzuführen, der auf den Labyrinthschaden beim Kläger zurückzuführen gewesen sei. Darüber hinauskomme als weiterer Faktor einer möglichen Chronifizierung die sich beim Kläger einstellende Angst hinzu. Ebenso hätten die Beschwerden des Klägers im linken Arm mit gewirkt, die in einem Wechselspiel der Befindlichkeit an der Wirbelsäule beim Kläger zu sehen seien.
Der Sachverständige hat weiter nachvollziehbar erläutert, dass bei dem Zustand des Klägers ein Jahr nach dem Unfall seine Prognose für den weiteren Heilungsverlauf die gewesen wäre, dass beim Kläger sich im nächsten halben Jahr bzw. in weiterer absehbarer Zeit keine Besserung einstellen würde. Für seine Prognose sei wiederum maßgeblich, dass beim Kläger binnen Jahresfrist keinerlei Linderung der Beschwerden eingetreten sei, sondern sich diese sogar noch verstärkt hätten. Insbesondere hätten sich die Ängste beim Kläger infolge des Lagerungsschwindels so entwickelt, dass sie Rückwirkungen auf das körperliche Befinden beim Kläger gehabt hätten. Es sei deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit nach einem Jahr davon auszugehen gewesen, dass beim Kläger eine ganz hohe Gefahr einer Chronifizierung seines Zervikalsyndroms vorgelegen hätte. Dabei müssten wiederum auch die seelische Verunsicherung und das Angstgefühl als Symptomatik aufgefasst werden, die im Rahmen der organischen Grundschädigung entstanden seien.
Die Beschwerden - so weiter der Sachverständige - seien beim Kläger ausweislich der ärztlichen Unterlagen und Untersuchungen auch erstmals nach dem Unfall aufgetreten und hätten danach in erheblichem Umfang über Jahre angehalten. Die Beschwerden hätten jedenfalls mehr als 3 Jahre angedauert und in diesem Zeitraum auch die Arbeitsfähigkeit des Klägers erheblich eingeschränkt. Ein Ende sei nach Ablauf von drei Jahren nicht abzusehen gewesen. Der Sachverständige hat hierzu angeführt, dass auch nach den Befunden von Prof. C., bei dem es sich um einen erfahrenen Neurootologen handele, nach drei Jahren sich keine Besserung des Zustandes eingestellt, sondern vielmehr eine Verschiebung der Beschwerden stattgefunden habe. Der Kläger als "cooler Mann" habe zwar gegen seine Beschwerden angekämpft. Es habe sich aber bei ihm ein Angstzustand als Folge insbesondere des Lagerungsschwindels eingestellt. Nach drei Jahren habe deshalb auch keine Aussicht auf eine konkrete Besserung in der nachfolgenden Zeit bestanden.
Auch die beim Kläger jetzt festgestellte Besserung der Schwindel - und Angstgefühle spreche nicht gegen eine Chronifizierung der Beschwerden. Die Besserung sei erst nach Beendigung der Berufstätigkeit des Klägers eingetreten. Die Besserung der Beschwerden habe deshalb auf die Feststellung der beim Kläger binnen Jahresfrist eingetretenen, dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen keine Auswirkungen.
Dem stehen die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. W. nicht entgegen. Der Sachverständige Prof. Dr. W. hat aus orthopädischer Sicht ebenfalls eine Distorsion der Halswirbelsäule festgestellt. Bezüglich der hier interessierenden neurootologischen Fragen in Bezug auf den Schwindel und etwaige sonstige neurologische Folgen beim Kläger hat er sich ausdrücklich für nicht kompetent erklärt.
4. Dass die Invalidität beim Kläger binnen 15 Monaten ärztlich festgestellt worden ist, ist im Berufungsverfahren kein Streitpunkt mehr. Der Senat geht im Übrigen davon aus, dass das Schreiben der Beklagten vom 05.03.1997 einen umfassenden und beiderseitigen Verzicht auf bis dahin vorliegende Formalverstöße bei der ärztlichen Feststellung beinhaltet.
5. Beim Kläger ist zum maßgeblichen Zeitpunkt (....1995) von einem Invaliditätsgrad von 60 % auszugehen. Die psychischen Sekundärkomponenten spielen - so der Sachverständige - dabei keine Rolle. Der Sachverständige hat ausgehend vom Beruf des Klägers als Finanzbeamter mit Computertätigkeit die Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit infolge des Schwindels und des hinzukommenden Zervikalsyndroms als Folge des HWS - Schleudertraumas mit hierdurch ausgelösten Nacken- Kopfschmerzen und Nacken - Armschmerzen sowie ganz erheblichen Angstzuständen mit 60 % angeben und auch insoweit nachvollziehbar dargestellt, wonach die Bemessung des Invaliditätsgrades im vorliegenden Fall auszurichten ist. Patienten mit dem beim Kläger vorhandenen Lagerungsschwindel seien zwischen 30 und 90 % arbeitsunfähig, wie sich aus einem Querschnitt seiner beruflichen Erfahrungen für die Bewertung einer solchen Arbeitsunfähigkeit ergebe. Der Kläger sei aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Finanzbeamter hierbei in der Mitte mit etwa mindestens 60 % anzusiedeln.
Der Sachverständige hat weiter plausibel dargestellt, dass die Vorerkrankungen des Klägers nicht zu berücksichtigen sind, da diese relativ unbedeutend im Vergleich zu den gravierenden Verschlechterungen des Gesundheitszustandes durch den Unfall beim Kläger seien.
6. Der Kläger kann insgesamt € 127.822,97 beanspruchen. Unstreitig beläuft sich die Gesamtversicherungsleistung aus beiden Verträgen auf DM 500.000 (DM 200.000 zzgl. DM 300.000). Hiervon 60 % ergibt DM 300.000, sodass der Kläger abzüglich vorprozessual gezahlter 50.000 DM noch 250.000 DM = € 127.822,97 verlangen kann.
Der Kläger kann gemäß § 288 BGB a. F. Zinsen nur in Höhe von 4 % beanspruchen (Fälligkeit seiner Forderung vor dem 01.05.2000). Für einen höheren Zinssatz fehlt es am Nachweis. Außerdem können dem Kläger Zinsen erst ab 23.10.1998 zugesprochen werden, nachdem die Beklagte weitergehende Versicherungsleistungen mit Schreiben vom 22.10.1998 abgelehnt hat.
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 97, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (geringfügige Zuvielforderung wegen der Zinshöhe und eines Zinstages). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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