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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 12 U 299/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 634
BGB § 280
BGB § 328
BGB § 249
Der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige ist gegenüber dem in die Schutzwirkung des Gutachterauftrags einbezogenen Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zu keinen weitergehenden Erhebungen verpflichtet, als gegenüber seinem eigentlichen Auftraggeber.
Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 12 U 299/04

Verkündet am 29. Dezember 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2005 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richterin am Landgericht von Pentz Richterin am Oberlandesgericht Lampel-Meyer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 15.07.2004 - 1 O 37/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen

Gründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

I. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)

Die Klägerin, Haftpflichtversicherer eines Unfallverursachers, nimmt die Beklagten als vom Unfallgeschädigten beauftragte Kfz-Sachverständige wegen angeblich zu niedrig ermittelten Restwerts des beschädigten Fahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch. Sie wirft ihnen vor, bei der Ermittlung des Restwerts lediglich drei regionale Angebote berücksichtigt zu haben, nicht aber über Onlinebörsen erhältliche Angebote.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochten Urteils, mit dem das Landgericht die auf Zahlung von 11.119,63 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen hat, wird Bezug genommen.

Im Berufungsrechtszug verfolgt die Klägerin ihr Begehren in vollem Umfang weiter.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

II. (§ 540 Abs. 1 Nr.2 ZPO)

Das Landgericht hat zutreffend entschieden. Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zu.

Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige auch gegenüber der in die Schutzwirkung des Gutachterauftrags einbezogenen Haftpflichtversicherung des Unfallgegners zu keinen weitergehenden Erhebungen verpflichtet ist, als gegenüber seinem eigentlichen Auftraggeber. Die vertraglichen Pflichten des Sachverständigen sind darauf gerichtet, dem Geschädigten, der wie hier vollen Ersatz seiner Vermögenseinbußen verlangen kann, die Liquidation seines Schadens durch Feststellung der dafür maßgeblichen Werte zu erleichtern.

Wie der BGH in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, steht die Ersatzbeschaffung als Variante der Naturalrestitution unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Satz 2 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat (BGHZ 115, 364; 115, 375; 132, 373). Das Wirtschaftlichkeitspostulat gilt auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeuges bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss, denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeuges muss sich der Geschädigte grundsätzlich im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten. Das beruht auf dem Gedanken, dass er bei der Ersatzbeschaffung nach § 249 Satz 2 BGB nur den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangen kann. Dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit leistet der Geschädigte indessen im allgemeinen Genüge und er bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Satz 2 BGB gezogenen Grenzen, wenn er das Unfallfahrzeug zu dem am allgemeinen örtlichen Markt erzielbaren Preis verkauft oder in Zahlung gibt. Angebote räumlich entfernter Interessenten muss er nicht einholen. (BGH Urt. v. 07.12.2004 - VI ZR 119/04 -). Der Schädiger kann den Geschädigten auch nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, den dieser auf einem überregionalen Sondermarkt durch spezialisierte über das Internet agierende Restwertaufkäufer erzielen könnte (BGH NJW 2000, 800; OLG Köln VersR 2004, 1145). Dass - worauf die Klägerin im Berufungsrechtszug abhebt - im Kraftfahrzeughandel die Nutzung von Onlinebörsen allgemein verbreitet und üblich ist, bleibt für die Entscheidung ohne Belang, da der Gutachtensauftrag nicht von einem Kraftfahrzeughändler erteilt wurde.

Dass die Beklagten vom Geschädigten einen weitergehenden Auftrag hatten, insbesondere dahingehend, auch über den regionalen Markt hinaus den Sondermarkt der Internetaufkäufer zu untersuchen, hat die Klägerin ebenso wenig dargetan wie Umstände, die ihr selbst berechtigten Anlass zu der Annahme geben konnten, der Auftrag sei weiter gefasst. Zudem ergibt sich aus dem Gutachten mit hinreichender Klarheit, dass der Beklagte 2 seine Wertermittlung allein auf seine Erhebungen im lokalen Markt beschränkt hatte. Eine Restwertbemessung unter Einbeziehen des Sondermarkts konnte ohnehin nicht erwartet werden. Allenfalls kann unter bestimmten, hier nicht vorliegenden Umständen insbesondere bei erheblicher Mithaftung des Geschädigten ein Hinweis auf im Sondermarkt erzielbare höhere Restwerte angezeigt sein.

Dass im lokalen Markt höhere Restwerte zu erzielen waren und deshalb in die Begutachtung hätten einfließen müssen, hat die Klägerin - wovon das Landgericht zutreffend ausgeht - ebenfalls nicht hinreichend dargetan.

Soweit die Klägerin im Berufungsrechtszug die Auffassung vertritt, im Anschluss an die Entscheidung des BGH in NJW 2000, 800 müsse zwar nicht der Geschädigte, jedoch der Schadensgutachter die optimalen Verwertungsmöglichkeiten unter Einschluss der Onlinebörsen ermitteln, verkennt sie die Bedeutung der genannten Entscheidung. Der BGH zeigt insoweit - wie andere Gerichte auch ( vgl. OLG Düsseldorf Urt.v. 7.6.2004 - 1 U 12/04 -) lediglich den Weg auf, auf welchem die Haftpflichtversicherer ihr in Fällen wie dem vorliegenden geltend gemachtes Interesse an bestmöglicher Verwertung wahren können, nämlich dadurch, dass sie selbst alsbald sich mit dem Geschädigten in Verbindung setzen und ihm eine bessere und zumutbare Verwertungsmöglichkeit aufzeigen, die dieser dann wahrnehmen sollte, um sich nicht dem Vorwurf einer Verletzung seiner Pflicht zur Geringhaltung des Schadens gemäß § 254 Abs. 2 BGB auszusetzen. Ob dies im Einzelfall dadurch erfolgen kann, dass der Haftpflichtversicherer dem Geschädigten anbietet, den vollen Verwertungsaufwand zu übernehmen, oder sich darauf beschränkt, auf konkrete überlokale Kaufangebote unter Übernahme des Risikos und der Mehrkosten hinzuweisen, muss hier nicht näher ausgeführt werden. Wesentlich ist, dass die Haftpflichtversicherer sich im hier angesprochenen Pflichtenkreis allein mit dem Hinweis auf ihre durchaus berechtigten Interessen nicht auf eine Haltung des "dulde und liquidiere" zurückziehen können.

Die Klage ist aber auch deshalb unbegründet, weil die Klägerin nicht dargetan hat, dass ihr durch das Unterlassen des Hinweises auf am Restwertemarkt im Internet erzielbare höhere Erlöse ein Schaden entstanden ist. Insoweit trifft die Klägerin jedoch die Darlegungs- und Beweislast (BGHZ 123, 311; BGH VersR 1998, 763). Eine auch nur überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Geschädigte, wozu er im konkreten Fall nicht gehalten war (BGH Urt. v. 07.12.2004 - VI ZR 119/04 -), zum alleinigen Vorteil der Klägerin sein Unfallfahrzeug über das Internet und nicht am regionalen Markt veräußert hätte, ist nicht auszumachen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen - trotz entsprechender Anregung beider Parteien - nicht vor. Die Obliegenheiten des Geschädigten bei der Schadensabwicklung sind höchstrichterlich geklärt. Dass der Auftrag an den Schadensgutachter sich - sind wie hier keine besonderen Anhaltspunkte für Abweichendes gegeben - hieran ausrichtet, wird in der obergerichtlichen Rechtssprechung einhellig vertreten. Darüber hinaus hat die Klage schon aus tatsächlichen Gründen keinen Erfolg.



Ende der Entscheidung

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