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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: 12 U 77/03
Rechtsgebiete: ARB 94


Vorschriften:

ARB 94 §§ 3 Abs. 2 f
ARB 94 § 18 Abs. 1 b
Eine Vermögensanlage in Genussscheinen, Aktien oder entsprechenden Fonds stellt kein Spekulationsgeschäft im Sinne des § 3 Abs. 2 f ARB 94 dar.

Dem Rechtsschutzversicherer ist es verwehrt, sich auf die mangelnde Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung zu berufen, wenn er dem Versicherten diesen Ablehnungsgrund entgegen § 18 Abs. 1 b ARB 94 nicht unverzüglich schriftlich mitgeteilt hat.


Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 12 U 77/03

Verkündet am 20. November 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2003 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richterin am Oberlandesgericht Lampel-Meyer Richter am Landgericht Dr. Stecher

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägerins wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 03. Juni 2003 - 1 O 40/03 - aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aus dem zwischen ihrem Ehemann ... und der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag (Versicherungs-Nummer: PRS 60-802-1272722 -140) für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die M - AG aus dem Vermögens-Verwaltungsvertrag zwischen der Klägerin und M vom 18.01. / 24.01.2000 bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einem Vermögensverwaltungsvertrag Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung, der die ARB 94 zugrunde liegen.

Die Klägerin hatte eine Vermögensverwalterin beauftragt und bevollmächtigt, das ihr anvertraute Vermögen nach Maßgabe näher vereinbarter Bestimmungen bestmöglich, aber ohne Verpflichtung auf einen bestimmten Anlageerfolg zu verwalten. Die Vermögensverwalterin sollte das ihr anvertraute Vermögen nach eigenem Ermessen ohne vorherige Einholung von Weisungen, jedoch gemäß der zu vereinbarenden Anlagestrategie (reines Rentendepot, konservatives Depot, ausgewogenes Depot, flexibles Depot oder dynamisches Depot) verwalten. Bei den vier letztgenannten Depots konnte die Anlage in in- und ausländischen Renten, Genussscheinen, Aktien oder entsprechenden Fonds erfolgen. Beim dynamischen Depot, das die Klägerin - als riskanteste Anlagestrategie - wählte, durfte der Anteil der auf Aktien und auf ausländische Währungen entfallenden Anlagen 100 % des Vermögens erreichen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Vermögensverwalterin wegen Pflichtverletzungen ihr zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Beklagte hält den Vermögensverwaltungsvertrag für ein Spekulationsgeschäft, für das kein Versicherungsschutz besteht. Im übrigen habe die Schadensersatzklage keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten rechtsverfolgung abgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte ihr für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einem Vermögensverwaltungsvertrag Rechtsschutz zu gewähren habe. Der Ehemann der Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung, die den Versicherungsschutz der Klägerin einschließt. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1994 (ARB 94) zugrunde. Im Januar 2000 schloss die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der M - AG einen Vermögensverwaltungsvertrag (Anlage K 1), mit dem die Vermögensverwalterin beauftragt und bevollmächtigt wurde, das ihr anvertraute Vermögen nach Maßgabe näher vereinbarter Bestimmungen bestmöglich, aber ohne Verpflichtung auf einen bestimmten Anlageerfolg zu verwalten. Schriftlich vereinbart wurde, dass die Vermögensverwalterin beauftragt sei, das ihr anvertraute Vermögen nach eigenem Ermessen ohne vorherige Einholung von Weisungen, jedoch gemäß der zu vereinbarenden Anlagestrategie (reines Rentendepot, konservatives Depot, ausgewogenes Depot, flexibles Depot oder dynamisches Depot) zu verwalten. Bei den vier letztgenannten Depots konnte die Anlage in in- und ausländischen Renten, Genussscheinen, Aktien oder entsprechenden Fonds erfolgen. Beim dynamischen Depot, das die Klägerin - als riskanteste Anlagestrategie - wählte, durfte der Anteil der auf Aktien und auf ausländische Währungen entfallenden Anlagen 100 % des Vermögens erreichen. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Vermögensverwalterin ihre Pflichten aus dem Vermögensverwaltungsvertrag verletzt habe und daher zum Ersatz des ihr dadurch in Höhe von 166.000,-- € entstandenen Schadens verpflichtet sei. Für diese Rechtsverfolgung begehrt sie von der Beklagten Deckungsschutz. Die Klägerin sieht - unter anderem - trotz der gewählten Anlagestrategie einen Pflichtverstoß der Vermögensverwalterin darin, dass diese nahezu das gesamte anvertraute Vermögen zu einem Zeitpunkt in Aktien angelegt gelassen habe, als die Anlage auf unter 80 % des ursprünglichen Wertes gefallen gewesen sei. Die Beklagte ist der Auffassung, die beabsichtigte Klage habe mangels schuldhafter Verletzung von Pflichten durch die Vermögensverwalterin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Im übrigen sei für die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 3 Abs. 2 f ARB 94 Deckungsschutz ausgeschlossen, weil die angeblichen Vertragsverletzungen in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäften stünden.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Zweitinstanzliche Änderungen und Ergänzungen ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die Klägerin habe nicht schlüssig vorgetragen, dass die Vermögensverwalterin eine ihr obliegende Pflicht verletzt habe. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragt, in Abänderung des landgerichtlichen Urteils festzustellen,

