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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 10.08.2005
Aktenzeichen: 14 Wx 2/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG, ZPO
Vorschriften:
BGB § 2358 | |
BGB § 2136 | |
FGG § 286 | |
ZPO § 383 |
2. Die Einsetzung zum Alleinerben reicht für sich allein nicht aus, um eine Befreiung des Vorerben anzudeuten.
3. Zur Ermittlungspflicht des Nachlassgerichts.
4. In der Weigerung eines die Feststellungslast tragenden Beteiligten, seinen früheren Anwalt von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, kann eine zu seinem Nachteil zu berücksichtigende Beweisvereitelung liegen.
5. Das Nachlassgericht darf die Verweigerung von der Verschwiegenheitspflicht nicht mit der Begründung als von geringem Gewicht ansehen, es sei davon auszugehen, daß der Zeuge nicht die Wahrheit sagen werde.
6. Die Vorwegnahme der Würdigung eines noch nicht erhobenen Beweises ist unzulässig.
Oberlandesgericht Karlsruhe 14. Zivilsenat in Freiburg Beschluß
Geschäftsnummer: 14 Wx 2/05
10. August 2005
Nachlaßsache E. D. verstorben am
wegen Erteilung eines Erbscheins
hier: weitere Beschwerde des Beteiligten Nr. 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Freiburg vom 30.11.2004 - 4 T 145/04 -
Tenor:
1. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten Nr. 2 wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom 30.11.2004 - 4 T 145/04 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Freiburg zurückverwiesen.
2. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 27.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1. Die im Jahr 1909 geborene Erblasserin ist am 05.08.1994 ledig und kinderlos verstorben. Bis zu ihrem Tod lebte sie mit ihrer ebenfalls ledigen und kinderlosen Schwester, der im Jahr 1921 geborenen Beteiligten Nr. 1, zusammen. Der Beteiligte Nr. 2 war seit Ende 1985 oder Anfang 1986 der Hausarzt zunächst der Erblasserin, dann auch - seit 1986 - der Beteiligten Nr. 1. Als weitere Verwandte der Erblasserin und der Beteiligten Nr. 1 sind lediglich die Söhne ihrer beiden vorverstorbenen Geschwister bekannt.
Die Erblasserin hat zwei eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testamente hinterlassen.
Im ersten Testament vom 11.11.1971 hat sie folgendes bestimmt:
"Mein letzter Wille -Testament.
Für den Fall, daß mir irgendetwas passiert, setze ich meine Schwester H. D., geb. 20.7.21 in B. wh Freiburg, H-str. 30 als alleinigen Erben für meinen ganzen Besitz ein.
Freiburg, den 11.11.71
E. D.".
Dieses Testament hat die Erblasserin durch das zweite Testament vom 15.10.1987 wie folgt ergänzt:
"Zusatz zu meinem Testament vom 11.11.71
Wie schon geschrieben, setze ich meine Schwester, H. D., geb. 20.7.21 in B. zu meinem alleinigen Erben für meinen ganzen Besitz ein. Nachdem ich jahrelang auf eine Verständigung mit meinem Neffen P. K., geb. am ... in..., wh. in ... gewartet habe und dieser trotz aller Bemühungen unsererseits sich nicht geneigt zeigte, ein einigermaßen gutes Verhältnis mit uns herbeizuführen, sehe ich mich veranlaßt, mein gesamtes Eigentum nach dem Tod meiner Schwester H. D. Herrn Dr. R. R., Arzt, Praxis in: .... zu vermachen. - Auch die gesamte Familie meines Neffen P. K., sowie meines Neffen W. D. samt Familie schließe ich von dem mir zu vererbenden Besitz aus.
E. D.
.... , den 15. Oktober 1987".
2. Unter Verwendung eines Antragsformulars hat die Beteiligte Nr. 1 mit Schriftsätzen ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt Werner Haitz, vom 07.12.1994 und vom 22.12.1994 beim Nachlaßgericht beantragt, ihr einen Erbschein dahin zu erteilen, daß die Erblasserin von ihr allein beerbt und mit dem Tod der Vorerbin eintretende Nacherbfolge angeordnet worden sei; Nacherbe sei der Beteiligte Nr. 2. In dem ansonsten maschinenschriftlich ausgefüllten Antragsformular war in Spalte 12. b) durch mit der Hand erfolgtes Ankreuzen des Wortes "nicht" angegeben, daß Befreiung von den gesetzlichen Beschränkungen nicht angeordnet sei.
