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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 07.04.2006
Aktenzeichen: 14 U 207/01 (1)
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 34 Satz 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 824 Abs. 1
BGB § 826
BGB § 839
1. Zur Aufgabe einer Behörde gehört auch die Informierung der Presse über solche die Öffentlichkeit berührenden Vorgänge, die den der Behörde gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich betreffen.

2. Bei der äußerungsrechtlichen Bewertung eines Zeitungsartikels, der einen einheitlichen und erst durch den Zusammenhang verständlichen Gedanken wiedergibt, dürfen nicht die einzelnen Sätze oder bestimmte Einzelformulierungen isoliert untersucht werden, vielmehr muß auf den gesamten zusammenhängenden Text abgestellt werden.

3. Der Aussagegehalt eines Zeitungsartikels bestimmt sich nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittslesers eines derartigen Presseprodukts (hier: des Lesers des Lokalteils einer Regionalzeitung).

4. Die Herausgabe einer Pressemitteilung, in der wahrheitsgemäß und sachlich über eine Gerichtsverhandlung berichtet wird, die die Praktiken eines in der Mitteilung nicht namentlich genannten Unternehmens zum Gegenstand hatte, stellt keine Amtspflichtverletzung dar.


Oberlandesgericht Karlsruhe 14. Zivilsenat in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 14 U 207/01

Verkündet am 07. April 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2006 unter Mitwirkung von

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Bauer Richter am Oberlandesgericht Dr. Krauß Richterin am Oberlandesgericht Dr. Bauer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 08.11.2001 - 2 O 526/00 He - wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 3.171.609,50 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die in R. ein Bauunternehmen betreibende Klägerin hat zwischen August 1992 und April 1994 auch britische Arbeiter beschäftigt. Diese waren tätig geworden aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und einer inzwischen nicht mehr existierenden britischen Firma, die keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG hatte. Im Jahr 1995 leitete die - damals noch Bundesanstalt für Arbeit genannte - Beklagte durch die zuständige Bearbeitungsstelle zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung beim Arbeitsamt V. ein durch ihren Mitarbeiter R. K. geführtes Bußgeldverfahren gegen die Klägerin ein, in dessen Verlauf sie auch das zuständige Finanzamt und die LVA Baden-Württemberg informierte. Durch Bußgeldbescheid vom 06.02.1996 setzte das Arbeitsamt V. gegen den Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin als Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 15.000,00 DM und gegen die Klägerin als Nebenbeteiligte eine dem angenommenen wirtschaftlichen Vorteil entsprechende Geldbuße in Höhe von 270.000,00 DM fest. Hinzu kamen für den Geschäftsführer Verfahrenskosten in Höhe von 5.126,00 DM und für die Klägerin solche in Höhe von 12.500,00 DM. Nach Einspruchseinlegung wurden durch Urteil des Amtsgerichts V. vom 04.03.1997 der Betroffene zu einer Geldbuße von 15.000,00 DM und die Nebenbeteiligte zu einer Geldbuße von 150.000,00 DM verurteilt. Nach der Hauptverhandlung kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Herrn R. K. und einem Sohn des Betroffenen. Am 08.03.1997 erschien in den Regionalteilen R., B. und L. der "Sch. Zeitung" folgender Artikel, der auf den Informationen des Mitarbeiters der Beklagten, R. K., beruhte:

