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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 20.02.2004
Aktenzeichen: 15 U 42/03
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 812
HGB § 441
1. Dem Frachtführer steht ein Pfandrecht am Gut wegen inkonnexer Forderungen (Forderungen aus anderen, früheren, Frachtverträgen) nur dann zu, wenn der Absender Eigentümer des Gutes ist oder wenn der Eigentümer den Absender zu einer entsprechenden Verpfändung ermächtigt hatte.

2. Leistet der Empfänger an den Frachtführer eine Zahlung für inkonnexe Forderungen des Frachtführers gegen den Absender, weil der Frachtführer zu Unrecht die Herausgabe des Gutes von der Zahlung abhängig macht, kann der Empfänger Rückzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung von dem Frachtführer verlangen.


Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 15 U 42/03

Verkündet am 20. Februar 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2004 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Hoppenz Richter am Oberlandesgericht Dr. Brudermüller Richter am Oberlandesgericht Schulte-Kellinghaus

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Rastatt vom 25.08.2003 - 3 C 124/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig. Das Amtsgericht R. hat die Berufung zugelassen (§ 511 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO). Da die Klägerin ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb der Bundesrepublik Deutschland hat, ist das Oberlandesgericht für die Berufung zuständig (§ 119 Abs. 1 Ziff. 1 b GVG).Die Erklärung der Beklagten mit Schriftsatz vom 29.09.2003 an das Landgericht B., sie nehme die Berufung zurück, bezog sich nur auf die zum Landgericht B. eingelegte Berufung und nicht auf die Berufung zum Oberlandesgericht Karlsruhe. Zutreffend hat das Landgericht B, mit Beschluss vom 20.10.2003 darauf hingewiesen, dass die Verlustigerklärung des Landgerichts mit Beschluss vom 02.10.2003 sich nur auf das Verfahren vor dem Landgericht B und nicht auf die Berufung zum Oberlandesgericht beziehen konnte.

2. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 487,20 €. In dieser Höhe kann die Klägerin Rückzahlung des am 19.09.2002 gezahlten Betrages verlangen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung).

a) Es ist materielles deutsches Recht anzuwenden. Dies gilt für die Beurteilung des Frachtvertrages zwischen der M. Speditions- und Transportgesellschaft mbH (im Folgenden abgekürzt: M. GmbH) und der Beklagten, für die Vereinbarung zwischen der Beklagten und der p. GmbH (im Folgenden abgekürzt: p.) vom 18.09.2002 (I 27), für die Voraussetzungen der Abtretung der Klageforderung an die Klägerin (Artikel 33 Abs. 2 EGBGB) und für den Bereicherungsanspruch selbst.

b) Die Klägerin ist aktiv legitimiert aufgrund der schriftlichen Abtretungsvereinbarung mit der p. GmbH vom 16.04./29.04.2003 (I 25). Abtretungshindernisse sind nach dem anwendbaren deutschen Recht nicht erkennbar.

c) Die Beklagte weist im Ansatz zutreffend darauf hin, dass die schriftliche Vereinbarung vom 18.09.2002 zwischen der Beklagten und der p. (I 27) als Rechtsgrund anzusehen ist für die Zahlung der p. an die Beklagte. Allerdings rechtfertigt die Vereinbarung ein Behaltendürfen der Zahlung nicht. Denn die schriftliche Vereinbarung vom 18.09.2002 ist ihrerseits kondizierbar gemäß § 812 Abs. 2 BGB.

Die Vereinbarung vom 18.09.2002 stellt keinen gegenseitigen kausalen Vertrag dar; vielmehr handelt es sich um eine selbstständiges Schuldversprechen (§ 780 BGB) welches eines anderweitigen Rechtsgrundes bedurfte. Da dieser Rechtsgrund nicht vorhanden war, ist das Schuldversprechen und damit auch die Zahlung in Höhe von 487,20 € kondizierbar.

d) Rechtsgrund der Vereinbarung vom 18.09.2002 ist das von der Beklagten gegenüber der p. geltend gemachte Pfandrecht an der Ware. Die Beklagte verweigerte unter Berufung auf das Pfandrecht die Auslieferung an die p.. Zu dieser Verweigerung war die Beklagte nur aufgrund eines Pfandrechts berechtigt. Die Zahlung der Beklagten sollte nach dem übereinstimmenden Willen der Beklagten und der p. Voraussetzung für die Auslieferung der Ware an die Beklagte sein. Ohne die Geltendmachung des Pfandrechts durch die Beklagte wäre es zu der Vereinbarung vom 18.09.2002 nicht gekommen.

