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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: 12 U 263/05
Rechtsgebiete: ARB 94, ARB 75, ZPO
Vorschriften:
ARB 94 § 18 Abs. 1 b | |
ARB 75 § 1 Abs. 1 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 411 a |
Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 12 U 263/05
Verkündet am 02. Februar 2006
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung und Feststellung
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 02. Februar 2006 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richter am Oberlandesgericht Dr. Stecher Richterin am Landgericht Mauch
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 16.09.2005 - 2 O 422/04 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von seinem Rechtsschutzversicherer Deckungsschutz für eine Schadensersatzklage aus einem Verkehrsunfall. Dem Vertrag mit der Beklagten liegen die ARB 94 zugrunde. Die Beklagte hat mit Hinweis auf mangelnde Erfolgsaussicht den Deckungsschutz versagt. Die erlittenen Einbußen und die geklagten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Kläger nach Teilregulierung des Unfall noch geltend mache, könnten nicht auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden. Im Streit mit der Berufsgenossenschaft hat das Sozialgericht ein Gutachten eingeholt, das teilweise die Unfallursächlichkeit bestätigte. Das Sozialgericht hat die Klage gleichwohl abgewiesen.
Das Landgericht hat die Beklagte nur insoweit zum Deckungsschutz verurteilt, als die beabsichtigte Schadensersatzklage auf das sozialgerichtliche Gutachten gestützt werden kann. Gegen die Klagabweisung im Übrigen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt vom beklagten Rechtsschutzversicherer Deckungszusage für eine Schadensersatzklage. Dem Vertrag mit der Beklagten liegen die ARB 94 zugrunde.
Bei einem Verkehrsunfall am 28.04.2001 zog sich der Kläger eine HWS- Distorsion und eine Commotio cerebri zu. Der Unfallgegner hatte die Vorfahrt des Klägers missachtet. In der Folgezeit entwickelten sich beim Kläger eine psychische Erkrankung, die zur seiner Arbeitsunfähigkeit führte. Der Kläger begehrt vom Haftpflichtversicherer des Unfallsverursachers für die Zeit von Mai 2001 bis Juni 2004 Ersatz von Verdienstausfall in Höhe von (noch) EUR 24.089,24 sowie ein Schmerzensgeld i. H. v. EUR 30.000,00. Weiterhin begehrt er die Feststellung, dass der Haftpflichtversicherer verpflichtet sei, ihm aus dem Unfallereignis sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien.
Mit seiner Berufsgenossenschaft befand sich der Kläger im Streit, ob eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Unfalls vom 28.April 2001 bestehe. Bereits vorgerichtlich hatte die Berufsgenossenschaft ärztliche Stellungnahmen bzw. Gutachten eingeholt. Im sozialgerichtlichen Verfahren wurde der Facharzt Dr. S schriftlich als sachverständiger Zeuge angehört. Es folgten schriftliche Gutachten des Facharztes Dr. Bu sowie ein nervenärztliches Gutachten vom 12.08.2004 von Dr. Be. Die Klage wurde durch rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.03.2005 -S 10 U 855/03- abgewiesen.
Das Landgericht hat der Klage auf Deckungsschutz insoweit statt gegeben, als festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus dem Unfallereignis vom 28.04.2001 bis zur Höhe eines materiellen Schadens von EUR 14.000,00 und bis zu einem Schmerzensgeld von EUR 5.000,00 Versicherungsschutz zu gewähren. Die weitergehende Klage wurde abgewiesen, da die darüber hinaus gehende Schadensersatzklage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Unter Anwendung der Grundsätze von § 114 ZPO, sei vorliegend eine eingeschränkte Vorwegnahme der Beweiswürdigung statthaft. Nach den bereits vorliegenden Gutachten könne äußerstenfalls davon ausgegangen werden, dass die beim Kläger vorliegenden psychischen Störungen noch bis 27.04.2004 auf das Unfallgeschehen zurückzuführen seien. Verdienstausfall könne daher nur bis zum 27.04.2003 beansprucht werden, danach sei der Verdienstausfall nicht mehr durch den Unfall verursacht. Eine Schmerzensgeldklage könne vernünftigerweise lediglich bis zu einer Höhe von rund EUR 5.000,00 erhoben werden. Dagegen sei der Feststellungsantrag unbegründet, da der Unfall nach dem 27.04.2003 für die psychischen Beeinträchtigungen nicht mehr ursächlich sei. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge bzgl. Verdienstausfall und Schmerzensgeld weiter. Er stellt folgende Anträge:
Unter teilweiser Abänderung des am 16.09.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Baden-Baden, Aktenzeichen 2 O 422/04, wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass dem Kläger für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus dem Unfallereignis vom 28.04.2001 in O gegen die S-Versicherung bis zur Höhe eines materiellen Schadens in Form von Verdienstausfall von EUR 24.089,24 und bis zu einem Schmerzensgeldanspruch von EUR 30.000,-- Versicherungsschutz nach der Maßgabe der mit ihr unter der VersNr ... abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung zu gewähren ist.