Illegale beschäftigt - 165.000,00 DM Geldbuße R. (sz) - Zu Geldbußen von zusammen 165.000,00 DM wurde vom Amtsgericht V. der Geschäftsführer einer Baufirma aus dem Raum R. verurteilt. Hintergrund war der Einsatz von 26 illegalen englischen Leiharbeitern, die in beinahe zwei Jahren weit über 35.000 Stunden eingesetzt wurden. Die Arbeiter kamen über eine holländisch-englische Scheinfirma, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Millionenhöhe hinterzogen hat. Hierfür muß die deutsche Firma nun geradestehen. Wegen der Verurteilung kam es noch im Gerichtsgebäude zu Beleidigungen der Ermittlungsbeamten und fast zu Handgreiflichkeiten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen und der Nebenbeteiligten - der jetzigen Klägerin - hat der 3. Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe durch Beschluß vom 16.03.1998 das Urteil vom 04.03.1997 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dort einigten sich die Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung vom 08.02.1999 dahingehend, daß das Arbeitsamt den Bußgeldbescheid vom 05.01.1996 zurücknehme und einen neuen Bußgeldbescheid erlasse, der - von fahrlässiger Tatbegehung und einer auf 60.000,00 DM begrenzten Gewinnabschöpfung ausgehend - gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 5.000,00 DM und gegen die Nebenbeteiligte eine solche von 60.000,00 DM festsetzte. Der sodann auf dieser Grundlage ergangene Bußgeldbescheid wurde rechtskräftig.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aufgrund des Zeitungsartikels vom 08.03.1997 im Wege der Amtshaftungsklage auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat die Auffassung vertreten, der Artikel sei in weiten Teilen inhaltlich falsch. Die britischen Arbeitnehmer seien ihr von der britischen Firma nicht im Sinne des AÜG "überlassen" worden. Die Klägerin habe mit dem britischen Unternehmen einen mündlichen Subunternehmervertrag geschlossen gehabt. Die britischen Arbeitnehmer seien im Rahmen von Werkverträgen für sie tätig gewesen, seien nie in den Arbeitsablauf der Klägerin eingebunden gewesen und hätten auch nicht deren Weisungsbefugnissen unterlegen. Die britischen Arbeiter hätten nicht gegenüber der Klägerin, sondern gegenüber der britischen Firma - die in Großbritannien rechtlich und steuerlich ordnungsgemäß registriert gewesen sei - abgerechnet. Sie hätten regelmäßig den Vordruck E 101 vorgelegt und hätten daher nach englischem Recht als sogenannte "Self Employed Persons" gegolten. - Die Klägerin hat weiter vorgetragen, infolge des Presseartikels, aufgrund dessen sie ohne weiteres identifizierbar gewesen sei, sei in R. und Umgebung der Eindruck entstanden, sie sei in unseriöse Geschäfte verstrickt und Millionenforderungen ausgesetzt, so daß Insolvenz drohe. Dies habe auf ihren Umsatz insbesondere im Bereich des Fertighausbaus erheblich negative Auswirkungen gehabt. Es sei aufgrund des Presseartikels zu einem erheblichen Umsatzrückgang gekommen, der keine betriebsinternen Ursachen gehabt habe. Unter Vorlage eines Gutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen hat sie vorgetragen, daß ihr in den Jahren 1997 bis 1999 ein Schaden in Höhe von 6,2 Mio. DM entstanden sei. Erkannt habe sie den Schaden erst, als zwischen Mai und Oktober 1998 die Bilanzen mit Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1997 erstellt worden seien.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für den ihr entstandenen Schaden habe die Beklagte einzustehen, weil deren Beamter R. K. durch seine Pressemitteilung vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig die ihm der Klägerin gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt habe, unerlaubte Handlungen - Kreditgefährdung, Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, vorsätzliche sittenwidrige Schädigung - zu unterlassen. - Der Schaden für die Jahre 2000 ff. lasse sich noch nicht beziffern. Sie hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.203.129,00 DM nebst 9,26 % Zinsen ab Rechtshängigkeit (17.01.2001) zu bezahlen;

2. festzustellen, daß ein Anspruch auf Ersatz weiterer Schäden ab Beginn des Geschäftsjahres 2000 dem Grunde nach bestehe.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und hierzu vorgetragen, der Klägerin seien sowohl Schadenseintritt als auch Person des Schädigers bereits vor 1997 bekannt gewesen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei aufgrund der in dem Presseartikel vorgenommenen Anonymisierung schon deshalb nicht zu identifizieren gewesen, weil es im Bereich R. noch mehr Baufirmen gebe. Der Mitarbeiter R. K. habe durch die Mitteilung an die Presse privat gehandelt und keine Amtshandlung vorgenommen. Zudem seien alle in dem Presseartikel enthaltenen Tatsachenbehauptungen wahr. Die Pressemitteilung sei nicht rechtswidrig gewesen. Weiter hat die Beklagte in Abrede gestellt, daß der Presseartikel für den auch der Höhe nach bestrittenen von der Klägerin vorgetragene Schaden ursächlich gewesen sei.

