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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 16.01.2007
Aktenzeichen: 12 U 72/06
Rechtsgebiete: VBLS


Vorschriften:

VBLS § 41 Abs. 2c a.F.
VBLS § 41 Abs. 2c Buchst. a a.F.
VBLS § 78 Abs. 2 Satz 1
VBLS § 79 Abs. 2 Satz 1
1. Die Privilegierung der in § 41 Abs. 2c Buchst. a VBLS a.F. genannten Versorgungsrentenberechtigten durch Zugrundelegung der günstigeren Lohnsteuerklasse III/0 beim fiktiven Nettoarbeitsentgelt ist nach bisherigem Recht und im Rahmen der Übergangsregelungen der §§ 79 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 78 Abs. 2 Satz 1 VBLS nicht zu beanstanden.

2. Ein Versorgungsrentenberechtigter kann bei der Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts nach § 41 Abs. 2c VBLS a.F. in Verbindung mit §§ 79 Abs. 2 Satz 1, 78 Abs. 2 Satz 1 VBLS die Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III/0 nicht beanspruchen, wenn er die satzungsgemäßen Voraussetzungen hierfür weder am 31.12.2001 noch bei späterem Eintritt des Versicherungsfalles erfüllt hat.


Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 12 U 72/06

Verkündet am 16. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2007 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richterin am Oberlandesgericht Lampel-Meyer Richter am Oberlandesgericht Dr. Stecher

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2006 - 6 O 27/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Zusatzversorgungsanstalt eine höhere Betriebsrente unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III/0 statt I/0 bei der Errechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts. Sie ist 1943 geboren und erhält seit 01.08.2003 von der Beklagten eine Betriebsrente in Höhe von 367,72 €

Mit Ablauf des 31.12.2001 hat die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ihr Zusatzversorgungssystem umgestellt von einer an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgung auf ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes Punktemodell. Danach errechnet sich die bei Eintritt des Versicherungsfalls zu leistende Betriebsrente aus der Summe der erworbenen Versorgungspunkte. Zu dem genannten Stichtag wurden die Werte der bereits erlangten Rentenanwartschaften festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten übertragen.

Im Altersvorsorgeplan 2001 hatten sich die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes am 13.11.2001 auf den Systemwechsel geeinigt. Die Einzelheiten wurden im Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) vom 01.03.2002 vereinbart. Der ATV liegt der neuen Satzung der Beklagten (VBLS) zugrunde, die von ihrem Verwaltungsrat am 09.09.2002 mit Wirkung ab dem 01.01.2001 beschlossen worden und durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 03.01.2003 nach vorheriger Genehmigung durch den Bundesminister der Finanzen in Kraft getreten ist.

Die Übergangsregelungen der neuen Satzung betreffen neben den bereits Rentenberechtigten (vgl. §§ 75 - 77 VBLS) vor allem die Inhaber von Rentenanwartschaften (Rentenanwärter). Bei den Rentenanwärtern wird zwischen rentennahen und rentenfernen Jahrgängen unterschieden.

Die Klägerin ist seit dem 11.05.2001 verwitwet. Bei Berechnung der Startgutschrift, die der Klägerin als rentennaher Jahrgang mit Mitteilung vom 15.08.2003 gemäß § 79 Abs. 2 ff VBLS erteilt wurde, wurde bei der Errechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts die Lohnsteuerklasse I/0 zurunde gelegt. Wären die Startgutschrift und auf dieser Basis die Betriebsrente unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III/0 errechnet worden, hätte sich eine wesentlich - nach Darstellung der Klägerin um 254,46 € netto - höhere monatliche Betriebsrente ergeben.