Unter dem 29.12.1994 hat Rechtsanwalt H. dem Nachlaßgericht die Beendigung seines Mandates angezeigt. Mit Schriftsatz vom 10.01.1995 haben die nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten Nr. 1 deren Vertretung angezeigt und den von ihr gestellten Erbscheinsantrag zurückgenommen.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 22.01.2004 hat die Beteiligte Nr. 1 Erteilung eines Erbscheins dahin beantragt, daß sie von Verfügungsbeschränkungen befreite alleinige Vorerbin der Erblasserin sei. Sie hat die Auffassung vertreten, die Erblasserin habe eine Befreiung von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen gewollt; die Befreiung sei im Testament durch die Formulierung angedeutet, die Beteiligte Nr. 1 sei "alleinige Erbin meines gesamten Besitzes". Diesem Antrag ist der Beteiligte Nr. 2 mit Anwaltsschriftsatz vom 20.02.2004 insoweit entgegengetreten, als die Vorerbin danach als von den gesetzlichen Beschränkungen befreit bezeichnet werden soll.
3. Mit Beschluß vom 05.05.2004 hat das Nachlaßgericht angekündigt, einen dem Antrag der Beteiligten Nr. 1 entsprechenden Erbschein zu erteilen.
Hiergegen hat der Beteiligte Nr. 2 mit Anwaltsschriftsatz vom 27.05.2004 Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, das Nachlaßgericht zur Erteilung eines Erbscheins anzuweisen, in dem die Beteiligte Nr. 1 als nicht befreite Vorerbin mit dem Beteiligten Nr. 2 als Nacherben bezeichnet ist. Das Nachlaßgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit Beschluß vom 30.11.2004 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 05.01.2005 eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten Nr. 2, mit der er seinen im Erstbeschwerdeverfahren gestellten Antrag weiterverfolgt.
II. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG) und auch begründet.
Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, mit ihrem ergänzenden Testament vom 15.10.1987 habe die Erblasserin verfügt, daß die Beteiligte Nr. 1 von den gesetzlichen Beschränkungen befreite Vorerbin und der Beteiligte Nr. 2 Nacherbe sein sollen. Die Befreiung der Vorerbin sei im Testament zwar nicht ausdrücklich angeordnet. Dies sei aber auch nicht erforderlich. Es genüge, wenn der entsprechende Wille des Erblassers im Testament - wenn auch nur andeutungsweise oder versteckt - zum Ausdruck komme. Dann könnten auch außerhalb des Testaments liegende Umstände zu seiner Auslegung herangezogen werden. Daß die Beteiligte Nr. 1 von Verfügungsbeschränkungen befreit sei, ergebe sich bei einer Zusammenschau der in ihrer Gesamtheit die Erklärung des Erblasserwillens bildenden Testamente vom 11.11.1971 und vom 15.10.1987. In beiden zeitlich weit auseinander liegenden Testamentsurkunden habe die Erblasserin die Beteiligte Nr. 1 zur alleinigen Erbin eingesetzt. Es sei nichts dafür ersichtlich, daß die Erblasserin dem Begriff "alleinige Erbin" im Testament vom 15.10.1987 eine wesentlich andere Bedeutung hätte beilegen wollen als im ursprünglichen Testament vom 11.11.1971, nach dem die Beteiligte Nr. 1 in jeder Hinsicht in der Verfügung über den Nachlaß frei gewesen wäre. Daß hieran im Zusammenhang mit der Einsetzung des Beklagten Nr. 2 als Nacherbe etwas hätte geändert werden sollen, sei nicht erkennbar. Die weitere Auslegung des ergänzenden Testaments vom 15.10.1987 ergebe vielmehr, daß für die Anordnung der Nacherbschaft weniger der Aspekt der Zuwendung von Vermögen an den Beteiligten Nr. 2 als der Gesichtspunkt ausschlaggebend gewesen sei, die beiden Neffen samt deren Familien vom Erbe auszuschließen. Die Annahme einer befreiten Vorerbschaft werde nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Beteiligte Nr. 2 in der Zeit bis zur Errichtung des Testaments vom 15.10.1987 ein enges und vertrautes Verhältnis zur Erblasserin gehabt und diese ihn möglicherweise als "Ersatz" für ihren Neffen Peter gesehen habe. Aus der Formulierung, daß dem Nacherben das "gesamte Eigentum" vermacht werde, ließen sich hinreichende Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Erbenstellung der Vorerbin nicht gewinnen. Für