Durch Urteil vom 08.11.2001 hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Amtspflichtverletzung des Mitarbeiters der Beklagten, R. K., liege nicht vor, weil die von ihm der Presse mitgeteilten Tatsachen der Wahrheit entsprochen hätten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.

Bereits mit Beschluß des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - Ravensburg vom 02.01.2002 war über das Vermögen der Klägerin gemäß den §§ 21, 22 InsO die vorläufige Verwaltung angeordnet und zum vorläufigen Verwalter Rechtsanwalt P. in U. bestimmt worden; die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters war mit der Anordnung verbunden worden, daß Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam werden. - Mit Beschluß vom 13.02.2002) hat das Amtsgericht Ravensburg über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Pluta zum Insolvenzverwalter bestimmt. Nach nicht bestrittenem Vortrag der Beklagten (S. 2 des Schriftsatzes vom 27.05.2002) befindet sich auch die Komplementär-GmbH der Klägerin in der Insolvenz. Mit Schriftsatz vom 05.04.2002 hat der Konkursverwalter unter Bezugnahme auf einen Beschluß der Gläubigerversammlung vom 02.04.2002 gegenüber den Eheleuten A. als den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH der Klägerin die streitgegenständliche Forderung aus der Insolvenzmasse freigegeben. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 12.04.2002 die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt (§ 85 Abs. 2 InsO). Mit Schriftsatz vom 20.06.2002 hat der Insolvenzverwalter gegenüber den Eheleuten A. erklären lassen, daß sich die Freigabeerklärung auch auf den Feststellungsantrag beziehe; zugleich hat er bestätigen lassen, daß es sich um eine "echte" Freigabe handele, die zum Erlöschen des Insolvenzbeschlags unter Wiedererlangung der Verfügungsgewalt durch die Schuldnerin führe.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Umstand, daß über ihr Vermögen zunächst die vorläufige Verwaltung und sodann das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, habe aufgrund der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters keine Auswirkung auf ihre Prozeßführungsbefugnis. Sie beantragt,

das landgerichtliche Urteil aufzuheben und gemäß ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Fürsorglich für den Fall, daß - was sie in Zweifel gestellt hat - die Aufnahme des Prozesses durch die Klägerin als zulässig angesehen wird, beantragt die Beklagte in analoger Anwendung von § 110 Abs. 1 ZPO die Aufnahme und Fortführung des Prozesses durch die Klägerin von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. - Im übrigen verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil, wobei auch sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und weiter vertieft.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Durch Zwischenurteil vom 25.07.2003 hat der Senat ausgesprochen, daß der Rechtsstreit infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin unterbrochen sei.

Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Zwischenurteil des Senats mit Urteil vom 21.04.2005 aufgehoben und festgestellt, daß der Rechtsstreit durch die Eröffnung der Insolvenzverfahrens nicht mehr unterbrochen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

I.

1. Daß die Berufung zulässig ist, hat der Senat bereits in seinem Zwischenurteil vom 25.07.2003 unter Abschnitt I. der Entscheidungsgründe ausgeführt. Hierauf wird Bezug genommen.

2. Aufgrund des in dieser Sache ergangenen Urteils des Bundesgerichtshofs vom 21.05.2005 - IX ZR 281/03 - (BGHZ 163, S. 32 ff.) steht fest, daß der Rechtsstreit nicht mehr durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen ist.

3. Dem Antrag der Beklagten, die Weiterführung des Prozesses in analoger Anwendung von § 110 ZPO von einer durch die Klägerin zu stellenden Sicherheitsleistung abhängig zu machen - und bei Nichtleistung innerhalb einer zu setzenden Frist die Berufung zu verwerfen (§ 113 S. 2 ZPO) -, war nicht zu entsprechen. Nach seinem klaren Wortlaut ist § 110 ZPO auf solche Fälle beschränkt, in denen der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem der dort genannten Staaten hat. Eine entsprechende Anwendung auf mittellose Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der unter § 110 Abs. 1 ZPO fallenden Staaten haben, kommt nicht in Betracht.