Die Klägerin ist der Ansicht, bei der Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts müsse die Lohnsteuerklasse III/O zugrunde gelegt werden. Die Ungleichbehandlung je nach Steuerklasse verstoße gegen Art. 3 GG und das Gebot von Treu und Glauben. Sie stehe im Widerspruch zu sonst üblichen Übergangsvorschriften wie z.B. in § 30d BetrAVG, wonach stets die Steuerklasse III/O zugrunde zu legen sei. Im Falle der Klägerin sei die Anwendung der Steuerklasse I/0 auch deshalb willkürlich und rechtswidrig, weil sie bis 2003 in der Lohnsteuerklasse III/O geführt worden sei. Außerdem sei die Schließung des Versorgungssystems rückwirkend zum 31.12.2000 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin noch verheiratet gewesen.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie

1. für den Zeitraum August 2003 bis Februar 2004 einen Betrag in Höhe von 1.781,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

2. ab März 2004 eine Versorgungsrente in Höhe von 589,27 € netto monatlich zu zahlen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der weiteren Feststellungen verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Die Startgutschriftenregelung halte sich als Stichtagsregelung noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Die Abgrenzung der Steuerklassen nach dem alten Satzungsrecht sei unbedenklich.

Im zweiten Rechtszug beantragt die Klägerin, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum August 2003 bis Mai 2006 8.561,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Eintritt der Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab Juni 2006 eine Betirebsrente in Höhe von 589,27 € netto monatlich zu zahlen.

außerdem hilfsweise unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats zu bereits entschiedenen Startgutschriftenfällen:

3. Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gemäß ihrer Satzung erteilte Startgutschrift den Wert der von der Klägerin bis zum 31.12.2001 erlangten Anwartschaft auf die ab 01.08.2003 zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III/0 statt I/0 bei der Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts zum 31.12.2001.

a) Die Klägerin erfüllt nicht die satzungsgemäßen Voraussetzungen für die Zugrundelegung der ihr günstigeren Lohnsteuerklasse. Gemäß §§ 79 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 78 Abs. 2 Satz 1 VBLS kommt es für die Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts im Sinne von § 41 Abs. 2c VBLS a.F. auf den Familienstand am 31.12.2001 an. Dieser Familienstand ist gemäß § 79 Abs. 6 VBLS über den beteiligten Arbeitgeber an die Beklagte mitzuteilen. Unerheblich ist demgegenüber, welche Lohnsteuerklasse auf einen Versicherten am Stichtag nach den Voraussetzungen des Einkommensteuerrechts anzuwenden ist.

Die Klägerin war zum maßgeblichen Stichtag verwitwet und hatte keinen Anspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende kindbezogene Leistung. Bei ihr war daher für die Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts gemäß § 41 Abs. 2c Satz 1 b VBLS a.F. die Steuerklasse I/0 zugrunde zu legen.

b) Die stichtagsbezogene Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts muss die Klägerin hinnehmen. Sie verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

aa) Die Satzungsbestimmungen der Beklagten unterliegen als Allgemeine Versiche-rungsbedingungen grundsätzlich einer Inhaltskontrolle nach den Vorschriften des AGB-Rechts (jetzt §§ 305 ff BGB). Auf den Schutz dieser Vorschriften dürfen sich auch die Versicherten berufen, obwohl sie nicht Partner des Versicherungsvertrages mit der Beklagten sind. Denn sie können aus dem Gruppenversicherungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber unmittelbar Rechte herleiten (st. Rspr.: BGHZ 155, 132 unter II 2 a; BVerfG VersR 2000, 835 unter II 2 a und c). Allerdings beruhen die Übergangsregelungen der §§ 78, 79 VBLS zur Systemumstellung und zur Ermittlung und Übertragung der Rentenanwart-schaften in das neue Punktemodell auf wort- oder zumindest sinngleichen tarifvertraglichen Regelungen. Diese sind vor allem in den §§ 32 f ATV sowie hierzu von den Tarifpartnern beschlossenen Änderungen, insbesondere im Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 12.03.2003, niedergelegt. Die Besitzstandsregelungen der §§ 78, 79 VBLS beruhen damit auf maßgebenden Grundentscheidungen der Tarifpartner, die als solche bewusst nicht den Trägern der Zusatzversorgung überlassen wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Grundentscheidungen der beteiligen Sozialpartner grundsätzlich hinzunehmen, weil die Ausgestaltung der Zusatzversorgung vor allem deren Konsens vorbehalten ist (vgl. BGHZ 103, 370, II 2 a; BGH VersR 2004, 319 unter II 2 b). Dies kann für das Satzungsrecht der Beklagten allerdings nur insoweit gelten, als die zugrunde liegenden tarifrechtlichen Regelungen ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Die Tarifpartner sind jedoch an das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden und haben bezüglich vorhandener Besitzstände die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. etwa das den Parteien bekannte Senatsurteil vom 07.12.2006 - 12 U 91/05 - veröffentlicht im anonymisierten Volltext bei den Pressemitteilungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe unter www.olgkarlsruhe.de, unter B IV 1 m.w.N.). Hiervon ausgehend wird die Klägerin nicht gleichheitswidrig oder sonst unangemessen benachteiligt.

