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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 21.03.2002
Aktenzeichen: 12 U 284/01
Rechtsgebiete: ARB 75


Vorschriften:

ARB 75 § 4 Abs. 1 k
Ein Schadensersatzprozess, in dem der Versicherte sich auf Verletzung von Nebenpflichten des Kreditgebers in Bezug auf die Renditemöglichkeiten einer zu erwerbenden, noch nicht ganz fertiggestellten Immobilie stützt, unterfällt nicht dem Risikoausschluss des § 4 Abs. 1 k ARB 75 (Baurisiko).
Tatbestand:

Die Klägerin erwarb 1997 eine Eigentumswohnung in einer wohl noch nicht völlig fertiggestellten Anlage. Dem Kreditgeber wirft sie vor, er sei seinen Aufklärungspflichten bezüglich der Risiken einer rentablen Vermietung des Anlageobjekts nicht nachgekommen, und nimmt ihn auf Schadensersatz in Anspruch, da die Anlage ihr einen Verlust eingebracht hat.

Der beklagte Rechtsschutzversicherer hat der Klägerin unter Berufung auf § 4 Abs. 1 k ARB 75 Deckungsschutz versagt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Gründe:

.....

Die Klägerin kann Gewährung von Versicherungsschutz beanspruchen. Die Deckungsschutzklage ist begründet, weil der von der Klägerin beabsichtigte Rechtsstreit gegen die D. AG ... nicht unter den Risikoausschluss des § 4 Abs. 1 k ARB 75 fällt. Der Rechtsstreit betrifft die Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie und stützt sich auf Verletzung von Nebenpflichten, die nach Ansicht der Klägerin die finanzierende D. AG zu erfüllen hatte. Die Beklagte meint, es handle sich um einen Streit über die vom Risikoausschluss nach ihrer Ansicht mitumfasste Baufinanzierung.

Gem. § 4 Abs. 1 k ARB 75 bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen baurechtlichen Veränderungen eines vom Versicherungsnehmer zu erwerbenden Grundstücks, Gebäude oder Gebäudeteils stehen. Bei der Auslegung dessen, was im Sinne des § 4 Abs. 1 k ARB in einem unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes steht, ist von dem Grundsatz auszugehen, dass Ausschlussklauseln nicht weiter ausgedehnt werden dürfen, als ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (BGHZ 65, 142; BGH VersR 1986, 132). Zweck der Ausschlussklausel ist es, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Auseinandersetzungen und Baumaßnahmen aller Art und diese unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen relativ kleinen Teil in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossener Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann. Ob danach die mit der Baufinanzierung zusammenhängenden Fragen unter den Ausschuss fallen, ist umstritten (BGH VersR 1986, 132 unter Hinweis auf Böhme, ARB 4. Auflage, § 4 Rn. 34; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 4. Auflage, § 4 Rn. 109).

Auch unter Beachtung dieser billigenswerten Zielsetzung der Ausschlussklausel kann jedoch nicht übersehen werden, dass die Fassung selbst wenig geglückt und in ihrem Wortsinn nicht eindeutig ist (BGH VersR 1989, 470). Einem verständigen Versicherungsnehmer erschließt sich nicht ohne weiteres, dass neben dem erkennbar kostenträchtigen "Baurisiko" auch Finanzierungsstreitigkeiten von der Klausel mitumfasst sein sollen. Sollte der Ausschluss in jedem Fall die Baufinanzierung mit umfassen, so hätte es einer - durchaus möglichen, dem Versicherer abzuverlangenden und mit § 3 Nr. 1 d.dd. ARB 94 zwischenzeitlich auch umgesetzten - klareren Fassung bedurft (vgl. auch BGH VersR 1989, 470). Nach Auffassung des Senats kann der Zusammenhang zwischen der Baufinanzierung und der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen baurechtlichen Veränderungen eines Gebäudes aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers, der in den Bedingungen keinen Hinweis auf die Baufinanzierung findet, nur als ein mittelbarer verstanden werden. Allerdings würde sich der Senat damit in Widerspruch setzen zu der ganz überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur (vgl. BGH VersR 1986, 132; OLG Stuttgart MDR 2000, 335; Harbauer, a.a.O.; Kurzka, r+s 1999, 511). Für die Entscheidung des vorliegenden Falles folgt der Senat deshalb der Auslegung des Bundesgerichtshofs.