II.

Der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG besteht nicht.

Allerdings bezweifelt die Beklagte zu Unrecht, daß der die Ermittlungen gegen die Klägerin leitende Mitarbeiter ihrer Bearbeitungsstelle zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, Herr R. K., in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat, als er die dann zu der am 08.03.1997 in der "Sch. Zeitung" erfolgten Veröffentlichung führende Presseerklärung herausgab. Denn zur Aufgabenerfüllung einer Behörde gehört auch die Informierung der Presse über solche die Öffentlichkeit berührenden Vorgänge, die den ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich betreffen (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rdn. 2.31); eine etwaige - von der Klägerin behauptete - missbräuchliche und auf persönlichen Beweggründen beruhende Handlungsweise des Mitarbeiters Klumpp würde an einem Handeln "in Ausübung des Amtes" nichts ändern (hierzu Wurm, in: Staudinger, BGB, 2002, Rdn. 102 zu § 839).

Eine Haftung der Beklagten besteht jedoch deshalb nicht, weil ihrem Mitarbeiter keine Amtspflichtverletzung - und zwar weder in der Form der Erfüllung des Tatbestandes einer allgemeinen unerlaubten Handlung (vgl. Wurm, a.a.O., Rdn. 175 zu § 839), noch in der des Amtsmißbrauchs (hierzu Wurm, a.a.O., Rdn. 176; Papier, in: Münchener Kommentar BGB, 4. Aufl. 2004, Rdn. 216 zu § 839) - vorzuwerfen ist. Dies hat das Landgericht richtig ausgeführt. Was die Klägerin mit der Berufung dagegen vorbringt, greift nicht durch.

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Kreditgefährdung (§ 824 Abs. 1 BGB) sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die herausgegebene Pressemitteilung keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthielt, die geeignet gewesen wären, die wirtschaftliche Wertschätzung der Klägerin zu beeinträchtigen: Zum einen waren die mitgeteilten Tatsachen nicht unwahr und zum anderen war für den Leser des auf der Pressemitteilung basierenden und mit ihr unstreitig übereinstimmenden Artikels nicht ohne weiteres erkennbar, daß dieser sich auf die Klägerin bezog.

a) Anders als das Landgericht ist die Klägerin der Auffassung, der in Rede stehende Artikel werde vom unbefangenen Leser dahin verstanden, daß die darin genannte Baufirma für von der Verleihfirma hinterzogene Steuern und Sozialabgaben in Millionenhöhe in dem Sinne einzustehen habe, daß nun Forderungen in Höhe von mehreren Millionen DM auf sie zukommen. Sie begründet dies damit, daß die im drittletzten Satz (Satz 4) des Artikels enthaltene Formulierung "Hierfür muß die deutsche Firma nun geradestehen" sich auf den unmittelbar vorangehenden Satz beziehe, der lautet: "Die Arbeiter kamen über eine holländisch-englische Scheinfirma, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Millionenhöhe hinterzogen hat". Indessen kommt dieser ihr von der Klägerin beigelegte Sinngehalt der in Pressemitteilung und Artikel enthaltenen Aussage nicht zu.