bb) Die Privilegierung der in § 41 Abs. 2c Buchst. a VBLS a.F. genannten Versorgungsberechtigten durch Zugrundelegung der günstigeren Lohnsteuerklasse III/0 beim fiktiven Nettoarbeitsentgelt ist nach bisherigem Recht und im Rahmen der Übergangsregelungen der §§ 79 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 78 Abs. 2 Satz 1 VBLS als solche nicht zu beanstanden.

Das durch die 19. Änderung der VBLS a.F. vom 10.11.1983 eingeführte fiktive Nettoarbeitsentgelt diente der Vermeidung einer Überversorgung. Deshalb wurden, bezogen auf den Tag des Beginns der Versorgungsrente, pauschal fiktive Abzüge vom gesamtversorgungsfähigen Entgelt vorgenommen und die Gesamtversorgung auf den Nettoversorgungssatz begrenzt (§ 41 Abs. 2b Satz 1 VBLS a.F.). Es handelt sich um ein reines Berechnungselement, das zusammen mit der weiteren Rechengröße des in § 41 Abs. 2b VBLS festgelegten Vomhundertsatzes zu dem von den Tarifparteien als richtig angesehenen Abstand der Gesamtversorgung zum letzten Nettoentgelt des Versicherten und zum durchschnittlichen Arbeitseinkommen der aktiven Beschäftigten führt (BGH VersR 2004, 319 unter 2 b bb m.w.N.). Die Einführung der Nettobegrenzung beruht auf einer Grundentscheidung der Sozialpartner, die von den Gerichten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich hinzunehmen ist. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung solcher Grundentscheidungen kommt dem Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof die durch die 19. Satzungsänderung eingeführte Nettogesamtversorgung gebilligt und entschieden, dass insbesondere auch § 41 Abs. 2a bis 2c VBLS a.F. einer Inhaltskontrolle Stand halten (BGHZ 103, 370 unter II).

Die Anküpfung an das eheliche Zusammenleben sowie die Berechtigung zu kindbezogenen Leistungen als Kriterium für die Zugrundelegung der günstigeren Lohnsteuerklasse III/0 war nicht zu beanstanden. Der Verfassungsgeber selbst anerkennt durch Art. 6 Abs. 1 GG die Ehe als besonders schützenswerte Lebensform und unterstellt sie einer besonderen Förderpflicht des Staates (vgl. BVerfG NJW 2002, 2543, 2547 ff). Gerade wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (BVerfG aaO 2548 unter 1 c cc). Dies ist etwa im Einkommensteuerrecht durch die Möglichkeit der Zusammenveranlagung von Ehegatten (§ 26 Einkommensteuergesetz - EStG) und die hieran anknüpfende Einführung der Lohnsteuerklasse III/0 geschehen. Auch die Beklagte konnte bei der Bemessung der Gesamtversorgung eine ähnliche Privilegierung von Ehegatten vorsehen. Bei der Rentnergeneration, deren Betriebsrente sich maßgeblich nach der VBLS a.F. bestimmt, war die Ehe typischerweise auf die Gründung einer Familie mit Kindern angelegt und damit auf einen wichtigen Beitrag für die demografische Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft. Dabei hat ein Ehepartner - in der Regel die Frau - wegen der Kinder entweder in der sogenannten Hausfrauenehe ganz oder zumindest über einen erheblichen Zeitraum hinweg auf eigene Erwerbseinkünfte verzichtet. Es ist nachvollziehbar und nicht willkürlich, wenn der Satzungsgeber dieser Situation durch Zugrundelegung der für nicht dauernd getrennt lebende Verheiratete geltenden günstigeren Lohnsteuerklasse III/0 Rechnung getragen hat, wenn die Ehe zum maßgeblichen Stichtag des Beginns der Versorgungsrente noch bestand und die Partner zusammen lebten.