dass die Beklagte der Klägerin aus dem zwischen deren Ehemann .. und der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag (Versicherungsnummer: PRS 60/802/1272722/140) für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus dem Vermögensverwaltungsvertrag zwischen der Klägerin und der M - AG vom 18.01.2000/24.01.2000 Versicherungsschutz zu gewähren hat. Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils,

die Berufung zurückzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beklagte ihr für die beabsichtigte Rechtsverfolgung zur Gewährung von Rechtsschutz gemäß §§ 1, 2 a der vereinbarten ARB 94 verpflichtet.

1. Unzweifelhaft besteht für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der hier vorliegenden Art gemäß 2 a ARB 94 an sich Deckungsschutz. Auch ist die Aktivlegitimation der Klägerin als aus dem Versicherungsvertrag Mitversicherte unstreitig, vgl. § 75 Abs. 2 VVG.

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten greift der Risikoausschluss des § 3 Abs. 2 f ARB 94 hier nicht ein. Nach § 3 Abs. 2 f ARB 94 besteht Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäften. Darum handelt es sich bei der Anlage von Vermögen in Renten, Genussscheinen, Aktien oder entsprechenden Fonds jedoch nicht.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muss (BGHZ 123, 83, 85). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt (BGH VersR 2003, 1122 unter 2 a). Geht es - wie hier - um das Verständnis einer Risikoausschlussklausel, so ist zugunsten des Versicherungsnehmers stets eine enge Auslegung geboten (vgl. BGH VersR 1999, 478 unter 2 a und VersR 2003, 454 unter II 1 und 2). Nach diesen Maßstäben kann der Klägerin der Versicherungsschutz mit Rücksicht auf § 3 Abs. 2 f ARB 94 nicht versagt werden.

b) Ein Verständnis der von der Klägerin beauftragten Vermögensverwaltung als Spiel- oder Wettvertrag ist aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers fernliegend (vgl. auch Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl. 1998, § 4 ARB 75 Rn. 53 f u. § 3 ARB 94 Rn. 12; BGH VersR 1985, 32; §§ 762, 764 BGB a.F.). Bei Spielverträgen sagen sich die Partner für den Fall des Gewinns eine Leistung zu, deren Eintritt allein oder überwiegend vom Zufall oder der Geschicklichkeit der Beteiligten abhängt, wobei ein ernsthafter sittlicher oder wirtschaftlicher Geschäftszweck fehlt (vgl. Palandt/Sprau, 62. Aufl., § 762 BGB Rn. 1). Bei der Wette wird der Gewinn zur Bekräftigung eines Meinungsstreits versprochen (Palandt/Sprau aaO Rn. 2). Zu derartigen Vereinbarungen, deren wesentlicher Kern sich - ungeachtet eines etwaigen fest umrissenen Verständnisses in der Rechtssprache - auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließt, zählt ein auf den Erwerb verschiedener werthaltiger Rechte gerichteter Vermögensverwaltungsvertrag ersichtlich nicht. Vielmehr handelt es sich dabei um einen entgeltlichen Dienstvertrag in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages, der den Verwalter zur Verwaltung des Vermögens eines Kunden in dessen Interesse verpflichtet (BGH NJW 1998, 449 unter II 2 a = BGHZ 137, 69). Dementsprechend sind die Forderungen daraus auch, anders als solche aus Spiel- und Wette (§ 762 Abs. 1 Satz 1 BGB), typischerweise einklagbar.

c) Gegenstand des Vermögensverwaltungsvertrages, auf dessen Verletzung die Klägerin ihre beabsichtigte Rechtsverfolgung stützen will, sind auch nicht Termingeschäfte oder vergleichbare Spekulationsgeschäfte im Sinne von § 3 Abs. 2 f ARB 94.