aa) Es gehört zu den fundamentalen und in Rechtsprechung und Literatur nirgendwo in Zweifel gezogenen Grundsätzen des Medienrechts, daß Gegenstand der rechtlichen Beurteilung von Äußerungen nicht einzelne in ihr enthaltene Wörter oder isolierte Passagen, sondern der in ihr als zusammenhängendem Ganzen unter Berücksichtigung des Kontextes zum Ausdruck kommende objektive Sinngehalt ist (vgl. BVerfGE 92, S. 266 ff., 295; BGHZ 132, S. 13 ff., 20; Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Rdn. 4.1). Bei der äußerungsrechtlichen - nicht anders als bei der wettbewerbsrechtlichen (hierzu OLG Köln, WRP 1986, S. 189 f.) - Bewertung eines Zeitungsartikels, der einen einheitlichen und erst durch den Zusammenhang voll verständlichen Gedanken wiedergibt, dürfen deshalb nicht die einzelnen Sätze oder bestimmte Einzelformulierungen isoliert untersucht werden, vielmehr muß auf den gesamten zusammenhängenden Text abgestellt werden (BGH a.a.O., m.w.N.; Wenzel/Burkhardt, a.a.O.). Maßgeblich ist dabei das "Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums" (BVerfG, a.a.O.), das ist der mit der Materie nicht speziell vertraute Durchschnittsempfänger (Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Rdn. 4.4), im vorliegenden Fall also der unbefangene Leser des Lokalteils einer süddeutschen Regionalzeitung.

bb) Dem hier in Rede stehenden, nur aus einer Überschrift und sechs einfachen Sätzen bestehenden Artikel ist ohne weiteres zu entnehmen, daß es sich dabei um den Bericht über eine Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht V.handelt, die zu einer noch nicht rechtskräftigen Verurteilung zu Geldbußen in Höhe von 165.000,00 DM geführt hat. Daß dies - und nicht eine Forderung in Millionenhöhe - die Sanktion für die unerlaubte Beschäftigung englischer Arbeiter ist, erschließt sich dem den gesamten Text zur Kenntnis nehmenden unbefangenen Durchschnittsleser des Artikels. Dieses Verständnis ergibt sich schon aus Inhalt und Gestaltung der Überschrift, in der es blickfangmäßig herausgestellt heißt: "Illegale beschäftigt - 165.000,00 DM Geldbuße". Damit wird deutlich, daß als Folge der Beschäftigung der Illegalen eine Geldbuße in genannter Höhe zu zahlen ist. Auch im ersten Satz des dann folgenden Textes ist von durch das Amtsgericht verhängten "Geldbußen von zusammen 165.000,00 DM" die Rede, wobei als Verurteilter allerdings allein "der Geschäftsführer einer Baufirma ..." und nicht die Baufirma selbst genannt wird. Die beiden nächsten Sätze - in denen vom Einsatz von "26 illegalen englischen Leiharbeitern" und davon berichtet wird, daß diese von einer holländisch-englischen Scheinfirma kamen, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Millionenhöhe hinterzogen hat - stellen, was ausdrücklich auch gesagt wird, den Hintergrund für die Verurteilung zu Geldbußen von 165.000,00 DM dar. Sie haben erkennbar die Funktion, dem Leser die wirtschaftliche Bedeutung des dem gerichtlichen Verfahren zugrundeliegenden Verhaltens zu erklären und bei ihm Verständnis für die Bekämpfung illegaler Beschäftigung zu wecken. Unter diesen Umständen liegt es für den unbefangenen Leser auf der Hand, daß die dann im vierten Satz des Artikels enthaltene Formulierung "Hierfür muß die deutsche Firma nun geradestehen" dahin zu verstehen ist, daß Folge der unerlaubten Beschäftigung ausländischer Arbeiternehmer die Geldbußen sind, die in dem den Gegenstand des Berichts bildenden Gerichtsverfahren verhängt wurden. Daran ändert nichts der Umstand, daß im ersten Satz des Berichts ausschließlich der Geschäftsführer der Baufirma als Verurteilter genannt wird. Denn im Lokalteil einer Regionalzeitung erscheinende Artikel werden üblicherweise keiner kritischen Analyse auf sprachwissenschaftlicher Basis unterzogen. Ein großer Teil der Leser unterscheidet ohnehin nicht streng zwischen einer "Firma" und ihrem Geschäftsführer und auf derartige Begriffe bezogene und - wie hier - nicht den Kern der Mitteilung berührende Ungenauigkeit fallen ihm nicht auf. Im übrigen erwartet die Leserschaft auch nicht, daß in Zeitungsnotizen der hier vorliegenden Art Rechtsbegriffe in nicht anfechtbarer Weise verwendet werden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht etwa deshalb anders, weil die Formulierungen von einem Bediensteten der Beklagten stammen, denn der Artikel war nicht als Verlautbarung der damaligen Bundesanstalt für Arbeit gekennzeichnet.

