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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: 14 W 46/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 42 Abs. 2 | |
ZPO § 47 | |
ZPO § 139 | |
ZPO § 275 Abs. 4 | |
ZPO § 277 Abs. 3 | |
ZPO § 277 Abs. 4 | |
ZPO § 278 Abs. 2 Satz 2 |
2. Die unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften erfolgte Setzung einer zu kurz bemessenen Frist zur Stellungnahme auf die Klageerwiderung rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit dann nicht, wenn der Verfahrensfehler auf einem Versehen des Richters beruht.
3. In der durch den abgelehnten Richter unter Verstoß gegen die Wartepflicht erfolgten Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung liegt dann keine die erneute Ablehnung rechtfertigende Prognose über den Ausgang des Ablehnungsverfahrens, wenn der Termin bei erfolgreicher Ablehnung des Richters von seinem Vertreter durchgeführt werden kann.
Oberlandesgericht Karlsruhe
14. Zivilsenat in Freiburg
Beschluss
Geschäftsnummer: 14 W 46/07
05. September 2007
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom 10.05.2007 - 5 AR 2/07 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Geschäftswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 6.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten beim Landgericht Freiburg Ansprüche aus einer Vereinbarung geltend, die nach ihrem Vortrag anlässlich der Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien geschlossen wurde.
Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das Landgericht wegen Nichtvorliegens der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen durch Beschluss vom 22.02.2007 zurückgewiesen. Nach sodann erfolgter Entrichtung des Kostenvorschusses durch die Klägerin wurde die Klage unter Bestimmung einer Frist zur Klageerwiderung sowie eines Termins zur Güteverhandlung und eines frühen ersten Termins zur mündlichen Verhandlung, zu dem auch ein Zeuge geladen wurde, zugestellt.
Am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2007, in der Beweis durch Vernehmung des Zeugen erhoben worden war, hat Vorsitzender Richter am Landgericht Dr. L. als Einzelrichter in Hinblick darauf, daß die fristgemäß bei Gericht eingegangene Klageerwiderung der Klägerseite erst am 26.03.2007 zugegangen war, Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 12.04.2007 bestimmt und der Klägerin Frist zur Entgegnung auf die Klageerwiderung bis zum 03.04.2007 gesetzt.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 05.04.2007 hat die Klägerin den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. L. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klägerin sehe sich durch die unter Verletzung von § 277 ZPO unangemessen kurz bemessene Frist zur Stellungnahme auf die Klageerwiderung unter Druck gesetzt. Sie habe den Eindruck, daß hier zu ihren Lasten "kurzer Prozess" gemacht werden solle. Hinzu komme, daß der Richter sich zuvor im Verlauf des Verhandlungstermins vom 28.03.2007 in ungewöhnlich einseitiger Weise zu den Erfolgsaussichten der Klage geäußert habe. - Unter dem 10.04.2007 hat Vorsitzender Richter am Landgericht Dr. L. den auf 12.04.2007 bestimmten Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 01.06.2007 verlegt, was die Klägerin als einen ihre Besorgnis der Befangenheit verstärkenden Verstoß gegen die in § 47 ZPO normierte Wartepflicht des abgelehnten Richters gewertet hat.
II.
Die nach der Geschäftsverteilung zur Entscheidung berufene 5. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 10.05.2007, der der Klägerin am 16.05.2007 zugestellt wurde, zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die am 22.05.2007 beim Landgericht eingegangene und mit Schriftsatz vom 02.07.2007 begründete sofortige Beschwerde der Klägerin, welcher das Landgericht mit Beschluss vom 19.07.2007 nicht abgeholfen hat.
III.
Die gem. § 46 Abs. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen, denn ein die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters am Landgericht Dr. L. rechtfertigender Grund liegt nicht vor.
1. Gem. § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Hierfür reicht es aus, wenn eine verständige Partei von ihrem Standpunkt aus die Befürchtung haben kann, daß der Richter der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenübersteht; nicht erforderlich ist, daß der Richter tatsächlich befangen ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, Rdn. 9 zu § 42).
2. Zutreffend ist das Landgericht zum Ergebnis gelangt, daß die von der Klägerin vorgebrachten Ablehnungsgründe weder für sich allein noch in ihrer Gesamtheit eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Einzelrichters rechtfertigen.