(1) In der Rechtssprache wird der Begriff Termingeschäfte insbesondere in § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Wertpapierhandelsgesetzes vom 09.09.1998 (BGBL. I 1998, 2708 - WpHG) zur Bestimmung des Begriffs Derivate verwendet. Eine allgemeine Definition des Termingeschäfts findet sich dort nicht. Das wesentliche Merkmal des Termingeschäfts wird in der Literatur darin gesehen, dass die Bewertung und damit der Preis des Rechts, das in der Zukunft geltend gemacht werden kann oder zu erfüllen ist, aufgrund seiner inhaltlichen Ausgestaltung unmittelbar oder mittelbar von einem bestimmten Basiswert abhängt, der seinerseits Preis- und Bewertungsschwankungen unterliegt. Die Art der vereinbarten Rechte oder Leistungen ist für die Beteiligten dabei völlig unerheblich, solange nur der geschilderte Basiswertbezug vorhanden ist (vgl. Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 2 Rn.28; Claussen/Erne, Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. Rn. 195; Allmendinger/Tilp, Börsentermin- und Differenzgeschäfte,1998, Rn. 17 ff m.w.N.).

Termingeschäfte kommen in erster Linie im Rahmen des Börsenhandels vor (vgl. § 50 BörsG i.d.F. bis 30.06.2002). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Börsentermingeschäfte standardisierte Verträge, die von beiden Seiten erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Ende der Laufzeit, zu erfüllen sind und einen Bezug zu einem Terminmarkt haben. Die besondere Gefährlichkeit dieser Geschäfte besteht darin, dass sie - anders als Kassageschäfte, bei denen der Anleger sofort Barvermögen oder einen Kreditbetrag einsetzen muss - durch den hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt zur Spekulation auf eine günstige, aber ungewisse Entwicklung des Marktpreises in der Zukunft verleiten, die die Auflösung des Terminengagements ohne Einsatz eigenen Vermögens und ohne Aufnahme eines förmlichen Kredits durch ein gewinnbringendes Glattstellungsgeschäft ermöglichen soll. Typischerweise sind mit Börsentermingeschäften die Risiken der Hebelwirkung und des Totalverlustes des angelegten Kapitals sowie der Gefahr, planwidrig zusätzliche Mittel einsetzen zu müssen, verbunden (BGH WM 2002, 803 unter III 1 b bb (2)a = BGHZ 150, 164).

(2) Es kann dahinstehen, ob die Rechtssprache mit dem Termingeschäft einen fest umrissenen Begriff des dargestellten Inhalts verbindet, von dem auch das allgemeine Sprachverständnis nicht deutlich abweicht. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird jedenfalls - im Einklang mit der anerkannten rechtlichen Einordnung - unter einem Termingeschäft im Sinne von § 3 Abs. 2 f ARB 94 ein Geschäft verstehen, bei dem ein bestimmter in der Zukunft liegender Erfüllungszeitpunkt im Vordergrund steht. Die nach dem Vermögensverwaltungsvertrag in Betracht kommenden Formen einer Geldanlage in Renten, Genussscheinen, Aktien oder entsprechenden Fonds sind hierzu nach allgemeinem Sprachverständnis nicht zu zählen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass deren Erwerb typischer oder gar notwendiger Weise von der Wertbemessung zu einem bestimmten in der Zukunft liegenden Zeitpunkt abhängt.

