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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 16.02.2004
Aktenzeichen: 15 AR 1/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 281 Abs. 2 S. 4
1. Ein Verweisungsbeschluss in einem Bauprozess, bei dem das Gericht für den Vergütungsanspruch des Unternehmers - entgegen der herrschenden Meinung - keinen Erfüllungsort am Ort des Bauwerks annimmt, ist nicht willkürlich und daher bindend.

2. Für die Bindungswirkung ist darauf abzustellen, ob der Verweisungsbeschluss bei objektiver Betrachtungsweise vertretbar erscheint; auf die Frage, inwieweit die maßgeblichen Rechtsfragen von dem verweisenden Gericht gesehen und geprüft wurden, kommt es nicht an.


Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 15 AR 1/04

16. Februar 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Gerichtsstandsbestimmung

Tenor:

Als zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Mannheim bestimmt.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von Werklohn nach der Durchführung von Malerarbeiten an einem Bauvorhaben in I. (Amtsgerichtsbezirk Heidelberg). Die Beklagte hat ihren Sitz in Mannheim.

Die Klägerin hat zunächst gegen die Beklagte einen Mahnbescheid des Amtsgerichts Stuttgart erwirkt. Im Mahnbescheid ist das Amtsgericht Heidelberg angegeben als Prozessgericht, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abzugeben ist. Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Amtsgericht Stuttgart dementsprechend das Verfahren an das Amtsgericht Heidelberg abgegeben.

Mit Schriftsatz vom 01.08.2003 hat die Klägerin ihren Anspruch begründet und gleichzeitig eine Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Mannheim beantragt. Das Amtsgericht Heidelberg hat mit Verfügung vom 01.09.2003 darauf hingewiesen, das Amtsgericht Mannheim sei örtlich und sachlich zuständig, und gleichzeitig der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Beschluss vom 30.09.2003 hat das Amtsgericht Heidelberg sich für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Mannheim verwiesen.

Mit Beschlüssen vom 25.11.2003 und vom 23.12.2003 hat das Amtsgericht Mannheim eine Übernahme des Verfahrens abgelehnt und den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Amtsgericht Mannheim vertritt die Auffassung, der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Heidelberg sei fehlerhaft und nicht bindend. Das Amtsgericht Heidelberg sei örtlich zuständig gemäß § 29 ZPO (Gerichtsstand des Erfüllungsorts). Da die Klägerin ihr Wahlrecht unter den in Betracht kommenden Gerichtsständen bereits im Mahnbescheidsantrag ausgeübt habe, komme eine Verweisung des Rechtsstreits durch das Gericht des Erfüllungsorts (Amtsgericht Heidelberg) an das Gericht des Sitzes der Beklagten (Amtsgericht Mannheim) nicht in Betracht.

II.

Zuständig ist das Amtsgericht Mannheim.

1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Heidelberg als auch das Amtsgericht Mannheim haben sich jeweils rechtskräftig für örtlich unzuständig erklärt. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Karlsruhe zur Gerichtsstandsbestimmung ergibt sich aus § 36 Abs. 1 ZPO.

2. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Mannheim beruht auf § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Das Amtsgericht Mannheim ist zuständig geworden durch die bindende Entscheidung des Amtsgerichts Heidelberg.

3. Der Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg wäre nur dann nicht bindend, wenn er im Sinne der hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze als objektiv willkürlich anzusehen wäre (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 281 ZPO Rn. 17). Diese Voraussetzungen für eine fehlende Bindungswirkung kann der Senat im vorliegenden Fall jedoch nicht feststellen. Die Entscheidung des Amtsgerichts Heidelberg kann nicht als objektiv willkürlich angesehen werden.

a) Das Amtsgericht Mannheim weist zutreffend darauf hin, dass die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung bei der Errichtung eines Bauwerks und bei Handwerkerleistungen an einem Bauwerk den Ort des betreffenden Gebäudes als gemeinsamen Erfüllungsort ansieht, auch für die Zahlungsverpflichtungen des Auftraggebers (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 29 ZPO Rn. 25 "Bauwerkvertrag"; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl. 1999, Rn. 418 ff.). Diese Auffassung ist allerdings nicht gänzlich unbestritten. Teilweise wird in Rechtsprechung und Literatur auch die Meinung vertreten, es gebe bei Bauverträgen keinen gemeinsamen Erfüllungsort; gemäß § 269 Abs. 1 BGB sei für die Zahlungsverpflichtung des Auftraggebers der Wohnsitz bzw. der Sitz des Auftraggebers bei Vertragsschluss (vgl. die Nachweise bei Werner/Pastor a.a.O.; LG Karlsruhe MDR 1990, 1010) maßgeblich. Die Bedenken gegen die herrschende Meinung werden vor allem damit begründet, dass der rechtliche Gesichtspunkt des "Schwerpunkts des Vertrages", welcher nach der herrschenden Meinung entscheidend für den gemeinsamen Erfüllungsort sein soll, im Gesetz keine ausreichende Stütze finde. Die Rechtsauffassung, Erfüllungsort für die Zahlungsverpflichtung sei der Sitz der Auftraggeberin (hier: Mannheim), erscheint unter diesen Umständen zumindest vertretbar. Der dieser Auffassung entsprechende Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 30.09.2003 ist mithin nicht willkürlich (vgl. zur Bindung der Verweisung in einem entsprechenden Fall auch den Beschluss des Senats vom 17.09.2002 - 15 AR 39/02-).

b) Aus der Verfügung des Amtsgerichts Heidelberg vom 01.09.2003 und aus dem Beschluss vom 30.09.2003 ist nicht eindeutig ersichtlich, ob die maßgeblichen Gründe für die Verweisung an das Amtsgericht Mannheim bereits bei der Entscheidung vom 30.09.2003 gesehen wurden oder ob das Problem eines Gerichtsstands unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsorts erst nachträglich vom Amtsgericht Heidelberg in der Verfügung vom 10.12.2003 gesehen wurde. Für die Frage der Bindungswirkung der Verweisung kann dies allerdings dahinstehen. Maßgeblich für die Frage, ob eine Verweisung objektiv willkürlich erscheint, ist allein eine objektive Betrachtungsweise (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. den Beschluss des Senats vom 28.11.2003 - 15 AR 44/03 -; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10.06.2003 - X ARZ 92/03 - S. 6). Es reicht aus, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Heidelberg vom 30.09.2003 jedenfalls bei objektiver Betrachtungsweise vertretbar erscheint (siehe oben).

Ende der Entscheidung

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