a) Keine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt der Umstand, daß der Einzelrichter sich in der Verhandlung vom 28.03.2007 zu den Erfolgsaussichten der Klage geäußert hat (Zöller/Vollkommer aaO, Rdn. 26 zu § 42 m.w.N.). Zur Erörterung des Sach- und Streitstandes war der Richter von Gesetzes wegen verpflichtet (vgl. § 278 Abs. 2 S. 2 und § 139 ZPO). Dies bedingte, daß er auch auf die Risiken der Prozessführung hinzuweisen hatte. Wenn er dies mit klaren und auch für den juristischen Laien verständlichen Worten getan hat, ist das grundsätzlich nicht zu beanstanden. Anders wäre es zwar, wenn die Meinungsäußerung des Richters in verletzender Form erfolgt wäre oder wenn er zum Ausdruck gebracht hätte, sich abschließend festgelegt zu haben und für weitere von Klägerseite - insbesondere mit der zu erwartenden Stellungnahme zur Klageerwiderung - noch vorzubringende Gesichtspunkte nicht offen zu sein. Dafür, daß der Einzelrichter im vorliegenden Fall diese Grenze überschritten hätte, ist indessen nichts vorgetragen. Der lediglich eine subjektive Wertung und keine dem Beweis zugängliche Tatsachendarstellung enthaltende Vortrag der Klägerin, der Richter habe sich zu den Erfolgsaussichten der Klage "in ungewöhnlich einseitiger Weise" geäußert, lässt eine derartige Beurteilung jedenfalls nicht zu. Hierauf hat bereits das Landgericht sowohl in dem angefochtenen Beschluss als auch in der Nichtabhilfeentscheidung zutreffend hingewiesen.
b) Zwar hat der Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2007 die Frist zur Stellungnahme auf die Klageerwiderung unter Verstoß gegen § 275 Abs. 4, § 277 Abs. 4, Abs. 3 ZPO - danach hätte sie mindestens 2 Wochen betragen müssen - zu kurz bemessen. Verfahrensfehler rechtfertigen den Schluss auf eine Voreingenommenheit des Richters jedoch nur in besonderen Fällen, etwa dann, wenn sie völlig unverständlich sind und deshalb den Verdacht nahelegen, daß sie bewusst und aufgrund sachfremder Erwägungen unter Inkaufnahme der Benachteiligung einer der Parteien erfolgt sind.
Eine derartige Situation kann im vorliegenden Fall aber ausgeschlossen werden. Vielmehr spricht alles für die Richtigkeit der Auffassung des Landgerichts, wonach die Setzung der zu kurzen Frist auf einem Versehen des Einzelrichters - der an die Wochenfrist des § 132 Abs. 1 ZPO gedacht haben mag - beruht. Ein derartiges Versehen kann jedem Richter unterlaufen und zwar auch dann, wenn er - wie die Klägerin in Bezug auf den abgelehnten Einzelrichter vorträgt (AS 139) - "seit rund 30 Jahren tätig und im Zivilprozess außerordentlich routiniert und erfahren ist". Der Gedanke, daß Vorsitzender Richter am Landgericht Dr. L. zum Zwecke einer schnelleren Verfahrensbeendigung unter Beschneidung der Rechte der Klägerin vorsätzlich eine gesetzwidrig kurze - und damit unwirksame (Zöller/Greger, aaO, Rdn. 4 zu § 277) - Frist gesetzt hat, erscheint als fernliegend. Anders könnte es - worauf das Landgericht mit Recht hingewiesen hat - zwar dann liegen, wenn der Richter in der mündlichen Verhandlung vom Klägervertreter auf die Gesetzwidrigkeit der bestimmten Frist hingewiesen worden oder wenigstens um Gewährung einer längeren Frist gebeten worden wäre. Daß dies geschehen wäre, ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
c) Ein Verfahrensfehler liegt auch darin, daß der Vorsitzende Richter am Landgericht Dr. L. sich nach erfolgter Ablehnung nicht auf die Aufhebung des auf den 12.04.2007 bestimmten Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung beschränkt, sondern zugleich neuen Termin auf den 01.06.2007 bestimmt hat: Nach seiner Ablehnung durfte er gem. § 47 ZPO nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatten, wozu zwar die Aufhebung, nicht aber die Bestimmung eines Termins gehört (Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rdn. 3 zu § 47 m.w.N.). Der darin liegende Verstoß gegen die Wartepflicht kann eine Besorgnis der Befangenheit aber ebenfalls nicht stützen. Es erscheint schon als zweifelhaft, ob der bloße Verstoß gegen die Wartepflicht eine Ablehnung dann rechtfertigt, wenn es sich bei dem neu bestimmten Termin um einen solchen zur Verkündung einer Entscheidung handelt (vom Senat offengelassen im Beschluss vom 14.03.1997 (NJW-RR 1997, S. 1350). Die Frage ist aber jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall zu verneinen, in dem der Einzelrichter lediglich einen neuen Verhandlungstermin anberaumt hat, der bei erfolgreicher Ablehnung von seinem Vertreter hätte durchgeführt werden können. In einer solchen Terminsverfügung kann keine ihm nicht zustehende Prognose über den Ausgang des Ablehnungsverfahrens gesehen werden. Sie ist daher nicht als Ausdruck einer Voreingenommenheit des Richters zu werten (ähnlich OLGR Celle 2006, S. 603 f., 604).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem der Hauptsache und war daher auf 6.000,00 € festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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