Darüber hinaus hat der Satzungsgeber mit der Regelung des § 41 Abs. 2c Satz 1 Buchstabe a, zweiter Halbsatz VBLS a.F. dem Umstand kinderbedingter Belastungen besonders Rechnung getragen. Danach ist - abweichend vom Steuerrecht - von der Lohnsteuerklasse III/0 auch bei einem unverheirateten Versorgungsrentenberechtigten auszugehen, der am maßgeblichen Stichtag Anspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende Leistung für mindestens ein Kind hat. Auch diese Privilegierung, etwa gegenüber nicht (mehr) unterhaltspflichtigen Alleinstehenden oder nicht verheirateten Partnern, ist - jedenfalls für den Zeitraum, in dem die VBLS a.F. galt (vgl. auch Senatsurteil vom 21.10.2004 - 12 U 195/04 - VersR 2005, 636 unter II 1 b) - durch hinreichende Gründe sachlich gerechtfertigt.

Damit ist grundsätzlich auch nicht zu beanstanden, dass die Übergangsregelungen der §§ 79 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 78 Abs. 2 Satz 1 VBLS zur Bestimmung des Werts der von den rentennahen Versicherten nach bisherigem Satzungsrecht erdienten Anwartschaften an die Differenzierung nach Lohnsteuerklassen in der VBLS a.F. anknüpfen. Die Tarifpartner und die Beklagte waren nicht gezwungen, etwa nach dem gesetzgeberischen Vorbild des § 30d Abs. 1 Satz 2 BetrAVG für bestimmte Fälle von Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener öffentlicher Bediensteter, einheitlich die günstigere Steuerklasse zugrunde zu legen. Hierauf konnte kein Versicherter vertrauen.

cc) Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin auch gegen den von den Tarifpartnern (vgl. §§ 32 f ATV) und der Beklagten gewählten Umstellungsstichtag (31.12.2001).

Stichtagsregelungen sind vielfach üblich und nicht deshalb unzulässig, weil sie im Einzelfall zu Härten führen. Bei der Wahl des Stichtags besteht ein weiter Ermessensspielraum. Der Zeitpunkt muss aber sachlich vertretbar sein (vgl. BAGE 99, 53 unter 2 b m.w.N.). Das ist hier der Fall. Bei unveränderter Fortführung als Gesamtversorgung war der Bestand des Zusatzversorgungssystems, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. zuletzt etwa Senatsurteil vom 07.12.2006 aaO unter B IV 4) gefährdet. Diese Entwicklung, bei der mittelfristig nicht mit einer Situationsverbesserung gerechnet werden konnte, rechtfertigte die Herbeiführung eines Systemwechsels und im Interesse einer künftigen verlässlichen Kostenkalkulation auch eine Festschreibung der Anwartschaften zum Umstellungsstichtag, wenn und soweit damit nicht unverhältnismäßig in erdiente Besitzstände eingegriffen wurde.

Hierfür bestehen bei der Klägerin - bezüglich der von ihr angegriffenen Bemessung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts - keine Anhaltspunkte.

Zur Systemumstellung und Festschreibung der Anwartschaftswerte war die Festlegung eines bestimmten Stichtages unerlässlich. Die Wahl des 31.12.2001 war, nachdem das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen vom 15.07.1998 zu § 18 BetrAVG a.F. sowie vom 22.03.2000 zur Halbanrechnung von Vordienstzeiten bereits bis zum Ende des Jahres 2000 grundlegende Satzungsänderungen angemahnt hatte und im Jahr 2000 die Aufnahme von Tarifverhandlungen zu einer grundlegenden Reform des Zusatzversorgungsrechts öffentlich bekannt gemacht worden waren, nicht zu beanstanden. Das Vertrauen eines Versicherten darauf, auch künftig ungeschmälert Zuwächse nach dem bisherigen System erwerben zu können, war insoweit nicht mehr schutzwürdig (vgl. BAG 100, 76 unter III). Es kann dahin stehen, ob die Tarifpartner auch einen früheren Stichtag, etwa den 31.12.2000, hätten wählen können. Von Rechts wegen gezwungen waren sie dazu jedenfalls nicht.