Der Senat konnte den Aussagegehalt der im Streit stehenden Äußerungen aus eigener Sachkunde beurteilen. Seine Mitglieder sind Bezieher auch verschiedener mit der "Sch. Zeitung" vergleichbarer Regionalzeitungen und regelmäßige Leser auch des jeweiligen Regionalteils. Ihnen ist deshalb bekannt, wie der unbefangene Durchschnittsleser Zeitungsnotizen der hier vorliegenden Art aufzunehmen und zu interpretieren pflegt. Einer Beweiserhebung zum Empfängerverständnis bedurfte es daher nicht.

cc) Alle in dem Artikel enthaltenen Aussagen entsprachen der Wahrheit, denn der sich aus ihnen ergebende Sinngehalt war jedenfalls in ihrem für die Beurteilung maßgeblichen Kernbereich zutreffend (zu diesem Kriterium für die Einordnung einer Aussage als wahr oder unwahr vgl. Prinz/Peters, a.a.O., Rdn. 160, m.w.N.):

Es ist unstreitig und ergibt sich zudem aus dem Urteil des Amtsgerichts V. vom 04.03.1997, daß die den Gegenstand der Pressenotiz bildende Gerichtsverhandlung mit einer Verurteilung des Betroffenen A. A. (Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin) zu einer Geldbuße in Höhe von 15.000,00 DM und der Nebenbeteiligten (Klägerin) zu einer Geldbuße in Höhe von 150.000,00 DM geendet hat, und daß die Verurteilungen wegen der unerlaubten Beschäftigung britischer Arbeitnehmer erfolgt waren. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird deren durch das amtsgerichtliche Urteil geahndetes Fehlverhalten in dem Bericht nicht der Wahrheit zuwider als bereits endgültig festgestellt, denn er enthält in seinem letzten Satz den ausdrücklichen Hinweis, daß das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. - Des von der Klägerin vermißten Hinweises, daß bei Erscheinen des Artikels auch die in dieser Sache ergangenen Bescheide des Finanzamts und der LVA nicht bestandskräftig waren, bedurfte es nicht, weil von derartigen Bescheiden in der Pressenotiz allenfalls indirekt ("Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Millionenhöhe hinterzogen") und auch nicht auf die darin genannte Baufirma, sondern auf die ausländische Verleihfirma bezogen die Rede war. - Die Aussage ist auch nicht deshalb unwahr, weil die britischen Arbeitnehmer, mit deren unerlaubter Beschäftigung das amtsgerichtliche Urteil begründet wurde, in der erkennbar die rechtliche Bewertung durch das Gericht wiedergebenden Überschrift als "Illegale" bezeichnet werden. Die Auffassung der Klägerin, der Leser beziehe den Begriff "Illegale" auf Personen ohne Aufenthaltserlaubnis, ist unter den gegebenen Umständen nicht richtig. Schon im Zusammenhang mit dem Verb "beschäftigen" ist es naheliegend, die "Illegalität" der "Illegalen" auf das Fehlen einer Arbeitserlaubnis zu beziehen. Jedenfalls aber in Hinblick auf den Kontext, in dem von "englischen Leiharbeitern" die Rede ist, erscheint die von der Klägerin behauptete Gefahr von "Assoziationen zu Menschenhandel und organisierter Kriminalität" als fernliegend. Dies gilt umso mehr, als die Problematik der Beschäftigung ausländischer Leiharbeitnehmer zumindest den wirtschafts- und sozialpolitisch interessierten Bevölkerungskreisen auch schon im Jahr 1997 bekannt war.