die Annahme einer befreiten Vorerbschaft spreche zudem, daß es sich beim Beteiligten Nr. 2 zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zwar um eine der Erblasserin vertraute Person gehandelt haben möge, andererseits aber nicht ersichtlich sei, daß und aus welchen Gründen sie sich für sein materielles Wohl und seine Vermögensverhältnisse hätte verantwortlich fühlen sollen. Darauf, ob die in dem von Rechtsanwalt H. für die Beteiligte Nr. 1 eingereichten Erbscheinsantrag von Dezember 1994 enthaltene Bemerkung zur fehlenden Befreiung von den gesetzlichen Beschränkungen wie behauptet zwischen der Beteiligten Nr. 1 und Rechtsanwalt H. im einzelnen besprochen gewesen sei, komme es nicht an. Dies ergebe sich daraus, daß für die Annahme einer befreiten Vorerbschaft nicht die Auffassung der Beteiligten Nr. 1 oder ihres früheren Verfahrensbevollmächtigten von der richtigen Auslegung des Testaments, sondern der in ihren letztwilligen Verfügungen seinen Ausdruck findende Wille der Erblasserin maßgeblich sei.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 546 ZPO) im Ergebnis nicht stand.
a) Zutreffend ist freilich der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach die beiden Testamente vom 11.11.1971 und vom 15.10.1987 in ihrer Gesamtheit die Erklärung des Erblasserwillens bilden: Nach dem ausdrücklichen Willen der Erblasserin sollte ihre frühere Verfügung durch die spätere ergänzt, also nicht aufgehoben oder widerrufen werden (vgl. BayObLGZ 1997, S. 59 ff., 64; Staudinger/Otte, BGB, 2003, Rdn. 68 vor § 2064). Damit wollte sie das früher Erklärte insoweit fortgelten lassen, als es nicht im Widerspruch zu dem im letzten Testament Verfügten steht. Ob und inwieweit ein solcher Widerspruch besteht, ist dann im Rahmen der Auslegung der als Einheit zu sehenden Verfügung zu überprüfen.
b) Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht die letztwillige Verfügung in bezug auf die Frage, ob die Beteiligte Nr. 1 befreite oder nicht befreite Vorerbin ist, als auslegungsbedürftig angesehen. Indessen hat es naheliegende Möglichkeiten zur Ermittlung des Willens der Erblasserin nicht ausgeschöpft und damit den maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Die angefochtene Entscheidung kann daher nicht bestehen bleiben, auch wenn es sich bei der vom Landgericht durchgeführten Ermittlung des Erblasserwillens um vom Rechtsbeschwerdegericht nur in beschränktem Umfang nachprüfbare Tatsachenfeststellungen handelt (vgl. BGHZ 121, 357 ff., 363; Meyer-Holz, in: Keidel/Kuntze/ Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, Rdn. 49 zu § 27 m.w.N.).
aa) Die Erblasserin hat eine Befreiung der Vorerbin jedenfalls nicht ausdrücklich angeordnet. Dies ist zwar - wie das Landgericht richtig ausgeführt hat - auch nicht erforderlich, vielmehr genügt es, wenn der Befreiungswille im Testament selbst irgendwie, wenn auch nur andeutungsweise oder versteckt, zum Ausdruck kommt (BGH, FamRZ 1970, S. 192 ff., 193; BayObLG, FamRZ 2005, S. 65 ff., 67 m.w.N.). Läßt indessen der für die Auslegung der letztwilligen Verfügung maßgebliche Wortlaut Zweifel offen, so ist das Nachlaßgericht bzw. das an seine Stelle getretene Beschwerdegericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 2358 Abs. 1 BGB, § 12 FGG) gehalten, den Erblasserwillen unter Berücksichtigung aller ihm zugänglicher - auch außerhalb des Testaments liegender (vgl. BGH, NJW 1993, S. 256 f.; Otte, in: Staudinger, BGB, 2003, Rdn. 75 vor § 2064) - Umstände, insbesondere auch durch Erhebung der von den Beteiligten angegebenen Beweise, zu ermitteln. Von einer weiteren Sachaufklärung darf nur dann abgesehen werden, wenn von ihr ein sachdienliches Ergebnis nicht zu erwarten ist (BGHZ 40, S. 54 ff., 57; BayObLGZ 2001, S. 203 ff., 207; BayObLG, NJW-RR 1997, S. 7 ff., 8; allgemein zum Umfang der Ermittlungspflicht etwa Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., Rdn. 71 und 118 ff. zu § 12). Ob der Ermittlungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist, ist eine im Rechtsbeschwerdeverfahren zu überprüfende Rechtsfrage.
