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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 18.09.2007
Aktenzeichen: 13 U 217/06
Rechtsgebiete: StVG, ZPO


Vorschriften:

StVG § 17
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 16.11.2006 - 5 O 13/06 - dahin abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Klägerin EUR 6.285,49 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10. 2005 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf EUR 3.059,42 festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Die Beklagten greifen das erstinstanzliche Urteil wegen der Haftungsverteilung und wegen der Mietwagenkosten an.

Sie beantragen,

das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 16.11.2006 im Kostenpunkt aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als die Beklagten zur Zahlung von mehr als EUR 3.257,27 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 20.10.2005 verurteilt werden.

II. Die Berufung der Beklagten ist ganz überwiegend nicht begründet. Die vom Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung mit 40:60 zu Lasten der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Der Klägerin stehen auch die mit 1.806,00 EUR geltend gemachten Mietwagenkosten ganz überwiegend in Höhe von 1.758,00 EUR zu.

1. Haftungsverteilung:

Das Landgericht hat im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile mit Recht eine Haftungsverteilung von 40:60 zu Lasten der Beklagten angenommen. Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die in vollem Umfange Bezug genommen wird. Die gegen die Haftungsverteilung gerichteten Berufungsangriffe vermögen im Ergebnis eine andere Haftungsverteilung nicht zu begründen. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 75 % (statt höchstens zulässiger 20 km/h hielt der Beklagte zu 1 eine Geschwindigkeit von 35 km/h ein) das größere Gewicht gegeben hat. Soweit die Berufung meint, dem Unfallrekonstruktionsgutachten vom 09.05.2006 könne entnommen werden, dass der Beklagte zu 1 den Unfall bei Einhaltung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit nicht hätte vermeiden können, ist dies so nicht zutreffend. Das Gutachten äußert sich lediglich dazu, dass der Beklagte zu 1 das vorliegende Unfallgeschehen dadurch hätte vermeiden können, dass er sich angesichts der Sicht- und Vorfahrtsverhältnisse äußerst langsam - statt seiner tatsächlichen 35 km/h - an das Ende der rechts von ihm befindlichen Fahrzeuge heranbewegt und bei Erkennen des sich von rechts nähernden klägerischen Pkw angehalten hätte, wobei berücksichtigt wurde, dass die Klägerin nur in einem relativ geringen seitlichen Abstand von ca. 1 Meter am Ende der für sie links parkenden Fahrzeuge vorbei nach links hatte abbiegen wollen. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Sachverständige mit der von ihm genannten "äußerst langsamen" Geschwindigkeit eine Geschwindigkeit von unter 20 km/h im Auge hatte, kann dies dennoch eine Unvermeidbarkeit nicht begründen. Denn in der konkreten Verkehrssituation war bereits die allgemein zulässige Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h überhöht, weil der Beklagte zu 1 in unmittelbarer Nähe zur Reihe der parkenden Fahrzeuge entlang fuhr und damit rechnen musste, dass von dort ausgehend jederzeit Hindernisse - insbesondere ausparkende Fahrzeuge oder Fußgänger - seine Fahrbahn kreuzen konnten, worauf das Landgericht zutreffend hinweist. Dem Landgericht ist auch insoweit beizutreten, dass die auf Parkplätzen gebotene spezifische Rücksichtnahmepflicht regelmäßig verlangt, sich etwa auf Schrittgeschwindigkeit, also etwa 10 km/h, zu beschränken und ständig bremsbereit zu sein. Dabei kann auch die Klägerin für sich ins Feld führen, dass der Unfall für sie wegen der überhöhten Geschwindigkeit des Beklagten zu 1 unvermeidbar gewesen wäre, wenn sie statt des zu engen seitlichen Abstands von nur 1 Meter in einem ausreichenden seitlichen Abstand von ca. 3 bis 4 Metern an den letzten parkenden Fahrzeugen/Parkbuchten vorbei nach links abgebogen wäre (Vermeidbarkeit nach dem Gutachten erst bei einem seitlichen Abstand von 5 Metern).

Im Ergebnis ist somit die vom Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung nach § 17 StVG aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

2. Mietwagenkosten:

Die Berufung hat im Ergebnis auch nur einen geringen Erfolg, soweit sie die vom Landgericht zugesprochenen Mietwagenkosten in Höhe von 1.806,00 EUR angreift. Zwar ist nach dem jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofs (vom 26.06.2007 - VI ZR 163/06 - BB 2007, 1655) eine Schätzung der Mietwagenkosten anhand des dreifachen Satzes der Nutzungsausfallentschädigung nach Sanden/Danner/Küppersbusch ohne fallbezogene Prüfung rechtlich nicht mehr gangbar. Dennoch erweisen sich die geltend gemachten Mietwagenkosten als ganz überwiegend berechtigt, da sie nach der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung sich unter Berücksichtigung eines angemessenen Aufschlags von 20 % auf den sog. "Normaltarif" entsprechend dem Automietpreisspiegel der Schwacke Bewertungs-GmbH für das Jahr 2006 (nachfolgend AMS 2006) in Höhe von 1.758,00 EUR ersatzfähig sind.