Daß die im vorletzten Satz des Artikels enthaltene Mitteilung - "Wegen der Verurteilung kam es noch im Gerichtsgebäude zu Beleidigungen der Ermittlungsbeamten und fast zu Handgreiflichkeiten" - der Wahrheit entsprach, ist unstreitig.

b) Die inkriminierte Mitteilung kann einen Schadensersatzanspruch gemäß § 824 Abs. 1 BGB ferner auch deshalb nicht begründen, weil es an der Erkennbarkeit der Klägerin fehlt. Namentliche Erwähnung wird hierfür zwar nicht vorausgesetzt. Erforderlich wäre aber, daß die Klägerin jedenfalls für den sachlich interessierten Leser des Artikels ohne weiteres als die darin genannte Baufirma zu identifizieren gewesen wäre (vgl. Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Rdn. 11.82 m.w.N.). Der Auffassung der Klägerin, dies sei deshalb der Fall, weil in dem Bericht vom "Geschäftsführer einer Baufirma aus dem Raum R." die Rede sei, vermag der Senat nicht zu folgen:

Es ist zwar unstreitig, daß es damals in R. außer der Klägerin nur noch eine Baufirma gab, die aber eine Einzelfirma war und deshalb keinen Geschäftsführer hatte. Eine derartige Differenzierung anhand handels- und gesellschaftsrechtlicher Begriffe nimmt der durchschnittliche Leser des Lokalteils - auch wenn er sachlich interessiert ist - indessen nicht vor. Zudem gab es im Verbreitungsgebiet des R.-er Lokalteils der "Sch. Zeitung" unstreitig noch weitere Baufirmen, nämlich in A., in L. und in U.. Die Auffassung der Klägerin, wegen der Einleitung des Artikels - "R. (sz)" - sei es für den Leser klar gewesen, daß es sich um eine Baufirma aus der Stadt R. selbst gehandelt habe, ist nicht richtig. R. war - wie dem durchschnittlichen Leser des Lokalteils auch bekannt war - Sitz der Lokalredaktion, was die einleitende Ortsbezeichnung "R." ohne weiteres plausibel machte. Aus dem im folgenden Text dann enthaltenen Hinweis "aus dem Raum R." ist genügend erkennbar, daß der Sitz der betroffenen Baufirma auch außerhalb von R. sein kann. Darüber hinaus ist die Einleitung des Berichts mit dem Vermerk "R. (sz)" nicht von dem die Pressemitteilung herausgebenden Mitarbeiter der Beklagten, sondern von der Redaktion der Zeitung zu verantworten.

2. Mit Recht hat das Landgericht auch einen Amtshaftungsanspruch der Klägerin wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) verneint. Richtig ist zwar, daß auch eine - wie hier - wahrheitsgemäße Berichterstattung einen derartigen Eingriff darstellen kann (vgl. die Nachweise bei Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl. 2006, Rdn. 131 zu § 823). Ein Schadensersatzanspruch scheidet hier aber deshalb aus, weil der Artikel in sachlicher und die darin genannte Baufirma - in der der Durchschnittsleser die Klägerin nicht einmal ohne weiteres erkennen kann - nicht unnötig bloßstellender Weise über ein Gerichtsverfahren berichtet, das einen die Interessen der Öffentlichkeit in erheblichem Maße berührende Frage zum Gegenstand hatte (vgl. Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Rdn. 5. 148 und 150).

3. Entgegen ihrer Auffassung steht der Klägerin kein (Amtshaftungs-) Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu. Der - wie ausgeführt - wahrheitsgemäße und sachliche Bericht über eine Gerichtsverhandlung, die die Praktiken eines darin nicht namentlich genannten und allenfalls für Eingeweihte identifizierbaren Unternehmens zum Gegenstand hat, verstößt nicht gegen sich aus der Sittenordnung ergebende Verhaltensgebote (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rdn. 1 zu § 138) und ist daher nicht sittenwidrig.

4. Die Klägerin hat gegen die Beklagte schließlich auch keinen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des Amtsmißbrauchs. Ein solcher ist ihrem Mitarbeiter R. K. nicht vorzuwerfen. Die Ausführungen oben zu 3. (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) gelten entsprechend.

III.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 BGB als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 1 S. 1 ZPO n.F. i.V.m. § 26 Nr. 7 EGZPO). Weder hat die vorliegende Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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