e) Ein rechtlicher Grund für die Vereinbarung vom 18.09.2002 war nicht vorhanden; denn der Beklagten stand kein Pfandrecht zu, welches sie zur Verweigerung der Herausgabe berechtigt hätte. Maßgeblich für die Beurteilung des Pfandrechts ist § 441 HGB. (Es geht um einen innerdeutschen Transport von K. nach R..)

aa) Der Beklagten stand gemäß § 441 Abs. 4 AGB ein Pfandrecht an der Ware zu wegen ihres Anspruchs auf Frachtvergütung gegen die M. GmbH für den betreffenden Transport von K. nach R. (konnexe Forderung). Diese Forderung hat die Klägerin mit 34,80 € (brutto) angesetzt. Die Beklagte hat eine höhere Vergütungsforderung, die sich gegebenenfalls aus dem Frachtvertrag mit der M. GmbH ergeben könnte, nicht behauptet. Die Klägerin macht eine Rückzahlung dieses Betrages von 34,80 € nicht geltend. Die Forderung der Klägerin (487,20 €) ergibt sich aus der Differenz der geleisteten Zahlung (522,00 €) und der angesetzten Frachtvergütung (34,80 €).

bb) Die Beklagte hat sich auf ein Pfandrecht an der Ware wegen Vergütungsforderungen aus anderen (früheren) Frachtverträgen mit der Absenderin (M. GmbH) berufen. Für solche sogenannten inkonnexen Forderungen stand der Beklagten jedoch kein Pfandrecht zu. Die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Pfandrecht wegen inkonnexer Forderungen gemäß §§ 441 Abs. 1 Satz 1, 366 Abs. 3 HGB liegen nicht vor.

aaa) Die M. GmbH (Absenderin) war unstreitig nicht Eigentümerin der Waren, an denen die Beklagte das Pfandrecht geltend machte. Die Beklagte behauptet auch nicht, dass sie von einer Eigentümerstellung der Absenderin, die ihrerseits Spediteurin war, ausgegangen wäre. Auf die Frage des Schutzes des guten Glaubens kommt es im Hinblick auf das Eigentum mithin nicht an.

bbb) Die Beklagte weist im Ansatz zutreffend darauf hin, dass ein Pfandrecht gemäß § 441 Abs. 1 HGB - sowohl wegen konnexer Forderungen als auch wegen inkonnexer Forderungen - auch an solchen Waren entstehen kann, die sich nicht im Eigentum des Absenders befinden. Entscheidende Voraussetzung bei fremdem Eigentum ist allerdings, dass der Eigentümer den Absender (M. GmbH) ausdrücklich oder konkludent zu der Verpfändung des Frachtguts ermächtigt hatte. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 185 Abs. 1 BGB (vgl. insbesondere Koller, Transportrecht, 4. Aufl. 2000, § 441 HGB Rn. 3). Eine solche Einwilligung des Eigentümers, das Frachtgut auch für inkonnexe Forderungen zu verpfänden, war unstreitig nicht vorhanden. Im Regelfall wird ein Eigentümer, der sein Gut transportieren lässt, lediglich mit einer Haftung seines Gutes für eine konnexe Forderung aus dem Frachtvertrag einverstanden sein, nicht jedoch mit einer Haftung des Gutes für beliebige inkonnexe Forderungen des Frachtführers gegen den Spediteur (vgl. Koller, a. a. O.).

ccc) Ob die Beklagte hinsichtlich einer Einwilligung des Eigentümers in die Verpfändung des Gutes für inkonnexe Forderungen gutgläubig war, kann dahinstehen. Denn es gibt bei inkonnexen Forderungen keinen Schutz guten Glaubens des Frachtführers an die Verfügungsbefugnis des Absenders (§ 366 Abs. 3 HGB). In diesem Punkt unterscheidet das Gesetz ausdrücklich zwischen den Pfandrechten bei konnexen Forderungen und dem Pfandrecht bei inkonnexen Forderungen.

3. Der Bereicherungsanspruch der Klägerin ist nicht ausgeschlossen durch § 814 BGB (Kenntnis der Nichtschuld); denn die p. hat sich mit dem schriftlichen Zusatz "einverstanden, jedoch ohne diesseitige Anerkennung des geltend gemachten Pfandrechts" in der Vereinbarung vom 18.09.2002 ausdrücklich die Rückforderung vorbehalten.

4. Die geltend gemachten Zinsen stehen der Klägerin zu gemäß § 291 BGB.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

6. Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass. (§ 543 Abs. 2 ZPO)

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