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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 15.01.2009
Aktenzeichen: 12 U 218/08
Rechtsgebiete: AKB, ZPO


Vorschriften:

AKB § 12
ZPO § 286
Eine als alleiniger Nachweis verwertbare Parteianhörung zum äußeren Bild eines bedingungsgemäßen Diebstahls setzt voraus, dass die Partei sich insoweit in Beweisnot befindet.
Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 12 U 218/08

Verkündet am 15. Januar 2009

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2009 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richterin am Oberlandesgericht Lampel-Meyer Richterin am Landgericht Becker

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22.08.2008 - 10 O 253/07 - wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Kraftfahrversicherung wegen angeblicher Entwendung seines PKW. Das Landgericht hat nach Anhörung des Klägers der Klage stattgegeben. Der Kläger hatte bekundet, er habe sein Fahrzeug zur Nachtzeit vor seinem Haus abgestellt, am nächsten Tag dort aber nicht mehr vorgefunden.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Kraftfahrversicherung (Teilkasko ohne Selbstbeteiligung).

Am 17. März 2007 zeigte der in S wohnhafte Kläger gegenüber der Polizei den Diebstahl seines erstmals am 14.10.2003 zum Verkehr zugelassenen Pkw der Marke BMW X5 (3,0 D) an, den er am 15.03.2004 von der Ersteigentümerin, einer Angehörigen der Firma BMW, erworben hatte. Der Zeuge L, ein Mitarbeiter der Beklagten, suchte daraufhin den Kläger auf und füllte dort sowohl die Schadensanzeige als auch den Fragebogen zur Wertermittlung aus. Dabei ist bei der Schadensanzeige unter der Rubrik "Zu welchem Preis wurde das Fahrzeug von Ihnen erworben" ein Betrag von 55.259,99 Euro eingefügt, wobei der Kläger in diesem Zusammenhang die Rechnung von BMW, gerichtet an die Ersterwerberin des Pkws, an den Mitarbeiter der Beklagten übergeben hat. Gleichfalls wurden die zum Fahrzeug gehörenden vier Fahrzeugschlüssel übergeben.

Die Beklagte nahm Ermittlungen auf und beauftragte in diesem Zusammenhang ein Schlüsselgutachten, nach dessen Ergebnis der Schlüssel Nr. 3 (Werkstattschlüssel) Abtastspuren aufweisen soll, die für die Anfertigung eines Nachschlüssels sprächen. Gleichfalls gab die Beklagte ein Gutachten über den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges in Auftrag; der Gutachter ermittelte hierbei einen Wiederbeschaffungswert inklusive Mehrwertsteuer von 33.550,00 Euro. Diesen Wiederbeschaffungswert und darüber hinaus außergerichtlich angefallene Anwaltskosten in Höhe von 1.307,81 Euro werden mit der Klage geltend.

Der Kläger hat behauptet:

Das Fahrzeug sei in der Nacht des 17.03.2007 zwischen 01:30 Uhr und 10:00 Uhr entwendet worden. Er habe es nach Geschäftsschluss am Freitag, den 16.03.2007 gegen 13:15 Uhr im Hofbereich seines Anwesens abgestellt und es letztmals gesehen, als er mit dem Zweitfahrzeug der Familie am 17.03.2007 gegen 01:30 Uhr nach Hause gekommen sei. Am Morgen gegen 10:15 Uhr habe er dann bemerkt, dass das Fahrzeug nicht mehr auf seinem Platz gestanden habe. Er habe während seiner Besitzzeit keine Nachschlüssel von dem Fahrzeug gefertigt.