Die Anlagen können auch nicht als den Termingeschäften vergleichbare Spekulationsgeschäfte angesehen werden. Dabei kann zur Bestimmung des Begriffs der Spekulationsgeschäfte im Sinne des § 3 Abs. 2 f ARB 94 nicht auf ein etwaiges Verständnis in der Rechtssprache zurückgegriffen werden, wie es etwa dem in § 23 des Einkommensteuergesetzes a.F. verwendeten Begriff der "Spekulationsgeschäfte" entspricht (vgl. auch Harbauer aaO § 3 ARB 94 Rn. 14). Denn § 3 Abs. 2 f ARB 94 knüpft nicht an ein solches Verständnis an, sondern an den Vergleich mit Termingeschäften. Den von der Klägerin beauftragten Geldanlagen fehlt jedoch gerade der besondere spekulative Charakter einer solchen Geldanlage, auf den die Klauselformulierung "Termingeschäfte oder vergleichbare Spekulationsgeschäfte" ersichtlich abhebt. Zwar "spekuliert" in gewissem Sinne auch der Anleger in Aktien, Renten oder vergleichbare Wertrechte auf eine ihm günstige zukünftige Entwicklung. Diese Art der Spekulation ist jedoch durch den Bezug zum Termingeschäft, aber auch im Gesamtzusammenhang mit den eingangs der Klausel genannten Spiel- und Wettverträgen, von dem gebotenen engen Verständnis des Spekulationsgeschäftes im Sinne von § 3 Abs. 2 f ARB 94 aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht mehr gedeckt. Die Geldanlage in Renten, Genussscheinen, Aktien oder entsprechenden Fonds ist - vergleichbar etwa mit dem Kauf eines Grundstücks - geprägt durch den sofortigen Erwerb des Rechts. Dementsprechend erweist sich der Eintritt des erhofften Vermögenszuwachses als Folge einer günstigen Wertentwicklung des erlangten Rechts am Markt und damit als Ergebnis einer wirtschaftlich sinnvollen Anlageentscheidung des Inhabers oder Vermögensverwalters. Im Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sind derartige Vermögensanlagen daher nicht als einem Termingeschäft vergleichbare Spekulationsgeschäfte im Sinne des Risikoausschlusses anzusehen.

3. Die Beklagte kann sich nicht mehr darauf berufen, die beabsichtigte Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das ist ihr verwehrt, weil sie es entgegen § 18 Abs. 1 b ARB 94 versäumt hat, der Klägerin nach Unterrichtung über die Umstände des Versicherungsfalls diesen Ablehnungsgrund unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen, sie diesen Einwand vielmehr erstmals in der Klagerwiderung erhoben hat.

Der Wortlaut des § 18 Abs. 1 b ARB 94 entspricht im Wesentlichen demjenigen des § 17 Abs. 1 Satz 1 u. 2 ARB 75. Zu § 17 ARB 75 hat der Bundesgerichtshof neuerdings in Bestätigung der Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte entschieden, dass die Ablehnung des Versicherers wegen fehlender Erfolgaussicht nur innerhalb des Zeitraums erfolgen könne, den dieser bei sachgerechter, nicht schuldhaft verzögerter Prüfung für seine Entschließung benötigt (BGH VersR 2003, 638 unter 2 und VersR 2003, 1122 unter 3). Die Prüfungspflicht des Versicherers beginnt, sobald der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit nach § 15 Abs. 1 a ARB 75 (ebenso § 17 Abs. 5 a ARB 94) erfüllt hat, den Versicherer unverzüglich vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Versicherungsfalles zu unterrichten sowie Beweismittel und Unterlagen anzugeben und auf Verlangen zur Verfügung zu stellen (Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 17 ARB 75 Rdn. 5). Bei Verletzung dieser Obliegenheit hat sich der Versicherer Leistungsfreiheit nach Maßgabe von § 15 Abs. 2 ARB 75 (ebenso § 17 Abs. 6 ARB 94) ausbedungen. Es drängt sich auf, dass ein Verstoß gegen die Pflicht des Versicherers zur unverzüglichen Prüfung den Verlust seines Ablehnungsrechts nach sich zieht. Denn der verständige Versicherungsnehmer kann nicht davon ausgehen, dass ihm selbst mit der Sanktion des Leistungsverlustes verknüpfte unverzüglich zu erfüllende Aufklärungsobliegenheiten aufgegeben werden, der Versicherer aber seine Entschließung über das Vorliegen von Ablehnungsgründen beliebig - und ohne gleichzeitigen Verlust des Ablehnungsrechts - hinausschieben kann. Was insoweit für den Versicherungsnehmer gilt, muss in entsprechender Weise für den Versicherer gelten (BGH VersR 2003, 638 aaO).

Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Regelungen zu den Rechtsfolgen bei Versäumung der Herbeiführung des anwaltlichen Stichentscheids binnen Monatsfrist gemäß § 17 Abs. 2 und 3 ARB 75 bestätigt (BGH VersR 2003, 638 aaO). Gleiches gilt auch für die entsprechende Regelung in § 18 Abs. 2 und 3 ARB 94 zum nunmehr anstelle des Stichentscheidsverfahrens vorgesehenen Schiedsgutachterverfahren (vgl. dazu etwa Prölss/Prölss § 18 ARB 94 Rn. 1 ff m.w.N). Demnach hat die Beklagte ihr Ablehnungsrecht wegen fehlender Erfolgsaussicht verloren und kann - ungeachtet der tatsächlichen Erfolgschancen - aus diesem Grund den Deckungsschutz nicht verweigern.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Hinreichende Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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