Das Abstellen auf den Umstellungsstichtag war auch insofern folgerichtig, als schon die im bisherigen System maßgebliche Bestimmung des § 41 Abs. 2c Satz 1 VBLS a.F. - für den Zeitpunkt des Beginns der Versorgungsrente - eine Stichtagsregelung enthielt und damit die Höhe des Rentenanspruchs in gleicher Weise von mehr oder weniger zufälligen Entwicklungen in den persönlichen Verhältnissen abhängig machte und mit entsprechenden Härten verbunden war. Im Übrigen war davon auszugehen, dass eine "Verbesserung" bezüglich der gemäß § 41 Abs. 2c Satz 1 VBLS a.F. zugrunde zu legenden Lohnsteuerklasse infolge Eheschließung oder der Erlangung von Ansprüchen auf eine kindbezogene Leistung erfahrungsgemäß in vergleichsweise wenigen Ausnahmefällen zu erwarten war. Weitaus überwiegend ändern sich in diesem Abschnitt der Erwerbsbiografie die maßgeblichen persönlichen Verhältnisse entweder nicht oder dahingehend, dass gemäß § 41 Abs. 2c Satz 1 VBLS a.F. die günstigere Lohnsteuerklasse III zwar zum Umstellungs-stichtag, nicht aber mehr zum Zeitpunkt des Renteneintritts anzuwenden ist (Senatsurteil vom 07.12.2006 aaO unter B IV 4 g aa).

Im Falle der Klägerin ist eine Situationsverschlechterung gegenüber der Rechtslage nach der alten Satzung nicht eingetreten, da sie auch im gemäß § 41 Abs. 2c Satz 1 VBLS a.F. maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles (01.08.2003) die Voraussetzungen für die Zugrundelegung des Lohnsteuerklasse III/0 nicht erfüllte. Gleiches gilt im Zeitpunkt der (rückwirkenden) Inkraftsetzung der neuen Satzung mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 03.01.2003.

Eine abweichende Bewertung ist auch nicht unter Berücksichtigung des von der Klägerin im Berufungsverfahren angeführten Senaturteils vom 29.03.2001 in der Sache 12 U 173/00 veranlasst. Die Entscheidung betrifft den Fall einer Rentenneuberechnung gemäß §§ 55a, 56 VBLS a.F. nach Wiederheirat des Versicherten und damit einen wesentlich anders gelagerten Sachverhalt. Soweit die Klägerin eine Härte darin sieht, dass ihre Ehe relativ kurze Zeit vor dem Umstellungsstichtag durch den Tod ihres Ehemannes geendet hat, muss sie diese als schicksalhaft hinnehmen.

2. Der erstmals im Berufungsrechtszug gestellte Hilfsantrag der Klägerin auf Feststellung, dass die von der Beklagten erteilte Startgutschrift den Wert ihrer bis zum 31.12.2001 erlangten Betriebsrentenanwartschaft nicht verbindlich festlegt, ist gemäß § 533 ZPO nicht zuzulassen. Die Klägerin hat ihren Angriff gegen die Rentenmitteilung und die dieser zugrunde liegende Startgutschrift erstinstanzlich in, wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, zulässiger Weise auf ein bestimmtes Berechnungselement beschränkt. Der Hilfsantrag ist damit als Klagerweiterung bzw. Klagänderung im Sinne von § 533 ZPO anzusehen. Die Beklagte hat hierin nicht eingewilligt. Die Erweiterung ist auch nicht sachdienlich. Sie erfordert, wie aus entsprechenden "Parallelverfahren" beim Senat bekannt ist, umfassenden Tatsachen- und Rechtsvortrag, der im vorliegenden Rechtsstreit neu eingeführt werden müsste.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der Rechtsstreit wirft mehrere entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen auf, die sich bereits jetzt in einer Vielzahl gleichartiger Fälle stellen und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren.

Ende der Entscheidung

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