Nach dem o. g. Urteil des Bundesgerichtshofs ist es nicht erforderlich, dass der bei der Schadensberechnung nach 287 ZPO besonders freie Tatrichter für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines "Unfallersatztarifs" die Kalkulation des konkreten Unternehmens - ggf. nach Beratung durch einen Sachverständigen - in jedem Falle nachvollzieht. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei u. U. auch ein pauschaler Aufschlag auf dem "Normaltarif" in Betracht kommt. In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den "Normaltarif" auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des "Schwacke Mietpreisspiegels" im Postleitzahlengebiet des Geschädigten - ggf. mit sachverständiger Beratung - ermitteln (BGH aaO.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze sind vorliegend die Mietwagenkosten gem. § 287 ZPO auf der Grundlage des AMS 2006 mit einem Aufschlag von 20 % auf das gewichtete Mittel des Normaltarifs zu schätzen. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Klägerin nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen den Unfall an ihrem ersten Urlaubstag erlitt und noch am selben Tage ein Ersatzfahrzeug benötigte, um eine bereits lange geplante und organisierte Reise mit ihrer kleinen Tochter zu ihren Eltern vornehmen zu können. Unter Mithilfe der Chefin des Beklagten zu 1 wurde das Abschleppunternehmen F.. in L.. beauftragt, das das beschädigte Fahrzeug in B. abholte und der Klägerin ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellte. Wie zwischenzeitlich in der Berufungsinstanz belegt, wurde eine Haftungsbefreiung im Mietvertrag vereinbart, die mit täglich 31, insgesamt mit 434,00 EUR berechnet wurde (siehe Mietvertrag, II, 55). Außerdem wurden für die Zufuhr 36,00 EUR berechnet.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist entsprechend dem Urteil des OLG Köln vom 02.03.2007 (OLGR Köln 2007, 471) im Hinblick auf die Besonderheiten der hier vorliegenden Unfallsituation einen Aufschlag von 20 % pauschal gerechtfertigt, ohne dass im Einzelnen die jeweilige Kalkulationsgrundlage des konkreten Anbieters vom Geschädigten bzw. vom Gericht betriebswirtschaftlich nachvollzogen werden muss.

Daneben sind die Kosten für eine Teil- bzw. Vollkaskoversicherung bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges grundsätzlich erstattungsfähig, unabhängig davon, ob das bei dem Verkehrsunfall geschädigte Fahrzeug ebenfalls voll- oder teilkaskoversichert war, weil jedenfalls grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse der Geschädigten besteht, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge (OLG Köln aaO. unter Hinweis auf BGH NJW 2005, 1041, 1042/1043). Allerdings ist die Höhe der Kosten der Haftungsfreistellung ebenfalls nach den Sätzen der AMS 2006 entsprechend § 287 ZPO zu schätzen, woraus sich nach der Nebenkostentabelle für Fahrzeuge der Klasse 5 Nebenkosten für Vollkasko wöchentlich von 147,00 EUR ergeben, für 2 Wochen somit 294,00 EUR. Erstattungsfähig sind außerdem die Kosten für die Zufuhr des Mietwagens mit 36,00 EUR, da das Fahrzeug der Klägerin nicht mehr fahrfähig war.

Damit ergibt sich folgende Berechnung der Mietwagenkosten:

 Gewichtetes Mittel für ein Mietfahrzeug der Gruppe 5 für das Postleitzahlengebiet 795 pro Woche 595,00 EUR somit zwei Wochen Normaltarif1.190,00 EUR
zusätzlich Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif 238,00 EUR
ergibt: 1.428,00 EUR
zuzüglich Haftungsbefreiung294,00 EUR
zuzüglich Zufuhr36,00 EUR
ergibt:1.758,00 EUR.

Dieser Betrag ist in die vom Landgericht vorgenommene Schadensberechnung einzustellen, so dass sich unter Berücksichtigung der Haftungsquoten bei einem Gesamtschaden von jetzt 10.475,82 EUR ein Ersatzbetrag von 6.285,49 EUR ergibt.

Die Beklagten können nicht damit durchdringen, dass der Schwacke Automietpreisspiegel 2006 nicht als Schätzgrundlage geeignet sei. Die in dem von den Beklagten vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. K.. gerügten methodischen Mängel bei der Datenerhebung und deren Auswertung, insbesondere die Ermittlung des gewichteten Mittels (im Mietpreisspiegel als "Modus" bezeichnet) sowie des arithmetischen Mittels, sind nicht so gravierend, als dass auf den AMS 2006 nicht als Schätzgrundlage zurückgegriffen werden könnte. Wie dem genannten Gutachten zu entnehmen ist, weist auch der AMS 2003, der bisher als Schätzgrundlage anerkannt war, die gerügten methodischen Mängel auf, wobei der Gutachter darauf verweist, dass im AMS 2006 bereits einige methodische Verbesserungen vorgenommen wurden. Soweit die Beklagten den erheblichen Anstieg der Mietpreise des Normaltarifes rügen, ergibt sich aus dem vorgelegten Gutachten nicht, dass der AMS 2006 insoweit fehlerhafte Ergebnisse aufweist. Vielmehr verweist der Gutachter darauf, dass der AMS 2003 unplausible Zahlenwerte über die Typenklassen hinweg aufweist und die Zahlenwerte in 2006 eher zur "Normalität" zurückkehren. Dies belegt nach den Ausführungen des Gutachters ein Vergleich mit den Werten aus dem Jahre 2000, so dass es im Vergleich der Jahre 2000 und 2006 keine extremen Veränderungen gibt, wie sie im Vergleich der Jahre 2003 und 2006 aufgetreten sind.

Die Berufung der Beklagten ist somit im Ergebnis überwiegend nicht begründet.

Der erst nach Schluss der Schriftsatzfrist eingegangene Schriftsatz der Beklagten vom 11.09.2009 gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen, da die Heranziehung des Schwacke Automietpreisspiegels als Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO höchstrichterlich grundsätzlich gebilligt wird.

Ende der Entscheidung

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