Die Beklagte sei gemäß seinem Antrag verpflichtet, ihm Rechtsschutz für eine Schadensersatzklage zu gewähren. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die beabsichtigte Rechtsverfolgung schon deshalb hinreichende Erfolgsaussicht, weil Streit über Dauer und Ausmaß des unfallbedingten Gesundheitsschadens des Klägers bestehe. Die streitigen Fragen nach der Unfallursächlichkeit für die behaupteten psychischen Gesundheitsschäden und Beeinträchtigungen sowie deren Dauer seien im angestrebten Zivilprozess durch die dort zur Verfügung stehenden Beweismittel - Einholung eines Sachverständigengutachtens- zu beantworten. In diesem Zusammenhang sei dann eine Auseinandersetzung mit den vorliegenden Privatgutachten sowie den sozialgerichtlichen Gutachten erforderlich. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei Versicherungsschutz schon dann zu gewähren, wenn der Rechtsstandpunkt, den der Versicherungsnehmer einnehme, zumindest vertretbar erscheine und die Möglichkeit einer Beweisaufnahme bestehe. Dies sei auf Grund der unterschiedlichen Auffassungen der Ärzte der Fall.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
Der Kläger greift das landgerichtliche Urteil insoweit nicht an, als auf Grundlage einer ab dem 27.04.2003 lediglich noch zu 20% bestehenden, zum 27.04.2004 völlig entfallenden unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit ein Schmerzensgeld allenfalls mit EUR 5.000 und ein Verdienstausfall allenfalls mit noch EUR 14.000.- mit hinreichender Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden kann. Anlass, die erstinstanzlichen Feststellungen insoweit anzuzweifeln, besteht nicht. Auch Rechtsfehler sind nicht ersichtlich. Der Kläger wendet sich allein gegen die Auffassung des Landgerichts, für eine Klage, die sich auf nach dem 27.04.2003 fort und weiter bestehende höheren unfallbedingte Beeinträchtigungen stütze, fehle eine hinreichende Erfolgsaussicht. Dieser Berufungsangriff hat jedoch keinen Erfolg.
Die Beklagte ist zur Gewährung von Rechtsschutz lediglich in dem Umfang verpflichtet, als die beabsichtigte Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 18 Abs. 1 b ARB 94) Ob hinreichende Erfolgsaussichten in diesem Sinne bestehen, beurteilt sich nach den zu § 114 ZPO entwickelten Grundsätzen (Senat VersR 1999, 613; Prölss/Martin VVG, 27. Auflage, § 1 ARB 75, Rn. 3, Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl. § 1 ARB 75 Rn. 33 ff). Danach besteht in der Regel hinreichende Erfolgsaussicht, wenn über eine Behauptung Beweis zu erheben ist (Zöller, ZPO 25. Auflage, § 114 Rn. 26). Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass, auch wenn im vorliegenden Fall bereits eine Vielzahl von Begutachtungen (Privatgutachten und gerichtliche Gutachten) vorliegen, nicht sicher davon ausgegangen werden kann, dass das Zivilgericht im Schadensersatzprozess keine weitere Beweiserhebung zu der Frage, ob und in welchem Umfang die vom Kläger behaupteten Schadensfolgen durch das Unfallereignis verursacht worden sind, vornimmt.
Eine Beweiserhebung im Schadensersatzprozess ist vorliegend sogar wahrscheinlich, weil das sozialgerichtliche Urteil bei seinen Feststellungen zu Lasten des Klägers hinter den Ergebnissen des Gutachtens Dr. Be zurück geblieben ist, ohne dass der Sachverständige zu den aus Sicht des Sozialgerichts offenen Fragen ergänzend angehört wurde. Für den Zivilprozess ist im Hinblick auf die Regelungen zum Sachverständigenbeweis davon auszugehen, dass ohne eine Ergänzung des Gutachtens Dr. Be die Feststellungen des Sozialgerichts nicht zu Lasten des Klägers übernommen werden können. Demgemäß hat das Landgericht die Erfolgsaussicht für die Schadensersatzklage zutreffend an den Ergebnissen des Gutachtens Dr. Be ausgerichtet.
Darüber hinaus hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, denen der Senat sich anschließt, festgestellt, dass auch bei Einholung eines weiteren Gutachtens im Schadensersatzprozess mit einem zugunsten des Klägers über die Feststellungen des Gutachtens Dr. Be hinausgehenden Beweisergebnis nicht zu rechnen ist. Im Rahmen einer Prüfung gem. § 114 ZPO ist eine solche eingeschränkte vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig. Das Verbot der Beweisantizipation gilt in strenger Form nur für das Erkenntnisverfahren. Nur dort ist es unzulässig, Beweise zu würdigen, bevor man sie erhoben hat (vgl. Senat ZfSch 2004, 322 = OLGR 2002, 139). Eine Beweisantizipation ist zulässig, wenn die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung als ausgeschlossen erscheinen lässt (BVerfG NJW-RR 2002 1069) und wenn eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Partei, die die Kosten selbst bezahlen müsste, wegen des absehbaren Misserfolgs der Beweisaufnahme von einer Prozessführung absehen würde. Unzulässig ist dagegen eine vorweggenommene Beweiswürdigung, wenn keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass eine Beweisaufnahme sehr wahrscheinlich zum Nachteil der bedürftigen Partei ausgehen wird, da sie dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit widersprechen würde (vgl. BVerfG NJW 2003, 2976).
Das Gutachten Dr. Be, das gemäß § 411a ZPO im Schadensersatzprozess verwertet werden kann, stellt die für den Kläger günstigste sachkundige Äußerung für den Zeitraum nach dem 27.04.2003 dar. Eine Erfolgsaussicht für das im Schadensersatzprozess darüber hinausgehende Begehren könnte allenfalls dann bejaht werden, wenn der Kläger Umstände aufzeigte, die Zweifel an den zu seinen Lasten gehenden Feststellungen des Gutachtens begründen könnten. Nur in diesem Fall wäre ein dem Kläger günstiges Beweisergebnis als hinreichend wahrscheinlich anzusehen. Derartige Umstände hat der Kläger, der schon das sozialgerichtliche Urteil hingenommen hat, weder aufgezeigt, noch ergeben sie sich aus den übrigen vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen. Substantiierte Einwendungen (BGH NJW 1986, 1928) gegen das Gutachten Dr. Be hat der Kläger für den Schadensersatzprozess nicht angekündigt.
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs.2 ZPO liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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