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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 06.12.2002
Aktenzeichen: 14 U 117/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 301
Bei einer Schadensersatzklage ist ein Teilurteil auf Grundlage lediglich eines von mehreren die Schadenshöhe bestimmender Faktoren unzulässig.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenat in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

14 U 117/01

Verkündet am: 06. Dezember 2002

In Sachen

wegen Herausgabe

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 14. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2002 durch

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 05.06.2001 - 3 O 293/00 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Berufung - an das Landgericht Offenburg zurückverwiesen.

3. Gerichtskosten werden für das Berufungsverfahren nicht erhoben.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, der Beklagte habe den zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag über das Pressen von Weintrauben schlecht erfüllt. Dabei macht sie zwei Schadensfaktoren geltend: Zum einen sei nach der Menge der von den Klägern beim Beklagten zum Pressen angelieferten Trauben eine wesentlich höhere Mostmenge zu erwarten gewesen, als sie sie vom Beklagten zurückerhalten habe; und zum anderen sei ein Teil dieses Mostes minderwertig gewesen, weil der Beklagte absprachewidrig Blau- und Grauburgundertrauben nicht getrennt, sondern zusammen gepresst habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 15.570,00 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.05.2000 sowie 1.650,00 DM als Nebenforderung zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat bestritten,

- daß bei der angelieferten Traubenmenge die von der Klägerin behauptete Mostmenge zu erwarten gewesen sei,

- daß die Vermischung von Blau- und Grauburgundertrauben zur gemeinsamen Pressung absprachewidrig gewesen sei und

- daß die Vermischung der beiden Traubensorten je Liter zu einer Wertminderung in der behaupteten Höhe geführt habe.

Durch Teilurteil vom 05.06.2001 hat das Landgericht die Klage in Höhe von 9.012,00 DM nebst Zinsen abgewiesen. Dabei hat es das Ergebnis seiner Beweisaufnahme zur Minderung des Literwertes infolge Pressung der vermischten Trauben zugrundegelegt. Den Klagevortrag zur erwartbaren Mostmenge sowie zum Vertragsinhalt (getrennte Pressung der verschiedenen Traubensorten) hat es für das Teilurteil als wahr unterstellt und die Klage hinsichtlich der dann überschießenden Klageforderung abgewiesen.

Die Klägerin meint, das Teilurteil sei unzulässigerweise ergangen. Zudem sei das Urteil auch sachlich falsch. Sie beantragt,

das Teilurteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Gemäß § 301 ZPO kann das Gericht ein Teilurteil erlassen, wenn nur ein Teil eines Anspruchs zur Entscheidung reif ist. Ein Teilurteil ist dabei aber nur dann zulässig, wenn der Teil des Streitgegenstandes, über den durch Teilurteil entschieden worden ist, von der Entscheidung über den offengebliebenen Rest unabhängig ist, so daß die Gefahr widerstreitender Entscheidungen - auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Dies ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt (vgl. etwa BGHZ 120, S. 376 ff., 380; BGH, NJW 1999, S. 1035 f.; OLGR Köln 2001, S. 321 f., 322; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, Rn. 7 zu § 301; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl. 2002, Rn. 2 zu § 301 - jeweils m.w.N.).

2. Im hier zu entscheidenden Fall besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen deshalb, weil es für die Berechnung des der Klägerin entstandenen Schadens, den das Landgericht nach Beweiserhebung über die nach der abgelieferten Traubenmenge zu erwartende Mostmenge ermitteln will, weiterhin darauf ankommt, in welchem Maße der gewonnene Most infolge Pressung zweier vermischter Traubensorten - Vertragswidrigkeit unterstellt - im Wert gemindert war. Denn der diesbezügliche Wertminderungsfaktor stellt nur eines von zwei die Schadenshöhe gemeinsam bestimmenden Elementen dar. Über die Bewertung des Wertminderungsfaktors infolge nicht getrennter Pressung der Trauben können in den Instanzen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden - was im vorliegenden Fall schon deshalb nahe liegt, weil der Senat das vom Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten (in dem sich der Sachverständige entgegen dem Beweisbeschluß, aber im Einklang mit dem Klagevortrag nicht mit der Wertminderung bei Most, sondern mit der bei Wein befasst hat) für zumindest erläuterungsbedürftig hält. Schon weil dem in erster Instanz anhängig gebliebenen Verfahrensteil - zumindest auf Antrag - Fortgang zu geben ist, der Rechtsstreit also in beiden Instanzen zugleich geführt werden kann (Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 12 zu § 301), liegt damit die Möglichkeit sich widersprechender Entscheidungen auf der Hand. Da die Entscheidung über die endgültige Schadenshöhe von Umständen abhängt, die auch für den vom Teilurteil erfassten Teil relevant sind, kann zudem auch neuer Vortrag noch zu einer abweichenden Beurteilung führen (vgl. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1998, Rn. 8 zu § 301; Musielak, ZPO, 3. Aufl. 2002, Rn. 5 zu § 301). Denn die Beurteilung eines einzelnen Schadensfaktors als eines bloßen Urteilselements nimmt weder an der Bindungswirkung nach § 318 ZPO teil (hierzu Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 11 zu § 318), noch erwächst sie in Rechtskraft.

3. Da sonach die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren, war der Erlaß eines Teilurteils unzulässig. Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel i.S.v. § 539 ZPO dar (vgl. etwa Leipold, a.a.O., Rn. 13 zu § 301; Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 13 zu § 301). Da eine eigene Sachentscheidung des Senats (§ 540 ZPO) nicht in Betracht kam, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen.

II.

Gemäß § 8 GKG sind die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens nicht zu erheben (vgl. Thomas/Putzo, a.a.O., Rn. 27 zu § 538 m.w.N.). Über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens wird das Landgericht zu entscheiden haben.

Da das Berufungsurteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, erübrigt sich eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 7 EGZPO). Weder hat die vorliegende Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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