bb) Als entscheidend für seine Auffassung, die Beteiligte Nr. 1 sei als Vorerbin von den gesetzlichen Beschränkungen befreit, hat das Landgericht den Umstand angesehen, daß sie sowohl im ersten als auch im zweiten Testament als "alleiniger Erbe" bezeichnet wurde. Dabei verkennt es nicht, daß die Einsetzung als alleiniger Erbe für sich allein nicht ausreicht, einen Anhaltspunkt für einen Befreiungswillen zu geben (vgl. RGZ 134, S. 277 ff., 280; BGH, FamRZ 1970, S. 192 ff., 193; Avenarius, Anm. zu OLG Düsseldorf, FamRZ 1998, S. 389 f., 390; ders., in: Staudinger, BGB, 2003, Rdn. 18 zu § 2136). Entgegen der Auffassung des Landgerichts reicht aber auch der Umstand, daß die Beteiligte Nr. 1 mit dem ersten und später ergänzten Testament zur Vollerbin eingesetzt worden war, für sich allein nicht aus, eine Befreiung der Vorerbin anzudeuten. Die vom Landgericht herangezogene Begründung, es ergäben sich "keine Anhaltspunkte dafür, daß die Erblasserin der Verwendung der Worte 'alleinige Erbin' im ergänzenden Testament vom 15.10.1987 eine wesentlich andere Bedeutung hätte beilegen wollen als im ursprünglichen Testament vom 11.11.1971" (BLG S. 7), erscheint schon deshalb als nicht stichhaltig, weil sich durch die Wiederholung nichts daran ändert, daß die Begriffe "Alleinerbe" und "nicht befreiter Vorerbe" unterschiedlichen Kategorien angehören und kein Gegensatzpaar bilden. Dafür, daß die Erblasserin im zweiten Testament anders als im ersten Testament der Bezeichnung "alleiniger Erbe" - jedenfalls: auch - eine die Verwaltungsbefugnis der Vorerbin betreffende Bedeutung beilegen wollte, wären Anhaltspunkte erforderlich. Als solche hat das Landgericht lediglich herangezogen, daß die Erblasserin mit Anordnung der Nacherbfolge ihre beiden Neffen mit Familien vom Erbe ausschließen wollte, und daß sie mit der Beteiligten Nr. 1 bis zur Testamentserrichtung zusammengelebt habe und nicht ersichtlich sei, weshalb sie sich für das materielle Wohl und die Vermögensverhältnisse des Beteiligten Nr. 2 - den sie allenfalls ca. 22 Monate vor Testamentserrichtung kennengelernt habe - hätte verantwortlich fühlen sollen. Diesen Umständen kommt zwar im Rahmen der Ermittlung des Erblasserwillens ein gewisses Gewicht zu. Dieses ist aber nicht so stark, daß weitere naheliegende Erkenntnismöglichkeiten nicht zu nutzen wären.