Danach ist maßgebend für die Anwendung des Risikoausschlusses, ob das im Rechtsschutzfall wahrzunehmende Interesse in einem qualifizierten Zusammenhang steht mit der Planung und Errichtung und damit mit dem speziellen Baurisiko (BGH NJW-RR 1994, 217). Dieser Zusammenhang ist dann anzunehmen, wenn er rechtlich untrennbar mit den Bauleistungen verbunden ist ( BGH VersR 1990, 485; BGH VersR 1989, 470). Erforderlich ist ein zeitlicher und darüber hinaus auch ein innerer sachlicher Bezug zur Planung und Errichtung der Immobilie (BGH VersR 1986, 132). Entscheidend ist nicht die unmittelbare Beteiligung des Gegners des Rechtsstreits an den Bauleistungen, sondern die Rechtsnatur des geltend gemachten Rechtsschutzinteresses. Dieses selbst muss sich als typisches Baurisiko darstellen (OLG Hamm NVersZ 2000, 492).

Im vorliegenden Fall wurde eine zum Zeitpunkt des Erwerbs bezugsfertige und damit im wesentlichen (bis auf Restarbeiten am Gemeinschaftseigentum: Außenputzarbeiten) fertiggestellte Eigentumswohnung durch notariellen Kaufvertrag vom 02.08.1997 erworben (§ 8 Abs. 1 des notariellen Kaufvertrages). Der Senat kann offen lassen, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, dass § 4 Abs. 1 k ARB 75 auch auf Fälle Anwendung findet, in denen von einem Erwerber eine kürzlich bereits fertiggestellte Wohnung gekauft wird. Mit dem Landgericht ist hier jedenfalls der innere sachliche Bezug zu der Planung und Errichtung eines Gebäudes im Sinne von § 4 Abs. 1 k ARB zu verneinen.

Die Klägerin beruft sich hier auf Haftungsgründe in Form mangelnder Aufklärung im Hinblick auf überhöht kalkulierte Nettomieten (Unterdeckung) und falsche Angaben zur Renditemöglichkeit der Eigentumswohnung durch die D. AG bei dem Erwerb der Immobilie und damit auf Mängel der Finanzierung. Diese mögen geeignet sein, sich unmittelbar auf die dauerhafte Verwirklichung des Erwerbs der Eigentumswohnung auszuwirken. Ein solches Risiko hängt zwar mit dem Erwerb der Immobilie unmittelbar zusammen, weil es die finanzielle Gestaltung betrifft, die sich dann wiederum auf die Anlageberatung auswirken kann. Es handelt sich aber nicht um ein typisches Baurisiko, bei dem sich Risiken der Planung und Errichtung eines Gebäudes im allgemeinen verwirklichen. Vielmehr handelt es sich um ein mit der Finanzierung von Geld- und Vermögensanlagen jeglicher Art verbundenes Risiko, das sich unabhängig von der Errichtung eines Gebäudes verwirklichen kann, beispielsweise bei dem Erwerb bereits genutzter Immobilien zum Zweck der Vermietung über einen Mietpool. Die der D. AG zur Last gelegten Pflichtverletzungen betreffen nach der Bauerrichtung liegende, in die Zukunft gerichtete Rentabilitätsgesichtspunkte. Mit dem Baurisiko besteht daher allenfalls ein mittelbarer Zusammenhang (vgl. auch BGH VersR 1986, 132).

Dass die Auseinandersetzung mit der D. AG möglicherweise in ähnlicher Weise kostenträchtig und schwer kalkulierbar ist, wie die Auseinandersetzung mit der Verkäuferin bzw. der Baubetreuungsgesellschaft, vermag die Anwendung der Ausschlussklausel in der hier maßgebenden Fassung nicht zu rechtfertigen. Mit welchen Kosten die Versichertengemeinschaft belastet wird, entscheidet sich nach dem Leistungsversprechen des Versicherers, der die Gestaltung seiner Versicherungsbedingungen und damit die Wahrung - in erster Linie - seiner Interessen selbst in der Hand hat.

Ende der Entscheidung

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