Den Schadensbericht habe er weder durchgelesen noch unterzeichnet. Der Zeuge L habe ihn nach der Rechnung gefragt und die Zahlen der daraufhin übergebenen Rechnung von BMW an die Ersteigentümerin in diese Rubrik übertragen.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 33.550,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2007 sowie 1.307,81 Euro außergerichtliche, nicht anrechenbare Kosten zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und dabei die Entwendung des Fahrzeuges bestritten. Gegen das äußere Bild einer Entwendung des Pkws spräche schon das Ergebnis des Schlüsselgutachtens, wonach vom Werkstattschlüssel ein Nachschlüssel gefertigt worden sei. Im übrigen sei auch zu bestreiten, dass das Fahrzeug mit aktivierter Wegfahrsperre ohne weiteres in Gang gesetzt werden könne. Darüber hinaus bestehe zu Gunsten der Beklagten Leistungsfreiheit, nachdem die Angaben über die Zeugen in der Schadensanzeige fehlerhaft seien und der von ihm gezahlte Kaufpreis für das Fahrzeug unrichtig mit 55.259,99 Euro angegeben worden sei. Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger vor der Trennung mit seiner Ehefrau stehe und daher der Verdacht bestehe, dass er zur Erlangung von Geldmitteln einen Diebstahl des Fahrzeuges vorgetäuscht habe.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Anhörung des Klägers habe hinreichenden Beleg für den Diebstahl erbracht. Hinreichende Hinweise auf einen nur vorgetäuschten Diebstahl lägen nicht vor. Auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung könne die Beklagte sich nicht berufen. Die Angabe zum Kaufpreis habe auf die Feststellung der Höhe der Versicherungsleistung keinen Einfluss. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden Abweichendes nicht ergibt.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klagabweisung in vollem Umfang weiter. Die Beklagte beanstandet, dass das Landgericht die Angaben des Klägers bei seiner Anhörung für einen Beweis des Diebstahls habe ausreichen lassen. Dabei seien Umstände nicht berücksichtigt worden, die gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers sprächen. Insbesondere habe er schon gegenüber dem Zeugen L die Unwahrheit gesagt. Zudem habe er seine Aufklärungsobliegenheit vorsätzlich verletzt, indem er dem Zeugen L einen falschen Kaufpreis genannt habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat die Zeugen G, H und L vernommen sowie den Kläger angehört.

II.

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

A.

Im Ergebnis zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass dem Kläger der Nachweis eines versicherten Diebstahls seines Fahrzeugs gelungen ist.

Allerdings hat das Landgericht das äußere Bild eines versicherten Diebstahls nicht auf durchgehend zureichender Tatsachengrundlage festgestellt. Grundsätzlich muss der Versicherungsnehmer den Diebstahl seines Fahrzeuges im Bestreitensfall unter Beweis stellen. Beim Nachweis des Versicherungsfalls Diebstahl in der Kfz-Kasko-Versicherung kommen dem Versicherungsnehmer - was das Landgericht im Grundsatz zutreffend berücksichtigt hat - Beweiserleichterungen zugute. Da sich der Versicherungsnehmer im Fall der Entwendung seines Fahrzeugs typischerweise in Beweisnot befindet, entspricht es einer verständigen Auslegung des Versicherungsvertrags, dass die Vertragsparteien den versicherten Entwendungsfall schon dann als nachgewiesen ansehen wollen, wenn Tatsachen feststehen, die nach ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme gegen den Willen des Versicherungsnehmers schließen lassen (BGHZ 130,1; BGH VersR 1996, 575). Dem Versicherungsnehmer kommt deshalb eine Beweiserleichterung insoweit zugute, als er seiner Beweislast schon genügt, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung des Fahrzeugs darlegt und beweist. Die Beweislast bezieht sich auf ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (BGH NJW 1996, 993). Ohne diese Beweiserleichterung wäre der Wert einer Kaskoversicherung in Frage gestellt. Der Versicherungsnehmer bliebe in vielen Fällen der Entwendung schutzlos, obwohl er sich durch den Abschluss des Kaskoversicherungsvertrages gerade auch für Fälle schützen wollte, in denen die Umstände der Entwendung nicht umfassend aufgeklärt werden können (BGH VersR 1981, 684). Das äußere Bild eines Diebstahls ist danach gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug an einer bestimmten Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt und es später dort gegen seinen Willen nicht wieder vorgefunden hat (Senat OLGR 1997, 51). Vorliegend hat das Landgericht keinen förmlichen Beweis über diejenigen Tatsachen erhoben, die den äußeren Tatbestand eines Diebstahls erfüllen. Angesichts des - hier gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zulässigen - Bestreitens mit Nichtwissen durch die Beklagte war der Kläger gehalten, das Abstellen des Fahrzeugs an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit und das spätere Nichtauffinden am selben Ort - vorrangig durch Zeugen - unter Beweis zu stellen oder darzulegen, dass und warum ihm hierfür keine Zeugen zur Verfügung stehen. Stehen dem Versicherungsnehmer keine Beweismittel zur Verfügung, kommt seine mündliche Anhörung durch das Gericht nach § 141 ZPO bzw. eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO in Betracht (vgl. BGH VersR 1997, 691). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH VersR 1996, 575) kann den Angaben und Behauptungen des Versicherungsnehmers im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (§ 286 ZPO) auch dann geglaubt werden, wenn dieser deren Richtigkeit sonst nicht beweisen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist .

Das Landgericht hat seine Entscheidung nur auf die Angaben des Klägers gestützt. Dies ist zwar rechtlich möglich (OLG Hamm VersR 2007, 1512), setzt aber voraus, dass dem Versicherungsnehmer keine Beweismittel zur Verfügung stehen oder diese nicht ausreichen. Stehen dem Versicherungsnehmer Zeugen für die zum äußeren Bild eines Raubes gehörenden Tatsachen zur Verfügung, befindet er sich nicht in Beweisnot. Für eine Anhörung oder Parteivernehmung besteht dann kein Anlass (BGH VersR 1997, 733). Eine als Nachweis verwertbare Parteianhörung zu einem bestimmten Punkt - hier Abstellen und Nichtmehrvorfinden des Fahrzeugs - setzt daher voraus, dass die Partei darlegt, dass ihr keine sonstigen Beweismittel zur Verfügung sehen.

Der Kläger hat in der Klagschrift seine Ehefrau als Zeugin für den äußeren Tatbestand des behaupteten Diebstahls angeboten. Dass diese zu dem Vorfall vom 16./17.3.2007 am Anwesen des Klägers keine verwertbaren Aussagen machen kann, ist im ersten Rechtszug nicht unstreitig gestellt worden. Darüber hinaus hat der Kläger schon im ersten Rechtszug mit der Zeugin G, seiner Schwiegermutter, unter Beweis gestellt, dass sich der PKW bereits um 7.00 Uhr des 17.03.2007 nicht mehr in der Hofeinfahrt seines Anwesen befunden hatte.

Der Senat hat die beiden Zeuginnen vernommen. Die Zeugin G hat glaubhaft und zur vollen Überzeugung des Senats bestätigt, dass ihr am Morgen des 17.03.2007 aufgefallen ist, dass in der Einfahrt des klägerischen Anwesens kein Fahrzeug mehr stand. Hinsichtlich des Abstellens des BMW in der Nacht steht dem Kläger dagegen tatsächlich kein Beweismittel zur Verfügung. Seine Ehefrau hat in Übereinstimmung mit den Angaben gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten L am 27.03.2007 bekundet, in jener Nacht nicht zu Hause gewesen zu sein. Der Senat hat keinen Anlass, diese Aussage anzuzweifeln. In Übereinstimmung mit dem Landgericht sieht der Senat den Nachweis für das Abstellen des klägerischen Fahrzeugs zur Nachtzeit durch die Bekundungen des Klägers selbst, den der Senat nochmals angehört hat, erbracht.

Eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung eines Diebstahls (BGH NJW 1996, 993) hat die Beklagte nicht belegt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Auch im Berufungsrechtszug ist es der Beklagten nicht gelungen, konkrete Tatsachen, die die Annahme mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist, darzutun. Insbesondere hat die Beklagte nicht nachzuweisen vermocht, dass der Kläger falsche Angaben zum Kaufpreis des BMW gemacht hat. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass der Kläger überhaupt nach dem von ihm entrichtetem Kaufpreis gefragt wurde. Dies bestätigt zwar ihr Mitarbeiter, der Zeuge L. Dessen Aussage überzeugt den Senat jedoch nicht, da der Zeuge nicht nachvollziehbar angeben kann, was ihn zu der Annahme veranlasst haben könnte, der mitgeteilte Wert der Rechnung des PKW-Herstellers vom 15.09.2003 könne identisch sein mit dem Kaufpreis bei einem ihm bekannten Erwerb aus zweiter Hand am 15.03.2004.

B.

Soweit die Beklagte sich auf Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung beruft, hat ihre Berufung deswegen schon mangels Verletzung einer Auskunftsobliegenheit, aber auch deshalb keinen Erfolg, weil sie selbst nicht behauptet, den Kläger vor Aufnahme des Schadensformulars darauf hingewiesen zu haben, dass bei vorsätzlichen Falschangaben Leistungsfreiheit des Versicherers auch bei folgenloser Obliegenheitsverletzung eintreten kann. Bei Auskunftsobliegenheiten tritt die Leistungsfreiheit aber nur ein, wenn der Versicherungsnehmer hierüber zuvor belehrt worden ist (Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 6 Rdn. 51; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 34 Rdn. 22 jeweils m.w.N.). Ein entsprechender Hinweis steht zwar am Ende des ausgefüllten Fragenbogens. Dieser ist aber vom Zeugen L als Mitarbeiter der Beklagten ausgefüllt, jedoch vom Kläger nicht unterzeichnet worden. Dass der Kläger ihn gleichwohl durchgelesen bzw. die Belehrung vom Zeugen mündlich mitgeteilt bekommen hat, behauptet die Beklagte selbst nicht.

III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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