cc) Zu diesen zu nutzenden Erkenntnismöglichkeiten gehören die Anhörung beider Beteiligter sowie - was vom Beteiligten Nr. 2 jeweils auch beantragt war - Vernehmung des früheren Anwalts der Beteiligten Nr. 1 und die Beiziehung der die zwischen den Beteiligten bereits geführten streitigen Verfahren betreffenden Gerichtsakten. Es kann erwartet werden, daß sich hieraus Aufschlüsse über das von der Erblasserin bei der Testamentserrichtung Gewollte ergeben. Dabei ist es - entgegen der Auffassung des Landgerichts - durchaus von Bedeutung, weshalb die Beteiligte Nr. 1 zunächst durch ihren damaligen Anwalt einen sie als nicht befreite Vorerbin ausweisenden Erbschein beantragt hat. Es liegt nämlich keineswegs fern, daß die beiden Schwestern ihr Testierverhalten miteinander und aufeinander abgestimmt haben, so daß der Beteiligten Nr. 1 das von der Erblasserin Gewollte bekannt geworden sein könnte. Der frühere Anwalt der Beteiligten Nr. 1 wäre dazu zu befragen, ob dem ursprünglichen Erbscheinsantrag entsprechende Äußerungen seiner Mandantin zugrundelagen. Sollte die Beteiligte Nr. 1 - wie bisher - ihren früheren Anwalt nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden (vgl. §§ 383 Abs. 1 Nr. 6; 385 Abs. 2 ZPO), so läge darin eine Beweisvereitelung, die zum Nachteil der die Feststellungslast tragenden (vgl. Grunsky, in: Münchener Kommentar BGB, 4. Aufl. 2004, Rdn. 2 zu § 2136; Avenarius, in: Staudinger, BGB, 2003, Rdn. 13 zu § 2136) Beteiligten Nr. 1 berücksichtigt werden könnte (Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., Rdn. 216 zu § 12 m.w.N. in Fn. 1313; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, Rdn. 13 zu § 385 und Rdn. 14 zu § 286). Die namens der Beteiligten Nr. 1 von ihrem jetzigen Verfahrensbevollmächtigten für die Verweigerung der Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht genannte Begründung - ihr früherer Anwalt sei zwar nach außen formal als Vertreter der Beteiligten Nr. 1 aufgetreten, habe ihren Interessen aber nicht nahegestanden (AS 167); es bestehe Anlaß zu der Vermutung, er werde bei einer Aussage gezielt versuchen, den Interessen der Beteiligten Nr. 1 zu schaden (AS 169) - läuft darauf hinaus, die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit einer von ihm zu erwartenden Aussage zu bestreiten. Die Bewertung einer Zeugenaussage ist aber ureigenste Aufgabe des Gerichts, an deren Erfüllung es die Verfahrensbeteiligten nicht hindern können, ohne damit das Risiko einer ihnen nachteiligen Würdigung einzugehen. Eine Verweigerung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht könnte auch nicht mit der vom Nachlaßgericht gegebenen Begründung als von geringem Gewicht angesehen werden, es sei davon auszugehen, daß der Zeuge aufgrund des langen Zeitablaufs auf seine allgemein korrekte Arbeitsweise und seine Rechtskenntnisse verweisen werde, ein Fehler ihm kaum erinnerlich sein und er "sich hierzu schwerlich bekennen wollen" werde. Denn darin läge die unzulässige Vorwegnahme der Würdigung eines noch nicht erhobenen Beweises (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., Rdn. 12 zu § 286 m.w.N.).
Auf die persönliche Anhörung der Beteiligten zur Sachaufklärung kann im vorliegenden Fall nicht deshalb verzichtet werden, weil von ihnen schriftsätzlich Stellung genommen worden ist (vgl. BayObLGZ 1997, S. 59 ff.; 64). Nach dem Vortrag des Beteiligten Nr. 2 ist die Beteiligte Nr. 1 leicht beeinflußbar und unterliegt auch im vorliegenden Verfahren fremden Einflüssen. Zur Beurteilung, inwieweit dies zutrifft - ob sie insbesondere bei der ersten Erbscheinsbeantragung Einflüssen des Beteiligten Nr. 2 oder ihres damaligen Anwalts unterlag und ob sie bei Rücknahme des ersten und der Stellung des zweiten Antrags sowie im vorliegenden Verfahren fremdbestimmt war oder ist - , bedarf es des persönlichen Eindrucks von den Beteiligten.
3. Nach allem kann der angefochtene Beschluß keinen Bestand haben. Er war daher aufzuheben. Da die Sache nicht entscheidungsreif ist, war sie an das Landgericht zurückzuverweisen. Dieses wird das Testament unter Heranziehung aller Umstände erneut auszulegen und auch über die Kosten der weiteren Beschwerde zu entscheiden haben.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt. Über die Kosten, auch über die des Rechtsbeschwerdeverfahrens, wird vielmehr das Landgericht zu entscheiden haben.
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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